Textdaten
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Autor: Christian Ludwig Brehm
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Titel: Der Fischotter
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aus: Die Gartenlaube, Heft 11, S. 169–170
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Thier-Charaktere.
Nr. 2. Der Fischotter.
Von Dr. Ludwig Brehm.

Eine mir vor Kurzem zugegangene anmuthige und belehrende Lebensschilderung eines der merkwürdigsten Säugethiere unseres Vaterlandes veranlaßt mich, die Aufmerksamkeit der Leser dieser weit verbreiteten Blätter für kurze Zeit mir zu erbitten. Ein Stück Naturgeschichte müssen meine Leser freilich mit in den Kauf nehmen und noch dazu im trockenen Lehrtone; ich verspreche aber möglichst kurz zu sein.

Der Fischotter ist ein echtes Amphibium, denn er lebt im Wasser und ruht und schläft auf dem Trockenen. Linné nennt ihn Mustela Lutra, rechnet ihn also unter die Marder, und allerdings hat er in seiner Gestalt und in seinem Zahnbau mit diesen Thieren Aehnlichkeit; allein die Schwimmhäute zwischen den Zehen aller vier Füße unterscheiden ihn hinlänglich, und deshalb haben die Naturforscher der Neuzeit Recht, wenn sie ihn in eine eigene Sippe bringen. Man kennt jetzt ungefähr 12 Arten von Fischottern, und namentlich Amerika ist reich an ihnen. Sie ähneln den unsrigen übrigens mehr oder weniger. Alle liefern ein Pelzwerk, welches wegen seines Glanzes und seiner Weichheit hoch geschätzt und sehr theuer bezahlt wird. Der Pelz dieses Thieres ist auch nicht demselben Wechsel unterworfen, wie der der Marder, sondern im Sommer und Winter fast gleichmäßig; wahrscheinlich in Folge des Aufenthaltes im Wasser. Unser deutscher Otter ist 3–4 Fuß lang und besitzt einen rundlichen Körper mit eben solchem Kopfe, welcher kleine, im Pelze fast versteckte Ohren trägt. Die Füße und der Schwanz sind kurz und erstere durch die Schwimmhäute besonders ausgezeichnet. Der Pelz ist oben glänzend braun, unten aber braungrau und besteht aus sehr dicht stehenden, äußerst feinen Haaren. In der Jugend ist er auf dem Oberkörper dunkelgrau, am Unterkörper braungrau, an der Schwanzspitze blauschwarz.

Dieser Fischotter bewohnt die Flüsse, Seen und Teiche unseres Vaterlandes, wird aber auch in den meisten europäischen Ländern angetroffen und steigt aus den Flüssen in die Bäche und Teiche hinauf. Er besucht im Winter besonders solche Gewässer, welche quellenreich sind und deshalb nicht zufrieren. In unsere Roda kommt er zuweilen von der Saale herauf, selten aber im Sommer. Vor mehreren Jahren wurde einer bei der Forellenfischerei im Hamen gefangen. An seinem eigentlichen Aufenthaltsorte richtet er sich höchst gemüthlich ein. Er gräbt sich nämlich eine Höhle unter dem Ufer, deren Ausgang im Wasser mündet, deren Kessel aber über dem Wasserspiegel liegt. Diese Höhle ist schwer zu entdecken und unser Otter deshalb in ihr geborgen. Hier schläft er am Tage und von unten heraus kommt er Abends herauf, um Fische, Frösche und Krebse, aus denen seine Nahrung besteht, zu fangen. In diesem Fange ist er äußerst geschickt und deswegen den Besitzern der Teiche und den Inhabern von Fischereien im höchsten Grade verhaßt; er ist im Stande, einen Fischteich in kurzer Zeit ganz leer zu machen, und weiß sehr wohl, was gut schmeckt. Die Forellen scheint er besonders zu lieben, ihretwegen verläßt er nicht selten einen Fluß oder Bach und macht einen weiten Spaziergang zu Lande, um zu einem Forellenteiche zu gelangen. Sein Gang ist, wie seine Gestalt erwarten läßt, nicht sehr schnell; er humpelt eben nur dahin. Desto rascher und geschickter ist er im Wasser. Hier schwimmt und taucht er mit außerordentlicher Gewandtheit, natürlich mit offenen Augen. Er kommt nur selten an die Oberfläche, um Luft zu schöpfen, und wenn er fürchtet, daß er bemerkt werden könnte, regelmäßig blos mit der Nase. Seine Klugheit ist überhaupt ziemlich bedeutend, er macht dem Jäger viel zu schaffen, wenn dieser ihn fangen oder schießen will. Doch bietet der Mensch seine ganzen Verstandeskräfte auf, um seiner habhaft zu werden, und namentlich in katholischen Ländern ist unser Thier schlimm daran, weil er hier, aller Naturgeschichte zum Trotz, noch als Fisch angesehen und als Fastenspeise gern gegessen wird. Man erlegt den Otter auf dem Anstand in einer mondhellen Nacht, nachdem man seinen Ausstieg beobachtet hat, oder auch wohl während des Schwimmens im Wasser. In dem Tellereisen fängt man ihn noch leichter, und in manchen Gegenden gehört dieser Fang zu den regelmäßigen Beschäftigungen der Flußanwohner. Das Eisen muß sehr stark und an einer Kette befestigt sein. Man braucht keinen Köder, sondern legt es so tief in’s Wasser, daß es etwa zwei Zoll überspült wird. In Gräben zwischen zwei Teichen, welche die Ottern fischend besuchen, stellt man es zwischen zwei schief zusammenlaufenden Zäunen auf. Im Mai wirft der weibliche Fischotter in Höhlen, welche den oben beschriebenen ganz ähnlich sind und nur einen etwas vergrößerten Kessel besitzen, drei bis vier Junge, welche lange von der Mutter gesäugt und noch länger mit Nahrung versorgt werden, weil sie schon ziemlich groß sein müssen, wenn sie die Fischerei betreiben sollen. Erst gegen den Herbst hin trennen sich die jungen Thiere und verfolgen selbstständig ihren Weg. Obgleich der Fischotter, wenn er alt gefangen wird, ein höchst wüthendes und bissiges Thier ist, läßt er sich doch, wenn man ihn jung in seine Gewalt bekommt, leicht zähmen. Man hat viele Beispiele, daß solche Thiere außerordentlich zahm wurden. Lenz erzählt in seiner vortrefflichen Naturgeschichte davon einige, welche das größte Interesse erwecken. Ich will jene Geschichten um eine vermehren. –

Frl. E. v. S. auf K. gehört zu den wenigen Damen, welche an den Naturwissenschaften große Freude finden und sich sogar an der Forschung betheiligen. Sie hatte die Güte, mir vor Kurzem einen jungen Fischotter für meine Sammlung zu übersenden, und schreibt mir über die Zähmung dieses merkwürdigen Geschöpfes Nachfolgendes, welches mir interessant genug zu sein scheint, um eine größere Verbreitung wünschenswerther erscheinen zu lassen. „Ich erhielt,“ erzählt sie, „von unserm Jäger am 23. September dieses Jahres einen lebendigen jungen Fischotter und beschloß, da ich schon früher einen besaß, ihn aufziehen und zu zähmen. An dem Abende, an welchem mir dieses junge Thierchen gebracht wurde, hatte man es in einen Eimer mit Wasser gethan, in welchem es sich sehr unglücklich fühlte, was es durch sein lautes und oft wiederholtes Pfeifen verrieth. Es war ganz naß und freute sich, als ich es abwischte und in Heu einwickelte; denn es blieb ganz still liegen. Nach ein paar Stunden wurde es, wahrscheinlich aus Hunger, wieder unruhig und pfiff. Viele Versuche, ihm warme Kuhmilch beizubringen, waren fruchtlos. Da schickte ich nach kleinen Fischen, bekam aber keinen lebendigen, sondern nur einen todten, welchen ich in einen kleinen Napf mit Wasser legte. Ich setzte diesen dem kleinen Fischotter vor. Da er den Fisch gar nicht bemerkte, brachte ich das Wasser in Bewegung, um ihm glauben zu machen, daß ein lebendiger Fisch darin sei. Doch bei [170] dem Geräusche des Wassers pfauchte das kleine Thier wie eine wüthende Katze und gab dadurch seinen Abscheu deutlich zu erkennen.

Es war mir sehr peinlich, dem lieben Thierchen, welches ich Hänschen genannt hatte, keine Nahrung beibringen zu können. Da bekam ich von unserm Inspector ein Fläschchen mit einem Gummihütchen, welches seine Frau bei ihrem Kinde benutzt hatte. Ich füllte es mit warmer Milch und hatte die Freude zu sehen, daß Hänschen nach wenigen Versuchen daraus trank, als wäre es bei seiner Mutter. Merkwürdig war mir, daß es nicht die geringste Scheu vor Menschen zeigte und mich sehr bald lieb gewann. Es befand sich unbehaglich, wenn ich es nicht in meiner nächsten Nähe hatte; denn es pfiff dann sogleich, was immer das Zeichen von Unzufriedenheit ist. –

Bald bemerkte ich, daß es gern warm und dunkel schlief, ich gab ihm daher ein Eichhornhäuschen. In dieses kroch es sogleich und schlief mehrere Stunden darin. Es hatte mich, wie oben bemerkt, sehr bald kennen und lieben lernen. Nach kurzer Zeit aber war seine Anhänglichkeit an mich so groß, daß es, sobald ich es rief, aus seinem Häuschen herauskam. – Hatte ich ein anderes Kleid an, so fuhr es pfauchend zusammen, wenn es mich sah; sobald es mich aber sprechen hörte, kam es, wie immer, ganz ohne Scheu zu mir. –

Ich habe ihm ein kleines, mit Steinen gepflastertes Kämmerchen eingeräumt, Da bemerkte ich bald mit Vergnügen, daß es den ganzen Raum desselben, ein kleines bestimmtes Plätzchen ausgenommen, rein erhielt. Wenn ich ihm Milch gegeben hatte, behielt ich es oft längere Zeit in der Stube, während welcher es mich nicht verließ. Ging ich, so war es so nahe bei meinen Füßen, daß es sich unter meinem Kleide befand; setzte ich mich, dann kletterte es mit Hülfe seiner Zehen und Nägel an meinen Kleidern auf meinen Stuhl. Auch wenn ich Klavier spielte, ließ es sich in dieser Gewohnheit nicht stören. War ich aber nicht dabei, dann zeigte es sich schüchtern und unsicher in seinen Bewegungen.

Nach einigen Tagen setzte ich es in mein Cabinet an einen Springbrunnen, in welchem sieh Goldfischchen befinden, allein es beachten weder das Wasser noch die Fischchen. Dies änderte sich jedoch sehr bald, denn es lernte das Wasser sehr bald kennen und lieben. Am dreizehnten Tage seines Hierseins ging es in einen Napf, in welchem sich Wasser für die Hunde befindet, und später war ihm das zwei Zoll hoch in demselben stehende nicht tief genug, deswegen steckte es seinen Kopf, so tief es konnte, in eine kleine in der Stube befindliche Gießkanne. Ich ließ nun ein Wännchen mit Wasser bringen; aber in dieses wagte es sich nicht.

Nach einem Bade trug es Sorge, sich am liebsten an meinen Sachen und, wenn ich das nicht duldete, an etwas Anderem abzuwischen, wodurch es unglaublich schnell trocken wurde. Gewöhnlich legte es sich dazu auf den Boden und wischte sich ab, indem es den Kopf einzog, ausstreckte und wendete. Dies that es auch sehr gern in trocknem Sande, in welchem es sich auch herumwälzte, worauf es den Sand von dem Gesichte mit den Vorderpfoten sorgfältig abstrich. – Da es, wenn auch mit Vorsicht, überall hinkroch und Alles beroch, so nahm ich es nie in die Stube, wenn mein großer Hund darin war, obgleich dieser zu viel Klugheit besitzt, um ihm, da ich es ihm verboten habe, Etwas zu Leide zu thun.

Hänschen war immer sehr vergnügt, wenn ich es aus seinem Kämmerchen rief; dann lief es ganz fröhlich in der Stube herum. Sehr drollig sah es aus, wenn es recht lustig war und mit sich selbst spielte. Es suchte sich einen für diesen Zweck hingelegten Pelz aus, wälzte sich auf demselben und haschte auf dem Rücken liegend nach dem Schwanze oder biß sich in die Vorderpfötchen. Es wurde aber bald müde und schlief dann ein. Ein Lieblingsplätzchen in meiner Schlafstube war ein mit Stroh angefüllter Wäschkorb, welcher die Schlafstätte eines großen Hundes ist. In diesen kletterte es und krümmte sich in ihm so zusammen, daß es nicht mehr Raum als das Innere eines Tellers einnahm. War es noch müde, wenn ich es rief, dann streckte es mir den Kopf entgegen und ließ sich streicheln, legte sich aber dann wieder nieder.

Beim Laufen befindet sich der Leib dicht an dem Boden. Wenn es Etwas hörte, setzte es sich auf die Hinterfüße und richtete den Vorderkörper und den Kopf nach Art der Marder in die Höhe; es hatte auch einen kichernden Ton, wie diese, den es hören ließ, wenn es trotz aller Freude, bei mir zu sein, noch Etwas wollte, was ich ihm nicht gewährte. Später wurde es auch, was es früher gar nicht war, in seinen Bewegungen sehr rasch; denn es lief so schnell, daß ich ihm kaum entkommen konnte, wenn ich es in meine Stube setzte und in größter Eile die Thüre zu gewinnen suchte: gewöhnlich war es mit mir zugleich am Ziele, sodaß ich nicht wußte, wie ich es los werden sollte.

Durch viele Versuche hatte ich es dahin gebracht, daß Hänschen seine Milch aus einem Näpfchen zu sich nahm, doch leckte es erst dann, wenn es die Nase bis auf den Boden hinein gesteckt hatte, wobei von Zeit zu Zeit Blasen in die Höhe stiegen. Sah es einmal auf, dann bemerkte man, daß es bis über die Augen in der Milch gesteckt hatte, welche es, obgleich die Tropfen rings um dieselben standen, ganz offen hatte.[1] In seiner Nahrung war es sehr wählerisch, denn wenn die Milch nicht hinlänglich warm war, nahm es sie nicht zu sich. Dasselbe war auch der Fall, wenn das Gummihütchen nach dem Gebrauche nicht lange genug im Wasser gewesen, also nicht vollkommen ausgewässert war.

Mein Hänschen wurde mit der Zeit immer liebenswürdiger, je älter es wurde. Fast immer hatte ich es bei mir in der Stube, wo es, wenn ich ihm die Aufnahme beharrlich verweigern mußte, sich wie eine Katze hinter den Ofen legte und dort so lange ruhig liegen blieb, bis ich eine Bewegung machte, dann aber war es sogleich wieder bei mir. Bei meinen Gängen in der Wirthschaft begleitete es mich stets und wurde nicht müde, vom Speiseschrank bis zur Küche hin und her zu laufen, was es oft zehn Mal nach einander that. Es hatte gekochtes Fleisch verzehren lernen und genoß mit Vergnügen Suppe von unserm Tische. So sehr ich das liebe Thierchen mit meinen Liebkosungen plagte, so ruhig duldete es dieselben. Ich legte es Minuten lang um meinen Hals, dann auf den Rücken, ergriff es mit beiden Händen und vergrub mein Gesicht in seinem Fellchen; dann hielt ich es unter den Vorderfüßen umfaßt, und drehte es wie einen Quirl herum; Alles dieses ließ es sich geduldig gefallen. – Nur wenn ich es von mir that, bekam es wieder eignen Willen, den es dadurch kund gab, daß es an mir in die Höhe zu klettern suchte. Dadurch hatte es sich einige Male unangenehm gemacht, indem es dann in mein Kleid biß, wodurch sofort Löcher entstanden, welche, weil ich sie nicht sogleich bemerkte, oft zu einer bedeutenden Größe anwuchsen.

Mit diesem Beißen und seinen schmutzigen Pfötchen konnte es mich recht plagen; denn nie blieb ein Unterkleid einen Tag lang sauber. Ich konnte aber doch nicht umhin, das Thierchen schlafen zu lassen, wo es wünschte. So wurde unsere Liebe gegenseitig und immer inniger, je größer und verständiger Hänschen wurde. Allein diese Freude sollte nicht lange dauern: Was man liebt, verliert man am Ersten. So ging es mir mit diesem Thierchen. Es hatte alle Furcht vor den Menschen abgelegt, und dieser Umstand führte seinen Tod herbei; denn Einer unserer Leute ertrat es. – Wie betrübt ich darüber war, brauche ich nicht zu sagen; ich betraure das liebe Geschöpf heute noch.“

So weit das Fräulein; ich glaube nicht nöthig zu haben, zu der Mittheilung dieser schönen und genauen Beobachtungen Etwas hinzuzusetzen, und bemerke nur, daß sie über ein Thier gemacht sind, welches sehr schwer lebendig zu bekommen und, wie wir gesehen haben, noch schwerer aufzuziehen ist, und wichtigen Aufschluß über dessen lange Kindheit und geistige Beschaffenheit geben.

Renthendorf, am 1. November 1860.

  1. Wir haben oben gesehen, daß die Augen des Fischotter, wie die aller tauchenden Thiere, unter dem Wasser offen bleiben.