Der Pan Dietrich oder der wilde Jäger in der Lausitz

Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Der Pan Dietrich oder der wilde Jäger in der Lausitz
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. S. 203–206
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort: Dresden
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Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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809) Der Pan Dietrich oder der wilde Jäger in der Lausitz.
Preusker Bd. III. S. 167. 177. Gräve S. 54 sq. Köhler im Lausitz. Magaz. 1839. S. 127. 237. Schneider, Begräbnißplätze in Zilmsdorf. Görlitz 1837. II. S. 23 sq.

Der von den Deutschen zu den Wenden gekommene Dietrich von Bern zieht zu jeder Zeit nach Sonnenuntergang mit einer großen lärmenden Hundemeute unter Schießen, Heulen, Gebell, Pfeifen, Pferdegewieher und Peitschenknall in der höhern Luftregion als Jäger umher. Er sitzt bald mit, bald ohne Kopf zu Pferde, und Niemand hat an sich von ihm [204] etwas Uebels zu befürchten. Wer ihn aber neckt oder nachschreit, dem wirft er ein Stück Fleisch von gefallenem Vieh zu, was man ohne Hilfe des Scharfrichters zeitlebens nicht wieder los wird.

Bei Budissin in der Gegend des sogenannten Götterberges zieht der Pan Dietrich über den Czorneboh, man sieht ihn auch am Hochwalde, bei Rammenau in der Nähe von Bischoffswerda und im Raschützwalde, wo er über das sogenannte (muthmaßlich im 30jährigen Kriege eingegangene) wüste Dorf mit Windsausen, Schießen, Hundegebell und Menschengeschrei hinzieht.

Wenn man von dem ohngefähr 1½ Stunde von Budissin gelegenen Dorfe Mönnichswalde den Fußsteig nach dem Marktflecken Wilthen hinwandelt, gewahrt man rechter Hand einen mittelmäßig hohen mit Nadelholz bewachsenen Berg, der Pan Dietrich (d. h. Herr Dietrich) genannt wird und von welchem man sich Folgendes erzählt. Es hat nämlich in den Zeiten des Faustrechts ein wilder unbändiger Raubritter, Namens Dietrich daselbst seine Burg gehabt, der die ganze Gegend umher weit und breit in Furcht und Schrecken setzte, nach vollbrachten Wegelagerungen an Sonn- und Festtagen der Jagd oblag, mit seinen wilden Gesellen schlemmte und zechte, sich weder um Gott noch Menschen bekümmerte und so Tag für Tag sein rohes ungebundenes Leben fortführte. Im Leben ging ihm Alles nach Wunsch und Willen, allein nach dem Tode folgte die Strafe, indem er mit seinen Kumpanen im Früh- und Spätjahre als scheußliche Spukgestalt bald mit, bald ohne Kopf unter Begleitung von Hunden und andern wilden Thieren unter tobendem Lärm, Heulen, Pfeifen, Pferdegewieher und Peitschenknall aus seiner verfallenen Burg, von welcher jetzt nur noch in der Runde zusammengeworfene Steine, denen man keine Bearbeitung ansieht, zeugen, auszieht, im Kreise einige Meilen herumfegt, und sich dann wiederum dahin zurückbegiebt und durch sein Erscheinen Krieg, Pest, Sterben, Mißwachs und andere Unglücksfälle verkündet. Dem Zuge, welchen der Tod auf einer Eule reitend beschließt, schreitet der [205] fromme Bonifacius, der ihn oft vergeblich ermahnte, von seinem rohen wüsten Leben abzustehen, voran.

Daß er sich zuweilen auf dem Löbauer Berge sehen läßt, wissen wir, (s. Nr. 793), allein in einem Holze, unweit Teuplitz bei Muskau, hat der Baron von Reibnitz noch im Jahre 1799 mit seinem Jäger Stäglich den dort sehr bekannten Nachtjäger verfolgt, und ohne etwas zu sehen, Roßtritte, Hundegebell, Hüfthörner und eine förmliche Jagdhetze kaum 40 Schritte vor sich bemerkt, ja 1827 hat dieselbe wilde Jagd ein dasiger Teichwärter ebenfalls vernommen.

In einer andern Gegend der Lausitz wird der wilde Jäger auch der Schömbrich genannt, wahrscheinlich im verdorbenen Volksdialect von einem bösen Gutsbesitzer aus dem Geschlechte derer von Schönberg, gerade wie man unter demselben auch einen andern berüchtigten Raubritter der Vorzeit, den sogenannten eisernen Polenz[1] versteht. Andere denken sich unter ihm den einstigen Besitzer einer Burg auf dem Hutberge bei Schönau, Bernhard von Biberstein[2] (1228), den angeblichen Gründer von Bernstadt, der durch sein wüstes Leben sowohl seinen Unterthanen als überhaupt der ganzen Umgegend großen Schaden zufügte, und nach einem von ihm getragenen blauen Hute (mit diesem soll er wie seine Burg auf einem frühern Altergemälde der Schönauer Kirche dargestellt gewesen sein) vom Volke Blauhütchen genannt wird. Die von ihm zusammengebrachten Schätze mögen wohl die Braupfanne voll Gold bilden, welche angeblich im Hutberge begraben liegen soll.

Nach einer andern Lausitzer Sage[3] wäre der Pan Dietrich ursprünglich ein frommer Herr gewesen, der einst in der Kirche lachte, weil er bemerkte, daß der Teufel hinter dem Altare die Namen der Schläfer auf einer Kuhhaut aufschrieb, sich aber an die Wand stieß und einen Zahn ausbrach, als [206] er die zum Aufschreiben nicht ausreichende Kuhhaut mit den Zähnen mehr auseinander zu dehnen suchte. Durch dies Lachen war es um seine Frömmigkeit geschehen, denn die Sonnenstäubchen, an welchen er sonst seinen Rock aufgehängt hatte, leisteten jetzt diesen Dienst nicht mehr. Aus Verdruß steckte er Brodrinde in den Stiefel und trat mithin Gottes Gabe mit den Füßen. Bald darauf entführte ihn ein Teufelspferd und auf diesem durchstreicht er noch bis jetzt zum Schrecken der Menschen die Luft.


  1. Großer, Lausitz. Merkw. Th. III. S. 95, erzählt, er sei 1509 Besitzer von Senftenberg gewesen.
  2. S. Preusker, Blicke in die vaterl. Vorzeit Bd. I. S. 141.
  3. S. Wolf, Zeitschr. f. Deutsche Myth. Bd. III. S. 112. fg.