Der Gefangene (Eichendorff)
Der Gefangene.
In goldner Morgenstunde,
Weil alles freudig stand,
Da ritt im heitern Grunde
Ein Ritter über Land.
Die Vöglein mannichfalt,
Es schüttelte die Aeste
Vor Lust der grüne Wald.
Den Nacken, stolz gebogen,
So ist er hingezogen
Tief in den Wald hinein.
Sein Roß hat er getrieben,
Ihn trieb der frische Muth:
So ist mir wohl und gut!“
Mit Freuden mußt’ er sehen
Im Wald’ ein’ grüne Au,
Wo Brünnlein kühle gehen,
Vom Roß ist er gesprungen,
Legt sich zum kühlen Bach,
Die Wellen lieblich klungen,
Das ganze Herz zog nach.
Es rauschte Bach und Baum,
Sein Roß thät stille grasen
Und alles wie ein Traum.
Die Wolken sah er gehen,
Er konnt’ nicht widerstehen, –
Die Augen sanken ihm zu.
Nun hört’ er Stimmen rinnen,
Als wie der Liebsten Gruß,
Bis ihn erweckt ein Kuß.
Wie prächtig glänzt die Aue!
Wie Gold der Quell nun floß,
Und einer süßen Fraue
„Herr Ritter! wollt Ihr wohnen
Bei mir im grünen Haus:
Aus allen Blumenkronen
Wind’ ich Euch einen Strauß!
Wie wir beisammen seyn,
Der Kukuk schelmisch lachen,
Und alles fröhlich seyn.“
Es bog ihr Angesichte
Schaut mit den Augen lichte
Das wunderschöne Weib.
Sie nahm sein’n Helm herunter,
Löst’ Krause ihm und Bund,
Küßt ihm den rothen Mund.
Und spielt’ viel’ süße Spiele
Wohl in geheimer Lust,
Es flog so kühl und schwüle
Um ihn nun thät sie schlagen
Die Arme weich und bloß,
Er konnte nichts mehr sagen,
Sie ließ ihn nicht mehr los.
Ward ein krystallnes Schloß,
Der Bach ein Strom, gewunden
Ringsum, gewaltig floß.
Auf diesem Strome gingen
Es konnt’ ihn keines bringen
Aus böser Zauberei.