Die vierhundert Pforzheimer
Georg von Baden zog zum Streit
In blut’ger, unheilvoller Zeit,
Vor Tilly’s wilden Schaaren
Sein Vaterland zu wahren.
Entsagt der Fürst mit keckem Muth,
Und spricht zu seinem Sohne:
„Sitz du auf meinem Throne!
Mich ruft zum Kampf die höh’re Pflicht,
Wird uns das Schwert bevehren
In Luther’s reinen Lehren.
Doch ferne sey mirs, Mord und Brand
Zu locken in mein friedlich Land!
Und dir das Scepter lassen.
Nimm’s hin, mein Sohn, und trag’ es weis’
Zu deines Volks und Gottes Preis:
Des heil’gen Rechts Beschützer,
Er sprach’s und schwang sich auf sein Roß:
„Leb wohl, du meiner Ahnen Schloß!“ –
Viel heiße Thränen rannen,
Doch rastlos gings von dannen.
Ein blind Verlangen trieb ihn fort,
Wie einst in bessern Zeiten,
In offner Schlacht zu streiten.
„Der Feigling sucht den Hinterhalt,
So rief er, – „Kühn Beginnen
Muß uns den Sieg gewinnen!“
Und unaufhaltsam rückt er vor,
Und trifft den Feind vor Wimpfen’s Thor:
Die all des Kampfs gelüstet.
Die Trommel ruft, das Schwert wird bloß,
Wie Blitze folgen Hieb und Stoß,
Es donnern die Kanonen,
Und Mancher stürzt’, und Mancher sank,
Und mancher Kämpe sterbenskrank
Hat schweren Tod gelitten,
Denn blutig ward gestritten.
Den Fürsten, der im Freien stand;
Doch kühles Obdach hatten
Die Feind’ im Waldesschatten.
Da hat gar mancher Held geklagt;
Und Mancher muß erbleichen
Vor seines Armes Streichen.
Doch sieh! welch schwarzer Höllendampf
Steigt dort empor und stört den Kampf?
Und Alles rings zerschmettert!
Des Fürsten Heer wird schnell zersprengt,
Und Herrn und Knechte fliehn vermengt;
Ein Schreckensruf verkündet:
Umsonst war Bitte, Mahnung, Droh’n,
So Muth als Ordnung war entflohn;
Doch focht, vom Feind umgeben,
Der Markgraf für sein Leben.
Die nirgends ihres Gleichen hat,
Vernehmt sie, und bewundert
Von Pforzheim die Vierhundert!
Ein Häuflein klein, doch edler Art,
Aus jener Stadt gebürtig,
Des Schwabenlandes würdig.
Sie standen vor dem Fürsten dicht,
Wie Säulen fest, und wankten nicht,
Aus ew’ger Knechtschaft Ketten.
Und Mancher stürzt’ und Mancher sank,
Das Blut der treusten Herzen trank
Der nimmersatte Boden,
Sie kämpften, bis der Letzte blieb –
O weinet nicht, ihr Mütter lieb!
Der Ruhm von euern Söhnen
Wird alles Land durchtönen!
Durch seiner Bürger Tapferkeit;
Denn Lieb’ ist beßre Wehre,
Als Furcht und steh’nde Heere.
Und ihr, ihr Herren edlen Bluts,
Und ehret und bewundert
Von Pforzheim die Vierhundert!
Viel gerühmt in gebundener und ungebundener Rede, neuerlich wohl auch bezweifelt und bekrittelt, wurde die glorreiche That der vierhundert Pforzheimer. Nicht Jeder mag in unserer nüchternen Zeit den hohen Geist begreifen, der diese That erzeugte. Daß nicht gerade vierhundert Bürger aus der Stadt Pforzheim die Heldenschaar bildeten, welche sich für ihren Fürsten aufopferten, vielmehr „das weiße Regiment“ auch viele Angehörige der umliegenden anderen Baden-Durlachischen Orte in sich fassen mochte, läßt sich leicht denken, aber auch leicht erklären, da der Name der Stadt Pforzheim bei weitem der bekannteste war, und die Ernestinische Linie die Pforzheimer genannt wurde. Der Kern der Sage wird immerhin als eine wahre Begebenheit [391] zu betrachten seyn, und diese Begebenheit ihre richtige Erklärung und Würdigung finden, wenn man den Geist der weisen, väterlichen Regierung, wodurch sich die Fürsten des Zähringer Stammes von Anfang so vortheilhaft auszeichneten, und die hiedurch begründete Gesinnung des Badischen Volkes, sowie auch insbesondere die Persönlichkeit Georg Friedrich’s in’s Auge faßt. Daß ganz gleichzeitige Schriften des Vorganges nicht erwähnen, ist in der That ein Gegengrund von sehr leichtem Gewicht. Wie viele der Aufzeichnung würdige Züge mögen im Getümmel des dreißigjährigen blutigen Glaubenskampfes übersehen worden seyn! Im Jahr 1622 fand die Schlacht bei Wimpfen statt; das Theatrum europaeum, Thl. I. Seite 627, (erschienen im Jahr 1662 die Vorrede und Dedication M. Merian’s trägt die Jahreszahl 1634); erzählt das Wesentliche der Begebenheit, und ebenso das mehrerwähnte Werk: „Der durchl. Fürsten und Markgrafen von Baden Leben, Regierung u. s. w.“ vom Jahr 1685.
Vergl. auch Bader, „Badische Landesgeschichte,“ S. 504.
In der interessanten Schloßkirche zu Pforzheim, unter welcher die Gruft der Baden-Durlachischen Fürsten sich befindet, hat der regierende Großherzog den vierhundert Pforzheimern ein würdiges Denkmal errichtet.
In dieser Kirche wird auch noch die Zelle des berühmten Pforzheimer Gelehrten Reuchlin gezeigt.