Der Frauentag
[272] Der Frauentag. Bekanntlich erfreuen sich die Frauen in keinem Lande einer so hohen Verehrung und üben nirgends einen so großen Einfluß, wie in Nordamerika: eine Auszeichnung, die sie neben den freien Institutionen zum großen Theil vielleicht auch einer Sitte der alten holländischen Gründer Neu-Yorks – früher Neu-Amsterdam – verdanken. Diese feierten nämlich jährlich ein Fest, der Vrouwen-Dagh oder Frauentag genannt, an dem sämmtliche junge Mädchen mit Stricken versehen in kleinen Trupps die Straßen durchzogen und ein Treibjagen auf die Knaben anstellten. Wehe dem Armen, der in ihre Hände fiel! Unter Lachen und Jubel wurde er unbarmherzig gegeißelt und durfte keinen Finger zu seiner Vertheidigung rühren. Nur die Flucht stand ihm frei, lieferte ihn aber schon an der nächsten Ecke nur einer andern Patrouille seiner Peiniger unter die Fuchtel. Es war ein Schreckenstag für alte Jungen; denn den naheliegenden Ausweg, sich bei einer so unbehaglichen Witterung fein daheim zu halten, schnitten ihnen die eigenen Mütter ab, die allzu hohen Werth auf der Frauen geheiligtes Vorrecht legten, um nicht selbst ihr Herzens-Benjaminchen schonungslos in den Prügelregen hinauszutreiben. Als einmal der schmerzende Rücken den Witz der Knaben soweit geschärft hatte, daß sie sich zu dem Gedanken erhoben, es gebühre ihnen doch wohl Revange und demgemäß verlangten, der folgende Tag sollte Mannen-Dagh heißen, beschieden sie ihre wackeren Väter dahin, daß hierdurch der ganze Zweck der weisen alten Sitte vereitelt würde, der kein anderer sei, als ihnen schon von Jugend auf die wichtige Lehre einzuschärfen, niemals, unter keiner Veranlassung je die Hand gegen ein Weib zu erheben.
Noch lange nach der Besetzung der holländischen Colonie durch die Engländer erhielt sich dieses Fest, und man muß gestehen, daß die Amerikaner seiner Zucht alle Ehre machen.