Das wilde Kanin und sein Todfeind

Textdaten
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Autor: Ludwig Beckmann
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Titel: Das wilde Kanin und sein Todfeind
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aus: Die Gartenlaube, Heft 44, S. 698–702
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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Das wilde Kanin und sein Todfeind.

Das wilde Kanin erreicht bekanntlich kaum die Größe seines zahmen Collegen, von dem es sich wesentlich nur durch sein derberes Naturell und die unveränderliche, hasenähnliche Färbung unterscheitet. Setzt man zahme Kanin im Freien aus, so verwildern diese unter günstigen Umständen rasch und sind nach Verlauf einiger Generationen der wilden Race wieder völlig gleich.

Da das wilde Kanin die bekannte Färbung des Ober- und Unterkörpers, selbst die schwarz-weiße Zeichnung des kurzen Schwänzchens (Blume) mit dem Hasen gemein hat, so ist es gar nichts Seltenes, daß ein halbwüchsiger Hase von Jagddilettanten für ein altes Kanin angesehen und todtgeschossen wird. Bei einiger Uebung erkennt man indeß ein Kanin selbst in voller Flucht leicht an der grauern Farbe, an den kurzen Löffeln und besonders an seiner eigenthümlich hastigen und niedern Gangart, welche durch seinen gedrungenern Körperban und die Kürze der Hinterläufe bedingt ist. Wesentliche Unterscheidungszeichen sind außerdem: der Mangel des [699] schwarzen Endflecks an den kurzen, fast nackten Löffeln des Kanins und der glotzende Ausdruck des großen, kohlschwarzen Auges. Die Wolle ist kürzer und dichter, die Haut oder der Balg weit fester und zäher als beim Hasen, wie dies schon seine abweichende Lebensart erfordert.

Zu den besondern Eigenheiten des wilden Kanins gehört das Ausscharren zahlloser kleiner Grübchen in der Nähe des Baues und auf den Weideplätzen, ferner das bekannte Warnungszeichen, (Klopfen, Stuppen), wobei das beunruhigte Kanin den Hinterkörper mit einem heftigen Ruck auf die Sohlen der Hinterläufe niederschnellt, so daß ein lauter, klappender Schall entsteht. Wird dieses Klopfen innerhalb des Baues fortgesetzt, so hört nun nur einen dumpfgebrochenen Ton, als ob jemand tief unten mit einem Hammer arbeitete, und manchem einsamen Spaziergänger hat dieses regelmäßige, unterirdische Pochen Anlaß zu den wunderlichsten Vermuthungen gegeben.

Als abgesagter Feind der Nässe und Kälte siedelt sich das Kanin am liebsten in einem sand- oder mergelhaltigen Hügellande an. Ob das fragliche Terrain mit Laub- oder Nadelholz bestanden, mit Heide, Ginster und Dornbüschen überwachsen oder völlig kahl ist, bleibt ganz unwesentlich, sobald der Boden nur warmgründig und gute Weide in der Nähe ist. Bei der Anlage seiner Baue befolgt es kein festes System, sondern richtet sich hierin ganz nach den örtlichen Verhältnissen. Wesentlich besteht jeder Bau in mehreren engen Ein- und Ausgangsröhren, welche oft zweigartig verbunden in der etwas erweiterten Kammer zusammentreffen. Auf kahlen Plätzen trifft man mitunter Hauptbaue von 20 bis 30 Röhren und mehreren Kammern, zu denen noch besondere senkrechte Fallröhren führen. Dagegen findet man in jungen Nadelholzculturen oft eine Unzahl kleiner Baue von 2-3 Röhren ohne jeden Zusammenhang über das ganze Terrain zerstreut. Nicht selten quartiert sich das wilde Kanin bei dem Dachse ein und lebt mit dem harmlosen Grimbart auf ganz vertrautem Fuße. Auffallender ist schon das Factum, daß auch Füchse und Kaninchen zeitweilig ein und denselben Bau bewohnen, wie Referent mehrfach zu beobachten Gelegenheit hatte. Die Nähe des Menschen scheut es weniger als jede andere Wildart, es dringt bis in die Vorstädte und siedelt sich selbst auf geräuschvollen Holzschneidereien und Lagerplätzen an, um von dort aus die umliegenden Gemüsegärten zu zehnten. Von einem nähern gesellschaftlichen Verbande der Kaninchen[1] ist bei den hiesigen Lapins keine Spur zu entdecken; zur Winterzeit ziehen sie sich allerdings mehr in die Nähe der größern Hauptbaue, allein mit Einbruch des Frühjahrs zerstreut sich die ganze Sippschaft, mit Ausnahme einiger alten lebensmüden Rammler, wieder in den umliegenden Getreidefeldern und Rapsbreiten.

In Revieren, wo dem Kanin wenig nachgestellt wird, pflegt es den ganzen Tag über in der Nähe seines Baues, von dem es sich niemals weit entfernt, herum zu bockeln. Die eigentlichen Weideplätze besucht es indessen erst gegen Abend und zwar weit früher, als der furchtsamere Hase. Eben so kehrt es Morgens später zurück und sitzt dann oft noch stundenlang an den Waldrändern und Ackerfurchen, um sich zu sonnen und vom nächtlichen Thau zu trocknen. Nach einem warmen Gewitterregen sieht man das Kanin oft schon mehrere Stunden vor Sonnenuntergang auf der Saat oder im jungen Klee sitzen, so unbeweglich, daß es in einiger Entfernung schwer von einem Erdklumpen zu unterscheiden ist. Jetzt bockelt es einige Schritte vorwärts, sichert nochmals und beugt dann rasch den Kopf zur Erde, um in aller Eile ein Mäulchen voll Klee abzurupfen. Im nächsten Moment sitzt es wieder aufrecht and unbeweglich mit stramm aufgereckten Löffeln auf jedes Geräusch horchend, während die großen schwarzen Lichter argwöhnisch nach allen Seiten umherspähen und das stumpfe Näschen sich unter beständigem Schnüffeln langsam auf und nieder schiebt. Dabei wackelt der lange, abgebissene Kleestengel, den es wie eine Cigarre im Munde hält, unaufhörlich und verschwindet allmählich zwischen seinen beweglichen Lippen.

Bei der leidigen Gewohnheit des wilden Kanin, auf dem gewählten Weideplatz hartnäckig zu beharren und hier ein rundes Plätzchen neben dem andern kahl abzuäßen, schadet es natürlich weit mehr, als der umherstreifende, überall naschende Hase. Den Producten der Gartenrcultur giebt es zu jeder Jahreszeit den Vorzug vor den gröbern Früchten des weiten Feldes und ist besonders lüstern nach den ersten Blättern der jungen Stangenbohnen, doch verschmäht es auch junge Erbsen, Blumenkohl und andere Gottesgaben nicht. Man pflegt daher in Gemüsegärten einige weiß getünchte Dachziegel in Giebelform aufzustellen, welche das argwöhnische Kanin, als vermeintliche Fallen, eine Zeitlang respectirt. Im Winter besucht es die Kohlgärten und scharrt unter dem Schnee nach der jungen Saat. Was es im Wald und an den Hecken zur Nahrung aufsucht, ist nicht der Rede werth, und wenn der Werth eines Kanins etwa 7—8 Groschen beträgt, so kann sich der Schaden, den es unter Umständen im Laufe eines Jahres anzurichten vermag, auf eben so viel Thaler belaufen.

Seine Fruchtbarkeit ist bekannt, beinahe berüchtigt. Schon um Mariä Lichtmeß, wenn kaum der erste Stahr mit lustigem Pfeifen seine Ankunft verkündete, haben sich unter den leichtsinnigen Kaninchenjünglingen bereits die hitzigsten Kämpfe um den Besitz einer Geliebten entsponnen. In jungen Schlaghölzern an sogenannten Sommerbergen sieht man sie dann oft bei hellem Tage sich unter Kratzen, Beißen und Quieken herumjagen und balgen, wobei sie mitunter hoch über den Boden gegeneinander springen, daß die Wolle davon stäubt. Ueber die Dauer der Ehebündnisse, die gegenseitige Treue der Gatten und ihr Verhältniß zu den übrigen Colonisten fehlen noch zuverlässige Beobachtungen, doch läßt sich mit einiger Wahrscheinlichkeit annehmen, daß hier etwa dieselben Principien Geltung haben, welche an den Ufern des Salzsee’s eingeführt sind. Noch betrübender für den Moralisten ist die grausame Manie der Kaninchenväter, ihren eigenen neugebornen Kindern nach dem Leben zu trachten, resp. dieselben roh in verzehren! — eine Erscheinung, welche auch bei zahmen Kaninchen und Hauskatzen hin und wieder zu Tage tritt.

Um derartigen Calamitäten vorzubeugen, sondert sich das trächtige Weibchen bei Zeiten von der übrigen Gesellschaft ab und schlägt an entlegenen Orten sein Wochenbett auf. Es gräbt für diesen Zweck eine enge Röhre, deren Kammer mit der eigenen ausgerupften Bauchwolle seidenweich und warm ausgefüttert wird. Beim Fortgehen versäumt das Weibchen niemals, den Eingang mit Moos, trocknem Laub, Gras und Erde dicht zu verstopfen. Derartige Mutterbaue trifft man nicht selten an den abschüssigen Hängen lebhafter Fahrstraßen und Holhwege, oft aber auch an ganz ungewöhnlichen Orten. So fand einer meiner Bekannten einen Satz junger Kanin in seinem Blumengarten und zwar unter der schmalen Einfassung eines Rosenbeetes, kaum drei Finger breit unter der Erde. Die Zahl der Jungen beträgt 4—10, sie sind in der ersten Lebensperiode, wie junge Hunde und Katzen, völlig blind und hülflos, werden aber schon in der dritten Woche von der Mutter in einen größern Bau oder in’s Kornfeld zu den Uebrigen geführt. Die kleinen, kugelrunden Dinger sind nun schon unglaublich behende und selbstständig, die Mutter bekümmert sich nicht weiter um sie, denn diese ist inzwischen bereits ein neues Verhältniß eingegangen und setzt dieses Geschäft mit bekanntem Erfolg bis tief in den Herbst hinein fort. — Man hat berechnet, daß ein einziges Kaninchenpaar sich binnen 4 Jahren bis auf 1,274,800 Stück vermehren würde, falls jedes Individuum am Leben bliebe. Glücklicherweise ist dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen, und auch der übermäßigen Vermehrung des Kanins hat die Natur nicht allein durch die Mordlust einzelner Rammler die nöthige Grenze gesteckt. Nasse Sommer und schneereiche Winter beschränken ihre Ausbreitung bedeutend, und eine tödtliche Seuche, die in manchen Gegenden periodisch wiederzukehren scheint, rafft oft ganze Colonien hinweg. Ueberdem arbeitet eine Unzahl von Feinden unaufhörlich an der Verminderung seines Geschlechtes und würde dasselbe längst vom Erdboden vertilgt haben, wenn das wehrlose Geschöpf diese andauernden Niederlagen nicht durch seine gewaltige Productionskraft auszugleichen suchte. —

Die Zahl seiner Feinde ist in der That Legion! — Bei der Mehrzahl unserer Jäger rangirt das wilde Kanin etwa wie Habicht und Wiesel, man macht keine besondere Jagd darauf, schenkt ihm aber zu keiner Jahreszeit einen Schuß, wo es sich nur blicken läßt, denn eines gesetzlichen Schutzes in Betreff der Setz- und Hegezeit hat das Kanin sich unsers Wissens nirgends zu erfreuen. Dagegen glaubt ihm der Wilddieb und der schlingenstellende [700] Bauernjunge eine besondere Aufmerksamkeit widmen zu müssen. Außer dem Dorfspitz, Hirtenhund und der Feldkatze stellt ihm das ganze Heer des haarigen und gefiederten Raubzeuges mit Leidenschaft nach, selbst Krähen und Elstern stoßen auf junge oder verwundete Kaninchen, wo sie ihrer ansichtig werden. Meister Reineke legt sich meistens an Hecken und Waldrändern in der Nähe der schmalen Pfädchen (Gänge, Wechsel), auf denen das Kanin Abends zur Weide rückt, in Hinterhalt und erwischt seine Beute im Sprunge. Dagegen nimmt er wenig Notiz von ihm, sobald es einmal im Freien angelangt oder seiner ansichtig geworden ist. Ebensowenig fällt es ihm ein, dem Kanin durch mühseliges Nachscharren in seine enge Behausung zu folgen, er müßte denn Schweiß oder einen Satz hülfloser Junger wittern. Bei hohem Schnee erhascht er indeß auch manches Kanin im freien Felde nach einer kurzen Hetze, sobald er ihm den Rückweg zum Bau abschneiden kann. Der eigentliche Todfeind des Kanins aber ist der Iltis, welcher vermöge seines schmächtigen Körperbaues befähigt ist, die innersten Schlupfwinkel eines Kaninbaues zu durchstöbern. Bei seiner Ankunft stürzt Jung und Alt in blinder Verwirrung durcheinander und in rasender Hast den Ausgängen zu.


Das Frettchen.


Der Jäger hat dieses eigenthümliche Verhalten beider Thierarten zu benutzen gewußt, indem er einen nahen Blutsverwandten des Iltis – das Frettchen – zähmte und zum Herausjagen der Kanin verwendet.

Das Frettchen (Mustela furo) verhält sich zum Iltis etwa wie die weiße Maus zu unsrer Hausmaus, denn es ist nichts weiter als ein Kakerlake vom Iltis, von dem es sich wesentlich nur durch seine schmutzig weiße oder isabellgelbe Farbe und das kürzere Haar unterscheidet. Das Auge ist matt rosenroth. Haut und Nägel horn- oder fleischfarbig. Wie der Iltis, so ist auch das Frettchen höchst ungeschickt im Klettern, dagegen Meister im Kriechen und Schlüpfen auf dem Boden und so geschmeidig in allen Bewegungen, daß ein Engländer meiner Bekanntschaft es als ein sehr biegsames Thier oder ein Thier ohne Knochen bezeichnete. Man hält das Frettchen in großen Drahtkäfigen oder dichten Kammern, und giebt ihm ein weich gefütterten Körbchen zur Schlafstelle, welches durch einen beutelartigen Ueberzug geschlossen werden kann, denn in diesem Körbchen wird es auch zur Jagd geführt. Das gewöhnliche Futter besteht in Weißbrod und Milch, zur Abwechslung erhält es dann und wann ein rohes Ei, einen frisch getödteten Vogel und während der Jagd die Augen der erlegten Kaninchen, nach denen es merkwürdiger Weise besonders lüstern ist. In Folge der vorherrschend vegetabilischen Fütterung ist seine Ausdünstung weniger penetrant, als dies beim Iltis unter Umständen der Fall sein kann, indessen immer unangenehm genug. An Dummdreistigkeit, Lichtscheu, Mordlust und Schlafsucht steht es dem Iltis wenig nach, und die Anhänglichkeit an seinen Wärter äußert sich höchstens dadurch, daß es denselben nur ausnahmsweise beißt. Aus letzterm Grunde, wie auch, um ihm das Ergreifen eines Kanins im Bau zu erschweren, pflegt man ihm in der Jugend die untern Fangzähne abzubrechen. Von einer Dressur ist nicht die Rede, das Frett durchkriecht aus angebornem Triebe, wie ein Dachshund, den Bau und kehrt aus Langeweile, Hunger oder Bequemlichkeitsliebe zu seinem gewohnten Körbchen zurück, ohne sich weiter um seinen Herrn zu bekümmern.

Will man mit dem Frett auf einem Kaninbau operiren, so werden zunächst alle kleinen Nebenröhren aufgesucht und verstopft, woraus man die gangbarsten Hauptröhren mit kleinen, glockenförmigen Garnen (Kaninhauben), die sich hinter dem einspringenden Kanin wie ein Strickbeutel zusammenschnüren, überdeckt. [2] Da nun aber nur ein Kaninchen zur Zeit gefangen werden kann und nicht selten mehrere hintereinander aus ein und derselben Röhre flüchten, so pflegt man einige Schützen um den Bau aufzustellen, welche die dem Garn entronnenen Kanin niederdonnern oder auch – vorbeischießen. Zu diesem Zweck formirt die Jagdgesellschaft einen Kreis um den Bau und jedes Mitglied verpflichtet sich, nicht früher zu schießen, bis das Kanin die Schützenlinie passirt ist. Derjenige, welcher das Frettchen beaufsichtigt, wird im Centrum des Kreises postirt, wo er sämmtliche Röhren übersehen kann; er führt kein Gewehr, denn er hat außer der Ueberwachung des Frettchens noch das Auslösen der gefangenen Kaninchen zu übernehmen, welches niemals Sache der Schützen sein darf. In dieser Weise wird man gewiß die bei derartigen Jagden so leicht entstehenden Unglücksfälle am einfachsten vermeiden.

Die Röhren sind nunmehr mit den Garnen belegt, das Frettchen durchschleicht mordlustig die innersten Tiefen des Baues, während die Schützen in erwartungsvoller Spannung der Dinge harren, die da kommen werden. Nach einer Weile glaubt der Jagdhüter, welcher horchend mit dem Ohr am Boden liegt, ein Geräusch in der Unterwelt zu vernehmen und benachrichtigt den nächsten Schützen durch einen bedeutungsvollen Wink. Jetzt hört man das heftige, warnende Klopfen eines Kanins und bald darauf ein dumpfes Gepolter und Gedränge, worauf abermals tiefe Stille folgt. Hui! – da fährt plötzlich ein alter Rammler aus der Hauptröhre und mit solcher Vehemenz in das tückische Garn, daß er mit demselben hoch empor schnellt, so weit es die Länge der Zugschnur erlaubt. Der Arme zappelt gewaltig, allein seine Anstrengungen dienen nur dazu, das Garn noch enger zusammenzuschnüren, und so liegt er bald, jeder Bewegung unfähig, am Boden, ein regungsloser, runder Ballen. – Ein zweites Kanin erscheint jetzt in der freigewordenen Röhre, es fährt mit einem Hakensprung quer über seinen gefangenen Cameraden hinweg, allein kaum hat es den Kreis der Schützen passirt, so krachen a tempo mehrere Schüsse, und tödtlich getroffen taumelt es radschlagend den Hügel hinab, bald den Rücken, bald den blendendweißen Bauch emporkehrend.

Jetzt wird es auch an den übrigen Röhren lebendig, hier und dort schnellt ein vom Garn umstricktes Kanin zappelnd empor, der Jagdhüter hat alle Hände voll zu thun, die Gefangnen auszulösen, in einen Sack zu stecken und die Garne rasch wieder aufzustellen. Dazwischen kracht es nach allen Seiten, und ein alter steifer Hühnerhund entwickelt eine merkwürdige Thätigkeit im Apportiren der Todten und Blessirten. Endlich verstummt die Kanonade, der Bau ist leer, und nun kommt auch unser Frettchen wieder zum Vorschein [701] Vom hellen Sonnenlicht geblendet steht es unschlüssig in der dunkeln Röhre, den langen Hals hin und her reckend. Es ist augenscheinlich höchst unzufrieden mit dem Ausgang der Affaire, denn es hat bis jetzt nur das Nachsehen gehabt und kann gar nicht begreifen, wo alle Kaninchen geblieben sein mögen! – Jetzt kriecht es vorwärts, mit dem Bauch am Boden windet es sich langsam wie eine Schlange durch das hohe Heidekraut und blinzt mit den blöden rothen Augen. Da trifft es zufällig mit der Nase gegen ein todtes Kanin und diese Berührung wirkt auf das träge Geschöpf wie ein Zauberschlag. Mit Blitzesschnelle fährt es plötzlich dem todten Kanin ins Genick und hängt hier, wie ein saugender Blutegel, so fest, daß es sich mit seiner Beute hoch vom Boden heben läßt. Gewiß das schlagendste Bild des nächtlichen Raubthieres, wenn auch nur en miniature! –

Die Garne werden nun abgenommen, gezählt, gesäubert und der Länge nach in gleiche Bündel zusammengefaßt, um der so leicht entstehenden Verwirrung des Fangzeuges vorzubeugen. Dann geht’s weiter zum nächsten Bau.

Allein nicht immer geht’s beim Frettiren so lustig her! – Oft bleibt das Frettchen schon im ersten Bau sitzen und kommt erst nach Sonnenuntergang, mitunter gar nicht wieder zum Vorschein. Es hat dann meistens ein Kanin in einer blinden oder Sackröhre überrumpelt und hält nun, nach reichlicher Mahlzeit, in aller Seelenruhe seine Siesta, ohne sich um die Jagdgesellschaft weiter zu bekümmern. Nach halbstündigem Warten, Locken und Pfeifen greift man zu energischern Mitteln, als da sind: blinde Schüsse und das Anzünden losen Schießpulvers in der Röhre, worauf das übliche Dämpfen oder Ausräuchern folgt. Zu diesem


Das Frettiren der Kaninchen.


Zweck werden ganze Haufen von Reisig und trocknem Farnkraut vor den Röhren aufgestapelt und in Brand gesetzt. Sämmtliche Mitglieder der Jagdgesellschaft beeilen sich, den aufsteigenden Qualm mit Tüchern und Zweigen in den Bau zu treiben; Alles vergebens! die Röhren wollen nicht ziehen, und hartnäckig kehrt der erstickende Rauch zur Oberwelt zurück. Zuletzt kommt Einer auf die sentimentale Idee, das Frettchen ausgraben zu wollen. Sofort werden vom nächsten Bauernhöfe Hacken, Schaufeln und Spaten herbeigeschafft, die jüngern Herren betheiligen sich lebhaft bei den Erdarbeiten, und nach Verlauf einer Stunde ist ein Einschlag von mindestens 6 Fuß Tiefe hergestellt, der sich rasch nach allen Richtungen erweitert. Die Wahlstätte bietet nun etwa denselben Anblick, wie das alte Bardowiek nach seiner Zerstörung durch Heinrich den Löwen. Was geschehen konnte, ist geschehen, allein das Frettchen ist und bleibt verschwunden.

Am andern Morgen bringt unser Jagdhüter das Frettchen zurück. Es ist allerdings todt – entweder im Qualm erstickt oder von einem einfältigen Tagelöhner im Walde erschlagen.

Es läßt sich indeß manches thun, um derartige Erfahrungen zu vermeiden. Zunächst operire man immer mit zwei Frettchen abwechselnd und reiche denselben vor der Jagd keinerlei fettes Futter, dagegen so viel warme Milch, als sie nur saufen mögen.

Bleibt eins sitzen, so kann man versuchen, es mit einem Stückchen rohen Fleisch, an der Spitze einer langen Gerte befestigt, anzukirren. Gelingt dies nicht, so stellt man das gewohnte Schlafkörbchen des Frettchens tief in die Eingangsröhre, verstopft diese, wie alle übrigen Röhren, sorgfältig und geht mit dem andern Frettchen weiter. – Oft schon nach einigen Stunden, spätestens [702] am nächsten Morgen wird man den Flüchtling schlafend in seinem Körbchen finden. – Ferner ist es vortheilhaft, dem kriechenden Frettchen eine Schelle an einem schwachen Wollfaden an den Hals zu hängen. Die Kaninchen werden dadurch frühzeitig gewarnt, und man kann das Verbleiben des Frettchens leichter überwachen. – Drittens frettire man niemals absichtlich bei schlechtem Wetter, in der Hoffnung, alsdann mehr Kaninchen in der Erde zu finden.

Wenn wir uns, schließend, nach dem Werth des wilden Kanins für die Küche erkundigen, so stoßen wir auf die widersprechendsten Meinungen und Vorurtheile. Der Eine rechnet es zu den feinsten Delicatessen, während ein Anderer es für unschmackhaft, wo nicht gar für ungenießbar erklärt. Die Wahrheit dürfte auch hier in der Mitte liegen. Das Kanin nimmt (im Gegensatz zum Hasen) bis zu einem gewissen südlichen Breitengrade fortwährend an Stärke und Güte des Wildprets zu. Außerdem kommt die Jahreszeit des Abschusses, das Alter des Individuums und vor Allem die Zubereitung mehr als bei anderem Wilde in Betracht.

Zwischen einem allen Rammler, der zur Winterzeit erlegt wurde, wo er nur selten den dumpfigen Bau verläßt, und einem jungen Kanin, welches den ganzen Sommer bei üppiger Nahrung im freien Felde lebte, ist allerdings ein großer Unterschied. Unter allen Umständen wird indeß ein einfach gebratenes Kanin ein ziemlich fades Essen bleiben, denn ein weißes, weichliches, dem Hühnerfleisch ähnliches Wildpret eignet sich vorzugsweise zu piquanten Ragout-, Pasteten etc. Daher spielt das „Lapin“ in französischen Kochbüchern eine größere Rolle als der Hase, und französische Gastronomen und Gourmands haben ihm weitläufige Capitel in Prosa und gebundener Rede gewidmet, während es bei uns eine ebenso zweifelhafte Stellung einnimmt, als Dachsschinken und Ziegenbraten.

Ludw. Beckmann.



  1. Es ist in dieser Beziehung viel gefabelt worden. Man spricht z. B. von der Oberherrschaft eines Patriarchen (in Form des ältesten Rammlers) und rühmt die Subordination, Verträglichkeit und Anhänglichkeit der kleinen Colonisten! – Ein spaßhafter Franzose will sogar beobachtet haben, daß ein krankes Kanin von seinen Cameraden sorgsam verpflegt und ihm regelmäßig ein Mäulchen voll Gras zugetragen wurde! –
  2. Ein Dutzend dieser Hauben ist meistens ausreichend. Jede Haube hat bei 2 Fuß Länge etwa 3 Fuß im Umfange und wird aus feinem Bindfaden in einzölligen Maschen glockenförmig gestrickt. Die 5–6 Fuß lange Zugschnure wird durch die Maschen der obern Einfassung ringsum gezogen. Beim Aufstellen der Garne ist zu beachten. daß dieselben nicht zu straff über den Röhren ausgespannt werden und keine Lücke zwischen dem untern Rand und dem Boden sichtbar ist. Um das Garn in seiner Stellung zu erhalten, steckt man einige Heftel rings um den Rand und drückt diese locker in’s Erdreich. Dagegen wird die Zugschnur fest um den nächsten Ast, Wurzel oder dergl. geschlungen.