Der Rheinborn
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Der Rheinborn.
Ich bin den Rhein hinaufgezogen
Durch manches schatt’ge Felsenthor,
Entlang die blauen, frischen Wogen
Zu seinem hohen Quell empor.
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Dem hellsten Borne, weit und offen,Darin ein Ruder weinumlaubt
Sich spiegle, wie ein heiter Hoffen,
Entspring’ er leicht, hatt’ ich geglaubt.
Ich klomm empor auf schroffen Stiegen,
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Verwognen Pfaden, öd und wild,Und sah mir ihn zu Füßen liegen
Als einen erzgegoßnen Schild.
Fernab von Heerdgeläut und Matten
Lag er in eine Schlucht versenkt,
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Bedeckt von schweren Riesenschatten,Aus Eis und ew’gem Schnee getränkt –
Hier jauchzt kein Senn, hier schallt kein Reigen.
In kurzen, dunkeln Wellchen geht
Der See. Hier wird die Welt zum Schweigen,
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Wenn nicht ein Stein in Fall gerät –
Ein Sturz! Ein Schlag! Und aus den Tiefen
Und aus den Wänden brach es los:
Heerwagen rollten! Stimmen riefen
Befehle durch ein Schlachtgetos!