Das hundertjährige Jubiläum der Bleistiftfabrik von Faber
Im September des Jahres 1761 richtete der alte Faber, zünftiger Bleistiftmacher und Bleiweißschneider zu Nürnberg, sein „Krämchen“ her. Es bestand dies aus einem kleinen Laden, in dem er die fertige Waare kunstreich aufgestapelt hatte, und mehreren dunkeln Stuben und Kammern, die er gern seine Fabrik nennen hörte. Er hatte bei vieler Arbeit sein leidliches Brod, denn seine Bleistifte galten schon damals Etwas – auch war er sonst ein zufriedener Mann, der sich in seinen Söhnen geschickte Nachfolger heranzog. Nur ein Schmerz durchzuckte ihn, ein leiser Aerger beschlich das sonst so neidlose Gemüth, wenn er vom stolzen England hörte mit seinen berühmten Bleistiften, die aus den massiven Blöcken des reinsten Cumberlandschen Graphit gefertigt wurden, den keine heimische Composition ersetzen wollte, weder die von Graphitpulver und feinstem Thone, noch eine andere, und wäre sie noch so sinnreich gewesen. Im Wachen und Träumen stand ihm der englische Bleistift als unerreichtes Musterbild vor der Seele, und selbst in seinem letzten Stündlein soll er den Umstehenden zugeflüstert haben: „Kinder! thut’s den Englischen nach – wenn auch nicht zuvor!“
Ein volles Jahrhundert ist seitdem verflossen, und die Nachfolger des alten deutschen Fabrikanten haben auf’s Rühmlichste die Mahnung ihres Urahnen beherzigt, und das englische Fabrikat an Güte nicht allein erreicht – sondern es sogar übertroffen.
Es ist die berühmte Bleistift-Fabrik von A. W. Faber in Stein bei Nürnberg, welche in diesem Jahre ihr hundertjähriges Jubiläum feierte und abermals den Beweis lieferte, wie deutscher Fleiß, wie rastlose Energie und Ausdauer unserer Landsleute niemals fremdländische Concurrenz zu fürchten hat.
Jemehr es nun Pflicht der heimischen Presse und Journalistik ist, alles Das hervorzuheben und zu beleuchten, was unserm Vaterlande zur Ehre gereicht, um so mehr – und wir können es nicht unterdrücken – finden wir es unverzeihlich, wie in einem bekannten Conversations-Lexikon unter der Rubrik „Bleistifte“ unter Andern gesagt werden kann: „Die englischen sind die besten. Diesen stehen die Wiener und Pariser am nächsten; gröbere Sorten jedoch werden in Deutschland, namentlich in Nürnberg, gefertigt.“
Dieses – Versehen einigermaßen wieder gut zu machen, war zum Theil die leitende Idee, die zu diesem Aufsatze Veranlassung
[677][678] gab und somit einem Unternehmen gerecht zu werden wünscht, das bereits seit länger als zehn Jahren eine europäische Berühmtheit erlangt hat und seine Artikel nach den fernsten Theilen der Erde versendet.
Und, meine Herren und Damen, ein guter Bleistift ist wahrlich keine Kleinigkeit, so wie ein schlechter selbst den ruhigsten Menschen zur Verzweiflung bringen kann. Deshalb wird ihn nicht allein der zeichnende Künstler zu schätzen wissen, sondern auch der Geschäftsmann, wenn er die Course notirt, oder die Hausfrau, wenn sie ihre Ausgaben bucht. Und so der Eine wie der Andere kann es nicht vertragen, wenn der Bleistift knirscht und das Papier zerkratzt, und zuletzt die Spitze abbricht, was jedem feinfühlenden Wesen einen Stich in’s Herz geben muß. Aber ein wahres Gaudium ist es, wenn das schöne Blei vom glänzendsten Schwarz bis in die feinsten Silbertöne über die weiße Papierfläche fährt und weder den Zeichner noch den Schreiber in ihrem Gedankenfluge hindert, sondern demselben ganz gazellenfüßig vorauseilt. Wer das nicht begreift und einsieht und nachempfindet, der stehle sich weinend aus dem Bleistiftbunde, oder überschlage diese Seite. Denn wie man den Menschen in seinem Umgange zu erkennen pflegt, kann man vielleicht mit gleichem Recht den Menschen nach seinen Bleistiften beurtheilen und das Paradoxon aufstellen: Sage mir, mit welchem Bleistifte Du umgehst, und ich will Dir sagen, wer oder was Du bist. So wird der abstrakte Verstandesmensch einen harten Bleistift einem weichen vorziehen, wie umgekehrt eine weiche, empfindsame Natur den weichen einem harten. Der Geizhals hingegen wird jedesmal den billigsten Bleistift wählen, also den schlechten, gleichviel, ob er sich mit diesem Instrument sein ganzes Leben hindurch jämmerlich abarbeitet.
Selbst eine ernste Sache verträgt ein humoristisches Gewand und bewahrt uns oft vor falschem Pathos. In diesem Sinne wurde vorstehende Composition entworfen, die das hundertjährige Jubiläum gedachter Fabrik allegorisch behandelt und wozu wir einige begleitende Worte folgen lassen wollen.
Wohl noch zu größerm Ruhme, als die Ertheilung von Preis-Medaillen der Industrie-Ausstellungen fast aller Nationen, gereichten dem Chef der Fabrik, A. W. Faber, die Zeugnisse der ersten Autoritäten deutscher und ausländischer Kunst. Namen, wie Cornelius und Overbeck, Kaulbach, Bendemann, Lessing und Horace Vernet, gewiß über jedes Vorurtheil erhaben, sprechen sich in anerkennendster Weise über dessen Fabrikat aus, und namentlich der edle Bendemann behandelt das Thema mit besonderer Wärme und Liebenswürdigkeit, während er sagt: „Indem ich Ihre Faber-Polykrates-Bleistifte[1] entschieden allen übrigen, selbst den englischen vorziehe, habe ich mich mit einem gewissen Stolze von den letzteren emancipirt.“
Eingedenk des vortrefflichen Künstlers, der mit so patriotischem Interesse hier auftritt, schlug unserm Zeichner der Schalk in den Nacken, daß er auf seinem Bilde einige der Bendemann’schen Figuren (aus dem Dresdner Thronsaal) anbrachte: Moses in der Mitte, weiter unten Constantin, Lykurg und Solon, jeden mit seinem Wahlspruche, wenn auch, dem Zwecke entsprechend, etwas variirt.
Inmitten sitzt, nach rastloser Arbeit ruhend, die alte respektable Firma Faber, in der Person des Gründers der Fabrik. Statt eines Feldherrnstabes (obwohl er vollkommner Herr auf seinem Felde ist) hält er einen Bleistift in der Hand; auch ruht er nicht auf Lorberen, sondern auf seinen lieben Bleistiften. Von beiden Seiten strömen Glückwünschende heran mit allerlei Gaben, und anmuthige Frauengestalten, moderne und phantastische, reichen ihm die Kronen der Kunst und des Bürgerthums. Auch fehlt im Vorgrunde der Humor nicht, in Gestalt des kleinen Knaben mit einer Narrenkappe, der auf seinem Griffel wie auf einem Steckenpferde reitet. Links spitzt ein alter Dorfschullehrer mit wichtiger Miene einen schönen neuen Bleistift, und die Kinder sehen ihm andächtig zu. Der Schreibende auf der andern Seite, auf bequemem Lehnsessel am geschnitzten Pulte, deutet auf die beiden Faber’schen Häuser in Paris und New-York. Einen prächtigen Cedernstamm, denn dies edle Holz wird bekanntlich zu den bessern Bleistiften verwendet, tragen Gestalten, welche die vier Hauptsorten der Bleistifte repräsentiren. Auch des Bergmanns ist gedacht, denn der Graphit kommt aus der Erde und muß tausend und abertausendmal durchgeknetet werden, wie uns der kräftige Arbeiter zeigt. Ueber dem Ganzen aber thront, als nervus rerum, die Fabrik selbst (die im Umfang fast einer kleinen Stadt gleicht), und ihre Schlote dampfen lustig bei Tag und Nacht, wie es bei einer wackern Fabrik Sitte ist.
Und wer in Zukunft einen guten Bleistift in die Hand nimmt, gedenke dabei des Meisters Faber und seiner Fabrik und des hundertjährigen Jubiläums. Und es wird ihm nicht übel anstehen, dabei sein Glas zu erheben und „Prosit!“ zu rufen – denn er trinkt es nicht allein zu Ehren der Faber’schen Fabrik – er bringt es deutschem Gewerbfleiß und wohlerworbenem Ruhme.
- ↑ Die vorzüglichsten Bleistifte der Fabrik.