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Titel: Der Letzte der Hohenstaufen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 51, S. 752–754
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Der Letzte der Hohenstaufen.

Wir hatten Neapel gesehen und seine Herrlichkeiten, sein reiches Museum, seinen rauchenden Berg und seinen prächtigen Golf. Wir hatten uns erbaut und belehrt an den Denkmälern vergangener Größe und verblichenen Glanzes in Pompeji und Herculanum, wir hatten den Zaubergarten von Sorrent, die Sireneninsel Capri und die griechischen Tempelruinen von Pästum besucht, und waren voll des Entzückens über all’ den Reichthum, den Kunst und Natur hier auf diesem kleinen Fleck Erde zusammengehäuft. Ein reicher Gottesgarten, unmittelbar aus der Höhe des Himmels hierher niedergelassen, ein classischer Boden, darauf jeder Schritt uns die stolzen Zeiten römischer Blüthe und Herrschaft ins Gedächtniß ruft, eine große azurüberwölbte Kunsthalle, darin wir allenthalben die Werke der Schönheit erblicken, unser Herz zu erfreuen und unsern Geist zu bilden.

Es blieb uns noch Eins übrig. Der Geschichte des Landes, soweit sie der jetzigen Culturperiode angehört, hatten wir noch wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Und in der That, Neapel und seine Umgebung bieten darin mehr, als man beim ersten Anblick vermuthen sollte. In einer Zeit, wo wieder deutsches Blut die italische Erde genetzt hat, wo wieder auf’s Neue der unselige Kampf entbrannt war zwischen dem deutschen Adler und dem französischen Geier, – da gerade mehr als je geziemt es wohl, sich auch die Denkmäler früherer Kämpfe, die Spuren des kostbaren deutschen Blutes aufzusuchen und als theuere Reliquien zu verehren.

Wir gingen nach der Kirche Maria del Carmine, um dort das Grab des unglücklichen Heldenjünglings Conradin, des Letzten der gewaltigen Hohenstaufen, zu besuchen. Nicht anders wie die Ruinen des Schlosses zu Heidelberg und die Trümmer der Kaisergräber im Dome zu Speyer, nicht anders wie Andreas Hofer in Mantua und die Schill’schen Officiere in Wesel am Rhein, so steht sein Marmorbild hier am Fuße des Vesuv, eine Schandsäule französischer Grausamkeit und französischen Uebermuthes.

Heinrich VI. von Hohenstaufen, Sohn Friedrich Barbarossa’s, hatte 1194 die Tochter Rogers, des Königs von Neapel und Sicilien, geehlicht und dadurch nach dessen Tode dieses Reich auf gesetzmäßige und rechtliche Weise mit der deutschen Kaiserkrone vereinigt. Unmittelbar war es deren rechtmäßiges Eigenthum geblieben, bis Conrad, der zweite Sohn des durch sein kräftiges Auftreten gegen den Uebermuth der Päpste so ausgezeichneten Friedrich II., starb. Sein Sohn, von den Italiänern Conradino, der kleine Conrad genannt, war noch minderjährig. Für ihn führte Manfred, Fürst von Tarent, ein natürlicher Sohn Friedrichs II., die Regierung. Im Jahre 1261 nun bestieg Urban IV. den päpstlichen Stuhl. Sein Hauptbestreben war, die alten Streitigkeiten mit den deutschen Kaisern wieder aufzunehmen, was um so leichter thunlich war, als der Bannspruch noch auf ihnen lastete. Die alten furchtbaren Parteikämpfe der Guelfen und Ghibellinen wurden wieder angefacht, und um das Maß voll zu machen, rief man den Bruder des Königs von Frankreich, Karl von Anjou, Grafen der Provence, herbei und versprach ihm die Herrschaft Unteritaliens, wenn es ihm gelingen sollte, die Kirche und das Land von der angeblich verruchten Herrschaft der Hohenstaufen zu befreien.

Und wirklich, die herbeigerufene Hülfe war würdig des gemeinen Unternehmens. Denken wir uns sämmtliche Barbarei des Mittelalters in einem Manne vereinigt und personificirt, so haben wir ein nur umschriebenes aber klares Bild dieses Befreiers von Italien. So schildern ihn die Schriftsteller seiner Partei und seine eigenen Thaten. Mit vollen Händen griff er, getrieben von seiner ehrgeizigen Gemahlin Beatrix, nach den Bedingungen, die ihm durch eine eigene Gesandtschaft Urban’s vorgelegt wurden, zog im Juni 1265 über die Bergpässe nach Piemont, drang durch Oberitalien und den Kirchenstaat und besiegte 1266 in der Schlacht von Benevento im südlichen Italien mit Hülfe italienischen Verrathes den ritterlichen Manfred. Dieser selbst hatte würdig seiner selbst und seiner großen Vorfahren im Getümmel der Schlacht seinen Tod gesucht und gefunden, als er sich von seinen italienischen Freunden feige und treulos verrathen sah. Sie waren, Richard von Caserta an ihrer Spitze, während des Kampfes zu Karl übergegangen. Nicht lange darnach hielt der Franzose Anjou seinen feierlichen Einzug in die Hauptstadt Neapel und begann von dort aus im Lande umher derart zu morden, zu brennen und zu plündern, daß selbst sein Schutzherr, der Papst, ihm die wiederholtesten und bittersten Vorwürfe machte über „so unerhörte Habsucht, Wollust und Blutdurst.“ Italien war befreit! –

Aber noch war ein kräftiger Zweig des markigen Stammes übrig. Im Herbste des Jahres 1267 zog der 16jährige Conradin mit 10000 Mann über die Alpen, um sein verlorenes Erbtheil wieder zu erobern. Die Ghibellinen Italiens empfingen ihn mit offnen Armen. Alles jubelte in der frohen Hoffnung, nun bald den päpstlichen und französischen Einfluß los zu werden. Leider jedoch blieb es nicht so. Noth und Geldmangel stellte sich ein unter den Söldnern des jungen deutschen Königs. Nicht weniger als 7000 davon verließen ihn und kehrten nach Deutschland zurück, und die Ghibellinen wurden mißtrauisch in den Erfolg der Hohenstaufen’schen Waffen. Conradin ließ sich nicht irre machen in dem, was er als gut und recht erkannt und durchzuführen sich vorgenommen hatte. Unter mannichfachen Schwierigkeiten drang er bis Rom vor. Hier wurde er von seiner großen und mächtigen Partei im Triumphe eingeholt und nach dem Capitol geführt. Er entzündete Alles durch die Schönheit und Heiterkeit seiner Gestalt und die Liebenswürdigkeit seines Wesens. Papst Clemens – Urban war mittlerweile gestorben – war geflohen. Von Rom ging der Zug bald weiter gegen Süden bis zur palentinischen Ebene, wo Karl von Anjou seiner wartete. Bei Scurcola (Tagliacozzo) kam es zur Schlacht. Die Deutschen schienen bereits so vollständig gesiegt zu haben, daß sie sich schon rücksichtslos ihrer Freude überließen, die Beute vertheilten, sich entwaffneten und sogar theilweise in den kühlen Fluthen des Salto badeten, um sich von den harten und blutigen Anstrengungen des heißen Sommertages – es war der 24. August 1268 – zu erholen. Da brach Erard von Valerz[WS 1] mit 700 französischen Reitern, die bis dahin in einem verborgenen Hinterhalte aufgestellt waren, auf die sorglosen Schaaren Conradins ein. Jede Bemühung sie zu sammeln und zu ordnen war vergebens, die Schlacht, welche nach Karls Bericht an den Papst härter und blutiger war, als die bei Benevent, war verloren. Conradin, sein jugendlicher Freund Friedrich von Oesterreich und einige andere Getreue entkamen nach Astura am Meere, von wo sie nach dem befreundeten Sicilien überzusegeln gedachten, wurden aber hier von Johannes Frangipani, einem Manne, der den Hohenstaufen sein ganzes Glück verdankte, verrathen und an Karl von Anjou ausgeliefert. Gemeinen Verbrechern gleich wurden sie nach Neapel gebracht und vor Karl’s Richterstuhl gestellt.

„Auf unparteiischem, leidenschaftslosem, rechtlichem Wege“ – so erzählt Raumer, dessen classische Darstellung wir unverkürzt wiedergeben wollen – „solle über das Schicksal der Gefangenen entschieden werden: deshalb ließ der König Richter und Rechtsgelehrte aus mehreren Theilen des Reiches nach Neapel kommen, welche untersuchen und das Urtheil sprechen sollten. Jeder von ihnen, das hoffte er, werde der Anklage beistimmen: „Conradin sei ein Frevler gegen die Kirche, ein Empörer und Hochverräther an seinem rechtmäßigen Könige und gleich allen seinen Freunden und Mitgefangenen des Todes schuldig.“ Als die Richter diese Anklage vernommen, erschraken sie sehr, wagten aber, der wilden Grausamkeit Karls eingedenk, lange nicht, ihre entgegengesetzte Ansicht unverhohlen darzulegen. Da endlich trat der edle Guido von Sujara hervor und sagte mit lauter, fester Stimme: „Conradin ist nicht gekommen als ein Räuber und Empörer, sondern im Glauben und Vertrauen auf sein gutes Recht. Er frevelte nicht, indem er versuchte, sein angestammtes väterliches Reich durch offenen Krieg wiederzugewinnen; er ist nicht einmal im Angriff, sondern auf der Flucht gefangen, und Gefangene schonend zu behandeln gebietet göttliches wie menschliches Recht.“ Erstaunt über diese unerwartete Erklärung, wandte König Karl, – das niedrige Geschäft eines Anklägers selbst übernehmend und seine eigene Behandlung Benevents vergessend –, hiergegen ein, daß Conradins Leute sogar Klöster angezündet hätten; – worauf aber Guido ungeschreckt erwiderte: „Wer kann beweisen, daß Conradin und seine Freunde das befohlen haben? Ist nicht Aehnliches von andern Herren geschehen? Und steht es nicht allein der Kirche zu, über Vergehen wider die Kirche zu urtheilen?“ – Alle Richter bis auf einen, den unbedeutenden, knechtisch gesinnten Robert von Bari, sprachen jetzt Conradin und seine Gefährten frei; welches preiswürdige Benehmen den König indeß so wenig [753] zur Mäßigung und Besonnenheit zurückbrachte, daß er vielmehr, in verdoppelter Leidenschaft, jeden Schein von Form und Recht selbst zerstörte und frech, jener einzelnen Knechtsstimme folgend, aus eigener Macht das Todesurtheil über alle Gefangene aussprach.

Als Conradin diese Nachricht beim Schachspiel erhielt, verlor er die Fassung nicht, sondern benutzte gleich seinen Unglücksgefährten die wenige ihnen gelassene Zeit, um sein Testament zu machen und sich mit Gott durch Gebet und Beichte auszusöhnen.

Unterdeß errichtete man in aller Stille das Blutgerüst dicht vor der Stadt, nahe bei dem später sogenannten neuen Markte und der Kirche der Karmeliter. Es schien, als sei dieser Ort boshaft ausgewählt morden, um Conradin alle Herrlichkeiten seines Reiches noch einmal zu zeigen. Die Wogen des hier so schönen als friedlichen Meeres dringen nämlich bis dahin, und der diesen herrlichsten aller Meerbusen einschließende Zauberkreis von Portici, Castellamare, Sorrento und Massa stellt sich, durch den blendenden Glanz südlich reiner Lüfte noch verklärt, dem erstaunten Beobachter dar. Auf furchtbare Mächte der Natur deutet jedoch das zur Linken sich erhebende schwarze Haupt des Vesuv, und rechts begrenzen den Gesichtskreis die schroffen, zackigen Felsen der Insel Capri, wo einst Tiberius, ein würdiger Genosse Karls von Anjou, frevelte.

Standbild Conradin’s
in der Kirche Maria del Carmina in Neapel.

Am 29. October 1268, zwei Monate nach der Schlacht bei Scurcola, wurden die Verurtheilten zum Richtplatz geführt, wo der Henker mit bloßen Füßen und aufgestreiften Aermeln schon ihrer wartete. Nachdem König Karl in dem Fenster einer benachbarten Burg einen angeblichen Ehrenplatz eingenommen hatte, sprach Robert von Bari, jener ungerechte Richter, auf dessen Befehl: „Versammelte Männer! Dieser Conradin, Conrads Sohn, kam aus Deutschland, um als ein Verführer seines Volkes fremde Staaten zu ernten und mit Unrecht rechtmäßige Herrscher anzugreifen. Anfangs siegte er durch Zufall; dann aber wurde durch des Königs Tüchtigkeit der Sieger zum Besiegten, und der, welcher sich durch kein Gesetz für gebunden hielt, wird jetzt gebunden vor das Gericht des Königs geführt, welches er zu vernichten trachtete. Dafür wird, mit Erlaubniß der Geistlichen und nach dem Rathe der Weisen und Gesetzverständigen, über ihn und seine Mitschuldigen als Räuber, Empörer, Aufwiegler, Verräther, das Todesurtheil gesprochen und, damit keine weitere Gefahr entstehe, auch sogleich vor Aller Augen vollzogen.“

Als die Gegenwärtigen dies sie größtentheils überraschende Urtheil hörten, entstand ein dumpfes Gemurmel, welches die lebhafte Bewegung der Gemüther verkündete; aber Alle beherrschte die Furcht, und nur Robert Graf von Flandern, des Königs eigener Schwiegersohn, ein so schöner als edler Mann, sprang, seinem gerechten Zorn freien Lauf lassend, hervor und sprach zu Robert von Bari: „wie darfst Du frecher, ungerechter Schurke einen so großen und herrlichen Ritter zum Tode verurtheilen?“ – und zu gleicher Zeit traf er ihn mit seinem Schwerte dergestalt, daß er für todt hinweggetragen wurde. Der König verbiß seinen Zorn, als er sah, daß die französischen Ritter des Grafen That billigten; – das Urtheil aber blieb ungeändert. Hierauf bat Conradin, daß man ihn noch einmal das Wort verstatte, und sprach mit großer Fassung: „Vor Gott habe ich als Sünder den Tod verdient, hier aber werde ich ungerecht verdammt. Ich frage alle die Getreuen, für welche meine Vorfahren hier väterlich sorgten, ich frage alle Häupter und Fürsten dieser Erde: ob der des Todes schuldig ist, welcher seine und seiner Völker Rechte vertheidigt? Und wenn auch ich schuldig wäre, wie darf man die Unschuldigen grausam strafen, welche, keinem Andern verpflichtet, in löblicher Treue mir anhingen?“ – Diese Worte erzeugten Rührung, aber keine That; und der, besten Rührung allein hätte in Thaten übergehen können, blieb nicht blos versteinert gegen die Gründe des Rechts, sondern auch gegen die Eindrücke, die Stand, Jugend und Schönheit der Verurtheilten auf Jeden machten. Da nun, aller Hoffnung einer Aenderung des ungerechten Spruches beraubt, umarmte Conradin seine Todesgenossen, besonders Friedrich von Oesterreich, zog dann sein Oberkleid aus und sagte, Arme und Augen gen Himmel hebend: „Jesus Christus, Herr aller Creaturen, König der Ehren! Wenn dieser Kelch nicht an mir vorübergehen soll, so befehle ich meinen Geist in Deine Hände!“ Jetzt kniete er nieder, rief aber dann noch einmal, sich empor richtend, aus: „o Mutter, welches Leiden bereite ich Dir!“ Nach diesen Worten empfing er den Todesstreich. – Als Friedrich von Oesterreich das Haupt seines Freundes fallen sah, schrie er in unermeßlichem Schmerze so laut auf, daß Alle anfingen zu weinen. Aber auch sein Haupt fiel. Nach diesen mordete man noch Mehrere. Die Leichen der Hingerichteten wurden nicht in geweihter Erde begraben, sondern am Strande des Meeres verscharrt.

Zu all diesen Herzzerreißenden Thatsachen, die man nach genauester Prüfung als geschichtlich betrachten muß, hat Sage und Dichtung noch Manches hinzugefügt, was den schönen Sinn Theilnehmender bekundet, aber mehr oder weniger der vollen Beglaubigung ermangelt. Ein Adler, so heißt es, schoß nach Conradins Hinrichtung aus den Lüften berab zog seinen rechten Flügel durch das Blut und erhob sich dann aufs Neue. Der Henker ward, damit er sich nicht rühmen könne, solche Fürsten enthauptet zu haben, von einem Andern niedergestoßen. Die Stelle des Richtplatzes ist, ein ewiges Andenken der thränenwerthen Ereignisse, seitdem immer feucht geblieben. Conradins Mutter eilte nach Neapel, ihren Sohn zu lösen, kam aber zu spät und erhielt blos die Erlaubniß, eine Kapelle über seinem Grabe zu bauen; mit welcher Erzählung unvereinbar Andere jedoch wiederum berichten, daß die Karmeliter aus Mitleid oder für Lohn den Leichnam Conradins nach Deutschland gebracht hätten u. s. w.

Soviel ist gewiß, daß eine starke Säule von rothem Porphyr und eine darüber erbaute Kapelle, – mögen sie nun später von reuigen Königen, oder theilnehmenden Bürgern, oder auf Kosten Elisabeths aufgerichtet worden sein, – Jahrhunderte lang die Blutstelle bezeichneten, bis in unsern gegen Lehren und Warnungen der Vorzeit nur zu gleichgültigen Tagen die Säule weggebracht, die Kapelle zerstört und an ihrer Stelle ein Schenkhaus angelegt wurde!“

Soweit über Conradin und dessen Begräbnißstätte der große, deutsche Historiker. An Ort und Stelle erfuhren wir, daß Kirche und Kloster Maria del Carmine von Conradins Mutter, Elisabeth von Baiern, mit dem Gelde gegründet worden sei, das sie zu seiner Loskaufung mitgebracht hatte, eine Angabe, die durch den Baustyl der Kirche, welcher unzweifelhaft dem Beginn der Zopfperiode angehört, mehr als unwahrscheinlich gemacht wird. Ihr Aeußeres entspricht ganz dem traurigen, nichtssagenden Geschmacke des 16. und 17. Jahrhunderts, das Innere ist reich mit Marmor, Gold, Schnörkeleien und Posaunenengeln überladen. Hinter dem Hochaltar befindet sich das gemeinschaftliche Grab der beiden ritterlichen Freunde, Conradin und Friedrich. Einer der Mönche des Klosters führte uns dorthin und zeigte uns beim Schein einer Wachskerze zwei seitlich angebrachte Tafeln, eine alte, die uns mittheilt, daß hier die sterblichen Ueberreste der beiden Helden Ruhe gefunden, und eine neuere mit der Inschrift, daß die irdische Hülle Conradins am 14. Mai 1847 von hier weggebracht und unter seinem Standbilde beigesetzt sei. Ein schwerer, marmorner Sarkophag in Rococo deckt die Grabstätte. Es scheint ganz unzweifelhaft, [754] daß zur Zeit der Herrschaft des Hauses Oesterreich, welches zu Anfang des 18. Jahrhunderts die Krone Neapels gewann, dem Grabe diese Decoration gegeben wurde. Würdiger wußte der jetzt regierende König von Baiern das Andenken seines erhabenen Verwandten zu ehren. In der Mitte der Kirche, der Kanzel gegenüber, steht auf mächtigem Piedestal das überlebensgroße Standbild Conradins, nach Thorwaldsen’s Modell von Schöpf aus München kunstvoll in carrarischem Marmor gemeißelt. Das jugendfrische Haupt mit feinen klaren Augen, kräftigen Zügen und langwallenden Locken ziert die Königskrone, ein faltenreicher Mantel deckt den mit einer kurzgeschürzten Tunika bekleideten schlanken Körper, die eine Hand hält das breite Schwert, die andere ist mit energischem, aber doch anmuthigem Ausdruck in die Seite gestemmt. Eine tiefe Rührung überkommt uns, wenn wir bewundernd dastehen vor dieser Bildsäule voll Leben und Wahrheit. Wir denken wieder an alle Kraft und Herrlichkeit des gewaltigen Hohenstauffen’schen Geschlechtes, wir denken an sein Ringen mit der Macht des römischen Stuhles, wir denken an den freien Flug seiner Geister, wir denken endlich an seinen traurigen, aber nichtsdestoweniger stolzen und erhabenen Untergang. Wie ein Mann, so faßte der Knabe Conradin den Plan, seine angestammten Rechte in Italien geltend zu machen, so kämpfte er dafür in der heißen Schlacht von Scurcola und so stieg er ruhig und gefaßt auf das Schaffot – würdig in Allem seiner großen und gewaltigen Ahnherrn. Gleich einem lebendigen Drama wirkt das Beschauen seines Bildnisses auf uns ein. Es ist das Schicksal eines Titanengeschlechtes verkörpert in einer Person, seine welterschütternde Größe und sein tragischer Fall, seine männliche Tugend und seine unheilvolle Schuld ... ja seine Schuld – denn warum trugen die großen Kaiser unablässig, wie von einem bösen Fatum getrieben, ihre besten Kräfte nach Italien, während es daheim im deutschen Lande genug zu wirken gab für den Kriegsherrn wie für den Fürsten? – „Und jede Schuld rächt sich auf Erden.“ Das Piedestal trägt folgende Inschrift in gothischen Lettern:

Maximilian Kronprinz
von Bayern
errichtet dieses Denkmal
dem Verwandten seines Hauses,
dem König Conradin,
dem Letzten der Hohenstaufen,
im Jahre 1847, den 14. Mai.

Zu beiden Seiten befinden sich vortreffliche Reliefs, das eine der Abschied Conradins von seiner Mutter, das andere das schmerzliche und letzte Umarmen Conradins und Friedrichs vor dem Henker. Sie erhöhen das Ergreifende und Tragische der Wirkung in sinnentsprechender Weise. Die von Raumer erwähnte Säule wird gegenwärtig in der nahegelegenen Kirche Santa Croce al Mercato aufbewahrt. Sie trägt folgende Inschrift:

Asturis ungue leo pullum rapiens aquilinum
Hic deplumavit, acephalumque dedit.

(Zu Astura ergriff der Löwe den jungen Adler mit seiner Klaue, hier zerraufte und tödtete er ihn.) In der Nähe steht ein kleines, unbedeutendes Kaffeehaus. Hier soll die Stelle sein, wo man das Schaffot errichtet hatte.

Und so sehen wir den jungen Königsadler fallen, der, eben erst dem Neste entflohen, seinen kühnen Flug wendet nach den Gipfeln der Apenninen und des Aetna, um dort zu siegen und zu herrschen. Er war treu geblieben der Kraft und dem Gedanken seiner Väter, und darum mußte auch er ihr Schicksal theilen, Großes zu wollen und zu erstreben, aber in dem Ringen darnach zu erliegen. Und ist es nicht ein ergreifendes Moment, zu sehen, wie das sich ewig rächende Geschick gerade den Unschuldigsten und Jungfräulichsten des geistesmächtigen Geschlechtes ausgewählt, um daran in letzter Entscheidung das bittere Vergelten zu üben und zum letzten Male die alten Fehler zu sühnen? Ist es nicht ein erhabenes Schauspiel, zu gewahren, wie gerade in dem Jüngsten und Letzten des Heldengeschlechtes sich alle Größe und alle Mannestugend vereinigt, die mit starker Hand zweihundert Jahre lang Deutschland regierte und die fortgeerbte Gewalt Gregor’s VII. erschüttern machte, um dann zu sinken, groß und gewaltig wie sie gelebt? Aber nur dem Verrath konnte es gelingen, einen Manfred zu besiegen, und nur der schnödesten Verhöhnung alles göttlichen und menschlichen Rechtes, einen Conradin zum Richtplatz zu schleppen. Jedoch auch diese Schuld mußte sich rächen, noch ehe das Jahrhundert zu Ende gegangen. Dem blutigen Schauspiele in Neapel folgte bald das noch blutigere in Sicilien, bekannt unter dem Namen der sicilianischen Vesper, wo die Befreier Italiens bis auf den letzten Mann aus dem apulischen Reiche vertrieben wurden. –

Anmerkungen (Wikisource)