Der Degen Friedrich’s des Großen

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Titel: Der Degen Friedrich’s des Großen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 4, S. 69–70
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[69] Der Degen Friedrich’s des Großen. Es kommt bei der Redaction häufig vor, daß Artikel, welche das Interesse des Publicums in besonderem Grade erregen, Zeitschriften mit Anfragen, Aufträgen, sogar Berichtigungen an dieselbe zur Folge haben. So geschah es mit dem Artikel in Nr. 50 des Jahrganges 1872: „Aus den Zeiten der schweren Noth“, von Georg Horn. Eine anonyme Zuschrift vom 16. December aus Polnisch-Lissa an die Redaction machte es sich zur Aufgabe, gewisse Data aus dem besagten Artikel als unrichtig zu bezeichnen. Wenn schon die Redaction unter ihren Mitarbeitern für jeden besonderen Stoff die sorgfältigste Auswahl trifft, und sie annehmen dürfte, daß der Verfasser, welcher durch sein vortreffliches [70] Buch „Voltaire und die Markgräfin von Bayreuth“ in der Friedrichsliteratur sich einen Namen gemacht hat, seinen Gegenstand sorgfältigst durchforscht habe, so schließt doch das die Möglichkeit eines Irrthums nicht aus, und sowohl die Achtung vor der Majestät der Wahrheit, wie die Rücksicht auf jeden ihrer Abonnenten veranlaßte die Redaction, die erwähnte Zuschrift aus Polnisch-Lissa dem Verfasser, Georg Horn, einzusenden und denselben um eine Rückäußerung darauf zu ersuchen.

„Der Zweck meiner historischen Skizze in Nr. 50“ – so schreibt uns Georg Horn – „war weniger, eine Geschichte des Degens Friedrich’s des Großen zu verfassen, als eine Erzählung des Besuches Napoleon’s des Ersten in Potsdam zu geben. Allerdings gäbe das militärische Scepter, mit dem der große König fast ein halbes Jahrhundert lang Europa beherrscht hat, und das Schicksal desselben während der französischen Invasion eine interessante Monographie, aber dieselbe würde über den Rahmen des angedeuteten Bildes hinausgegangen sein. Auch hatte der Verfasser nicht die Absicht, historische Untersuchungen seinen Lesern zu geben, sondern nur die Resultate derselben in historischen Daten, und diese nur, in soweit sie zu der angedeuteten Aufgabe in Beziehung standen. ‚Der so kleine Degen Friedrich’s des Großen,‘ behauptet der Verfasser der mir übermittelten Einsendung, ‚datirt nicht aus dem Schlosse in Stadt Potsdam, sondern er lag auf dem Sarge des großen Königs in der Gruft unter der Kanzel in der Garnisonskirche in Potsdam. Von dort ließ ihn Napoleon einfach herunter nehmen und mit den andern annectirten Reliquien nach dem ‚Hôtel des Invalides‘ schicken, speciell in dem Glauben, Friedrich der Große habe ihn in der Schlacht bei Roßbach geführt. Dieser Degen ist aber nie wieder nach Preußen zurückgekommen. Feldmarschall Blücher, der besonders erpicht auf die Zurückbringung der geraubten Reliquien, Trophäen und Kunstschätze war, fragte natürlich auch nach dem historisch gewordenen Degen; doch hatten diesen die Invaliden, um ihn nicht wieder in preußischen Besitz fallen zu lassen, vernichtet. – Als Revanche dafür bat Blücher um die Erlaubniß, sechs erbeutete französische Adler, zur Aufstellung um den Sarg Friedrich’s des Großen, anbieten zu dürfen, was auch geschah. Heute stehen sie nicht mehr.‘

So weit die Angaben des anonymen Einsenders. Ihnen gegenüber muß ich jedoch meine Angaben in dem beregten Artikel in ihrem ganzen Umfange aufrecht erhalten. Von dem Sarge Friedrich’s des Großen hat Napoleon keinen Degen nehmen können, einfach darum, weil keiner auf dem Sarge mehr gelegen hat. Der Degen, den er an das Invalidenhotel in Paris übersenden ließ, war aus dem Schlafzimmer Friedrich’s des Großen im Stadtschlosse zu Potsdam genommen. Er selbst zwar schreibt später, er hätte ihn in Sanssouci gefunden, aber das ist ein Irrthum, ebenso wie die Mittheilung des Generals Rapp, in dessen 1823 erschienenen Memoiren, daß Napoleon den Degen von dem Sarge Friedrich’s genommen habe. Die Reliquie, die Napoleon entführt hatte, war aber nicht die Waffe, welche der große König in seinen Schlachten geführt hatte, sondern nur ein Degen, den er ab und zu getragen hatte. Dieser war auch nach Preußen wieder zurückgekommen – und zwar hatte ihn Friedrich Wilhelm der Dritte dem Cadettenhause in Berlin zum Geschenk gemacht, wo er heute noch zu sehen ist. Mit dem Kaiser war aber auch das große Publicum des Glaubens, der wahre Degen des großen Königs sei entführt worden. Im preußischen Volke herrschte über den Verlust tiefe Bestürzung. Man betrachtete die Waffe, die im Gewölbe des Doms der Invaliden aufgehängt wurde, als das verloren gegangene Palladium der preußischen Waffenehre. Da, im Jahre 1807, trat der Generalmajor von Hinrichs in Halle mit der Behauptung auf, jener von Napoleon geraubte Degen sei ein falscher, und suchte diese Behauptung durch folgende Erzählung zu belegen. Am Paradesarge Friedrich’s des Großen im Stadtschlosse zu Potsdam habe der Oberst und Commandeur des Rhodischen Garde-Grenadierbataillons von Hahnenfeldt die Wache gehabt und seinen eigenen Degen mit dem des großen Königs vertauscht, der auf einem der Tabourets gelegen habe. Der Degen im Invalidenhôtel sei nur des Obersten von Hahnenfeldt Waffe. Dagegen trat die Wittwe des genannten Generals auf und erklärte diese Erzählung für eine Unwahrheit, für eine Ehrenbeleidigung an dem Andenken ihres Gatten. Sie trat sogar klagend hervor, und in die Enge getrieben, gestand General von Hinrichs ein, er habe diese Angabe nur deswegen gemacht, um den Franzosen nicht ihren Triumph zu gönnen in dem Glauben, daß sie den wahren Degen Friedrich’s des Großen besäßen.

Während dieser Staub aufwirbelte, war das echte historische Kleinod, die Waffe, mit welcher der große König die Oesterreicher, die Russen, die Franzosen und die deutschen Reichstruppen so oft vor sich hergetrieben hatte, der Degen, den er in all’ diesen Schlachten getragen hatte, und der jetzt ein so hochinteressantes Stück der königlichen Kunstkammer in Berlin bildet, ganz wohl und sicher in Königsberg i. Pr. geborgen. Allerdings hatte derselbe auf dem Sarge in der Garnisonskirche gelegen, aber vor der hereinbrechenden Katastrophe hatte ihn Friedrich Wilhelm der Dritte mit den übrigen Kleinodien des Königlichen Hauses nach Memel und von da nach Königsberg in Sicherheit bringen lassen. Der Schrecken und die Verwirrung nach der Niederlage von Jena waren in Preußen groß und gewaltig, wer möchte das leugnen. Aber wenn auch Alles, so war doch die Ehre nicht verloren – das konnte sich Friedrich Wilhelm der Dritte, auf den Trümmern seines Staates stehend, sagen. Der Degen Friedrich’s des Großen war das Symbol dieser Waffenehre und die Hoffnung einer bessern Zukunft. Darum hatte der König dasselbe auch nicht vergessen und die kostbare Reliquie noch in der letzten Stunde gerettet und im Jahre 1825 der Kunstkammer in Berlin übergeben lassen. Die Quellen für diese Angaben sind theils Preuß, ‚Friedrich der Große‘, theils ‚Allgemeines Archiv für die Geschichtskunde des Preußischen Staates‘ von Leopold v. Ledebur. Die Notiz über die Wegnahme des Degens vom Sarge des großen Königs ist dem Herausgeber dieses Werkes vom König Friedrich Wilhelm dem Dritten selbst durch dessen Flügeladjutanten, den späteren General v. Lindheim, zugegangen. Mit dieser Darlegung fällt wohl von selbst die Behauptung des Einsenders der Berichtigungen, als habe Blücher für den vernichteten Degen des großen Königs sechs eroberte Adler um dessen Sarg aufstellen wollen. Wenigstens war dieser Vorschlag nicht zur Ausführung gekommen. Denn seit dem Begräbniß des großen Königs hatte die gänzlich schmucklose Umgebung, in welcher der einfache, dunkle, metallene Sarg desselben steht, keine Veränderung erfahren. Diese Abwehr, zu der ich mich gezwungen sah, möchte nur wieder beweisen, wie rege die Mythenbildung um das Andenken großer Persönlichkeiten ist, und wie wenig irgendwo Gelesenes oder Gehörtes dem historisch Beglaubigten Stand zu halten vermögend ist.“