CCLXXXI. Danzig Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band (1839) von Joseph Meyer
CCLXXXII. Der Cölner Dom
CCLXXXIII. u. CCLXXXIV. Napoleon’s Grab. – St. Helena
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DER DOM ZU CÖLN

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CCLXXXII. Der Cölner Dom.




Haus Gottes, du ehrwürdig Denkmal deutscher Kraft und deutschen Geistes, sey mir gegrüßt in deiner Majestät! Wer kann dich anschauen ohne Schauer der Ehrfurcht? Wer an dir vorübergehen, ohne die Idee zu bewundern, die dich in’s Leben rief und der kühnen Bauleute zu gedenken, die deinen Riesenleib himmelan richteten? Ha! wenn du vollendet das schlanke Haupt in die Wolken recktetest! Aber nicht die Baumeister haben, die Zeit hat dich verlassen. –

Die erste Idee zu Cöln’s Riesendome gehört dem Erzbischof Conrad von Hochsteden, einem Manne von hochstrebendem Geiste, der, als 1248 die alte Domkirche nieberbrannte, den Plan faßte, an ihrer Stelle dem Herrn einen Tempel aufzurichten, größer und herrlicher als alle Gebäude der Welt; denn 500 Fuß lang und im Schiff 180, im Kreuz aber 290 Fuß breit sollte er werden, die Dachfirsten sollten sich 209 Fuß über den Boden erheben, zwei kolossale Thürme, jeder auf einer Unterlage von 10,000 Geviertfuß 520 Fuß hoch emporsteigen und das Gebäude zieren. Selbst die Peterskirche in Rom erreicht solche Verhältnisse nicht, und niemals hat man an die Ausführung einer solchen Idee wieder Hand angelegt.

Nicht blos in ganz Deutschland, in der ganzen Christenheit wurde für den Cölner Dombau gesammelt und der Pabst verkündigte den Beitragenden vollkommene Sündenvergebung für 1 Jahr und 40 Tage. Darauf strömten die Gaben so reichlich herbei, daß noch in dem nämlichen Jahre, unter der Leitung Meister Gerhards, des Steinmetzen, 5000 Arbeiter beschäftigt und am 14. August 1248 der Grundstein gelegt werden konnte. Rasch schritt in den ersten Jahrzehnten der Bau voran, und die fromme Begeisterung, durch immer neue Ablaßverkündigung gespornt, ließ es an Geld dazu nicht gebrechen; inzwischen traten noch vor dem Schluß des Jahrhunderts Fehden zwischen der Stadt und dem Erzbischof ein, und das angefangene Werk erfuhr große Störungen. Ueber 20 Jahre stockte darauf der Bau gänzlich. Doch in dem ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts ward er neu aufgenommen, und er gedieh so weit, daß 1322 der Chor eingeweiht werden konnte. Hundert und sechzehn Jahre lang wurde sodann fortgebaut ohne Unterbrechung und 1435 konnte man in dem einen Thurm die Glocken aufhängen. Nun stockte der Bau von Neuem. Im Laufe so langer Zeit erkaltete die Begeisterung, immer spärlicher flossen die Einnahme-Quellen, welche man zur Bestreitung der Baukosten hergeleitet hatte, viele versiegten gar und die Zahl der Arbeiterhände wurde kleiner von Jahr zu Jahr. Im folgenden Jahrhundert gelangten das Schiff, bis zur Capitalhöhe die Nebengänge zur Vollendung, die eine Halle wurde gewölbt und der nördliche Thurm so weit fortgebaut, um mit jener in Verbindung gebracht [130] zu werden. Diese bedeutenden Arbeiten hatten die letzten Mittel erschöpft und die Reformation leitete den weitern Zufluß ab. Seitdem ruhete der Fortbau am noch nicht zur Hälfte vollendeten Dome ganz. Fünf Jahrhunderte lang nagte die Verwitterung an den unzähligen Knäufen, Thürmchen, Geländern, Kreuzen, Steinbildern, Blenden und Gehäusen, und das Wunderwerk war in Gefahr, zur Ruine zu werden, hätte nicht der jetzige König von Preußen freigebig für eine umfassende Restauration gesorgt, deren Fortsetzung auch in Zukunft mit eignen Fonds gesichert ist. Die Vollendung freilich, nach dem ursprünglichen Plane, – wollte man auch voraussetzen, daß eine hinlängliche Masse von Kunstgeschick nicht fehle, – wird wohl ewig ein frommer Wunsch bleiben; denn 20 Millionen Thaler würden dazu nicht ausreichen und wenigstens ein halbes Jahrhundert dazu gehören. –

Eine spätere Platte des Universums wird Gelegenheit geben, das Innere des Doms zu betrachten und ich versage mir heute dessen weitere Beschreibung; wer aber folgen mag, steige jetzt mit mir hinauf, – hinauf, das Herz zu lüften auf seiner majestätischen Zinne! – Da stehen wir, tief unter uns Gottes Erde und über uns das blauwogende Meer des Alls, Gottes Himmel! – Da oben Zukunft, dort unten Vergangenheit und Gegenwart. In der Höhe die unsterblichen Engel; unten die sterblichen Menschen, unsere Brüder. Ach! wie sie dort neben des Doms Riesenhüften wie Ameisen wandeln und durch das Leben kriechen! Winzig klein erscheinen ihre Hütten; aber wie groß ist die Sorge darinnen! Des Lebens Sturm umtobt sie; Ruhe, Liebe und Zufriedenheit und Freude aber sind seltene Gäste. – Brüder! Mit dem letzten Strahl des scheidenden Jahres seyd mir alle gegrüßt! Schwestern! seyd mir alle gegrüßt! Reiche und Arme, Weise und Thoren, Nahe und Ferne, Freunde und Feinde seyd mir alle gegrüßt! Daß ich Schultern hätte wie der himmeltragende Atlas, und ich eure Sorgen, Kämpfe, Plagen und Kummer legen könnte zu der eigenen Last! Thörichter Wunsch des schwachen Menschen! Aber beten darf ich zum nahen Himmel:


Stärk den Müden, der des Lebens Plagen,
     Seine Lasten duldet; friedsam! still!
Doch laß Donner den Tyrannen schlagen,
     Der des Schweißes Frucht ihm rauben will.

Gib dem Mangel Speis’, und Trank und Hülle!
     Gib dem Reichen, – Gott! gib ihm ein Herz!
Dann gibt Armen gern er von der Fülle,
     Lindert gern des wunden Bruders Schmerz.

Werden Alle wir von Dir gerufen,
     Wölb’ uns sanft den Hügel über’s Grab;
Und dereinst, an deines Thrones Stufen,
     Richt’ uns mild; – nur Schurken brich den Stab!

Mit diesen Gesinnungen scheide ich vom Jahre, schließe ich diesen Band meines Buches und trete hinaus in den weiten Kreis meiner Leser, unter denen Mancher ist, dem ich im Geiste zum letztenmale die Hand drücke. Es ist ein ernster Gedanke, wenn man so voranschreitet mit den Jahren, einer der alten Freunde und Bekannten nach dem andern heimgeht, – und der lieben, trauten Gefährten und Herzen immer weniger werden, wenn gleich der Kreis der Theilnehmer sich vergrößert. Darum auch möcht’ ich, daß die alten Freunde und alten Leser blieben, und treu blieben bis an des Werkes Ende. –

M.