Der Katzenveit im Kohlberge bei Zwickau

Textdaten
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Autor: Johann Georg Theodor Grässe
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Titel: Der Katzenveit im Kohlberge bei Zwickau
Untertitel:
aus: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Band 2. S. 15–20
Herausgeber:
Auflage: Zweite verbesserte und vermehrte Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1874
Verlag: Schönfeld
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Erscheinungsort: Dresden
Übersetzer:
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Originalherkunft:
Quelle: Google-USA* und Commons
Kurzbeschreibung:
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[15]
616) Der Katzenveit im Kohlberge bei Zwickau.
Ein gründlicher Bericht vom Schnackischen Katzen-Veite[1], Als einem wercklichen und würcklichen Abentheure beym Kohlberge im Voigtlande etc. An den Tag gegeben Von Steffen Läusepeltzen, aus Ritt mier ins Dorff o. O. u. J. (1651) 8.

Um den Kohlberg bei Zwickau soll sich ein Gespenst sehen lassen, welches seiner lustigen Streiche wegen viele Aehnlichkeit mit dem Rübezahl hat und der Katzenveit heißt. Jener drei Meilen von Zwickau gelegene Berg hat seinen Namen von den Steinkohlen, die er enthält und soll seit dem Jahre 1479, wo einmal ein Jäger einen Fuchs gehetzt und nachdem er solchen verfolgt, sein Gewehr von Ohngefähr in eine Grube losgebrannt, innerlich brennen. Wer jener Katzenveit ursprünglich gewesen, darüber hat nun der Verfasser jenes obengedachten Buches vielerlei Vermuthungen aufgestellt, [16] unter Anderem sagt er, er sei einst ein sehr ungetreuer Schösser oder Statthalter der Hessen, also ein Catten-Voigt gewesen, habe aber so viele Gelder und Einnahmen unterschlagen, daß er nach seinem Tode nicht habe ruhen können, sondern immer spukend umgegangen sei, bis er von einem Hexenmeister und Teufelbanner in diese Wildniß verbannt worden: weil er sich nun nicht unter diesem Berge wolle bergen lassen, sondern sich über die schwere Last beschwere, so bewege er den Berg und speie aus Bosheit und Gift Feuer von unten in die Höhe. Am Meisten läßt er sich zur Zeit des St. Veitstages spüren, wo die Sonne in das Zeichen des Krebses tritt. Von ihm werden nun verschiedene lustige Streiche erzählt.

So zog einst in einem voigtländischen Städtchen ein fremder Hausirer mit Brillen und einer Menge Kurzwaaren herum und betrog die Leute durch seine geschickte Redegabe um ihr Geld und hing ihnen dafür seinen unnützen Kram auf. Das verdroß den Katzenveit, der gerade dort herum strich, gewaltig, er kaufte ihm also ein hölzernes Pfeifchen für 15 Pfennige ab, obgleich jener 18 gefordert hatte, und versprach ihm noch mehr Waaren zu nehmen, wenn er mit sich handeln ließe, betastete dann jedes einzelne Stück und steckte es wieder an seinen Ort, worauf er angeblich um Geld zu holen sich entfernte. Sobald er aber weg war, da hatte sich der ganze Kram des Hausirers in Seile, Stricke, Stränge, Sackbänder, Peitschenschnüre und Bindfaden verwandelt und an seinem Halse befand sich ein natürlicher Diebsstrang, an dem ein kleiner hölzerner Galgen baumelte. Da stand nun Matz Flederwisch ganz bestürzt da und wunderte sich, daß er auf einmal aus einem Materialisten ein Seiler geworden.

Einst hatte ein geiziger Bauer seinen ganzen Sinn auf die Bienen gestellt und wo er nur einen Schwarm vermuthete, derselbe mochte nun von den seinigen abgezogen oder anders woher gekommen sein, da hat er seinen Korb angeschlagen. Das hat den Katzenveit schwer verdrossen. Er hat sich also [17] in Gestalt eines Bienenschwarms an einen Baum gehängt und ist von dem geizigen Bauer schnell in den Bienenkorb geschlagen worden. Als derselbe nun nachsehen will, wie sich der Schwarm im Gefäße gebeerde, da wird er gewahr, daß die vermeinten Bienen schon darin gearbeitet, Zellen und Honig gesetzt haben. Darüber hat er sich erst sehr verwundert, aber als er näher zuschaut, findet er, daß der vermeintliche Honig stinkender Koth sei, welchen ihm eine im Stocke sitzende Eule mit den Flügeln in’s Gesicht schleuderte, dann herausfuhr und auch seine übrigen Bienenstöcke, 200 an der Zahl, mit entführte; der Bauer aber, der ihr nacheilte und sie aufhalten wollte, brach vor lauter Eifer beide Beine.

Ein anderes Mal kam ein fremder Botaniker auf den Kohlenberg und dachte dort kostbare Pflanzen zum Goldmachen zu finden, zu dem gesellte sich der Katzenveit als Kräutermann gekleidet und nannte ihm das reife Silberblatt, Pfennigkraut, Tausendgüldenkraut, Goldblümchen, Frauenmütze etc. als lauter Kräuter, die Gold brächten. Der Thor grub nun alle diese Kräuter aus, weil er meinte, Gold unter ihnen zu finden, allein er fand nichts, und als er mit seinem Funde schnell nach Hause eilte, brach er unterwegs den Arm, ja er erschlug zu Hause in der Hitze seine Frau, die ihn ausgelacht hatte, und grämte sich dann theils deswegen, theils weil er aus den Wurzeln nicht reich geworden war, zu Tode.

Einst ist er nach Tripstrille als Kammerjäger gekommen und hat vorgegeben, er könne Ratten und Mäuse vertreiben. Dafür hat man ihm eine Parthie schöner Thaler versprochen, allein als er das Ungeziefer weggebannt, ihm solche nicht ausgezahlt. Da ist er nach Art des Rattenfängers von Hameln wiedergekommen und hat alle Katzen der Bürger, deren 666 gewesen sein sollen, aus der Stadt geführt, und seit dieser Zeit sollen dort keine Katzen mehr fortkommen.

Einmal hat ein Saufbruder vor Pfingsten Maien beim Kohlenberge geholt und in seine Behausung gebracht, in [18] Willens eine grüne Lust dabei zu genießen und seine Biergötzen damit zu beehren, das hat den Katzenveit, der der rechte Waldmeister und Baumherr ist, schwer geärgert. Wie nun solcher Birkenschmuck hin und wieder in der Stube ausgebreitet und damit gleichsam eine Lauberhütte gemacht worden war, da wird das Bierfaß hereingeschleppt, in die Mitte gestellt und der Saufbarthel und seine Freunde setzen sich auf Schemeln rund herum und gießen so einen Becher nach dem andern in die Gurgel hinab und bringen sich einen Toast nach dem andern zu. Auf einmal fängt aus dem Laube ein Kuckuck zu schreien an, was ihnen anfänglich gar närrisch vorkommt, darauf fängt ein Storch an zu klappern und endlich singt die Nachtigall ihr Runda Runda Dinellula. Da erschrecken sie bald ein Wenig und wissen nicht, wie ihnen geschieht, denn bald werden sie gezupft und sehen doch nicht, woher es kömmt, bald schwingen und schütteln sich die Maien und schlagen auf die Tagediebe los, daß sie Zeter und Mordio schreien und aus der Stube hinweglaufen. Gleichwohl hoffen sie, der Spuk werde sich bald wieder verlieren, damit sie zu ihrem Gelage zurückkehren können. Sie gucken darüber zum Fenster herein, siehe da waren aus allen Maien junge Mägdlein geworden, welche schöne Gläser in den Händen hatten. Da sprangen Alle eilig wieder in die Stube, faßten sie an und sprangen mit ihnen um das Bierfaß herum. Wie sie sich aber ein Wenig umschauen, da haben die Dirnen Teufelsklauen an Händen und Füßen, ein großes rundes Auge mitten im Kopfe und an diesem Ziegenhörner. Ei, wie theuer wurde ihnen jetzt das Lachen, wie gern wären die Hengste jetzt hinaus und davon gewesen! Aber sie mußten ausharren und bei etlichen Stunden also herumhüpfen, daß ihnen der Angstschweiß an allen Orten ausbrach und sie endlich für todt niedersanken. Zwar haben sie sich bald wieder erholt, aber ihre lose Pfingstlust war ihnen für immer vergangen.

Oft zog er als fahrender Schüler im Lande herum und foppte die Wirthe. So kam er einst als armer Student zu [19] einer Wirthin und legte sich ohne Weiteres in ein schönes Gastbett. Sie aber trieb ihn heraus, er aber stahl ihr das Bett und verkaufte es. Ein anderes Mal sah er, daß eine Schenkwirthin gebratene Tauben am Spieße stecken hatte, als sie nun aus der Küche abgerufen ward, huschte er hinein, nahm sie mit sich und aß sie ungescheuet in der Stube am Tische auf. Wie nun die Frau das sah und ihr Eigenthum vermißte, fragte sie ihn, wie er zu den Tauben komme, und er antwortete: „wie kömmt der Tag zum Winde (sintemal es gerade sehr stürmte)?“ Damit nahm er die andere gestohlene Taube beim Kopfe und fraß sie auch auf. Endlich kam er einst in ein Dorf, wo ein geiziger Pfarrer wohnte, der Niemandem etwas gab, sondern alle Ansprechenden entweder selbst in einem dicken Bauernpelz vermummt, oder durch seine Leute oder mittelst seines Kettenhundes forttrieb. Bei diesem trug er sich so an, als gehe er auf Freiersfüßen und wolle seine Tochter ehelichen. Da nahm man ihn mit Freuden auf, der Vater ließ etliche Tauben zurichten und braten und die Mutter lief etliche Male vom Feuer weg und ließ die Küche leer stehen. Nun zog er schnell die mitgebrachten jungen abgerupften Raben aus dem Räntzel, lief zum Heerde, spieste sie an und so wurden sie zusammen fertig. Als sie aber aufgetischt wurden, da partirte er letztere auf den Teller des Pfarrers und seiner Frau, und kehrte es also, daß die rechten Tauben auf den seinigen kamen, dann aber machte er sich, nachdem sein Appetit gestillt war, aus dem Staube.

Einst fragte man ihn, warum jetzt Alles so theuer sei, und er antwortete, es gebe jetzt mehr Tribulirer und Flegel als sonst, besonders junge Drescher, die Procuratoren hießen und sich für ihre Dienste allemal zuvor bezahlt machten, also, daß wenig in den Scheunen bliebe. Das hörte zufällig ein Advokat, der dabei stand und sprach: „ganz recht, mein Knecht!“ und indem er ihn bei der Hand faßte, sagte er: „ich greife nach dem Flegel und marschire auf die Tenne in Willens, den Rest vollends auszuklopfen und darauf zu [20] schlagen, bis ich das Stroh aufreibe.“ Aber jener nicht faul, packte den Rabulisten bei der Cartause, fuhr ihm erstlich über’s Maul, warf ihn dann zu Boden und sprach: „halt, Geselle, ich muß Dich ein wenig zudreschen,“ und indem schlug er mit allen beiden Klöppeln auf die ungegerbte Garbe los, daß das Schrot und Korn haufenweise (denn der Geizhals hatte eben einen Haufen Geldes bei sich) aus dem Strohjunker heraussprang, also daß der neue Drescher nicht allein eine große Ernte an ihm hielt und seine Säckel anfüllte, sondern auch die Zuschauer eine gute Nachlese halten konnten, weil der Katzenveit ihn wund geschlagen. So hatte der Patient keinen Beweis, seinen Beleidiger zu verklagen, und damit zu wuchern, sondern er mußte die Stöße hinnehmen, als hätte ihn ein Hund gebissen.


  1. J. Grimm in s. deutschen Mythol. S. 448 weiß vom Katzenveit nur, daß er als Waldgeist auf dem Fichtelberg haust, und man die Kinder mit ihm schreckt, obiges Buch, dessen Verfasser der bekannte J. Prätorius war, kennt er nicht.