Das von den Juden getödtete Mägdlein (Badisches Sagen-Buch)

Textdaten
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Autor: Brüder Grimm
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Titel: Das von den Juden getödtete Mägdlein
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 386–387
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Originalsubtitel:
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Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung: Antisemitische Ritualmordlegende aus Pforzheim
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Das von den Juden getödtete Mägdlein.

Im Jahr 1267 war zu Pforzheim eine alte Frau, die verkaufte den Juden aus Geldgier ein unschuldiges, siebenjähriges Mädchen. Die Juden stopften ihm den Mund, daß es nicht schreien konnte, schnitten ihm die Adern auf und umwanden es, um sein Blut aufzufangen, mit Tüchern. Das arme Kind starb bald unter der Marter und sie warfen es in die [387] Enz, eine Last von Steinen obendrauf. Nach wenig Tagen reckte Margaretchen ihr Händlein über dem fließenden Wasser in die Höhe; das sahen die Fischer und entsetzten sich; bald lief das Volk zusammen und auch der Markgraf eilte herbei. Es gelang den Schiffern, das Kind heraus zu ziehen, das noch lebte, aber, nachdem es Rache über seine Mörder gerufen, den Geist aufgab. Der Argwohn traf die Juden; alle wurden zusammengefordert und wie sie dem Leichnam nahten, floß aus dessen offenen Wunden das Blut stromweise. Die Juden und auch das alte Weib bekannten die Unthat und wurden hingerichtet. Beim Eingang der Schloßkirche zu Pforzheim, da, wo man die Glockenseile zum Geläute zieht, steht der Sarg des Kindes mit einer Inschrift.[1] Unter der Schifferzunft hat sich von Kind zu Kind einstimmig die Sage fortgepflanzt, daß damals der Markgraf ihren Vorfahren zur Belohnung die Wachtfreiheit, „so lang Sonne und Mond leuchten,“ in der Stadt Pforzheim und zugleich das Vorrecht verliehen habe, daß alle Jahre am Fastnachtsmarkte vierundzwanzig Schiffer mit Waffen und klingendem Spiel aufziehen und an diesem Tage Stadt und Markt allein bewachen sollten. Dies gilt noch heutigen Tags.

(Siehe Grimm’s „teutsche Sagen.“ Berlin, 1816. Erster Band. S. 456. Vergl. auch Gehres: „Pforzheimer Chronik.“ S. 18–24.)

  1. In der Schloßkirche zu Pforzheim befindet sich links beim Eingange, da wo man die Glockenseile zum Gebete zieht, auf einer steinernen Grabplatte folgende Inschrift:

    Margaretha A Judaeis Occisa
         Ob. Feliciter Anno Dom.
    MCCLXVII. Cal. Jul. Fer. VI.

    auf teutsch: Margaretha, von den Juden ermordet, starb selig den 1. Juli 1267.

Anmerkungen (Wikisource)

Eine Darstellung zur Pforzheimer Ritualmordlegende gab, ausgehend von der einst in der Stiftskirche auf dem steinernen Hochgrab des Mädchens befindlichen Inschrift, Anneliese Seeliger-Zeiss, Die Inschriften der Stadt Pforzheim, Wiesbaden 2003, S. 3-5. Dort zu ergänzen ist die kritischen Sichtung der jüdischen Quellen zur Verfolgung in: Das Martyrologium des Nürnberger Memorbuches, hrsg. von Siegmund Salfeld, Berlin 1898 S. 128-130 Google-USA*. Ohne Kenntnis dieser Quellen argumentierte Richard Fester, Die ersten Juden in der badischen Markgrafschaft, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins NF 11 (1896), S. 638-643 Google-USA*. Die jüngere Lokalliteratur listet das Pforzheimer Stadtwiki auf: http://www.pfenz.de/wiki/Margaretha_von_Pforzheim

Bereits der Dominikaner Thomas von Cantimpré berichtete über den angeblichen Pforzheimer Kindermord (Text zitiert z.B. von Johannes Gamans, abgedruckt bei Franz Josef Mone, Quellensammlung Bd. 4, 1868 S. 51 UB Freiburg). Über die Stadtchronik von Siegmund Friedrich Gehres (Pforzheim's Kleine Chronik, Memmingen 1792, S. 18-24 Google) in der Erstausgabe (eine spätere Ausgabe erschien 1811) gelangte die Geschichte in die Deutschen Sagen der Brüder Grimm (Bd. 1, S. 456 ALO): Das von den Juden getötete Mägdlein. Die aufklärerischen Distanzierungen von Gehres wurden von ihnen gestrichen, die antijüdische Tendenzerzählung wird zur in ihrer Glaubwürdigkeit nicht mehr bestrittenen "Sage".

Weitere Belege und Darstellungen zur Überlieferung/Sage:

  • Johann Christian Sachs, Einleitung in die Geschichte der Marggravschaft [...], Bd. 2, Karlsruhe 1767, S. 15-17 Google
  • Siegmund Friedrich Gehres, J. Reuchlins Leben und die Denkwürdigkeiten seiner Vaterstadt, Karlsruhe 1815, S. 91-95 Google
  • Sagen aus Baden und der Umgegend, Karlsruhe 1834, S. 17f. Google
  • Johann Georg Friedrich Pflüger, Geschichte der Stadt Pforzheim, Pforzheim 1862, S. 88f. Google
  • Christian Villads Christensen, Baareprøven dens historie og stilling [...], Kopenhagen 1900, S. 69f. Google-USA* (zum Motiv der Bahrprobe)