Textdaten
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Autor: Franz von Kobell
Illustrator: Hermann Dyck
Titel: Der Gourmand
Untertitel:
aus: Fliegende Blätter, Band 1, Nr. 18, S. 141.
Herausgeber: Kaspar Braun, Friedrich Schneider
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1845
Verlag: Braun & Schneider
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Erscheinungsort: München
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Quelle: MDZ München, Commons
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[141]


Der Gourmand.


Einem alten Gourmand im Traume
Erschien die bessere Welt,
Ein Jeder träumt sie wohl anders,
Die seine war so bestellt:

5
Da liefen gebratene Hasen

Auf einem Feld von Salat,
Da strichen geschmorte Fasanen
Auf sauerkrautener Saat,
Da sah aus porcellanenen Auen

10
Gesulzter Keuler Haupt,

Und Rostbeef war zu schauen,
Die Stirn mit Lorbeer umlaubt.
Manch’ Bächlein von Oel und Essig
Erglänzte in rosigem Schein,

15
D’rinn schwammen gesott’ne Forellen

Und tauchten sich Saiblinge ein.
Da hingen von duftenden Bäumen
Citronen und Austern zugleich,
Und waren die üppigsten Spargel

20
Das Gras im Pflanzenreich.

Da sah man romantische Felsen
Von Punsch à la glaçe geballt,
Von Champignons manch’ Wäldchen,
Von Morcheln manchen Wald.

25
Und mitten durch die Landschaft,

Da floß ein breiter Po,
Der war von lauter Purpur,
Burgunder und Bordeaux,
Und d’rüber eine Brücke

30
Von Mandelteig gebaut,

Die führte zu einem Schlosse,
Wie man’s wohl selten schaut.
Es war ein riesenhaftes
Strasburger Pastetenhaus,

35
Die Gänselebern und Trüffel,

Die sahen zum Fenster heraus.
Das Dach mit rothen Krebsen
Und Hummern war gedeckt,
Indianische Vogelnester,

40
Die hatten sich d’runter versteckt.

Und rings erbrausten Fontainen
Von gold’nem Champagnerwein,
Und murmelten frische Quellen
Von Markobrunner d’rein.

45
Ein Riese stand an dem Thore,

Johannisberger genannt.
Er scherzte mit einem Mamsellchen,
Gar männiglich bekannt,
’War Fräulein Anisette,

50
Das niedlich süße Kind,

Und stutzten noch in der Gesellschaft
Drei Pagen von spanischem Wind. –
Und wie er nun all’ diese Fülle
Mit Kennerauge erblickt,

55
Da pries er der Seligen Wonne,

Und war zum Himmel entzückt.
Und plötzlich ertönt eine Stimme,
Und sagte, dein sei diese Welt,
Doch Ein’s mußt zu nennen du wissen,

60
Was ihrem Schmucke noch fehlt.

Da rief er, berauscht von dem Glücke,
(Längst hatte er d’ran gedacht)
Goddam! Téte de veau ist die Lücke!
Er rief’s – und ist d’rüber erwacht.


Fr. v. Kobell.