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Der Dienst des Pfarrers
Der Dienst der Apostel »
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Kapitel I.
Der Dienst Jesu.
 Wer aus der Erfahrung Winke und Ratschläge für das geistliche Amt geben will, muß sie und sich an der amtlichen Tätigkeit Jesu Christi prüfen, der mit kurzen Zügen (1. Petri 2, 21) wie mit einem viel umfassenden und bezeichnenden Sigel das unvergängliche und unerreichbare Ideal des wahren „Geistlichen“ seinen Knechten aufgezeigt hat, die nicht neue Bahnen und Pfade finden, sondern in die der Erdenwelt ausgeprägten Fußspuren Christi treten sollen, ohne doch sagen zu müssen, daß unter solcher Nachfolge, die ja nicht äußere Nachahmung sein will, ihre Freiheit und deren Betätigung leide: denn diese edle Gabe wird durch die Aufgabe nicht gehemmt noch gedrückt, sondern gebraucht und entfaltet. Ist es doch Jesus, der als Herr der Ernte – denn so muß Matth. 9, 38 im Zusammenhalte mit Matth. 13, 30 aufgefaßt werden – aus treuer Hand die Arbeiter in die Ernte sendet, aus reicher sie spendet, aus gewaltiger Vollmacht widerstrebende Knechte zwingt. So gewiß es einseitig ist, das ἐκβάλῃ nur auf die Last anzuwenden, welche niemand so leichthin auf sich nimmt, vielmehr aufgelegt erhalten muß, wie Joh. Gerhard es tut (13. Band der loci S. 11 Tübinger Ausgabe von 1755), so gewiß liegt in dem bedeutsam gewählten Worte ein Hinweis auf das ministerium ipsis angelicis humeris| tremendum (Bernhard v. Clairvaux), das nur im Schutz und Schatten der Seelsorge Jesu Christi und in der Befolgung seines Rats und Beispiels ausgerichtet werden kann. Es scheint nun ein äußerlicher, ja fast unwürdiger Weg zu sein, wenn man, um Jesu Vorbild recht ins Auge nehmen zu können, seine Selbstaussagen und die Worte der Apostel sammelt, in denen vom Amte gehandelt wird. Und doch führt, wie man glauben darf, die statistische Erhebung zu einer gewissen Sicherheit des Urteils, die das ins Herz genommene Bild Christi entweder bestätigt oder korrigiert.

 Die antike Welt ist, wie August Boeckh richtig sagt, die Welt ohne Liebe, darum auch ohne Dienst, in dessen geringster und unscheinbarer Art die Würde des Lebens liegt. Der Ethiker des Altertums weiß nur den Dienst – nicht die λειτουργία, aber die θρησκεία und δουλία als Werk eines ὄργανον ἔμψυχον einzuschätzen. Wie wir in Hand und Fuß unsere Seele legen, so ist der Diener ein Werkzeug, dem Seele innewohnt, nicht in freiem Entscheid zum Dienste befähigt noch eines freier Entscheidung bedürftigen fähig. Und der Mut zum Dienen ist, wie derselbe Ethiker seinem königlichen Zögling einprägt, nicht des Menschen würdig, sondern dem Tiere angemessen. Nie dringt aus der dumpfen, müden Welt der dienenden Seelen ein Freudenruf, der andere zu ihnen lockte, hervor, so arm ist ihr Los, daß es nur vom Schattendasein in der Unterwelt überboten werden kann, wo die lebensunkräftigen Gestalten hausen.

 In diese Welt dringt überraschend und erschreckend der Ruf von der Hoheit des Dienstes. Der Gott, der| aus unerfindlicher Willensrichtung, in unverständlicher Entscheidung zum Gefäß seiner weltverneuenden Gedanken nicht das Volk des Denkens noch des Sinnens, nicht das der Kunst und des ordnenden und bestimmenden Willens, sondern das Volk erwählt hat, „des man Greuel hat“, der an den Werken der Pyramiden und der Tempel, der Gerichtshäuser und Waffenplätze vorüberging, um in armselige Hirtenzelte einzukehren, hat mit dieser Wahl für das unscheinbare und unedle Wesen entschieden und in heiligem Vorgang seiner Kondeszenz das Dienen erwählt. „Siehe, mein Knecht,“ so klingt es aus der alttestamentlichen Prophetie in die aufmerksam lauschende Umwelt hinaus. Dieser Knecht wird nicht streiten und auf der Agora sich hören lassen, ein wortmächtiger Rhetor und gedankenreich blendender Sophist, er wird nicht mit Menschen- noch mit Engelzungen auf den volksbelebten Straßen seine Weisheit anpreisen noch zu Schlacht und Sieg mit weithintragender Stimme rufen, aber er wird aus Liebe zum Dienst das Leiden der Liebe auf sich nehmen und zu dem gebrochenen Baume, zur geknickten Seele sich niederneigen, die von seinem Tritte den Tod erwartet und von seiner Hand das Leben empfängt, und dem armen verhauchenden Licht sich zuwenden, das von seinem Hauche das Letzte fürchtet und das Beste zu neuer Flamme erhält. Er wird dienen, wo nur Verlangen die Bedürftigkeit bezeigt, während er herrscht, wo man seinen Dienst abwehrt. „Siehe mein Knecht!“ Als ob Gott selbst überrascht wäre, klingt der Jubelruf über das Bild, das ihm gleich ist, in eine Welt| der Karikaturen, da „nur der Weise König“ und Königsein allein menschenwürdig ist. Abgelöst von der Doxa der Heimat, selbstwillig geschieden von der Würde und Weihe des Gottseins, ist Jesus Knecht geworden, um Herr zu sein, hat sich „mit der Armut vermählt“, um reich zu machen hat das Unbegreifliche zur Wirklichkeit und das Unfaßliche zum Wesen der Dinge erhoben und den verunstalteten und verzerrten, ihres eigentlichen und bezeichnenden Gehaltes beraubten und verarmten Worten wieder ihren ursprünglichen Reichtum zurückgegeben. Unter Wörtern ward das Wort Fleisch, damit sie echte, volle, klare Worte und Werte würden. Lauter Knechtestum an sich und in sich betrachtet ist es größte Majestät und Kraft, die Wirklichkeit zur Wahrheit zurückzuführen, indem sie von der Lüge in ihr gelöst und erlöst ward. Nichts war so gering, daß es nicht den Knecht Gottes eben um seines Unwertes willen angezogen hätte, nichts so entlegen, daß er es nicht aufgesucht und auf sein Leid wie seine Trostbedürftigkeit angesprochen hätte, also daß der Evangelist, der die πτωχεία τοῦ πνεύματος die sich niederbeugende Gewalt des Jesusgeistes an sich selbst zu bleibender Freude erfahren durfte (Matth. 9, 9), zweimal der Verwundertheit, welche durch den Zusammenklang von Weissagung und Wirklichkeit herangerufen wird, Ausdruck gibt (Math. 8, 17 und 12, 18). Als die Mühereichen und Leidensvollen, die Geängsteten und Zerschlagenen zu Jesu kamen, hat nicht das Heilungswunder, sondern die Wunderart ihm das Herz gewonnen. So heilt nur Ein Arzt, der sich mit Leid und Angst und Not zusammenschließt, als ob er| in sein Eignes käme, ja der nur dadurch heilt, daß er den Schmerz zu seinem Teile macht, sich und sein Leben ein einziges Leid sein läßt (I. Petri 2, 21). Wenn er aber so still und unbedankt, wortlos und ohne Selbstruhm seinen Lohn allein darin sucht, daß er darf, dann tritt dem Evangelisten das Bild des Demütigen vor die Seele, dessen höchster Schmuck das heilige Schweigen und die Stille ist, die wirbt und lädt, aber nicht rühmt. Der Apostel aber, der, selbst ein dem Verlöschen nahes Licht, weil er, wie ein alter Vater sagt, an fremdem Feuer sich stärken wollte (Joh. 18, 25), so viel schonungsvolle, neu ermutigende Liebe erfahren hatte, als nur in der Prüfungsfrage die Erinnerung an Vergebnes anklang (Joh. 21, 15–17), hat ein eignes Wort geprägt, um den Eindruck für alle Zeiten festzuhalten, den Jesu Knechtestreue und dienende Güte (Joh. 13, 1–17) auf und für ihn herangerufen hatte: ἐγκομβοῦσθαι (I. Petr. 5, 5) τὴν ταπεινοφροσύνην das Sklavengewand der Demut anlegen, daß sie Wille und Wesen erfülle.
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 Ein eignes Wort! Denn Augustinus hat recht: Deo gratias, quod id, quod competenter non potest dici, potest fideliter credi. Die Geheimnisse des Dienstes Jesu bleiben unsrem Verstande ebenso unergründlich, als weit über das enge Gefäß der Sprache hinausreichend; genug, wenn sie jenen zum Glauben beschäftigen (Phil. 4, 7) und diese zur Darbietung des ursprünglichen Vollinhaltes bestimmen und kräftigen. So ist das Wort διακονία u. διάκονος das als Selbstbezeichnung im Munde des Herrn sich dreimal findet (Matth. 20, 28, Mark. 10, 43 u. 44, Luk. 22, 27) bei Paulus zweimal| in Einblick auf den Herrn (Röm. 15, 8, Gal. 2, 17), ein Lieblingswort Pauli – ich zähle es mit den beiden angefügten Stellen für den apostolischen Dienst, für das Predigtamt dreiundzwanzigmal[1] für den Dienst der Obrigkeit einmal (Röm. 13, 4); sonst noch viermal (Röm. 16, 1; 2. Kor. 11, 8; Eph. 4,12; Philem. 13) und zweimal (II. Kor. 11, 15) für die Sendlinge des Satans, endlich Apg. 20, 24 in der Abschiedsrede also einunddreißigmal, – während der Evangelist Johannes es nur zweimal als Wort Jesu anführt (Joh. 12, 26) und einmal in der Offenbarung (2, 19), Matthäus bei dem Dienst der Engel für den in der Wüste versuchten Herrn (4, 11) und sonst noch im Gleichnisse vom hochzeitlichen Kleide (22, 13), Markus 1, 13 vgl. Matth. 4, 11 u. 9, 35, Lukas im Evangelium 8, 3; 10, 40; 17, 8, in der Apostelgeschichte 1, 17; 1, 25; 6, 1; 6, 4, im ganzen 14 (17) mal. In den übrigen Schriftteilen des Neuen Testamentes finden wir das Wort nur noch bei Petrus (I, 1, 12; 4, 10) und im Hebräerbriefe (1, 14; 6, 10). Wenn ich also recht zähle, hat das Neue Testament das Wort zweiundfünfzigmal. Und doch ist die Grundbedeutung des Wortes noch nicht aufgeklärt, ob es mit dem Begriffe des δι-ικνεῖσθαι zusammenhängt, also den bis an die Vollendung der gestellten Aufgabe ernstlich vordringenden Dienst meint oder mit κόνι (κονία) Staub zusammenzubringen ist, so daß es mehr die demütigende, gedrückte Art bezeichnen würde, – genug, der Ernst| und die Entschlossenheit, das διατελὲς καὶ διηνεκές sind genugsam angezeigt, so daß das Neutestamentliche α und ω, die beiden alle wortbildenden Buchstaben in sich schließenden, aller Dinge, Anfang, Fortgang und Ausgang andeutenden Zeichen, die Kräfte bezeichnen, mit denen der Herr von dem in Niedrigkeit triumphierenden τετέλεσται am Kreuze (Joh. 19, 30) bis zu dem in Herrlichkeit bekennenden (Offbg. 21, 6) γέγοναν Dienst und Treue fortführt und zu Ende bringt. Von den schlichten Diensten des zu Tische aufwartenden Knechtes, der dem vom Felde heimgekehrten Herrn sich erbietet, dem viel bemühten der Martha und dem sorglich hingegebenen der Engel bis zu dem großen, aller Welt Bedürfnis und Not, Frage und Klage befriedigenden am Kreuze (Matth. 20, 28), welch gewaltiger Fortschritt! Ein Fortschritt, den nur die Treue für nicht zu gering, die Demut nicht für zu groß hält, durch Öde und Leerheit der Welt und des Menschenherzens, durch die kleinen Sorgen, welche den Himmel verschließen, über die großen, welche ihn erstürmen (Matth. 11, 12), aus den Toren der Friedelosen wie aus der Hütte derer, die ihn zu bleiben nötigen (Matth. 10, 13, Luk. 24, 29), führt der Weg, den der Gehorsam brach, gab und schmückte, wanderte und hinterlegte. Unter euch wie ein Diener! Nicht mit hohen Gaben und klugen Worten, noch mit Darbietung neuer Gedanken und ungeahnter Güter. Das haben Entdecker gewagt und Erfinder geleistet. Sondern der eine ewige Erlösung auf dem königlichen Wege des Kreuzes erfunden hat (Hebr. 9, 12) und so der Menschheit, ja allem kreatürlichen Wesen| den größten Dienst und die Lösung aller Streit- und Zweifelsfragen durch eine Erlösung herausgeführt hat, konnte das nur durch die fragund klaglose Hingabe des eigenen Ich erreichen, das einmal ein „Warum“ anhob, um es in Kreuzesleiden sich selbst zu beantworten (Matth. 27, 46). Diese Hingabe hat ihn befähigt, seiner selbst los und ledig allein auf das zu sinnen und für das zu sorgen, was des andren ist (Phil. 2, 4). Ja, obgleich vor seinen Augen die Freude des Sieges nicht nur als verheißende (Hebr. 12, 2), sondern auch als versuchliche Größe lag (Luk. 4, 6), hatte er weder Gefallen an ihr noch an sich selber (Röm. 15, 3), sondern ging still seines Weges, um das Verlorene zu suchen und das Gefundene zu retten. Er hat die Täuschung stets durchlitten und die Enttäuschung doch nicht sich ermüden lassen, sondern sich zu Tode gehofft und über der einen Ähre, die am Brunnen dort ihm sich zuneigte, in gläubiger Gewißheit ein erntereifes Ackerfeld gesehen (Joh. 4, 35), er hat über Völker geweint, über ihre Gegenwart und ihre Zukunft (Luk. 23, 28, Luk. 19, 41) und über den einzelnen sich gefreut, über den Glauben des Hauptmanns und des Weibes, über Anfänge des Jüngerglaubens, der ihn den Vater preisen ließ (Matth. 11, 25). So ist er zum Tode und aus ihm zum Leben hindurchgedrungen, sich darbietend im Worte und in Werken, nicht für sich werbend, sondern um Menschen, nichts für sich begehrend, sondern Seelen erbittend, die er dem Vater darbringen könnte, stets der λατρεία pflegend, die Paulus eine λογικὴ fortan nennt (Röm. 12, 1), eines Gottesdienstes, der diesem Worte allein| entspricht, es erschöpft und erfüllt. Mit dem durchgrabenen Ohre des Jüngers, dem alle Tränen und Trauer, Angst und Not sich erschlossen, mit dem den Müden das Rechte an seinem Orte und zur rechten Zeit darreichenden Worte, mit der Geduld, die sich vor nichts zurückzieht, das um sie bittet, mit dem heiligen Eifer, der allem sich widersetzt, was etwas sein will, ohne es zu sein, und wissen will, ohne etwas zu vermögen (Joh. 2, 17), und gleich am Anfange der in die Erscheinung tretenden Wirksamkeit die Jünger an den Ausgang denken läßt, ist Jesus umhergezogen, mit dem Einfachsten dienend, mit dem Verachtetesten und Verächtlichsten zumal, aber in seinem Munde war das Wort Verbindung von Wille und Wesen, des Willens, der das Wesen zur Erscheinung drängt, des Wesens, das in der Erscheinung dem heiligsten Willen genug tut. Jesu Predigt (Matth. 7, 29), so wenig von ihr uns aufbehalten ist, gleichsam nur der Querschnitt des Ganzen, die Summe aller Lehre, war die des Gewalthabers, dem nicht Worte zu Gebote stehen, sondern der dem Worte zu Gebote sich stellt, um es zu beherrschen und durch seine Gewalt andere zu bestimmen. Weil sie nur einen Gegenstand hatte und haben konnte, Weltversöhnung mit Gott auf Grund des ewigen Opfers an Gott (II. Kor. 5, 19), die Heiligkeit in Sünde gewandelt (II. Kor. 5, 21), damit die Sünden in ihm ein Vollbegriff der Gerechtigkeit würden, darum wollte sie alle weltlichen Lichter mit ihrem trüben Scheine und irren Glanze auslöschen und in ihrer Einfachheit scheinen, (II. Kor. 4, 6) wie gegen das Morgengrauen beschämt die einzelnen ärmlichen Lampen verlöschen, damit die Sonne alles erfülle, und weil sie so tut.
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|  Jesu Predigt ist nie kasuell, weil sie alle Einzelfälle in den einen großen Gesamtbegriff von Sünde und Gnade befaßt, und immer kasuell, weil sie an das Einzelne anknüpft, an die Tränen der Witwe sich wendet und an die eilfertigen und doch so sorgenreichen Fragen des Weibs von Sichem, an die Zweifelsfragen der Jünger und die unruhigen des reichen Jünglings, an die Weisheit des Nikodemus, wie an die suchende Sündenerkenntnis des Zachäus. Die Art der Predigt ist schmucklos und unansehnlich, verschmäht die hohen Worte, gibt aber den einfachsten ihr ganzes Recht und „füllt die Wasserkrüge mit Wasser, das zum Weine wird“. Das Bild gebraucht Jesus gerne, bald das mehr andeutende, bald das ausgeführte, dessen Einzelzüge nicht schmückendes Beiwerk oder nebensächlicher Zier, sondern wohlerwogene und nach Kräften zu enträtselnde Wirklichkeiten sind. Es steht ihm nicht an, vom Ziele durch Ausschilderungen abzulenken und durch Begleitumstände den wichtigsten hervorzuheben, so steht es uns nicht an, irgendein Wort aus seinen Gleichnissen hintanzustellen oder zu übergehen. Quot verba, tot sententiae. Jeden Orts aber wendet sich die Rede an den Willen, daß ein Entschluß, würdig dessen erstehe, dessen ganzes Leben Wille war. Nicht daß man eine kleine Weile sich am Lichte erfreue, verlangt er (Joh. 5, 35), sondern daß man um ewige Speise sich mühe, die alles Opfers wert, aber auch jedem rechten Dienste bereitet ist. Er klingt alle Töne des Menschenherzens an, das tiefste Leid und die reinste Freude, den Schmerz der Verwaistheit (Joh. 16, 33, Joh. 14, 28) und die Freude der Mutter über das Glück,| mit dem sie Erhofftes schauend umfängt (Joh. 16, 21), und redet dann wieder von engen und gedrungenen Wegen und ihren Nöten, von Türen, die wenigen nur Einlaß erstatten, obgleich sie für viele bestimmt waren, weiß nichts von großen Erfolgen, die er einmal ausgeschlagen hat, sondern nur von der kleinen Herde derer, die ihm zu Liebe Anspruch und Rechtsforderung lassen und allein von Gnade leben wollen, er geht weit ausschreitend über das bewegte Meer der Menschheitsgeschichte, aus dem Welle auf Welle ihn umdrängt (Luk. 21, 25), Stürme und Wetter ihn umbrausen, voll von Widerspruch und Einrede, von Spott und Streit, dem allem er sein κηρυχθήσεται τὸ εὐαγγέλιον τῆς βασιλείας (Matth. 24, 14) entgegenstellt. Vor diesem Königswort werden Wellen und Winde schweigen (Matth. 8, 26). Mitten in die schreckhaftesten Bilder einer „übermenschlichen Phantasie“ (Löhe) dringen wieder die lieblichen und gemütsvollen, dem Stilleben der Natur entnommenen und das verzagte Herz zu beruhigen geeigneten Bilder vom Nahen des Frühlings, in dem die Winterstürme verbrausen, vom Grünen des Feigenbaums und aller Bäume (Luk. 21, 29), die ihr welkes Laub verloren. Wundersam geht die Stimmung von Leid in Freude, von der Angst in die Siegesbotschaft, vom Scheiden in den Preis der Heimstätten über und wird doch nirgends des heiligen Gleichmaßes verlustig.
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 Was Augustinus einmal zu I. Joh. 4, 8 sagt „brevis in sermone, magna in intellectu. Quam cito dictur“ Si numeres, unum est; si appendas, quantum est, das gilt von der Predigt, in der Jesu χρηστότης καὶ| φιλανθρωπία (Tit. 3, 4) sich erzeigte, mit der er auf alles Menschliche einging und es wiederum für die Menschen verwandte, seinem ganzen Wesen entsprechend, das die Menschheit ganz in sich befaßte und ganz Natur war, weil Gnade die Natur Gottes ist. Im Worte schattet sich Jesu Wesen ab, ganz menschlich, weil ganz göttlich, klar und rein, ohne Erregtheit über Mangelhaftigkeit und ohne Verlangen nach höherem ganz in sich befriedigt, weil auf dem Wege des Gehorsams allzeit erfunden. „Siehe, ich komme, zu tun, Gott, deinen Willen.“

 So ist die Diakonie Jesu gleichheitliche Willentlichkeit aller seiner Kräfte und Gaben für seinen Vater und seine Nächsten. Indem er jenem sich untergibt, dient er diesen und diesen hinwiederum nur um deswillen, weil er an sie gewiesen ist. Es ist das Gleichmaß von Leiden und Tun, da beides sich einander mitteilt, jenes die Gelassenheit, dieses die Vorwärtsbewegung darbietet, dieses aufwärts weist, wenn jenes niederwärts zieht. Nicht wortkarg, aber in heiligem Schweigen, das fürchtet, Schwerstes durch die Rede um seinen erziehlichen Eindruck, Bestes um seine innerste Weihe zu betrügen, geht diese Diakonie den Weg der Pflicht: Es muß also geschehen (Matth. 26, 54), schlecht und recht, echt und wahr, damit endlich die Welt sehe, was Großes es ums Dienen sei und der Herr aller dienenden Gestalten und Gewalten, der doch selbst in der Schöpfung dienend sich offenbarte und in der Erhaltung Allmacht mit Dienstwilligkeit verbindet, der Gebete erhört und so den Betenden dient, sagen könne: Siehe, mein Knecht.





  1. Röm. 11, 13, Röm. 15, 25, 31, I. Kor. 3, 5, II. Kor. 3, 6–7; 5, 18; 6, 4; 9, 1; 9, 12 u. 13; 11, 8, 23; Eph. 6, 21, Phil 1, 1, Kol. 1, 7, 23; 4, 7, 17, I. Tim. 1, 12, I. Tim. 3, 12; 4, 6; II. Tim. 4, 5; 4, 11.


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