Der Kaiser und das Fräulein
Der Kaiser und das Fräulein.
Hoch am Septimer, dem Kaiserpasse,
(Denn die Kaiser pflegten nach Italien
Ueber dieses Bergesjoch zu reiten)
Hielt ich unter steilen Sonnenstrahlen
Um den Felsen noch ein Stück des alten
Saumwegs schwebend über jähem Abgrund.
Mittag ist des Berges Geisterstunde.
In die Sonne blinzelt’ ich. Ein Hornruf!
Frau’n und Ritter gleiten aus den Sätteln.
Sorglich leiten Säumer scheue Rosse.
Die gestrenge Kais’rin seh’ ich schreiten,
Ein versteinert Weib mit harten Zügen.
Schwindelt plötzlich. Ihre Kniee wanken.
Sich entfärbend lehnt sie an die Bergwand …
Rasch ein Held – er trägt das Kaiserkrönlein
Um die Kappe – fängt in seinen mächt’gen
An die Brust gedrückt. Das Mädchen schwebte
Sicher überm Abgrund und er raubt’ ihr
Einen flücht’gen Kuß. Da schwand das Blendwerk.
Weiter pilgernd räthselt’ ich ein Weilchen:
War’s ein Heinrich oder war’s ein Friedrich,
Der die wehrlos Schwebende geküßt hat?