Der Blutfleck in der Klosterkirche zu Schloß Chemnitz
Der Blutfleck in der
Klosterkirche
zu
Schloß Chemnitz.
[162] Das Schloß Chemnitz, eine halbe Stunde nördlich von der Stadt Chemnitz entfernt, hatte bis zum Jahr 1548 ein St. Johanniskloster, von welchem nur noch die Kirche (Filial von Glösa) und ein Seitengebäude steht. In dieser Kirche zeigt man außer einer, aus einem einzigen, der Sage nach in der Kirche selbst gewachsenen, Eichenstamme schön geschnitzten Geißelung Christi, auch einen feuchten Fleck in der Mitte der Kirche, in dem man, aber nur wenn man die nacherzählte Sage weiß, eine menschliche Figur erkennt. Die Sage dürfte wohl in den Anfang des 16. Jahrhunderts fallen.
Die Klosteruhr schlug Mitternacht,
still war’s in jeder Zelle,
nur noch der Pater Erwin wacht,
sein Fenster war noch helle.
und sann geheimen Künsten nach,
wie er auf leichtem Wege
ächt Gold bereiten möge.
Auf langem Tische vor ihm stand
und rings im Kreise allerhand
Retorten und Phiolen,
und was Geräth dem Alchymist
zu seiner Kunst von nöthen ist,
kostbares Gold zu zwingen.
Weh, wenn der Mensch, des Zufalls Knecht,
geht wie ein Thier durch’s Leben,
doch weh auch, wenn er sich erfrecht,
Dann ist für ihn nichts heilig mehr,
er greift im frevelnden Begehr
blind in die ew’gen Rechte
der unerforschten Mächte! –
geschmolzen und geknetet,
und seinen Rosenkranz dazu
stillhoffend abgebetet;
doch als ihm jede Hoffnung schwand,
und wüthender Geberde
den Rosenkranz zur Erde.
„Ein Narr, wer auf Gebet vertraut,
das bringt ihn nie zur Stelle!
komm du, verrufne Hölle,
und schließ mir das Geheimniß auf,
sollst haben keinen schlechten Kauf,
sollst mich mit Leib und Sinnen
„Ha, Erwin! weißt du, was du thust?
Du forderst dein Verderben,
und kommt der Tod einst, ha, da mußt
ohn’ Beicht’ und Nachtmahl sterben!
was noch kein menschlicher Verstand
bis jetzt ergründen konnte?
Wenn sich’s der Mühe lohnte?“
„Die Wahl ist frei! Gott selber mag
wie durft’ er doch am Schöpfungstag
so mit dem Menschen kargen?
Doch Jenseits? – Ha, das ist nur Wahn.
Vielleicht auch nicht! – was geht mich’s an?
ein Schritt – willkommen, Hölle!“ –
„So komm denn, du entsetzlich Buch,
auf dessen morschen Seiten
des höhern Wissens Heil und Fluch
Du standst so lange still im Schrein,
ich sah noch nie in dich hinein,
doch jetzt – mach’ mich zum Meister
und Herrscher aller Geister!“
und schlug es auf mit Beben,
und las; doch konnt’ er keinen Sinn
den wirren Zügen geben,
und wüste ward’s ihm im Gehirn,
und rief im wilden Grimme
mit odenloser Stimme:
„Verdammniß da, Werdammniß dort!
Mit Gott bin ich zerfallen,
Wohlan, ich trotz' euch allen!
Ein Mensch! ein Knecht! Ha, daß ich könnt’
Gott, Hölle, Welt und Firmament
mit einem Hauch verderben,
So wüthete verzweiflungsvoll
der arge Gottverächter,
da durch die düstre Zelle scholl
ein teuflisches Gelächter.
„Verlacht, verdammt!“ er stiert umher,
ihm schlottern alle Glieder,
und kraftlos sinkt er nieder.
Weh, wenn der Mensch, des Zufalls Knecht,
Doch weh auch, wenn er sich erfrecht,
zum Gott sich zu erheben!
Dann ist für ihn nichts heilig mehr,
er greift im frevelnden Begehr
der unerforschten Mächte!
Der Pater – welch ein widrig Bild!
der Wahnsinn an der Fessel!
Da lag der Frevler scheu und wild
Ach armer Erwin, bist so klein,
und möchtest gern Gott selber seyn!
Du wirst mit tausend Qualen
den bösen Stolz bezahlen!
auf morgen dich bereiten?
Das Fest der Himmelfahrt begann,
und wenn die Glocken läuten,
dann sollst im heil’gen Schauspiel du
dein freventliches Sinnen
und teuflisches Beginnen?
Der jetzt verflucht, was heilig ist,
anstatt zu Gott zu beten,
vor fromme Laien treten?
Barmherz’ger Gott, schau gnädig drein,
und sieh nicht, wie sie dich entweih’n!
Auf, Erwin, auf! und winde
Der Pater schläft. Ihm träumt, er wär’
auf unbekanntem Steige,
und dunkle Nacht war rings umher,
und Moor und Rohrgesträuche,
nach diesem stand sein ganzer Sinn;
es leuchtete im Dunkel
wie feuriger Karfunkel.
Er haschte ohne Rast danach,
und als ihm alle Hoffnung brach,
da rief er voll Verlangen:
„Du herrlich Licht, du göttlich Licht!
Was fliehst du mich? was weilst du nicht?“
vor ihm das Licht verschwunden.
Ein tiefer Abgrund gähnt’ ihn an,
der Weg war abgeschnitten,
er eilte auf derselben Bahn
da packt’s ihn plötzlich an mit Macht,
und zerrt ihn durch die schwarze Nacht
risch über Todtengrüfte
und finst’re Felsenklüfte.
den Adler an der Seite,
Johannes, Erwin’s Heiliger,
im weißen Strahlenkleide,
Der Pater streckt nach ihm die Hand,
im bleichen Dunstgefilde
das heilige Gebilde.
Und weiter zerrt’s ihn durch die Nacht,
und wirft ihn wild zu Boden,
er krümmt sich ohne Oden,
und kann nicht auf mehr, und erschrickt
auf’s Neue, als er um sich blickt,
denn zwischen Leichensteinen
Und eine große Knochenhand
fährt dräuend aus der Erde,
und krallt sich fest in sein Gewand,
als ob sie ihn begehrte.
aufspringt er zitternd, und – erwacht;
des Festesmorgens Helle
lag golden in der Zelle.
Der Abt tritt ein mit frommen Gruß:
in wenigen Minuten muß
die Festesglocke läuten.
Leg’ an das heil’ge Ehrenkleid,
und mach’ in Eile dich bereit!
und eilends ging er wieder.
Unwillig blickt der Pater drein,
doch nimmt er die Gewänder,
legt sich um’s Haupt den Heil’genschein,
sich um den Fuß, und ist bereit:
da tönet hell das Festgeläut,
und ruft ihn zur Kapelle
an seine heil’ge Stelle.
Dem soll ich bettelnd fröhnen,
der Lust dran hat, erbarmungslos
des Menschen nur zu höhnen?
Der mir das Höchste äffend wies,
Heut noch! und dann – mich rächen
und diese Fesseln brechen!“
So knirscht er wild, ihm kocht das Blut,
er eilt in die Kapelle.
so schlecht zur heil’gen Stelle!
Er betet nicht, er singet nicht,
still flucht er seiner heil’gen Pflicht,
indeß die frommen Laien
Ihr guten Leute, bebt zurück!
Sünd’ ist’s, das Knie hier beugen.
O möchte euer kurzer Blick
in’s Herz des Frevlers reichen!
durch diesen Mönch entheiligt ist!
Doch nein! Den frommen Glauben,
es würde ihn euch rauben! –
Der heil’ge Augenblick ist da,
Mit finstern Wüthrichsaugen sah
er auf das Volksgetümmel,
das, während er zur Höhe steigt,
andächtig seine Kniee beugt,
die Blicke an ihm hangen.
„Ha, denkt er, daß ich allen euch
die Augen öffnen könnte,
vielleicht, daß ich von Gottes Reich
Und Gott, dann ein entlarvter Gott!
Welch süße Rache! süßer Spott!
Jedoch, ihr blinden Laffen,
ihr seid in’s Joch geschaffen!“
er nahe dem Verschwinden,
da zog ihn plötzlich unsichtbar
was an dem Schopfe hinten.
Er sieht sich um, und schrickt zurück,
gelähmt sind seine Glieder,
er schwankt und – stürzt hernieder.
Er schmettert hin. Sein Aug’ erlischt,
zerschellt sind die Gebeine,
klebt gischend am Gesteine.
Seht, Laien, seht, das Wort steht fest,
daß Gott sich niemals spotten läßt;
er weiß stets das Verbrechen
Die Mönche traten allzugleich
laut klagend um den Todten,
und sah’n vor Schreck erstarrt und bleich
das Jammerbild am Boden;
und weinten heiße Thränen drauf,
und trugen voller Jammer
ihn in die Leichenkammer. –
Noch in der Klosterkirche ist
stets feucht, der wird zu keiner Frist
vertrocknen und vergehen.
Dort fand der Pater seinen Tod,
weil frech er Trotz dem Himmel bot;
verfällt den finstern Mächten.