Das schnellste Schiff der Welt
[323] Das schnellste Schiff der Welt. Wenn bisher unter den Schiffen
die Torpedoboote die Palme der Schnelligkeit hielten und darin selbst den
gefeiertsten Passagierschnelldampfern der Weltmeere um 20 bis 25%
vorausblieben, so hat neuerdings eine andere Klasse von Fahrzeugen den
kleinen Meerespiraten den Rang abgelaufen, nämlich die sog. Torpedobootjäger,
deren jüngster im letzten Jahre die Werft von Thornycroft
u. Komp. in Chiswick verlassen hat. Wie lange dieser bei etwa 250 Tonnen
Gehalt rund 56 m messende Dampfer den Ruhm des schnellsten Schiffes
behalten wird, kann man angesichts der schnellen Fortschritte auf dem
Gebiete des Schiffsbaues nicht wissen, aber vorläufig ist er mit seiner
auf den ersten drei Fahrten erzielten Durchschnittsgeschwindigkeit von
28,6 Knoten – zeitweilig bis 29,27 Knoten – in dieser Hinsicht die bedeutendste
Leistung der Schiffsbaukunst. Zum Vergleich möge dienen, daß
die schnellsten Passagierdampfer der nordamerikanischen Route um mehr
als 6 Knoten hinter dem „Daring“, so heißt der neue Torpedojäger,
zurückbleiben, und daß letzterer die Oceanfahrt von England nach New York,
welche heute noch 5 bis 51/2 Tage dauert, in der That in 4 Tagen
5 Stunden machen könnte, wenn seine geringen Kohlenvorräte das erlaubten.
In der That würde die Höchstgeschwindigkeit des „Daring“ und
seiner Schwesterschiffe sich nur wenige Stunden, jedenfalls aber nicht für
den Zeitraum eines vollen Tages, unterhalten lassen, denn dieser Schnelligkeit
steht ein so unverhältnismäßiger Aufwand von Dampfkraft gegenüber,
daß das Fahrzeug, selbst wenn es eben völlig mit Kohlen gefüllt wäre,
doch schon in 10 bis 15 Stunden die Vorräte verbraucht haben würde.
Ueberhaupt ist ja die Frage des Kohlenverbrauches und der kolossalen
Maschinen der heikelste Punkt beim Bau geschwinder Dampfer und gern
würde man, wenigstens bei den Schnellschiffen der Kriegsmarine, die
Dampf- zu Gunsten der elektrischen Maschine ganz verlassen, wenn das
bei größeren Schiffen möglich wäre. Aber der „Daring“ z. B. würde,
sollte er anstatt durch Dampf durch Elektricität aus mitgeführten Accumulatoren
getrieben werden, für seine 4800 Pferdekräfte – selbst wenn
diese Höchstleistung nur 2 Stunden andauern sollte – das Vierfache
seines Gesamtgewichtes in Accumulatoren mitführen müssen, was natürlich
nicht möglich wäre. Wenn auf großen, bereits sehr kostspielig arbeitenden
Oceanschnelldampfern etwa 1,5 Pferdekräfte auf jede Tonne Schiffsinhalt
kommen, so sind es bei den Torpedobootsjägern, sofern sie mit voller
Kraft arbeiten, zehnmal soviel! Auf längeren Reisen laufen daher auch
diese Fahrzeuge stets nur mit mäßiger, höchstens 1/5 bis 1/10 ihrer Maschinenkraft erfordernder Schnelligkeit. Bw.