Textdaten
<<< >>>
Autor: Otto Heuer
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Der Binger Kurverein 1424
Untertitel: Mit Erwiderung von Theodor Lindner und Replik von O. Heuer
aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 8 (1892), S. 207–225; Bd. 9 (1893), S. 119–123.
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892/1893
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort:
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans auf Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[207]
Der Binger Kurverein 1424.
Von
Otto Heuer.


Das Bündniss, welches im Jahre 1424 zwischen den sechs Kurfürsten von Mainz, Köln, Trier, Pfalz, Sachsen und Brandenburg geschlossen wurde (die siebente Kur, Böhmen, war in den Händen König Sigmund’s) ist durch eine vom 17. Januar aus Bingen datirte Urkunde längst bekannt und hat, seit der 1. Band von Droysen’s Geschichte der Preussischen Politik erschien, für einen wichtigen Wendepunkt in der Entwicklung der Reichsverhältnisse im 15. Jahrhundert gegolten.

Durch den von Kerler bearbeiteten 8. Band der „Deutschen Reichstagsacten“ ist nun aber vor einigen Jahren eine zweite Urkunde ans Licht gekommen, ein Bündniss derselben sechs Kurfürsten, vom gleichen Tage, ebenfalls aus Bingen datirt, nahe verwandten, zum Theil wörtlich übereinstimmenden und doch in manchen Punkten stark abweichenden Inhalts. Da beide Documente, sowohl die neu aufgefundene Urkunde A (Reichstagsacten Nr. 294) als auch der altbekannte Text B (RTA Nr. 295) in richtig ausgefertigten Originalen vorliegen, steht die Forschung vor einem Räthsel, dessen Lösung versucht, aber noch nicht gelungen ist.

Die Erklärungsversuche zerfallen in zwei Gruppen. Entweder nahm man an, die eine Ausfertigung A sei zur Geheimhaltung, die andere B für die Oeffentlichkeit bestimmt gewesen, oder man suchte den Widerspruch dadurch zu erklären, dass die Aussteller gleich nach der Besiegelung von A ihren Sinn geändert und die neue Fassung B an die Stelle der ersten, nun kassirten, gesetzt hätten. Da keine dieser beiden Deutungen recht einleuchtend [208] erscheint, hat Lindner in seiner unlängst erschienenen scharfsinnigen Untersuchung der Frage einen dritten, neuen Weg eingeschlagen[1]. Er erklärt, beide Urkunden könnten unmöglich gleichzeitig, auf dem Binger Tage entstanden sein, B verdanke seinen Ursprung einem späteren Zeitpunkte und sei zurückdatirt worden.

Bevor ich jedoch auf seine Beweisführung näher eingehe, dürfte es sich empfehlen, die Hauptpunkte festzustellen, in denen B von A abweicht.

A ist eine kurze Zusammenfassung von Artikeln, in welchen die Kurfürsten, besonders gegen den König, zusammenhalten wollen, diese Punkte sind ziemlich wörtlich aus dem die Absetzung Wenzel’s[WS 1] vorbereitenden Vertrage von 1399 herübergenommen[2]. Dazu kommt noch eine Einleitung, welche die Vereinigung mit der Nothwendigkeit des Kampfes gegen die Hussiten begründet[3], nebst zwei Artikeln, durch welche die Vertragschliessenden sich gegenseitig ihren gesammten Besitzstand unter Verpflichtung unbedingter Hilfeleistung garantiren, sowie den Eintritt ihrer Nachfolger in den Bund vorsehen[4].

B hat dieselbe Begründung nebst den etwas geschickter redigirten Bopparder Artikeln. Dem grösseren Umfange des Actenstückes entsprechend, findet sich aber auch manches Neue. Zuerst ist auf das Reichsoberhaupt, das in A nur als Gegner erwähnt war, viel grössere Rücksicht genommen. Während in A die Fürsten überall aus eigener Machtvollkommenheit handeln, der Einwilligung des Königs mit keinem Worte gedenken, flickt B überall, wo es angeht, ganz äusserlich in die sonst ungeänderten Sätze die Phrase ein „mit rate hulfe und bistand unsers allergnedigsten herren des Romischen koniges“, setzt seine Zustimmung voraus oder sagt, man wolle ihn um seinen Beistand anrufen, auch wird er nicht direct als Gegner bezeichnet. So ergibt sich die sonderbare Erscheinung, dass eine ganze Reihe von Bestimmungen, die gegen Niemand anders als das Reichsoberhaupt gerichtet sind, mit dessen Hilfe durchgeführt und aufrecht erhalten werden sollen.

[209] Sodann wird zu den Artikeln, welche die Ziele des Bundes bezeichnen, eine Anzahl von Ausführungsbestimmungen hinzugefügt. Damit die Einung um so festeren Bestand habe, wird Vorsorge getroffen, wie Streitigkeiten unter den einzelnen Bundesgliedern auszugleichen seien[5]. Bei Schädigungen von anderer Seite begnügt man sich nicht mehr mit der Bestimmung unbedingter Hilfeleistung, wenn nur das Recht geboten ist, sondern es wird festgesetzt, wie dem Rechte nachgegangen und wie es erkannt werden soll[6]. Für beide Fälle wird ein Schiedsrichter, ein „Gemeiner“ eingesetzt, der die inneren Streitigkeiten selbständig entscheidet und in den Zwisten mit Nichtmitgliedern die Rechtstage ansagt. Dieses Amt soll jährlich wechseln. In den Fragen, welche die Kurfürsten des Reichs wegen betreffen, und bei einem Schisma der Kirche liegt es dem Erzbischof von Mainz ob, die Bundesmitglieder zu gemeinsamer Tagung zusammenzuberufen[7]. Die Entscheidung wird in allen diesen politischen Angelegenheiten wie auf den Rechtstagen nach Stimmenmehrheit gefällt und ist für alle bindend[8]. Diese Einführung des Majoritätsprincipes ist in dem kurfürstlichen Bündnisswesen völlig neu.

Wie man sieht, ist die Verschiedenheit beider Urkunden nicht gering.

Lindner widerlegt nun in seiner Beweisführung zuerst die bisherigen Erklärungsversuche.

Die Ansicht, dass es sich um zwei neben einander in Gültigkeit bestehende Verträge handle, von denen der eine, A, geheim gehalten werden sollte, während der andere, B, die Oeffentlichkeit nicht zu scheuen brauchte, im Nothfall sogar dem Könige vorgewiesen werden konnte, ist bereits von Wendt[9] angezweifelt worden, da es nicht verständlich sei, wie die organisatorischen Bestimmungen, die doch für die Oeffentlichkeit kein Interesse besassen, in B hineingekommen sein sollten. Lindner hält den feinen Unterschied zwischen heimlicher und öffentlicher Urkunde überhaupt nur für einen Verlegenheitsbehelf. Dass die Kurfürsten, um den König über den wahren Inhalt ihrer Einigung zu täuschen, die zweite Fassung entworfen hätten, sei nicht wahrscheinlich, [210] da, wenn sie so weit gingen, sie auch den Muth gehabt haben würden, alles zu gestehen, denn wenn sie keine rechten Verschwörer waren, hätten sie besser gethan, alles zu leugnen.

Auf diese Ausführung werde ich später noch zurückkommen, doch lässt sich hier bereits so viel sagen, dass es allerdings schwer anzunehmen ist, man habe zur selben Zeit, als die scharfe Fassung A beschlossen wurde, auch schon an die vorsichtige Deckung dem Könige gegenüber gedacht. Blieb A, wie es beabsichtigt war, tiefstes Geheimniss, so war eine zweite Urkunde ja unnöthig, wie man sie ja auch 1399 nicht für nöthig erachtet hatte. Dazu kommt, dass B nicht nur, wie oben angedeutet, viel sorgfältiger ausgebaut ist, den Bundesgedanken in einem weiteren Stadium zeigt, sondern dass sich auch Abänderungen der in A getroffenen Bestimmungen finden. Wenn es darin hiess, dass bei allen einem Kurfürsten zugefügten Beeinträchtigungen, jeder der übrigen, sobald jener sich nur zu Recht erbiete, „mit siner ritterschaft, landen und luten und aller siner ganzer macht“ unverzüglich zu Hilfe eilen solle, so werden in B sowohl die angeführten Worte unterdrückt[10], als auch über die Rechtstage bestimmte Normen gegeben. Der Geschädigte hat sich dem Mehrheitsspruche seiner Genossen zu fügen. Wenn man erwägt, wie bei den Bundesentwürfen der Städte in dieser Zeit die Formulirung der Hilfsverpflichtung den Gegenstand endloser Berathungen bildet, so darf man wohl annehmen, dass auch bei den Kurfürsten sich nachträglich Bedenken gegen die energische, unter Umständen kaum durchführbare Fassung in A erhoben, die dann zu den vorsichtigeren Bestimmungen in B führten. Eine Gültigkeit beider Artikel neben einander ist nicht gut denkbar, da nach dem einen der Mahner die Hilfe mit ganzer Macht verlangen durfte, während er nach dem andern mit beliebigem Zuzug und dem Rechtswege sich begnügen musste.

[211] Gegen die zweite Ansicht, dass A gleich nach der Abfassung kassiert und durch B ersetzt worden sei[11], macht Lindner geltend, dass ein so jäher Umschwung unerklärbar sei. Man wird ihm darin Recht geben müssen, dass so wohlerwogene Aenderungen und Fortbildungen, wie sie in B sich zeigen, nicht das Werk einiger Tage sein können. Zwischen beiden Ausfertigungen müssen doch Ereignisse liegen, die diese Aenderungen bedingten.

Ferner weist er auf die Thatsache hin, dass ein mit allen Siegeln und sogar mit dem Registraturvermerk versehenes Exemplar von A sich erhalten hat. Wäre die erste Fassung noch auf dem Binger Tage kassirt worden, so hätte man sicher auch dieses Kölner Original, da es ja zur Hand war, vernichtet. Der Registraturvermerk beweist jedoch, dass es noch nach dem Binger Tage in der Kölner Kanzlei als gültige Urkunde behandelt wurde. Dass aber, wie man einwenden könnte, der Erzbischof von Köln sein Exemplar sogleich heimgesandt habe, ist nicht gut denkbar. Wenn man sieht, mit welchen Vorsichtsmassregeln im Jahre 1399 die fast gleichlautenden Bopparder Urkunden vor unberufenen Augen geschützt wurden[12], so darf man wohl annehmen, dass auch 1424 die Kurfürsten ihre Ausfertigungen sorgsam bei sich verwahrten und nicht der Gefahr einer Versendung aussetzten. Zu alledem kommt noch ein von Lindner entdecktes äusseres Merkmal. Der Kölner Erzbischof hat nämlich an die beiden Bundesbriefe verschiedene Siegel gehängt, an A sein kleineres Secret, mit dem er auch zwei andere dem Binger Tage angehörende Urkunden beglaubigte, an B das grössere, welches sich nicht an anderen Urkunden dieses Tages findet, das er also wahrscheinlich zu Bingen gar nicht bei sich führte.

Die Zusammenfassung der angeführten Gründe wird zur Rechtfertigung der Annahme genügen, dass B nicht dem Kurfürstentage zu Bingen im Januar 1424 trotzdem es dessen Datum trägt, seinen Ursprung verdankt, sondern auf einen spätern Zeitpunkt zu setzen ist. Aber auf welchen? Lindner glaubt mit Bestimmtheit den Frankfurter Reichstag im April – besser im Mai – 1427 als Abfassungszeit bezeichnen zu können. Nach [212] December 1427 kann sie nicht fallen, da der mitsiegelnde Friedrich der Streitbare Anfang Januar 1428 starb. Zwischen Januar 1424 und dem Frühjahr 1427 finde sich aber kein Augenblick, von dem mit einiger Wahrscheinlichkeit anzunehmen wäre, dass er B seinen Ursprung gegeben habe, also bleibe nur der Frankfurter Reichstag 1427 übrig. Auf ihn träfen auch wirklich alle Umstände zusammen. Der König, mit den Kurfürsten versöhnt, habe ihnen den Reichskrieg gegen die Hussiten und die Sorge für die Ordnung überlassen. Dafür sei aber eine Einigung der Kurfürsten nöthig gewesen. Sie hätten daher auf den vorliegenden Binger Vertrag zurückgegriffen. „Sie hielten an ihm äusserlich fest, weil sie das Recht der Vereinigung, der gemeinsamen Sorge für das Reich in Anspruch nahmen, und behielten daher auch das frühere Datum bei“.

Dass diese Begründung nicht beweiskräftig ist, ergibt sich auf den ersten Blick. Es wäre ein sonderbarer Einfall der Kurfürsten gewesen, einen im Jahre 1427 unter völlig veränderten Verhältnissen, unter „stillschweigender Anerkennung des Königs“ geschlossenen Bund mit dem Datum jener Binger Verschwörungsurkunde von 1424 zu versehen.

Nicht minder auffallend ist es, dass von einem derartigen 1427 zwischen König und Kurfürsten getroffenen friedlichen Abkommen, wie Lindner die Einung darstellt, nicht die mindeste Kunde sich erhalten hat. Wenn wirklich die Bekämpfung der Ketzer der Hauptzweck war, warum traten die zu diesem guten Werke Verbrüderten nicht offen auf dem Reichstage damit hervor, wie sie es doch 1421 gethan hatten? Warum wiesen sie in ihrer Aufforderung an die Stände zur Hussitenhilfe mit keinem Worte auf den von ihnen geschlossenen Bund hin, um die Säumigen durch das gute Beispiel anzufeuern?

Wie soll man es aber vollends verstehen, dass ein so wichtiger Vertrag, der nach dem Wortlaut der Urkunde selbst nach reiflicher Berathung der Kurfürsten sowohl allein als mit ihren getreuen Räthen festgestellt war, den alle „iglicher dem andern in sin hand gelobt bi unsern furstlichen truwen und eren“, dass ein solcher Vertrag auf einem Reichstage zu Stande gekommen sein sollte, auf dem überhaupt nur ein Theil der Kurfürsten anwesend war[13].

[213] Auch auf dem zweiten grossen Tage des Jahres 1427, dem vom Cardinallegaten zu Frankfurt im November abgehaltenen, waren sie nicht vollzählig beisammen[14].

Zudem passt die ganze Tendenz des Bundes, trotz der in B eingeflickten Rücksichtnahme auf den König, durchaus nicht in die politische Lage des Jahres 1427, und auch Lindner’s Bemühungen, den Bund möglichst harmlos erscheinen zu lassen, können daran nichts ändern.

Endlich aber wird in ziemlich unzweideutiger Weise bereits im Sommer und im Herbste 1424 von kurfürstlicher Seite auf die Fassung B Bezug genommen. Zunächst heisst es in der Anweisung für die kurfürstlichen Gesandten vom circa 19. Juli[15]: sie sollten dem Könige sagen, ihre Auftraggeber wollten sich auf dem nächsten Reichstage „von solichen sachen die dann uwern gnaden gesagt sin worden“ selbst mündlich verantworten, „das ir innen und gewar sollent werden, das sie uch mit rechter und ganzer truwen meinen und das sie ouch nit anders gen uwern gnaden getan haben dann als getruwe frome und erbere kurfürsten gen einen Romischen kunige irem rechten herren billiche tun sollen; und wer uwer gnaden soliche sache von in gesagt habe, das der nicht war und unrecht von in gesagt habe“. Das passt schon gar nicht zu A und deutet auf B hin. Noch entschiedener aber ist das der Fall in dem leider nur auszugsweise überlieferten Schreiben des Markgrafen Friedrich an den König vom Herbst des Jahres[16], wo es heisst: „nec aliquid in eisdem inscriptionibus reperitur quod esset sacro Romano imperio contrarium nec ipsi regi Romanorum, sed omnia ipsarum contenta talia sunt, que profectum comodum et honorem sacri imperii predicti et tocius Cristianitatis profectum prospiciunt et [214] concernunt, prout ex eorum tenoribus clare patet. ad quos se idem marchio referebat“. Da es doch ganz ausgeschlossen ist, dass der Markgraf auf den Wortlaut von A Bezug nimmt, kann nur B gemeint sein.

Lindner’s Versuch, die zweite Urkunde dem Reichstage von 1427 zuzuweisen, scheint mir daher ebenso verunglückt, wie seine Beweisführung, dass sie nicht dem Binger Tage vom Januar 1424 angehöre, überzeugend zu sein.

Lag die Bundesurkunde B im Sommer 1424 schon vor, so ist die Zeit ihrer Entstehung auf das halbe Jahr vom Januar bis Juli 1424 begrenzt und diese kann dann nur auf den im Juli 1424 zu Mainz abgehaltenen Kurfürstentag fallen.

Von diesem Mainzer Tage wissen wir sicher, dass alle sechs Kurfürsten versammelt waren[17], wie es der Wortlaut der Einung ganz ausdrücklich voraussetzt. Da nur wenige Monate seit der Binger Zusammenkunft verflossen waren, ist es erklärlich, dass eine zu Mainz entstandene Bundesurkunde im Grunde dieselbe Tendenz zeigen wird, wie die zu Bingen besiegelte; auch das würde mit der doch nur leicht verschleierten königsfeindlichen Stellung von B stimmen.

Die Hauptfrage ist: lassen sich durch Vorgänge zwischen Januar und Juli 1424 die Abweichungen, welche B aufweist, ausreichend erklären und ist in ihnen ein zwingender Grund zur Rückdatirung vorhanden? Zur Beantwortung dieser Frage ist die Vorfrage zu stellen: wie haben wir uns die Entstehung des Binger Kurvereins zu denken, wer hat den Anstoss zu seinem Zustandekommen gegeben?

Droysen hält mit aller Bestimmtheit den Markgrafen Friedrich für den geistigen Urheber, und seine Meinung hat allgemeinen Anklang gefunden. Dem gegenüber betont Erich Brandenburg[18] mit Recht, dass alle Gedanken des Binger Vertrages bereits vor Friedrich’s Zutritt im Rheinischen Bunde lebendig waren. Die Vereinbarungen von 1417 und 1421 bilden die deutlich erkennbaren Vorstufen des Binger Kurvereins, bei dem man nur den letzten Schritt that und vollends auf die Bopparder Artikel von [215] 1399 zurückgriff. So unbestreitbar das ist, so dürfen wir gleichwohl annehmen, dass Friedrich ein Hauptantheil an dem Zustandekommen der Einung gerade in diesem Zeitpunkte und ebenso für ihre Aenderung und den schliesslichen Zerfall zukommt. Mit dem Könige stand er seit 1421 auf dem denkbar schlechtesten Fusse. Der Gegensatz, in dem beide sich befanden, entsprang den Verhältnissen des Ostens[19], dem für Sigmund höchst unbequemen und bedrohlichen Eintreten Friedrich’s in die Interessensphäre Polens, dessen Krone er an sein Haus zu bringen bestrebt war. Der von beiden Seiten mit wachsender Erbitterung geführte diplomatische Kampf übertrug sich aber auch auf die Deutschen Angelegenheiten.

Schon 1422 hatte Friedrich an der Seite seiner Rheinischen Collegen dem Könige gegenüber gestanden, ohne, so viel wir wissen, urkundlich seinen Beitritt zu dem 1421 geschlossenen Nürnberger Bunde zu erklären. In die Intriguen, die der ehrgeizige und ränkevolle Conrad von Mainz damals spann, scheint er tief verwickelt gewesen zu sein. Zu Ende des Jahres 1423 war seine Lage eine so bedrängte geworden, dass er, um gegen die feindlichen Schritte Sigmund’s das Polnische Verlöbniss aufrecht zu erhalten und zugleich gegen die kampflustigen Grenznachbarn der Mark seine Stellung zu stärken, darauf angewiesen war, die Unterstützung des Kurfürstencollegs sich zu sichern.

Man hat nun angenommen, dass sein Eintritt in den Bund den Preis bedeute, den er für diese Hilfe zahlte, ähnlich wie Friedrich von Sachsen durch den gleichen Schritt von den Kurfürsten die Aufnahme in das Collegium sich erkaufte. Brandenburg wie Lindner sind geneigt, dem Pfalzgrafen Ludwig die Initiative zuzuweisen, obwohl sie in dessen Beurtheilung auseinandergehen. Lindner nennt ihn, den Brandenburg für einen Mann von grosser persönlicher Bedeutung hält, mit Recht einen ganz kleinlichen Politiker. Aber für den Pfalzgrafen lag, nachdem ihm Sigmund erst im Jahre vorher mit Erhöhung der Pfandsumme [216] auf die Landvogtei im Elsass ein Geschenk gemacht und beide im guten Einvernehmen geschieden waren[20], augenblicklich kein besonderer Grund zu feindseligem Auftreten gegen den König vor. Freilich musste ihm eine feste Vereinigung zu gegenseitiger Hilfe, die der frühere Bund nicht war, bei seinen Zwistigkeiten mit dem Markgrafen von Baden sehr erwünscht sein.

In noch höherem Masse aber war Friedrich an einem geschlossenen Zusammengehen der Kurfürsten gelegen, er brauchte ihre Einigung nothwendig. Diese Einigkeit war aber bei den unablässigen Zänkereien unter den mit den Flicken und Flickchen ihrer Gebiete auf engem Raume an einander stossenden Rheinischen Herren nur in einer Richtung zu erzielen, in der Gegnerschaft gegen das Reichsoberhaupt, gegen dessen Person Friedrich sich ja zur Zeit in ausgesprochener Feindschaft befand. Sicher ist es, dass er unmittelbar aus der Einung den grössten Nutzen zog. Wenige Tage nach dem Abschluss, am 20. Januar, fordert die Gesammtheit der Kurfürsten den König Wladislaw auf, das Verlöbniss seiner Erbtochter mit Friedrich’s Sohn, den vom Satan angetriebenen Gegnern dieser Verbindung, d. h. dem König Sigmund, zum Trotz, aufrecht zu erhalten. Sie stellen das Interesse des Brandenburgers als eins mit dem des ganzen Deutschen Fürstenstandes dar[21]. Der Bischof von Lebus, der Ueberbringer dieses Schreibens, erhält noch den besonderen Auftrag, gegen die von dem Markgrafen gefürchtete Verpfändung der Neumark an Erich von Dänemark zu wirken[22]. Um den Feindseligkeiten Sigmund’s Halt zu gebieten, ist das Collegium bereit, sein Gewicht zu Gunsten eines Ausgleichs mit Friedrich beim Könige in die Wagschale zu werfen[WS 2].

Ich möchte daher annehmen, dass die Gründung eines Bundes zum gegenseitigen Schutz wesentlich von dem Markgrafen ins Werk gesetzt worden ist. Dass dieser Bund in so scharfer Weise [217] seine Spitze gegen den König richtete, geschah mindestens nicht ohne seine Zustimmung. Ein Hauptantheil daran ist wohl dem ränkevollen Mainzer Erzbischof zuzuschreiben, der in den Bahnen seines Vorgängers Johann, wenn auch mit minderem Geschick, zu wandeln liebte. Nachdem ihm sein Anschlag auf das Reichsvicariat misslungen war, ergriff er gewiss gern die Gelegenheit, als Dechant des Reiches an der Spitze eines den König in den Hintergrund schiebenden Kurvereins eine führende Rolle zu spielen.

Nun ist es aber Thatsache, dass Friedrich im Sommer 1424 den Rheinischen Kurfürsten zu einer Milderung ihrer schroffen Sprache gegen den König rieth[23], und man hat daraus den Schluss ziehen wollen, als könne Friedrich auch im Januar nicht der Vertreter der „schärfsten Tonart“ innerhalb des Kurfürstencollegs gewesen sein[24]. Doch beweist dies nur, dass es in dem angegebenen Moment in seinem Interesse lag, den König nicht zu reizen. Und das ist leicht begreiflich. Hatte sich doch inzwischen gegründete Aussicht auf eine Versöhnung mit Sigmund eröffnet. Herzog Albrecht von Oesterreich[WS 3], mit dem Könige wie mit dem Markgrafen durch verwandtschaftliche Bande verbunden, hatte Sigmund im Mai zu bewegen gewusst, die Ausgleichung der Zwistigkeiten in seine Hände zu legen. Seiner Entscheidung, hatte dieser erklärt, wolle er sich ohne Widerspruch fügen, auch mit Friedrich in Wien oder an einem sonst geeigneten Orte persönlich zusammenkommen. Herzog Heinrich von Landshut[WS 4] hatte sich beeilt, dem Markgrafen die willkommene Botschaft zu verkünden[25].

Auch den Gesandten der Kurfürsten hatte der König schon im April seine Geneigtheit erklärt, ihre Vermittelung zum Ausgleiche anzunehmen[26]. Für Friedrich bot Herzog Albrecht’s Vermittelung [218] aber weit günstigere Aussichten und er beschloss, noch vor dem von Sigmund ausgeschriebenen Reichstage ohne seine Collegen sich in Wien beim Könige einzufinden. Sein Wunsch nach rascher Versöhnung wird verständlich, wenn man erwägt, dass er doch gewiss im Juni bereits Kenntniss von der ganz unerwarteten Schwangerschaft der Königin von Polen hatte, die am 31. October auch wirklich einen Thronerben gebar. Er musste daher im Juli 1424 mit der Möglichkeit rechnen, dass seinem Sohne die Polnische Krone, für die er die Gnade des Römischen Königs verscherzt hatte, doch noch entgehen könne. Die Vorsicht gebot ihm, diese Gnade sich wieder zu gewinnen, wollte er nicht Gefahr laufen, mit seiner kühnen Politik nur doppelten Misserfolg zu ernten.

In ähnlicher Lage befand sich der neue Kurfürst von Sachsen, er hatte ebenfalls seinen Nutzen aus dem Binger Bündniss gezogen und brauchte jetzt, um die Belehnung mit der Kur zu erlangen, die Geneigtheit Sigmund’s. Für beide war daher der Binger Kurverein in seiner schroffen Form jetzt höchst unbequem, um so mehr als der Verdacht des Königs bereits durch Nachrichten über geheime Umtriebe der Kurfürsten geweckt war[27].

Diesen Verdacht Sigmund’s galt es jetzt einzuschläfern. Wir dürfen daher wohl annehmen, dass, als die Kurfürsten am 7. Juli zu Mainz zusammenkamen, um über die weitere Haltung gegen den König und über den Besuch des von ihm gewünschten Reichstages zu Wien schlüssig zu werden, besonders Brandenburg und Sachsen für eine wenigstens der Form nach mildere Fassung der zu Bingen besiegelten Artikel eintraten.

Man unterzog die Bundesurkunde einer Revision, die, ohne die Tendenz zu ändern, durch Einfügung der die königlichen Rechte wahrenden Phrasen die Möglichkeit bot, sich auf sie als ein unverfängliches, ja loyales Actenstück berufen zu können[28]. So entstand B[29]. Die Rückdatirung ist in der Natur der Sache begründet, da man ja die neue Fassung für das Resultat des Binger Tages ausgeben wollte.

[219] In den Berathungen musste die veränderte Haltung des Markgrafen und des Herzogs das Misstrauen ihrer Rheinischen Collegen wachrufen. Die gefährlichste Klippe für alle derartigen Verbindungen waren Separatverhandlungen einzelner Mitglieder mit dem Reichsoberhaupte. Die Herren kannten einander gut genug, um zu wissen, dass die Bundestreue bei keinem von ihnen vortheilhaften Anerbietungen des Königs Stand halten würde. Daher werden in die Bundesbriefe stets Bestimmungen aufgenommen, die das Suchen jedes Sondervortheils beim Könige ausdrücklich untersagen.

Das ist auch jetzt der Fall, aber man ging noch einen Schritt weiter. Während es früher stets hiess, nur die Gesammtheit solle auf königliche Forderungen und Anerbietungen Antwort ertheilen dürfen, wird jetzt gleich die Möglichkeit abgeschnitten, dass der zum Abfall Neigende durch Ausbleiben einen gemeinsamen Beschluss vereitele. In diesen Fällen, wie in allen Fragen der Reichspolitik wird an die Stelle des einhellig gefassten Beschlusses die Majoritätsentscheidung gesetzt, die für alle Mitglieder bindend sein soll. Wie es scheint, wurde dieser Artikel gleich dazu benutzt, um den Markgrafen zu verhindern, zum Schaden des Bundes einseitig seinen Frieden mit Sigmund zu machen. Die Kurfürsten hielten ihn davon ab, allein nach Wien zum König zu reiten und es wurde bestimmt, dass er gemeinsam mit ihnen dort zum Reichstag erscheinen solle[30]. Friedrich musste sich dem Willen der Mehrheit fügen, da er den Bund, so lange sein Verhältniss zu Sigmund sich nicht fest gestaltet hatte, nicht entbehren konnte.

Da man einmal die Binger Urkunde durch eine neue ersetzte, ging man zugleich daran, dem Bunde eine festere Organisation zu geben, vielleicht wirkte hierbei auch das Bestreben mit, dem Abfall Brandenburgs und Sachsens vorzubauen. Auffallend ist es, wie der Erzbischof von Mainz dabei in den Vordergrund tritt. Nicht nur steht ihm das Recht der Berufung der Tage in allen Reichssachen zu, sondern auch in seiner Diöcese zu Frankfurt oder in seiner Stadt Aschaffenburg sollen sie abgehalten werden. Wir finden den schlauen Mainzer schon einige Tage vor dem Zusammentreffen der Bundesglieder mit dem Markgrafen und [220] dem Herzog in Frankfurt beisammen[31]. Möglich ist, dass sie dort schon über einige Punkte sich einigten. Am wenigsten gewann Pfalzgraf Ludwig bei der neuen Fassung[32]. Die Bestimmung, dass zu der Waffenhilfe in Fehden gleich die Rechtstage treten, die dem Hilfsunlustigen einen bequemen Ausweg boten, ist wohl nicht ohne Rücksicht auf Ludwig’s Streitigkeiten mit Bernhard von Baden aufgenommen, in die seine Mitkurfürsten nicht verwickelt werden wollten.

Der Revision des Bundesbriefs schloss sich die Berathung der an den König zu sendenden Gesandtschaft an. Von der für diese bestimmten Instruction liegt ein Entwurf vom Mainzer Tage[33], sowie eine endgültige, von den Rheinischen Kurfürsten auf der sich anschliessenden Versammlung zu Oberlahnstein geänderte Fassung[34] vor. Zwischen beiden lag wahrscheinlich ein anderer, nicht mehr erhaltener Entwurf. In der Hauptsache wurde man in Mainz darüber schlüssig, den Wiener Reichstag zu besuchen und zu beschicken, im Uebrigen aber, besonders in der Hussitenangelegenheit, die Gesandten eine schroffe Sprache gegen den König führen zu lassen. Der Markgraf und der Herzog waren mit dieser wohl von Anfang an nicht einverstanden. Als auf der Heimreise zu Würzburg sie die Nachricht von dem Wiedereinfall Koribut’s in Böhmen traf, benutzten sie schleunigst die Gelegenheit, um mit Hinweis auf die dadurch bevorstehenden Wirren den zu Oberlahnstein versammelten Rheinischen Kurfürsten eine Milderung dieser Sprache, besonders in dem den Christenglauben und die Ketzer betreffenden Artikel zu empfehlen[35].

Diese Mahnung scheint nicht ganz den beabsichtigten Erfolg gehabt zu haben[36]. Die Majorität nahm allerdings eine Aenderung [221] mit der Instruction vor, aber wohl nicht im Sinne der abwesenden Genossen. Da sie der Verständigung mit dem Könige nicht so dringend bedurfte, die Böhmischen Verhältnisse ihr ferner lagen, zog sie das Zugeständniss, einen Reichstag zu Wien besuchen zu wollen, zurück und stellte die Forderung, Sigmund solle nach Regensburg kommen oder seine Bevollmächtigten nach Nürnberg schicken[37]. Dieser Beschluss der Majorität zwang auch Friedrich zum Fernbleiben, gab doch die Gesandtschaft am 27. August im Namen aller Kurfürsten diese Erklärung ab[38].

Der Markgraf sah so die Versöhnung durch seine Verbündeten, die ihn erst von der Benutzung der ihm gebotenen günstigen Gelegenheit zurückgehalten hatten und jetzt wieder die auf den Wiener Reichstag gesetzte Hoffnung vereitelten, völlig in’s Weite gerückt und gefährdet. Dass der König es aufrichtig meinte, zeigte ihm die Uebertragung des Vermittleramtes zwischen Pfalz und Baden mit königlicher Vollmacht[39]. Sigmund war ihm dadurch unstreitig einen Schritt entgegen gekommen, an die früheren Zeiten, wo er ihn mit der Ordnung im Reich betraut hatte, wieder anknüpfend[40]. Es lag ja auch in seinem Interesse, den kurfürstlichen Umtrieben durch eine Versöhnung mit dem Markgrafen die Spitze abzubrechen.

Eine Sinnesänderung rief bei ihm erst der unbeugsame Widerstand hervor, den das gesammte Collegium durch seine Gesandten der Abhaltung des Reichstages zu Wien entgegensetzte. Auch jetzt wollte er anfangs noch nicht glauben, dass [222] auch Friedrich nicht kommen werde. Als die Gesandten jedoch von ihrer Forderung nicht abwichen und ohne den Ausgleich mit einem Worte zu erwähnen, abreisten[41], da musste er seinen schlimmsten Verdacht betreffs der Binger Einigung bestätigt glauben. Der Markgraf war nach seiner Meinung mit den übrigen gegen ihn verschworen und dachte nicht im Ernste daran, die ihm entgegengestreckte Hand zu ergreifen. Diese Meinung war berechtigt, wenn sie auch nicht ganz richtig war. Es ist daher verständlich, dass Sigmund dem Grafen von Oettingen, der bald darauf in Friedrich’s Namen weitere Verhandlungen anbot, die Alternative stellte: entweder lässt der Markgraf vom Bunde und liefert den Bundesbrief aus, oder er mag sich jede weitere Mühe sparen[42]. Dieser Forderung konnte Friedrich nicht entsprechen und antwortete mit jenem Briefe, in dem er leugnet, dass der Vertrag etwas dem Könige Feindliches enthielte und sich auf den Wortlaut der Artikel beruft[43]. Die Versöhnung war damit gescheitert und der diplomatische Kampf zwischen beiden begann von neuem. Erst im Jahre 1426, nachdem ihn der Bund gegen Pommern im Stich gelassen hatte, der Herzog von Sachsen abgefallen und die Hoffnung auf die Polnische Krone verschwunden war, machte Friedrich seinen Frieden mit Sigmund. Damit war der Binger Kurverein in seiner ersten wie in seiner zweiten Fassung zu Grabe getragen.

Eine urkundliche directe Nachricht, dass diese zweite Fassung im Juli 1424 zu Mainz entstanden sei, liegt zwar nicht vor, aber ich hoffe, im Vorstehenden bewiesen zu haben, dass diese Annahme alle bisherigen Schwierigkeiten beseitigt.

Die früheren Erklärungsweisen kommen dabei, soweit sie berechtigt sind, zur Geltung. A war ein Geheimvertrag, B unter Umständen auch für fremde Augen bestimmt, A wurde kassirt und durch B ersetzt, B endlich trägt fälschlich das Datum des Binger Tages, es ist rückdatirt.

Zum Schluss noch einige Worte über die Bedeutung und die Tragweite des Binger Kurvereins.

Droysen hat in seiner Vorliebe für grosse Principien auch die Handlungsweise der Kurfürsten als von idealem Schwunge [223] getragen dargestellt. In ihrem Zusammenschliessen verkörpert sich ihm der kühne Gedanke einer Reform der Reichsverfassung. Die Schwerkraft des Reiches wird von dem Haupte auf die Föderation der vornehmsten Glieder übertragen. Diese geben, um die Aufgabe würdig zu erfüllen, dem neugegründeten Reichsregimente zugleich eine feste, auf die Dauer berechnete Organisation. So bildet der Tag von Bingen einen Markstein in der Entwicklung der Reichsgeschichte. Diese Auffassung ist im Grossen und Ganzen herrschend geblieben.

Lindner tritt ihr entschieden entgegen. Seine Würdigung des Kurvereins beruht auf dem richtigen Gedanken, dass er weniger aus einer grossen Idee, als aus dem Zusammentreffen verschiedener Interessen entstanden sei. Aber sein Bestreben, B für das Jahr 1427 annehmbar erscheinen zu lassen, zwingt ihn, in dieser Fassung einen ganz harmlosen, vom Könige stillschweigend anerkannten Vertrag zu sehen. Demgemäss erscheint ihm auch in A die Gegnerschaft gegen den König als etwas mehr Nebensächliches. Die Kurfürsten bezweckten in erster Linie eine energische Bekämpfung der Böhmischen Ketzerei und wollten sich gleichzeitig den ihnen zukommenden Antheil an den wichtigsten Reichsgeschäften, die durch Sigmund’s Abwesenheit litten, sichern. Das Zurückgreifen auf die Bopparder Vorlage sei eigentlich nur zufällig und für die Tendenz des Bundes fast bedeutungslos.

Dass es vielfach überschätzt worden ist, kann man zugeben, aber eine bewusste Feindseligkeit gegen den König liegt gleichwohl darin, wenn auch das einfache Herübernehmen der Artikel, ohne sie den veränderten Verhältnissen anzupassen, zeigt, dass die Verbündeten sich über das, was sie im einzelnen wollten, nicht recht klar waren. Der Reichskrieg gegen Böhmen war aber gewiss nicht der Hauptzweck der Einung, da sie eine energische Thätigkeit in dieser Richtung gar nicht versucht hat, sondern sich auf unfruchtbare Opposition und die Sorge für die Einzelinteressen beschränkte. Das war der Kern, die schönen Phrasen von Reich und Reichskrieg waren nur die schimmernde Hülle.

Wie verschieden auch der Grad der Abneigung bei den einzelnen Gliedern sein mochte, ein sehr unbequemer und lästiger Herr war Sigmund für sie alle. Hatte er doch deutlich genug seine Absicht kund gethan, die Krone aus ihrer Erniedrigung zu erheben, entfremdetes [224] Reichsgut zurückzubringen, und Städte und Ritterschaft an sich zu ziehen. Seine Ohnmacht liess es nicht zur Ausführung dieser Pläne kommen, bedrohlich aber erschien er den Kurfürsten immer. Sie hätten ihm gewiss gern das Schicksal seines Bruders bereitet, doch es fehlte an einem Prätendenten, der die schwere Last auf sich zu nehmen Lust bezeigte, wie damals Pfalzgraf Ruprecht. Sigmund war zudem kein Wenzel und Konrad von Mainz kein Erzbischof Johann. Das Streben des Kurfürstenstandes nach Erweiterung seiner Gerechtsame auf Kosten der monarchischen Gewalt war ein so natürliches, in den Verhältnissen begründetes, dass ein Bund, der alle in so seltener augenblicklicher Einhelligkeit vereinte, selbstverständlich dieses Streben zum Ausdruck bringen musste, ohne dass es dazu fein durchdachter, theoretischer Erwägungen bedurfte.

Markgraf Friedrich hat mit rücksichtsloser Klarheit die Consequenz der Lage gezogen, wenn er Sigmund erklärt, er sei den Kurfürsten, seinen Herren, zu demüthigem Gehorsam verpflichtet[44], und in seiner Botschaft an den Polenkönig den Reichsstädten dieselbe Auffassung andichtet[45]. Beide Male aber nicht als überzeugter Vertreter einer grossen fruchtbaren Idee, sondern um Sigmund gegenüber die Verantwortung von sich abzuwälzen, und den Deutschen König, seinen Gegner, in den Augen des Polenkönigs herabzusetzen. Das waren kleine Kriegslisten. Doch diese Sprache bewies, wohin ein solcher Bund, wenn eine feste Hand ihn regierte, führen konnte. Sigmund’s Zorn war daher wohl berechtigt.

Man kann ihm, trotz der hohen Meinung, die er von seiner Stellung hatte, nicht nachsagen, dass er die berechtigte Theilnahme der Kurfürsten an den Reichsangelegenheiten beschränkt habe, er hat ihnen sogar mehr als einmal die umfassendsten Vollmachten ertheilt, ihnen völlig freie Hand gelassen, an seiner Stelle zu wirken. Allen Bündnissbestrebungen aber stellte er sich consequent entgegen. Die Erinnerung an Wenzel’s Sturz liess ihn begreiflicherweise nichts Gutes von solchen Umtrieben erwarten. Besonders gefährlich musste ihm die Vereinigung des Jahres 1424 erscheinen, als er sah, dass sie nicht nur die Rheinischen Herren, sondern auch den Markgrafen und den Herzog [225] umfasste. Des Ersteren Bedeutung wusste Niemand besser zu würdigen als er, und es ist daher wohl zu beachten, dass er in ihm das eigentliche Haupt der Verschwörung sah. Freilich waren die Kurfürsten von 1424 keine rechten Verschwörer wie die von 1399. Als sie ihr Geheimniss verrathen sahen, die mangelhafte Festigkeit der beschworenen Verbrüderung zu Tage trat, da griffen sie zu leeren Entschuldigungen, denen sie durch die Neufassung des Bundesbriefes einen Schein von Berechtigung zu geben suchten. Sie hatten zu einander und zu ihrer Sache kein rechtes Vertrauen. Daraus entsprang das Bestreben, die mangelnde innere Festigkeit durch äussere Vorschriften zu ersetzen.

Auch gegen die übertriebene Meinung, die man von dieser Organisation hegt, wendet sich Lindner. Von der Gründung eines oligarchischen Reichsregiments könne keine Rede sein. Er verwirft das „wechselnde Bundespräsidium“ unter Hinweis auf die landfriedensrechtlichen Aufgaben des „Gemeiners“. Mit vollem Recht, denn der „Gemeine“ oder „gemeine Mann“ bedeutet nie etwas anderes als den Schiedsmann bei Zwistigkeiten. Ganz so harmlos in dem Wunsche, die Ketzer zu bekämpfen, sind aber weder diese Bestimmungen, noch ist es der frühere Bund von 1421. Besonders in der Anordnung, dass jede das Reich oder die Kurfürsten betreffende Frage zuerst auf einem vom Mainzer Erzbischof zu berufenden Kurfürstentage[46] verhandelt werden soll, wobei jedes zwieträchtige Votum durch das Majoritätsprincip ausgeschlossen ist, lagen Keime, die sich unter günstigen Verhältnissen zu einem festgeschlossenen System entwickeln konnten.

Der in Mainz schleunigst reorganisirte Binger Kurverein ist nicht, wie Droysen meint, die für die Reichsgeschichte hochbedeutende That, welche ein klar erkanntes grosses Princip zur Geltung bringt; dem steht seine Entstehung aus den Einzelinteressen und sein Aufgehen in diesen entgegen; aber er enthält die natürliche Fortbildung der auf Schwächung der königlichen Gewalt zu Gunsten des Kurfürstenstandes gerichteten Bestrebungen.




[119] Zum Binger Kurverein. Erwiderung. Otto Heuer unternahm in dieser Zeitschrift VIII, 208 ff. zu beweisen, dass die zweite Ausfertigung des Binger Kurvereins (B) dem Sommer 1424 und zwar der im Juli zu Mainz gehaltenen Kurfürstenversammlung ihren Ursprung verdanke. „Auf den ersten Blick“ hat er erkannt, wie mein Versuch, die Urkunde dem Reichstage von 1427 zuzuweisen, ein „verunglückter“ sei (S. 212. 214). Ohne mich auf mancherlei Nebenpunkte einzulassen, will ich nur die Hauptfrage kurz erörtern.

„Es wäre ein sonderbarer Einfall gewesen, einen im Jahre 1427 unter völlig veränderten Verhältnissen, unter ‚stillschweigender Anerkennung des Königs‘ geschlossenen Bund mit dem Datum jener Binger Verschwörungsurkunde von 1424 zu versehen“ (S. 212). Ich sehe davon ab, dass nach meinen Austührungen von einer „Verschwörungsurkunde“ kaum noch die Rede sein kann. Da H. zugibt, dass bei B sicher eine Rückdatirung vorliegt, so bleibt der Zeitpunkt des Entstehens vollkommen offen. Die Sache ist einfach die, wie ich in meinem Aufsatz S. 407 bereits gesagt habe: die Kurfürsten betrachteten noch 1427 ihre alte Vereinigung als legitim und bekundeten mit der Beibehaltung des früheren Datums ihr Recht, solche Verträge zu schliessen.

„Nicht minder auffallend ist es, dass von einem derartigen – – Abkommen nicht die mindeste Kunde sich erhalten hat“. Ist überhaupt eine Kunde von den verschiedenen Gestaltungen des Binger [120] Kurvereins ausser durch die Urkunden selbst vorhanden? Dass die Kurfürsten sich 1427 bei ihrer Aufforderung zum Zuge gegen die Husiten nicht auf die Abmachung beriefen, beweist weder für noch gegen, da der Vertrag, selbst wenn er bereits im Juli 1424 umgearbeitet wurde, damals noch zu Recht bestand.

Aber 1427 waren die Kurfürsten nicht alle persönlich anwesend. Müssen bei allen Verträgen die sie Schliessenden zugegen sein? Da genügen oft die Räthe, die 1427 anwesend waren. Die Redewendungen vom gegenseitigen Gelöbniss finden sich allenthalben, ausserdem sind sie dem alten Vertrage entnommen.

„Von kurfürstlicher Seite wird in ziemlich unzweideutiger Weise bereits im Sommer und Herbste 1424 auf die Fassung Bezug genommen“ (S. 213). Es scheint, dass diese Entdeckung H. hauptsächlich zu seiner Behauptung geführt hat, aber diese Bezugnahmen sind in der That nur „ziemlich“ unzweideutig. Das eine Mal beauftragen die Kurfürsten ihren Boten, dem Könige zu sagen, sie hätten gegen ihn nichts gethan, was nicht getreue Kurfürsten ihrem Könige billig thun sollten, und wer ihn anders berichtet habe, rede die Unwahrheit. Hier wird von der Urkunde nicht gesprochen. In dem anderen Falle wird berichtet über eine Botschaft, welche Markgraf Friedrich an den Polenkönig sandte. Der Botschafter trägt da Wladislaw den Bescheid vor, welchen Markgraf Friedrich dem Könige Sigmund ertheilt haben will: die Verschreibungen der Kurfürsten enthielten nichts, was dem Reiche oder dem Könige feindlich sei, sondern nur Nützliches für das Reich und die ganze Christenheit, wie ihr Wortlaut beweise. Zugegeben, dass diese auf Umwegen übermittelte Erklärung völlig zuverlässig ist, so konnte Friedrich das von A ebenso gut behaupten, wie von B. Und sollten denn die Kurfürsten dem Könige ins Angesicht sagen, dass sie sich gegen ihn verschworen hätten? Schrieben doch selbst die Genossen des Marbacher Bundes an König Ruprecht, ihr Bündniss, dessen Inhalt sie ihm zugleich mittheilten, möchte er sich „behagelich und gefällig“ sein lassen.

Dass „die Bundesurkunde B im Sommer 1424 bereits vorlag“, bedarf also wohl eines besseren Beweises. Doch ich komme noch darauf zurück.

Ich denke, zu künstlichen Combinationen, die immer subjectiv bleiben, darf man nur im äussersten Nothfalle greifen. In unserem Falle liegen die ausschlaggebenden Verhältnisse offen genug da. Die ganze Politik seit 1427, die Stellung des Königs zu den Kurfürsten zeigt sich so, dass der Inhalt von B damit bestens übereinstimmt. H. aber wählt die Auskunft, welche in den neueren Untersuchungen [121] über diese Zeit nur zu oft begegnet. Stimmen die Urkunden nicht nach Wunsch, so wird in ihnen ein Hinterhalt gesucht.

So soll auch B bestimmt gewesen sein, „den Verdacht Sigmund’s einzuschläfern“; man machte die Urkunde, um ihm vorzuspiegeln, dies sei der rechte Binger Vertrag (S. 218). Jedenfalls war das nach kaum sechs Monaten ein jäher Umschwung der muthigen Verschwörer. Und wo ist der Beweis, dass Sigmund nicht bereits die Urkunde A kannte? H. beruft sich darauf, dass der Brandenburger eine mildere Sprache dem Könige gegenüber vorschlug, d. h. er wünscht eine andere Fassung der Sätze, welche der kurfürstliche Gesandte dem Könige über „den Christenglauben und die Ketzer“ vortragen sollte. Gemeint können damit nur sein die Vorstellungen, welche nach dem ersten Entwurf (RTA VIII Nr. 303, Art. 7 u. 8) Sigmund über seine Stellung zu Böhmen gemacht werden sollten, und die er mit Recht zurückweisen konnte, um so mehr, da Prinz Korybut nach Böhmen zurückgekehrt und dadurch den Kurfürsten ihr Concept arg gestört worden war.

Ganz neu ist die Rolle, die H. dem Mainzer Erzbischof Otto zuschreibt. Ich weiss nicht, woher er die Berechtigung nimmt, den Mainzer Erzbischof zu einem „ränkevollen“, „schlauen“ Intriguanten zu stempeln und ihn seinem erbärmlichen Vorgänger Johann gleichzustellen (S. 217). Das wäre Otto gewesen, wenn wirklich B den von H. angenommenen Sinn hätte, aber das soll doch erst bewiesen werden. Dass in B dem Erzbischof ein Einberufungsrecht in Reichs- und Kirchensachen ertheilt wird, war ganz natürlich, da er der dazu am ehesten Berufene war und doch auch die anderen Kurfürsten desshalb nicht das Recht einbüssten, einen solchen Tag zu verlangen; für die inneren Angelegenheiten konnte auch jeder „Gemeiner“ ohne weiteres einen Tag ausschreiben. Frankfurt und Aschaffenburg, wo die Zusammenkünfte stattfinden sollten, lagen den vier Rheinischen Kurfürsten gleich bequem. Ich bemerkte früher nur, dass 1424 der Pfälzer diesen Vorrang von Mainz wahrscheinlich nicht geduldet haben würde, weil da eben erst der Streit um den Reichsvicariat stattgefunden hatte.

Ich vermisse bei H. eine Berücksichtigung so mancher Gründe, welche ich für meine Ansicht vorgebracht habe. Für mich war der Angelpunkt der ganzen Untersuchung, der mich zuerst auf den Gedanken gebracht hat, B könne nicht 1424 verfasst sein, der Umstand, dass der erste Artikel über Böhmen anders lautet als in A. Darauf geht H. mit keinem Worte ein, aber ich möchte wissen, wie er erklären kann, dass die Kurfürsten schon im Juli 1424 für gut fanden, den Hinweis auf ihre verunglückten Züge gegen Böhmen zu unterdrücken. [122] Es wäre das um so merkwürdiger, als sie in der Gesandtschaftsinstruction an den König, in der H. die Urkunde B wiederfinden will, sich über ihre Leistungen gegen die Böhmen gerade so ausdrücken wie in A. Lauten hier die nachher in B weggelassenen Worte: „wiewol wir – – zu iare eyn reyse und zoge darumb hininn gen Beheim – – getan haben,“ so sagen sie dort (RTA VIII S. 370): „wie sie vormals mit iren selbs liben und volk – – gen Behem gezogen waren“.

Ueber Heuer’s Schlussausführungen will ich nicht weiter reden. Wenn ich von meiner Deutschen Geschichte unter den Habsburgern und Luxemburgern, deren zweiter Band demnächst zur Ausgabe gelangt, einen Erfolg erhoffe, so ist es der, dass sie die übliche einförmige Schablone von „den auf Schwächung der königlichen Gewalt zu Gunsten des Kurfürstenstandes gerichteten Bestrebungen“ zerreisst.

Theodor Lindner.     


Replik. In vorstehender Erwiderung habe ich zunächst eine sinnentstellende Zusammenziehung zweier Sätze meiner Untersuchung zu berichtigen. Ich habe mir nicht angemasst, „auf den ersten Blick“ erkannt zu haben, dass Lindner’s Versuch, die Urkunde B dem Reichstage 1427 zuzuweisen, ein „verunglückter“ sei. S. 212 sagte ich bei der Kritik seiner Begründung der Rückdatirung „dass diese Begründung nicht beweiskräftig ist, ergibt sich auf den ersten Blick“, und S. 214 fasste ich, nach Anführung meiner Gegengründe, meine Ansicht über seinen Aufsatz zusammen: „L.’s Versuch, die zweite Urkunde dem RT. 1427 zuzuweisen, scheint mir daher ebenso verunglückt, wie seine Beweisführung, dass sie nicht dem Binger Tage Januar 1424 angehöre, überzeugend zu sein“. Diese Ansicht habe ich also nicht „auf den ersten Blick“, sondern nach reiflicher Prüfung gewonnen.

Dass die Fürsten 1427 in zwei Aufforderungen zum Heereszuge gegen die Hussiten (RTA IX, 30 u. 33), in denen sie ausdrücklich die zur Unterdrückung der Ketzerei gepflogenen Verhandlungen hervorheben, mit keinem Worte des, nach L., soeben vornehmlich zu diesem Zwecke geschlossenen Bundes gedenken, ist allerdings „auffallend“, da sie 1421 ihre Verbindung gegen Böhmen doch sogleich bekannt gaben (RTA VIII, 36), um so auffallender, als, wie L. annimmt, der König mit dem Bunde einverstanden gewesen sei. Von den Verträgen von 1424 geben, neben den Urkunden, RTA VIII, 309 u. 360 Kunde.

Gewiss brauchen nicht bei allen Verträgen die Schliessenden zugegen zu sein, einen so wichtigen Abschluss pflegte man aber nicht den Räthen zu überlassen und in der vorliegenden Urkunde behaupten die Fürsten geradezu, den Vertrag persönlich geschlossen [123] zu haben; denn die Redewendung: die Artikel „han wir iglicher dem andern in sin hand gelobt“ findet sich nicht „allenthalben“. Im alten Vertrage steht sie freilich, damals waren eben auch alle sechs Fürsten anwesend.

Den ganz anders gearteten Marbacher Bund kann man nicht wohl zum Vergleiche heranziehen sondern nur den die Vorlage zu A bildenden Bopparder von 1399, auf dessen sorgfältige Geheimhaltung ich S. 211 hingewiesen habe.

Zur Bezeichnung des Mainzer Erzbischofs, der übrigens nicht Otto, sondern Konrad heisst, als eines „ränkevollen Intriguanten“, berechtigt schon RTA VIII, 417. Dass der Vicariatsstreit von 1422 durch seine Intriguen angezettelt ist, bin ich in der Lage nachzuweisen, und ich werde das baldmöglichst thun, da ich auch L., was ich kaum hoffte, damit etwas Neues bringe.

Konrad seinem Vorgänger Johann „gleichzustellen“ bin ich weit entfernt, ich stelle ihn als Staatsmann tiefer. S. 217 sagte ich, dass er „in den Bahnen Johann’s, wenn auch mit minderem Geschick zu wandeln liebte“ und S. 224 „Konrad war kein Erzbischof Johann“.

Die folgenden Ausführungen L.’s wenden sich gegen seine eigene Darstellung S. 408 f., der ich lediglich zugestimmt habe. Das Einberufungsrecht in Kirchensachen habe ich, als selbstverständlich, gar nicht einmal erwähnt.

Sollte aber der Pfälzer diesen „Vorrang“ des Mainzers im Jahre 1427, nachdem er kurz vorher auf dem Bopparder Kurfürstentage die bittersten Klagen gegen dessen Intriguen geführt, eher geduldet haben als 1424?

Dass die geringfügige Aenderung im ersten Artikel über Böhmen der Angelpunkt von L.’s ganzer Untersuchung sei, konnte ich nicht annehmen. Der Hinweis auf die Kriegsleistungen wird in B keineswegs unterdrückt, sondern nur mit der Wendung: „und auch grosse coste und zerunge darumb getan han“ kürzer gefasst. Es braucht das gar keine absichtliche Aenderung zu sein. 1427 berufen sich die Kurfürsten auf diese „coste und zerunge“ nicht mehr. (RTA IX, 30 u. 33.)

Dass die Kurfürsten noch 1427 ihre alte Vereinigung als legitim betrachteten und mit der Beibehaltung des früheren Datums ihr Recht, solche Verträge zu schliessen, bekundeten, ist eine allerdings sehr einfache aber doch rein subjective Annahme. L. will damit die Rückdatirung erklären. Mir scheint diese Erklärung ungenügend. Das Urtheil über die „künstlichen Combinationen“ und über das „Hinterhalt“-Suchen überlasse ich dem kundigen Leser, der L.’s und meinen Aufsatz vergleicht.

O. Heuer.     


Siehe dazu auch Der Binger Kurverein in seiner verfassungsgeschichtlichen Bedeutung in DZfG Bd. 11, S. 63–89.

Anmerkungen

  1. Th. Lindner, Zur Deutschen Geschichte im 15. Jahrh. II. Der Binger Kurverein. MIÖG XIII (Heft 3), S. 394–413.
  2. RTA VIII, Nr. 294, Art. 4–8 u. 10.
  3. a. a. O. Einleitung und Art. 1 u. 2.
  4. a. a. O. Art. 3 u. 9.
  5. a. a. O. Nr. 295, Art. 2.
  6. a. a. O. Art. 4.
  7. a. a. O. Art. 6 u. 5.
  8. a. a. O. Art. 4 u. 6.
  9. Wendt, Der Deutsche Reichstag unter K. Sigmund. S. 126.
  10. B Art. 4 = A, Art. 3. Lindner hat, da ihm die Art des Abdruckes von A in den Reichstagsacten unzweckmässig und unbequem, auch leicht zu Irrthümern führend schien, die Urkunde nochmals in anderer Weise zum Abdruck gebracht. An dieser Stelle ist seine Druckeinrichtung aber nicht ganz correct und verleitet zu der Annahme, dass das folgende, auf die obigen Worte hinweisende „damide“ auch in B enthalten sei. Wäre das der Fall, so könnte die Fortlassung der angeführten Worte leicht auf einem Irrthum des Schreibers beruhen.
  11. Diese Ansicht wird besonders von Wendt, a. a. O. S. 125 ff., vertreten. Auch Erich Brandenburg, König Sigmund und Kurfürst Friedrich von Brandenburg, S. 172, Note 1, hält sie für die wahrscheinlichste.
  12. RTA III, Quellenbeschreibung zu Nr. 41 u. 51.
  13. In dem am 4. Mai 1427 im Namen der Kurfürsten erlassenen Aufrufe zum Reichskriege gegen die Hussiten, dem bedeutendsten Actenstücke des Reichstages neben der kurz vorher festgestellten Heeresordnung, heisst es: „als wir nů auf datum dits briefs aber gen Franckfurt gesammet gewest sein, ain tails mit unser selbs person und ain tails die selbs dahin nicht kommen konden durch ir vollmechtig freůnde und rette“. RTA IX, Nr. 33. Aus einem Briefe der Stadt Mainz an den Frankfurter Rath vom 29. April 1427 erfahren wir, dass der Erzbischof von Trier auf der Reise zum Reichstag in Mainz „wendig“ geworden sei, auch heisse es, dass Pfalzgraf Ludwig nicht kommen werde. RTA IX, Nr. 40.
  14. Pfalzgraf Ludwig und Friedrich von Sachsen fehlten. Vgl. RTA IX, Nr. 89 u. Aschbach, Gesch. Kaiser Sigismund’s III, S. 265.
  15. RTA VIII, Nr. 309, 2b.
  16. a. a. O. Nr. 360, S. 426.
  17. RTA VIII, Nr. 308.
  18. a. a. O. S. 172 f., besonders S. 173, Note 1. Auch Lindner pflichtet ihm bei.
  19. Diesen Ursprung habe ich zuerst in den Berichten des Fr. Dt. Hochstifts 1888/89, S. 81 ff., kurz dargelegt. Erich Brandenburg hat ihn in seinem Buche eingehend behandelt. Ueber die Punkte, in denen meine Auffassung von der seinen abweicht, gedenke ich mich demnächst im Zusammenhange mit einigen andern politischen Fragen dieser Zeit, besonders des Nürnberger Reichstags 1422, zu äussern.
  20. RTA VIII, Nr. 230, Art. 4; Nr. 311, Art. 9. Schon 1422 auf dem Nürnberger Reichstage hatte sich Ludwig in das königliche Interesse ziehen lassen, und war dem Markgrafen Friedrich durch seinen Zug nach Preussen geradezu feindlich entgegengetreten. Lindner, S. 403, berücksichtigt diese Aenderung der Verhältnisse nicht genügend, wenn er die Feindschaft Ludwig’s gegen Sigmund und seine Freundschaft für Friedrich betont.
  21. RTA VIII, Nr. 298.
  22. Caro, Lib. canc. Stanisl. Ciolek Nr. 80. AÖG 45, S. 471.
  23. RTA VIII, Nr. 307.
  24. E. Brandenburg a. a. O. S. 183, Note 3.
  25. Diese Angaben der Gesandten Friedrich’s an Wladislaw, Mai 1425, RTA VIII, 360, dürfen wir wohl als richtig betrachten, obwohl dieser Bericht, den man bisher auffallender Weise als ganz unverdächtige Quelle benutzt hat, sehr tendenziös gefärbt ist.
  26. RTA VIII 303, 12. Brandenburg’s Angabe, a. a. O. S. 180, Sigmund habe den Gesandten versprochen, sich bis dahin aller Feindseligkeiten gegen Friedrich zu enthalten, beruht auf einem Missverständniss des Textes.
  27. Vgl. oben S. 213 die Stelle aus der Instruction vom c. 19. Juli 1424.
  28. Vgl. oben S. 213 die zweimalige Bezugnahme.
  29. Die Meldung Nürnbergs an den König, dass „die kurfürsten alle sechs on beiwesen irer rede in grosser geheim bei einander gesessen sein“, spricht auch dafür. RTA VIII, Nr. 308.
  30. RTA VIII, Nr. 303, Art. 12.
  31. RTA VIII, Nr. 308.
  32. Lindner meint, der Pfalzgraf würde 1424 ein solches Uebergewicht des Mainzers nicht geduldet haben. Durch ein Einverständniss des Erzbischofs mit Brandenburg und Sachsen liesse sich der Vorgang erklären.
  33. RTA VIII, Nr. 303.
  34. RTA VIII, Nr. 309.
  35. RTA VIII, Nr. 307.
  36. Der Art. 4, wie RTA VII, Nr. 303, der für den Fall, dass Sigmund fragt, ob die Kurfürsten ihn sein Lebtag als einen Römischen König behalten wollen, die trotzige Antwort in Bereitschaft hat: Ja, wenn er seine Pflichten als solcher richtig erfülle, ist in Nr. 309 verschwunden. Statt dessen sollen die Gesandten versichern, ihre Herren hätten nie daran gedacht, ihm den Gehorsam zu versagen (Art 2 b). Aber diese Aenderung ist doch nicht die von Friedrich gewünschte, „den cristenglauben und die ketzer antreffend“. Sein Vorschlag scheint sich auf eine zwischen 303 u. 309 liegende, verlorene Fassung zu beziehen, in der wohl die eben erwähnte Aenderung bereits vorgenommen war. Nr. 303 macht mir den Eindruck, schon vor der Revision des Bundbriefes entworfen zu sein. Sie wurde nach Mainz wohl als Unterlage für die Berathung mitgebracht.
  37. RTA VIII, Nr. 309, Art. 2.
  38. RTA VIII, Nr. 311, Art. 2.
  39. RTA VIII, Nr. 306.
  40. Die Möglichkeit, dass Sigmund dem Markgrafen damit habe eine Falle stellen wollen (vgl. RTA VII, S. 363, Note 1, und Brandenburg a. a. O. S. 183, Note 6) ist nicht wohl denkbar. Für einen so gewandten Politiker wie Friedrich gab es der Mittel und Wege genug, dem Verlangen des Königs zu entsprechen, ohne bei Ludwig anzustossen. Zudem hatte der König, der der Ankunft Friedrich’s und der Verständigung entgegensah, dazu jetzt keine Veranlassung.
  41. RTA VIII, Nr. 311.
  42. RTA VIII, Nr. 360, S. 425.
  43. Vgl. oben S. 213 f.
  44. RTA VIII, Nr. 360, S. 425 f.
  45. Ebenda S. 427.
  46. Der einzige in dieser Weise berufene Tag scheint die Aschaffenburger Versammlung im November 1424 gewesen zu sein. RTA VIII, Nr. 337.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Wenzel von Luxemburg (1361–1419), von 1376 bis 1400 römisch-deutscher König.
  2. Vorlage: Vorige Anmerkungsziffer an dieser Stelle (fehlerhaft) wiederholt
  3. Albrecht V. (1397–1439), von 1404 bis 1439 Herzog von Österreich und von 1438 bis 1439 König des Heiligen Römischen Reiches, König von Ungarn und Kroatien sowie König von Böhmen.
  4. Heinrich XVI. der Reiche von Bayern (1386–1450), von 1386 bis 1450 Herzog von Bayern-Landshut.