Textdaten
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Autor: Hermann Jäger
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Titel: Der Lustgarten im Hofe
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 22, S. 346-347
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1865
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Grab von Franz Freiherr von der Trenck
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Der Lustgarten im Hofe.

Nur Wenige sind in großen Städten so glücklich, einen Garten am Hause oder in der Vorstadt zu besitzen, wo sie die frische Luft genießen, sich der Blumen und der Natur erfreuen können. Die Reichen entfliehen im Sommer der Stadtatmosphäre und eilen in Bäder und frische Waldgegenden; aber die minder Bemittelten, vor Allem die durch Geschäfte oder ein Amt Gefesselten sind fest an die heimathliche Scholle gebunden. Und doch verlangen auch sie aus den vier Wänden, so oft der Beruf es erlaubt. Die Einen besuchen die städtische Promenade (wenn eine vorhanden und nahe genug ist), die Andern öffentliche Gärten; allein Vielen will weder das Eine, noch das Andere so recht behagen.

Fast noch mehr fallen die Kinder in’s Gewicht. Sie haben keinen Platz, wo sie in freier Luft spielen können, weil man nicht Lust hat, sie Gassenkinder werden zu lassen. Dennoch aber ist der reichlichste Aufenthalt in freier Luft für Kinder die Grundlage körperlicher und geistiger Gesundheit.[1] Was ich bisher sagte, werden Viele einsehen, aber keine Möglichkeit der Abhülfe erkennen; es soll daher die Aufgabe der folgenden Zeilen sein, darzulegen, wie Höfe und Gebäude zu Gärtchen eingerichtet werden können. Sehr viele Hausbesitzer haben hierzu Gelegenheit. Man wird sich erinnern, in einer oder der andern Stadt an Kaffeehäusern und bessern Bierwirthschaften nette Gartenhöfe gesehen zu haben, welche den angenehmsten Eindruck machten, so daß man darin mit Behagen einige Nachmittags- oder Abendstunden zubringen mag. Sie sind in der Regel nichts Anderes, als ein ärmlicher Kiesplatz von Laubengängen umgeben, welche zugleich die Nachbargebäude und die Besucher fremden Blicken verbergen. Man hat also mit den einfachsten Mitteln einen für Viele höchst angenehmen Aufenthalt geschaffen. –

Ein anderes weiteres Beispiel sind die Gärtchen von Pompeji, deren in neuerer Zeit eine große Anzahl ausgegraben worden sind und deren Einrichtung bei einigen noch vollständig zu erkennen ist. Das volkreiche Pompeji hatte wenig Raum, aber ein Gartenhof (Peristyl) durfte nicht fehlen. Solche Anlagen muß man zum Muster nehmen. Der Verfasser hat schon manchen früher von den Bewohnern gemiedenen, häßlichen Hof in den zierlichsten Garten umgewandelt, den man in der schönen Jahreszeit förmlich als Sommerwohnung benutzt. Dazu gehört weder besondere Kunst, noch großer Aufwand, sondern nur die Fähigkeit, aus der Localität den größtmöglichen Vortheil zu ziehen. Für’s Erste darf der Hof nicht zu lang und schmal und nicht allseitig von zu hohen Gebäuden umgeben sein, er muß wenigstens einen Sonnenstrahl erhaschen können, wenn auch die Sonne fast nie den Boden erreicht. Dies gehört weniger zum Gedeihen der Pflanzen, als zum Wohlbefinden der Besucher. Ganz enge, düstere, von vier Stock hohen Gebäuden umgebene Höfe, wie man sie noch so oft in alten Vierteln großer Städte findet, sind völlig ungeeignet zu solchen Gartenanlagen. Vor Allem muß man sämmtliche Wände mit Schlingpflanzen bekleiden, wozu sich besonders wilder Wein, Aristolochia und die amerikanischen wilden Reben empfehlen; an warmen Südmauern kann man auch edle Reben, an niedrigen Mauern muß man eine Menge Schlingpflanzen anbringen. Sind die umgebenden Gebäude zu hoch, um sie zu begrünen, so stelle man ringsum einen nach innen offenen Laubengang her, welcher den Blick von dem Hofe abhält. Zuweilen wird der Hof von Nachbargebäuden begrenzt, welche die Schlingpflanzen nicht dulden oder von denen Fenster in den Hof gehen. In diesem Falle errichtet man ein freistehendes Geländer für Schlingpflanzen so weit von der Nachbarwand ab, daß allenfalls eine Baureparatur dahinter vorgenommen werden kann.

[347] Selbst wenn ein Theil des Hofes zu gewerblichen Zwecken oder zum Einfahren von Wagen benutzt werden muß, kann häufig noch ein Stückchen als Gärtchen abfallen; und wenn es nur zwei Quadratruthen wären, so läßt sich da noch ein hübscher Platz daraus machen. Sollte ein ganz zu Gartenzwecken verfügbarer Hof unverhältnißmäßig lang sein, so muß er auf eine sichtbare Weise getrennt werden, sonst wird die Anlage unschön; man müßte denn durch Pflanzungen eine Perspektive herstellen können. Diese Trennung bewirkt man am einfachsten durch ein mit mehreren Logen durchbrochenes Geländer, durch welches man zwar die andere Abtheiluug sieht, aber nicht ganz übersieht, ein Kunststück, welches, beiläufig gesagt, in jedem regelmäßigen Garten von solcher Form gute Dienste thut. Ist der Hof groß, so schadet auch eine unregelmäßige Form nicht, indem man dann Baumanpflanzungen zur Verdeckung anlegen kann. Dieses sollte überhaupt zur Beseitigung der Einförmigkeit (nämlich überall blos Schlingpflanzen) in großen Höfen an fensterlosen Wänden immer geschehen. In Pompeji war ein solches Verdecken der Wände durch gute Pflanzen ebenfalls gebräuchlich, und man hat sogar gemauerte erhöhte Erdbeete, gleichsam Steintröge, zur Aufnahme von Gewächsen gefunden, wo der vulcanische Boden kein tieferes Pflanzen gestattete. Diese Gewächse müssen natürlich dicht und schmal von Wuchs sein, damit sie gut decken, sich nicht stark ausbreiten und sich allenfalls beschneiden lassen.

Die Einrichtung eines solchen Hofgärtchens kann natürlich nur einfach, muß sogar einfach sein. In der Hauptsache wird der ganze Platz als ein längliches Viereck von Rasen mit einzelnen Gebüschen behandelt, um welches sich gerade Wege ziehen. Diese können, wenn der Raum nicht zu eng ist, unter nach innen ganz offenen Laubengängen hinführen; letztere sind jedoch wegzulassen, wenn die Höfe nicht wenigstens vierzig Fuß breit sind, weil sie sonst zu dunkel machen. In diesem Falle genügt auch ein Laubengang an der sonnigsten Seite. Einen der Laubengänge sollte man oben bedecken, damit man bei Regen im Trockenen gehen kann. Ist der Platz groß und besonders lang, so wird ein Querweg, nach Befinden ein zweiter angebracht. Die Hauptsache ist, daß die grünen Plätze in der Mitte möglichst groß werden. Ein offenes Gartenhäuschen oder ein bedeckter Sitzplatz ist fast unentbehrlich, wenn man wirklichen Genuß vom Garten haben will. Kann dasselbe eine hübsche Ansicht bilden, wie z. B. ein von Säulen getragenes Dach, so vermehrt es den Reiz des Gartens; jedoch vermeide man jede auffallende, prunkende Architektur, wenn nicht die Mauer, vor welcher es angebracht ist, vollständig mit Grün verdeckt werden kann.

Oft kann man aus einem Raume in einem anstoßenden Gebäude einen Gartenpavillon machen, indem man die vordere Wand herausnimmt und durch eine Glaswand ersetzt. Kann ein Springbrunnen angebracht werden – was immer in der Mitte zu bewirken ist – so erhöht dieser den Reiz der Anlagen wesentlich. Die Wege müssen so angelegt werden, daß man sie jederzeit trocken begehen kann. Ich würde unter allen Umständen zur Anlage von Asphalt- oder Cementwegen rathen, welche immer trocken sind und deren Instandhaltung keine Arbeit verursacht. Was die Anpflanzungen betrifft, so sind diese durch die Oertlichkeit sehr bedingt. Große Bäume müssen in unserm deutschen Klima ganz vermieden werden, wenn nicht der Hof sehr groß und von niedrigen Gebäuden umgeben ist. Die Nachahmung der römischen Platanenhöfe ist daher nur in besonders heißen, sonnigen Lagen zulässig. Große Bäume machen in eingeschlossenen Höfen den Boden feucht, die Luft dumpfig und verhindern das Aufkommen kleinerer Pflanzen. Schatten geben die Häuser und Laubengänge genug. Ist der Raum nicht beengt, oder können gewisse Wände aus irgend einem Grunde nicht begrünt werden, so werden sie durch eine schmale Pflanzung verdeckt. Auf dem Rasenplatze werden besonders schöne Gehölze regelmäßig angepflanzt, jedoch nicht zu viele, denn die ganze Anlage muß offen und leicht gehalten werden, damit düstere Eindrücke, die sich bei mangelhaftem Licht so leicht bilden, vermieden werden. Die verwendeten Holzarten sollten vorzugsweise immergrüne sein, und es gestattet die geschützte Lage die Anpflanzung mancher, welche in freiern Gärten bedeckt werden müssen, z. B. Kirschlorbeer, Alpenrosen, Chinesische Cypressen, Taxus, des baumartigen Buchsbaums, der Cypresse von Californien (Cupressus Lawsoniana) und von Notkasund (Thujopsis), der verschiedenen Wachholder und Lebensbäume, der kleineren Nadelholzbäume und anderer immergrüner Gehölze; sie müssen die Hauptmasse der Pflanzungen ausmachen. Man pflanze jedoch nicht zu viele Lebensbäume, weil diese im Winter ein häßliches braunes Grün haben.

Rasen wird in vielen Höfen wegen Mangel an Licht nicht gedeihen, müßte wenigstens jedes Jahr durch Raigras angesäet werden. Dafür bilde man immergrüne Plätze aus Sedum, Epheu und Immergrün. Für Blumen ist der Hof wegen fehlender Sonne ungünstig, doch giebt es dennoch viele Blumen, welche auch im Schatten gedeihen und es finden sich auch Plätze, wohin die Sonne im Sommer die meiste Zeit über scheint. Hat man viele Topfgewächse, so werden sie sämmtlich im Garten aufgestellt. Große Töpfe oder Kübel sollten in den Boden gesenkt werden, damit man die Gefäße nicht sieht.

Wer den Hof nicht missen kann, möge ihn wenigstens verzieren, indem er einen Baum pflanzt, um darunter zu sitzen, einen trockenen ungepflasterten Spielplatz für Kinder herstellt, häßliche Ecken, Schmutzwinkel und Düngerstätten mit Gebüsch oder Schlingpflanzen verdeckt. So hat man mindestens einen angenehmen Anblick, wenn man über den Hof geht oder von oben auf ihn hinab blickt. Der Hof ist in vielen Häusern ein widerlicher Schmutzplatz, wo nur üble Gerüche zu Hause sind; aber man versuche es nur mit der Verschönerung, so wird es in vielen Fällen gelingen, und die Gesundheit und das Behagen der Bewohner können dabei nur gewinnen.

Wer aber reich ist, gehe noch weiter und nehme das römische Viridarium und Peristyl zum Muster. Ich will versuchen mit wenigen Worten ein Bild davon zu geben. Das römische Haus war bekanntlich ein längliches Viereck, welches ein Hof von allen oder wenigstens von drei Seiten umgab und nach welchem sich fast alle Fenster und Thüren öffneten. War das Gebäude groß, so wurde dieser Hof in zwei oder drei Abtheilungen getrennt, was entweder durch einen schmalen mit Säulen durchbrochenen Querbau oder eine Säulenhalle bewirkt wurde, die man durch Vorhänge verschließen konnte. Das Atrium (der vorderste Raum) war in großen Häusern oben ebenfalls offen, hatte in der Mitte ein Wasserbecken, welches sich von den Dächern füllte, zuweilen aber auch einen Springbrunnen. Die zweite Abtheilung war das Peristyl oder der eigentliche Garten. Hatte der Hof drei Abtheilungen, so waren sie verschieden, jedoch immer gartenmäßig geschmückt. Das Bassin in der Mitte, zugleich Fischbehälter, durfte nie fehlen. Rings um diese Räume zogen sich Säulengänge, zuweilen zwei übereinander, z. B. in Pompeji im sogenannten „Hause des Faunus“ („Casa del Fauno,“ auch „Casa di Gotha“ genannt), welche jedoch oft an den hintern Seiten fehlten. Diese, sowie die Mauern wurden mit lebhaften Farben bemalt und stellten oft künstliche Landschaften oder eine scheinbare Fortsetzung des Gartens vor. Der Säulengang war zuweilen mit niedrigem vergoldeten Gitterwerk vom Gartenhofe getrennt, oder es waren an den Seiten prächtige Vasen und Töpfe mit Pflanzen aufgestellt. Die Mitte des Platzes wurde fast immer von einen Bassin, häufig Springbrunnen, eingenommen. Lauben und bedeckte Sitzplätze, besonders mit Lagern zum Speisen eingerichtet, fehlten niemals. Blumen scheinen wenig vorhanden gewesen zu sein und zur Zeit des größten Gartenluxus unter den Kaisern waren wohl die meisten Bäume und Gebüsche künstlich geschnitten. Doch fand man zuweilen eine dritte Hofabtheilung als eine kleine Baumwildniß behandelt, welche reich mit Geflügel, besonders mit Singvogeln bevölkert war. Die Platane war der beliebteste Baum und fast in jedem Gartenhofe zu finden. Die Wege des Gartens bestanden, wie wir noch in Pompeji sehen, aus einer Art Steinguß. Wer sich einen Begriff von der Schönheit römischer Gartenhöfe machen will, besuche Potsdam, wo wir in Klein-Glienicke, Charlottenhof und an der Friedenskirche gelungene Nachahmungen sehen.

Hermann Jäger.



  1. Man vergleiche den Aussatz: „Städteverschönerung und Kinderwohl“ in Nr. 7 Jahrgang 1863 von demselben Verfasser.