Textdaten
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Titel: Der Anklöpfelesel
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aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 813, 834
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1890
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[813]

Der Anklöpfelesel
Nach einer Zeichnung von Fritz Bergen.

[834] Der Anklöpfelesel. (Mit Abbildung S. 813.) Einst wurde Schwaben von einer furchtbaren Pest heimgesucht. Jeder sperrte sein Haus ab und jeder fürchtete sich, von dem anderen angesteckt zu werden. Ganze Häuser, ganze Straßen und Orte starben aus, und niemand wagte, dem andern zu Hilfe zu kommen. Endlich ließ die Seuche nach, und wenige Gesundgebliebene gingen von Haus zu Haus und warfen Erbsen an die Fenster. Tönte dann von drinnen eine Antwort, so war noch Leben im Hause; wo nicht, so war alles ausgestorben. Später klopften sie dann an die Fensterläden, und ein „Vergelt’s Gott“ lohnte ihnen. Zum Andenken an diese Menschenfreunde feiert man angeblich alljährlich die Klöpflinstage, Klopfnächte, Anklopfete oder Boselnächte (von boslen = lärmen, toben). Unter diesem Namen versteht man die drei beziehentlich vier Adventsdonnerstage, deren letzter auch der Losenpfinztag, d. h. der Loosdonnerstag, heißt, und ganz Süddeutschland kennt sie.

Der Sagenforscher aber weiß eine bessere Deutung. Der Brauch hat nichts mit der Pest zu thun. Das Anklopfen an die Fensterläden ist der letzte Rest toller Umzüge, die dereinst üblich waren und die jedenfalls die Umzüge der Götter in der heiligen Zeit der Wintersonnenwende nachbilden sollten. An einigen Stellen haben sich dieselben auch wirklich noch erhalten. In der Umgegend von Meran besuchen sich an den Klöpfelabenden gute Bekannte und ergötzen sich wacker an Brot, Wurst, Wein und Obst. In Marienthal ziehen noch jetzt die Burschen herum und singen:

„Heut’ ist die heil’ge Klöpfelnacht,
Wo man Nudel und Küchel bacht,
Nudel heraus, Küchel heraus,
Oder wir schlagen ein Loch ins Haus!“

Das Prachtstück der Klöpflinsnächte aber ist der Anköpfelesel in Pillersee. Zwei kräftige Burschen nehmen ein Lattengerüst auf die Schultern; es ist durch eine Decke verhüllt und ein Sattel liegt darauf. Kopf und Oberkörper sind unsichtbar und nur die vier Beine des neuentstandenen Thieres kann man sehen, das durch einen aufgesteckten Eselskopf noch vervollständigt wird. Ein lustiger Reiter schwingt sich auf den Rücken des Esels; nebenher geht würdigen Schrittes der „Eigenthümer“ nebst dem Fuhrmann, und Zigeuner, Landstreicher, Hexen, Zillerthaler, Oelträger, Quacksalber und ein Thierarzt bilden sein Gefolge. Gemessen bewegt sich der Zug durch das Dorf. Hier und da wird dem Esel eine Krippe mit Wasser zum Saufen hingesetzt, aber stolzen Sinnes verschmäht er den Gänsewein.

Jetzt geht’s in die Bauernstuben. Kaum ist man in das Zimmer eingetreten, das dicht mit Zuschauern gefüllt ist, so wird der Esel krank, er fällt auf die Kniee und ist durch nichts zu bewegen, wieder aufzustehen. Wasser und Heu mag er nicht. Er „yat“ kläglich. Der Eigenthümer prügelt den Fuhrmann, weil dieser den Esel habe krank werden lassen, und der Fuhrmann wendet sich an den Quacksalber. Aber die Kuren verschlimmern nur die Krankheit: der Esel legt sich ganz hin und streckt alle Viere von sich. Jetzt greift der Thierarzt ein. Eine Wurst – und der Esel erholt sich zusehends. Eine Flasche Schnaps – und er ist bereits wieder auf den Knieen angelangt. Eine zweite Flasche, und er ist wieder ganz gesund, so daß er in seine beiden lebendigen Hälften getheilt an dem nun folgenden Mahle teilnehmen kann. Die dabei geführten Gespräche sind typisch und wiederholen sich jedes Jahr. Aber eins wechselt, und das sind die Scherze und Hänseleien, welche eingeflochten werden und an denen fast alle Anwesenden zu schlucken haben.