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Titel: Das letzte Autodafe
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1863
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[656] Das letzte Autodafé. In der Restaurationszeit der zwanziger Jahre wurde auf Betrieb des Pater Cyrillo, welcher den größten Einfluß auf den König Ferdinand ausübte, im Staatsrathe ein Gesetzentwurf zur Wiederherstellung der Inquisition in Spanien beschlossen, um, wie es in der Adresse an den König hieß, den Umtrieben der Liberalen einen undurchdringlichen Damm entgegenzusetzen. Die Stadt Valencia ward zum Hauptsitze dieses furchtbaren Glaubensgerichts bestimmt, welches, durch keinen einzigen ordentlichen Richter besetzt, nur aus Priestern bestand, einem Präsidenten, dem Generalvicar Torranzo, einem Fiscal, einem Secretair und sieben Räthen. Kaum war dasselbe in Kraft getreten, so füllten sich auch schon die schaurigen Räume des Gefängnisses, welches im Innern des bischöflichen Palastes sich befand. Das Verfahren des Gerichts war ziemlich genau nach dem Vorbilde des alten Inquisitionsgerichts unter Philipp II. eingerichtet. Der Unglückliche, welcher den Harpyien desselben in die Krallen fiel, wußte nicht, wer sein Ankläger war, durfte zum Beweise seiner Unschuld keinen Zeugen herbeibringen und war für immer von der Außenwelt abgeschlossen. Das Verhör wurde in verfängliche Fragen eingekleidet, verbunden mit Versprechungen und Drohungen, und der Vertheidiger wurde dem Beklagten von den Unholden selbst bestimmt. Bei gefällter Todesstrafe übergab man das Urtheil und den Verurtheilten dem weltlichen Criminalgerichte, welches die Execution zu vollziehen hatte.

Ein solches Todesurtheil wurde im Jahre des Heils 1826 an einem Catalonier Namens Ripoll, wahrscheinlich dem aufgeklärtesten Manne in Spanien, vollzogen. Der Unglückliche war Vorstand einer von ihm selbst errichteten Privatschule, und hatte die unvorsichtige Behauptung ausgesprochen, daß Christus kein Gott, sondern nur ein Mensch gewesen sei. Nach dem Bekanntwerden dieser Aeußerung wurde Ripoll der allerärgsten Ketzerei, der Gotteslästerung angeklagt und in die Gefängnisse der Inquisition gesteckt. Dort ließ man ihn über ein Jahr zwischen feuchten Kerkerwänden schmachten, bis er, von Ungeziefer zerfressen, in stillen Wahnsinn verfiel.

In diesem Zustande kam er in’s Verhör.

Torranzo, der Präsident, legte ihm verschiedene Kreuz- und Querfragen vor und forderte ihn auf, seine Meinung über Christus zu äußern. Der arme geistesschwache Mensch wußte nicht zu heucheln. Er sprach, wie es ihm um’s Herz war, und seine Antwort fiel so ketzerisch wie möglich aus. Da stürzte der feiste Pfaffe mit Tigerwuth auf den ausgehungerten Gefangenen los, schlug ihn zu Boden, trat ihn mit Füßen und rief wie einst der Hohepriester: „Er hat Gott gelästert, was brauchen wir weiter Zeugniß!“

Einstimmig wurde das Todesurtheil über Ripoll ausgesprochen, der nun, mit Ketten belastet, dem nicht minder glaubenswüthigen weltlichen Gerichte überliefert wurde.

Nun folgte das Autodafé, ein Schauspiel, würdig eines Philipp’schen Zeitalters, ein Schauspiel, welches nur den verthiertesten Pöbelschaaren und dem verkommensten Pfaffengezücht einen Kitzel bereiten und Genugthuung verschaffen kann. Bis zur Stätte der Hinrichtung waren alle an den Wegen und Stegen befindlichen Heiligenbilder mit Schleiern verhüllt. Die Brüderschaft der Büßenden von der Mutter Gottes schritt dem Zuge voran, in dessen Mitte sich das unglückliche Opfer, auf einem Esel reitend, befand. Neben ihm trug man eine Tonne, die mit Flammen und Teufeln bemalt war. Die Büßenden von der Mutter Gottes, so wie die andern Heere von Mönchen ließen es sich angelegen sein, die an und für sich schon aufgeregte ungeheure Menschenmenge, die zum Richtplatz hinausströmte, zum wildesten Fanatismus aufzustacheln.

Zwischen zwei Kreuzen stand auf dem Schaffot der Galgen. Doch die Kreuze durften durch die Gegenwart des Gottesleugners noch weniger entweiht werden, als die Heiligenbilder an den Wegen; sie wurden deshalb bei seiner Ankunft fortgenommen. Das Volk, dessen Glaubenswuth, angestachelt durch die siegestrunkenen Mönche, zur wildesten Raserei ausartete, brüllte ohne Aufhören: „Verbrennt ihn! verbrennt ihn!“ – Wer erinnert sich dabei nicht sofort an das „Kreuzige! kreuzige ihn!“?

Betäubt und fast bewußtlos langte der arme Wahnsinnige auf dem Schaffot an, und er wird es, wenn sein Denkvermögen noch so weit reichte, als eine große Wohlthat betrachtet haben, als der Henker ihm die Schlinge um den Hals legte und ihm dann auf den Nacken sprang.

Während dies geschah, sah man rechts und links Feuerflammen emporzischen, damit es den Auschein haben sollte, als würde er in Wahrheit verbrannt. Die Leiche warf man sodann in das Faß und wälzte es in die Fluthen des Guadalaviar, wo man dieselbe einige Male untertauchte und darauf der Brüderschaft der Büßenden übergab, die den Leichnam in ungeweihte Erde begrub. – Solches geschah im „schönen Land des Weins und der Gesänge“ im Jahre 1826.

Dr. W. A.