Das heimliche Gericht - Teil 3

Textdaten
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Autor: Ludwig Ferdinand Huber
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Titel: Das heimliche Gericht
Untertitel: Fortsetzung
aus: Thalia – Dritter Band, Heft 9 (1790), S. 1–40
Herausgeber: Friedrich Schiller
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Erscheinungsdatum: 1790
Verlag: Georg Joachim Göschen
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: UB Bielefeld bzw. Commons
Kurzbeschreibung:
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[1]

I.

Das heimliche Gericht.

Fortsetzung.

(Siehe sechstes Heft.)

[3]
Dritter Aufzug.




Erster Auftritt.

Der Schauplatz ist auf Sontheims Schloß.

Heinrich von Westhausen, Adolf von Eimingen.

Eimingen. Ihr seid es also? Ich sah Euch wohl eher, aber im Schlachtgetümmel; und da standet Ihr nie so still, daß ich Eure Züge behalten konnte.

Westhausen. Auch ich erinnere mich der Zeit, da Eure Stirne noch glatt war, wo habt Ihr die Runzeln geholt?

Eimingen. Leider im Müssiggang, in ermüdendem frommen Müssiggang. Sie sind beschämende Zeugen meiner Thorheit, Sünden zu büßen durch die schwerste von allen. Sonst hab’ ich aus dem gelobten Lande nichts mitgebracht. Und nun liegt mir ob, meine Büßung abzubüßen. – Sagt mir, wie weit habe ich bis Landsberg?

Westhausen. Ihr könnt es vor Nacht noch erreichen. Was wollt Ihr aber dort? Es ist ja öde und leer.

[4]

Eimingen. Leer? Wo wäre dann Herrmann?

Westhausen. Ich erstaune. Ihr wüßtet nicht von seinem Tode?

Eimingen. Todt? Herrmann ist todt? Seit wann?

Westhausen. Er kam nicht wieder zurück.

Eimingen. Wie? So zog er noch einmal aus? Und auf mich zu warten hatte er versprochen.

Westhausen. Ich sage Euch ja, er kam nicht wieder zurück. Genesen von einer schweren Wunde wallfahrtete er nach Palästina, ein Gelübde zu erfüllen. Dort fand er sein Grab. Er ward von Arabischen Räubern umgebracht.

Eimingen. Ritter, wer hat Euch das gesagt?

Westhausen. Warum? Es ist weltkundig.

Eimingen. Wie lange ist es aber, daß man die Nachricht seines Todes hat?

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Westhausen. Ludwig lebte damals noch, und ich sah sein Auge naß, als er das unwürdige Ende des edeln Herrmanns vernahm. Die Helden meiner Zeit fallen, sagte er, und wo sind die sie ablösen?

Eimingen. So mochte er wohl sprechen, den keiner ablöße. Aber Herrmann war damals nicht gefallen. Er stand noch, und sein Muth. Und ich könnte Euch erzählen, was er zu Ludwigs Tod sagte.

Westhausen. Eimingen, Eimingen, besinnt Euch besser. Euerm Alter und Euerm Ruf ziemt es nicht, mit Mährchen umzugehen.

Eimingen. (entrüstet.) Noch ziemt es Euch, Ritter. –

Westhausen. Vergebt, vergebt meinem Erstaunen. Es ist mir unbegreiflich. Ihr wißt nicht allein nicht von Herrmanns Tod; Ihr wißt sogar, daß er noch lebte, als Ludwig starb?

Eimingen. Wohl weiß ich. Wir wanderten zusammen unter den heiligen Stäten. Ein Pilgrim gesellte sich zu uns;

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Ihr habt ihn auch gekannt, es war Adelbert von Gültlingen. Daß Ludwig nicht mehr lebte, erfuhren wir von ihm, und wie es gestanden hatte, als er Deutschland verlassen. Das Reich braucht nun Männer, sagte Herrmann, mehr als jemals. Kommt, laßt uns unsre Brüder aufsuchen. Westhausen lebt noch, von Sontheims Thaten war ich nie Zeuge, aber der Ruf nennt ihn seines Freundes werth. Mit ihnen und uns soll der kalte steife Karl doch noch zu schaffen haben. – Zusammen traten wir die Reise nach unsrer Heimath an. Was wir in Deutschland erfuhren, schlug unsre Hoffnungen vor der Hand nieder. Herrmann beschloß die Zeit abzuwarten, wo Größe nicht mehr ein Spiel der Thoren wäre, und List der Feigen und Schwachen nicht mehr die Kronen der Helden davon trüge. Auf diese beschied er mich, und dieß waren seine letzten Worte, als ich mich unweit seines Schlosses von ihm trennte. Noch sind es nicht völlig drei Jahre. –

Westhausen. Nicht völlig drei. – Und eben so lange ist es, daß – Aber fahret fort, fahret fort –

Eimingen. Ich zog damals weiter nach Franken. Jetzt bin ich da mein Wort zu lösen, zu sehen welche Entschlüsse die Zeit bei ihm gereift hat. – Und Ihr sagt mir, er lebe nicht mehr? Aber Ihr sagt mir, er sey nicht wieder heimgekommen? Ihr hört es, und könnt meinem

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Worte trauen, daß Euch eine falsche Botschaft getäuscht hat. Also lebt Herrmann doch wohl noch?

Westhausen. Nein, nein, es ist nur zu gewiß. –

Eimingen. Aber wie Ihr glaubtet, hat er nicht geendigt. Ich gebe Euch mein Ritterwort, daß er wenige Monden nach Ludwigs Tod noch lebte. – Ihr schweigt und sinnt? Wo kann er seyn? Und Landsberg, sagtet Ihr, ist öde und leer? – Aber Herrmanns Gemahlin, die schöne Mathilde, von welcher weit und breit – ?

Westhausen. Diese ist – – Ich weiß nicht. Ich weiß nichts, als was ich nun nicht mehr weiß. Dieser auferstandne Todte, ich gesteh’ es Euch, Ritter, ohne Euer Wort könnte ich kaum – Aber es wird sich aufklären. Ueberlaßt mir die Sorge. Und wenn meine Bitte bei Euch Gewicht hat, schweigt davon, bis ich Euch weiter gesprochen habe. Dieß möchte verdächtig scheinen, und ist es nicht, ist es gewiß nicht. –

Eimingen. Warum verdächtig? Ihr überzeugt mich noch nicht. Daß Freunde und Verwandte durch falsche Nachrichten aus einem andern Welttheil getäuscht werden, ist ja kein Wunder. Er lebt gewiß noch. Er ist ja wieder nach Landsberg gekommen.

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Westhausen. Nein, dahin kam er nicht wieder.

Eimingen. Was sagt Ihr? Auf einer Anhöhe schieden wir von einander, wo wir sein Schloß unter unsern Füßen erblickten. Und in dieses Schloß wäre er nicht wieder gekommen? Das ist sehr sonderbar. Das scheint verdächtig, Ihr habt Recht.

Westhausen. Ritter, noch einmal bitte, beschwöre ich Euch: Laßt mich, und mich allein, dieser dunkeln Geburt des Zufalls in’s Angesicht leuchten.

Eimingen. Des Zufalls? Des Zufalls nur, oder –

Westhausen. Um Eurer Hoffnungen willen, haltet ein rasches Wort zurück!

Eimingen. Ritter, Ritter, ein Bubenstück glaub’ ich zu sehen, aber den Vater dazu weiß ich nicht zu rathen.

Westhausen. (rasch.) Für diesen verbürge ich mich.

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Eimingen. Für wen?

Westhausen. Für wen es auch sey. Ich ahnde den Zusammenhang. Laßt mich jetzt. Wenn ich Euch mehr sagen kann, seht Ihr mich wieder. Beruhigt Euch bis dahin, wendet Euch an niemanden. – Laßt mich, ich bitte Euch.

Eimingen. (ihn fest in’s Auge fassend.) Ich lasse Euch. – Nein! (indem er ihm die Hand drückt.) Ihr seyd ein edler Mann!

(Er geht ab.)


Zweiter Auftritt.


Heinrich v. Westhausen. (allein.)

(ihm nachsehend) Auch Euch kannte ich stets dafür. – Es kann nicht anders seyn, dieser Mann hat nicht gelogen. – Und hat er nicht. – Ha was ist das? Hat er nicht gelogen. – Wofür schaudert meine Seele so? – Vor der Aufklärung dieses Räthsels? – O nein, nein, nein! Das ist nicht möglich. –

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Dritter Auftritt.

Konrad v. Sontheim, Heinrich v. Westhausen.

Westhausen. Er kömmt – O diese Gestalt tödtet meine Hoffnung! wankend und kraftlos – Schuld scheint diesen Nacken zu beugen!

Sontheim. Du hier und allein? Wie kömmt es, Heinrich, daß wir uns so wenig sehen? Ich meine, wir müßten uns viel zu sagen haben.

Westhausen. Ich vermuthete dich beschäfftigt. Der Herzog ist ja noch hier.

Sontheim. Der Freund geht ihm vor. Hab’ ich dich etwa beleidigt? Ich war nicht so ganz bei mir, da wir uns zuletzt sahen.

Westhausen. So haben wir die Launen gewechselt. Du bist jetzt aufgeräumt und heiter – (Sontheim schlägt beklemmt die Augen nieder; Heinrich der ihn betrachtet, stockt im Reden; eine kleine Pause.) Und ich – vor meinen Blicken steigen schwarze Gestalten auf! Eine nach der andern – auch Bilder der schönen Vergangenheit, aber von trüben

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spätern Schatten entstellt. – Sieh, so ist es! Auch dich stecken sie an, meine Worte locken Thränen aus deinen Augen.

Sontheim. (den Kopf an seine Schulter lehnend) Du bist grausam. Wüßtest du wie grausam du bist – deine strenge Tugend würde Erbarmen fühlen.

Westhausen. (innig gerührt auf ihn herabsehend, und ihn fester an sich drückend) Theurer – Gefallener! Ja es war eine göttliche Zeit, da Liebe zum Schönen uns so fest aneinander band; da Ludwig, die Tugend, und wir eins waren, da wir am Ende jedes Tages immer näher am Ziele der Vortrefflichkeit, und nie ausgelaufen waren; da das mächtige Bewußtseyn uns belebte, alle Preise des Ruhms eher zu erschöpfen, als den Vorrath von Größe in unsern Herzen, da – o Konrad, Konrad! – da wir schuldlos waren!

Sontheim. Wir! Reine Seele, nenne mir dein Verbrechen, daß ich wieder aufsehen könne zu dir.

Westhausen. Und ist es denn wahr? – Es ist? ist wirklich wahr? – O nur einen ruhigen, festen Blick wie vormals,

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nur jetzt, jetzt einen solchen Blick! Nicht diese schreckliche Bekräftigung in dem matten scheuen Auge!

Sontheim. Was wäre wahr? Was wahr ist, kannst du nicht denken, ob ich’s gleich thun konnte.

Westhausen. (in schrecklicher Bewegung.) Weiter! weiter! Ich muß weiter dringen – Um deiner selbst willen, um der Gefahren willen die über dir schweben, wenn – wenn es wahr ist! – was hast du – –

Sontheim. Unglücklicher, du verstummst? Es muß eine entsetzliche Frage seyn, der sich deine Stimme versagt.

Westhausen. (faßt seine Hand und hält sie mit fürchterlicher Spannung in die Höhe, dann läßt er sie los, mit knirschender Bitterkeit) Schande! Sie kriecht schon feig zurück, die gepriesene Kraft der Seele, vor der kleinen Unmöglichkeit, daß nicht geschehen sey, was geschehen ist! Auch du! (aufwärts blickend) bist hier nicht allmächtig! So falle dann die Entscheidung – (zitternd, aber schnell) was hast du mit Herrmann gemacht?

Sontheim. Stürzt mit einem Schrei zusammen und verhüllt sein Gesicht.

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Westhausen. steht in todter Betäubung eine Weile vor ihm. Endlich drückt er ihm flüchtig die Hand und will gehen.

Sontheim. (aufspringend) Wohin? (Er zieht ihn stark zurück) Bey Gott, du darfst mich nicht verlassen.

Westhausen. Ich muß. Du warst mein Freund. Ich gehe, zu sehen, zu sinnen, ob es abzuwenden ist, das Gewitter – Leb wohl.

Sontheim. Nein. – Westhausen, wenn du mich jetzt verlässest, so verlasse dich dein guter Geist auf ewig. Bleib. Sieh, du kannst dich von mir nicht losreißen. Ich fühl’ es, Starker, du kannst nicht. Meine Sehnen sind Eisen geworden. Himmlisches Gefühl! die tödtliche Entkräftung ist diesen Augenblick von mir gewichen.

Westhausen. Was willst du von mir, Rasender?

Sontheim. Ha Unmensch! Raserei wäre diese Löwenstärke, Krampf diese zerdrückende Kraft? Mich so fürchterlich zu wecken! Ich träumte, ich sey ein Mann. –

Westhausen. (kalt) Was willst du von mir?

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Sontheim. Ich verstehe dich. Dieser Ton, diese Miene – ich verstehe sie. Du bist für mich verloren. Aber ehe du alles weißt, ehe mein Herz sich von der entsetzlichen Last befreit hat; ehe sollst du nicht gehen.

Westhausen. Du hast Herrmann gemordet – brauch’ ich mehr zu wissen?

Sontheim. (mit einigem Stolz.) Ha bey dem was ich einst war! Es darf dir nicht genügen, mich gefallen zu sehen. Höre wie ich fiel, und lerne zittern für deine Tugend.

Westhausen. Rede.

Sontheim. – Ich fand Mathilden von Landsberg in dieser Gegend. Bey den frommen harmlosen Ritterweibern die du kanntest, diesen besseren Hausgeräthen zu behaglicher, nie verführender Ruhe für ihre Herren, hast du es nicht fassen gelernt, daß eine geheime teuflische Macht in weiblichem Reitz sich verbirgt, und den starken Geist des Mannes unauflöslich an sich zaubert. Ehre was du nicht kannst: das fordert dein Freund von dir, den ehemals die Welt neben dir nannte. Das Gift drang in meine innerste Seele. Ich hörte

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nicht mehr den Ruf der Ehre. Deine Thaten schallten vergebens in meine Ohren; was kümmerte mich Ludwig, und die Fürsten und Ritter?

Westhausen. Oh das kann ein Weib?

Sontheim. Sie war Witwe, Augenzeugen hatten hinterbracht, daß sie Herrmann fallen gesehen in Palästina. Die Vorbereitungen zur Hochzeitfeier begannen. In wenigen Tagen sollte mir Herrmanns Wittwe ihre Hand am Altar geben. Sie hatte schon Landsberg geräumt. In diesem Taumel traf uns die fürchterliche Botschaft, Herrmann lebe noch, und sey in Pilgerkleidern, unerkannt zu Landsberg. Ein Knappe, dem er sich entdeckt, eilte mit dieser Nachricht zu uns herüber. – Priestersegen und Altar konnten unsern Bund nur der Welt offenbaren. Fest und doppelt geknüpft war er schon, die rasche Leidenschaft hatte nicht auf Priestersegen und Altar gewartet. – Mathilde erholte sich zuerst. Hast du Muth, fragte sie mich, in der Liebe? Magst du berechnen, was du thun kannst mich zu besitzen, zu retten von der unauslöschlichen Schmach? – Ich schauderte, kämpfte, aber von ihr kämpfte ich mich nicht los. Die Liebe schuf sich eine eigne Tugend, und die Tugend der Liebe kannte kein Verbrechen, als preis zu geben der unauslöschlichen Schmach das Weib das mir alles geopfert hatte. Und bei Gott, Heinrich, noch jetzt, in diesem schrecklichen ernsten

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Augenblick – noch jetzt fasse ich es nicht, daß ich dieß unbegreifliche Kunstwerk der schaffenden Natur den Seelenzerreißenden Klauen der Schande hätte hinwerfen können. – Der Knappe eilte mit dem blutigen Auftrag zurück – und Herrmanns Wittwe gab mir ihre Hand am Altar! –

(Pause)

Westhausen. (kalt.) Und jetzt ist der Ritter Adolph von Eimingen hier auf deinem Schloß, der Herrmann auf seiner Rückkehr aus dem gelobten Lande begleitet hat. Du begreifst welchen Gefahren dich seine ängstlichen Nachfragen aussetzen. Was beschließest du? Noch hat er niemanden gesprochen, als mich. Ich muß ihn zu beruhigen und zu entfernen suchen. Aber ich sinne vergebens. Sprich, gieb mir Mittel an. – Nun? Du schweigst, du missest mich mit den Augen. Liegt dir an deiner Sicherheit so wenig?

Sontheim. Heinrich – du spottest meiner?

Westhausen. Bey meinem Eid, das thu’ ich nicht. Ich erwarte deine Vorschläge, und eile zur Ausführung. Wir sind Waffenbrüder, du hast mir das Leben gerettet – kannst du noch zweifeln, ob ich alles anwenden werde, die unselige Entdeckung zu verhindern? Du wirst nichts unedles verlangen.

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Sontheim Also, so ist es? Nun versteh’ ich dich. Du liebst mich nicht mehr, du verachtest mich. Und du willst mich retten? – So gewiß ich deiner bedarf – so gewiß verwerfe ich deine Hülfe.

Westhausen. Wie? –

Sontheim. Westhausen, vor wenig Augenblicken wünscht’ ich den Tod, den Tod der Verbrecher. Ich schmachtete nach Vernichtung, denn des ermordeten Geist drückte den meinen nieder. Jetzt ist meine Seele heller. Ein schönes Ziel scheint noch vor ihr aufzudämmern. Ich fühle mich stark genug zu leben, denn Herrmanns Geist ist von mir gewichen. Der Edle schont meine letzten Kräfte, daß ich mit diesen ihn versühnen könne. Heinrich, du weißt es nicht, aber es ist dein Werk. An den wohlthätigen Stral der Freundschaft zündet sich die verlöschende Flamme von neuem an. Ohne dich schwindet sie wieder dahin. Aber so will ich deine Hülfe nicht. Kalte Pflicht wird die zarte Lebensblüthe nicht warten und pflegen; deines Herzens hätte diese bedurft. Hab’ ich dein Herz verloren, so geh. Geh, und laß dich das flüchtige Licht nicht dauern. Es wird bald ausgehen, und todtes Dunkel wird wieder meine Sinnen umhüllen. – Nein, ich scheue dein

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rollendes Auge nicht. Ernst und wahr sind meine Worte.

Westhausen. Laut und kräftig hallen sie hier wieder. Konrad, vergieb mir. Reich mir deine Hand. Deine Seele ist gerettet. Laß mir diese Hand. Wir erneuern den Bund, und ich verlasse dich nicht. Versöhne des Edeln Geist, dann stirb! die nie gefallnen Helden werden ihre Lorbern zu deinen Füßen legen, und dich um dein Verbrechen beneiden.


Vierter Auftritt,

Die Vorigen, Mathilde.

Westhausen. (zurücktretend, indem er Mathilden erblickt) Ha verloren dieses Augenblickes werth!

Sontheim. Nein! Westhausen, hast du je geglaubt, ich würde diese verlassen? dann fiele mein letzter Anspruch auf Versöhnung hinweg, und sie wär’ es nicht werth gewesen, was ich für sie gethan.

Mathilde. Was ist geschehen, seit ich dich verließ? Ich lese Wunder in deinem Auge, Konrad. So schön und

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heiter sah ich es nie strahlen. Und ich noch ein Fremdling in deiner Freude?

Westhausen. Konrad, wir sehen uns wieder. (Er will gehen.)

Sontheim. Westhausen! Im Nahmen unsers erneuerten Bundes beschwöre ich dich, bleib. Denn ohne sie brech’ ich ihn wieder.

Mathilde. So wäre es doch möglich? dieser eiserne Mann hätte gethan, woran ich verzweifelte? Ritter, Eure Hand. Die Liebe beugt sich vor der Freundschaft. – Er wendet sich ab. Er will mich nicht hören, nicht sehen, der Wilde, meinen Dank nicht annehmen!

Westhausen. (ohne Bitterkeit) Weil ich mir unbewußt bin, ihn zu verdienen. Ich habe die Liebe in diesem Bund nicht gedacht. Möge sie dich glücklicher machen, als sie es that!

Mathilde. Ritter – ich sehe, Ihr wißt alles. Und gestehen will ich es Euch, es ergreift mich heute zum erstenmal bei Euch beiden eine sonderbare, verworrne Ahndung von – von Männergröße!

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Westhausen. Zum erstenmal! O Sontheim, so tief warst du gesunken?

Mathilde. Vergeßt nicht, Unglücklicher, daß Ihr bis diese Stunde noch kein weibliches Herz sahet. Euer Freund war glücklich durch die Liebe. Aber sie starb dahin, und da erst trat die Reue an ihre Stelle.

Westhausen. In seiner Seele nur, des minder Schuldigen?

Mathilde. Soll ich mich der blutigen Bilder rühmen, die so oft den goldnen Schlaf aus meinen Augen verscheuchten? dieser langsam zehrende Wurm hat vor der Zeit Rosen auf meinen Wangen gebleicht. Aber ich war Weib und Mutter. Liebe hieß die schöne Kraft, die das traurige Schicksal von mir abwehrte, in der gähnenden Betrachtung des Vergangenen Gegenwart und Zukunft zu Einer ausgebrannten Wüste umgeschaffen zu sehen. Sie schuf neue Rosen, die der Wurm der Reue nicht bleichte; und überlebte selbst das Unglück, nicht mehr geliebt zu seyn.

Sontheim. Heinrich, dein staunender Blick sagt mir’s: du denkst nicht klein mehr von diesem Geschöpf.

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Mathilde. Ihr, Ritter, habt Konrads Herz wieder zu den Gefühlen gestimmt, die im öden Schmerz der Reue verhüllt waren. Euch also werd’ ich es vielleicht verdanken, wenn mir in seinem Herzen – –

Sontheim. Du verstummst? – Mathilde, rede! Die Bewegung in der ich dich sehe – Schmerz ist sie nicht, diese Bewegung.

Westhausen. (mit einer Theilnehmung, die seit ihren letzten Reden in seinen Mienen gestiegen.) Nein, Schmerz ist sie nicht. Ich sehe einen Gedanken in dieser Seele sich bilden. Redet! redet!

Mathilde. Wenn du nun meine Seele dir nach zu Eurer hohen Tugend leiten willst, die ich heute begreifen gelernt habe, dann – (mit Grazie gegen Westhausen sich wendend) dann, Ritter, nehmt Ihr doch auch dafür meinen Dank an?

Westhausen. Unbegreifliches Wesen! Jetzt schon macht Ihr mich stolz. (Indem er Konrad die Hand drückt.) Vergieb mir, Freund. Ich that dir doch wohl Unrecht.

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Sontheim. Mathilde, Mathilde, freue dich deines Sieges. Herrlicher siegte noch kein Mann.

Westhausen. Ich bitte Euch, meßt meine Seele jetzt nicht nach meinen Worten. Ich finde keine Worte für Euch. Und soll ichs Euch gestehen? ich – fasse Euch noch nicht.

Mathilde. (lächelnd.) Westhausen, die Weiberseele entschlüpft Euch, wenn Ihr sie fassen wollt; fühlen lernt Ihr sie bald! Wenn Ihr mich fühlt, wie es scheint – dann freilich hab’ ich gesiegt.

Sontheim. Und durch deinen Sieg bin ich seiner so gewisser. An Eurer Hand – fürcht’ ich keine Dornen auf dem Pfade, den ich gehen werde.

(Sie gehen ab.)


Fünfter Auftritt.

Der Truchseß, Adolf v. Eimingen

im Gespräch hereintretend.

Truchseß. Es ist äußerst seltsam, was Ihr da erzählt. Ihr kanntet ja den Ritter schon vorher in Deutschland?

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Es konnte kein Betrüger seyn, mit dem Ihr zu thun hattet?

Eimingen. Wir hatten seit der Mühldorfer Schlacht wenig ohne einander gelebt. Der Fall ist ganz unmöglich.

Truchseß. Ich erinnre mich wohl nur flüchtig, ihn gesehen zu haben. – Zwar – Ihr ruft mir etwas zurück. – Gerade in den Tagen, als Konrad von Sontheim sich mit der Wittwe – der vermeintlichen Wittwe Eures Freundes vermählte. –

Eimingen. Und diese Vermählung, die ich von Euch erfahren! der Zeitpunkt dieser Vermählung! Lauter dunkle Räthsel –

Truchseß. Ganz recht. Eben damals war es – ich befand mich, der Feierlichkeiten halber, die der Herzog dem Brautpaar geben wollte, gerade zu Landsberg – eben damals – wie doch Umstände, die einst so auffielen, bis sie wieder erweckt werden, in dem Gedächtniß schlafen können!

Eimingen. Nun?

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Truchseß. Wie ich Euch sage, ich bemerkte damals einen armen Pilger, der in dem Schlosse bei den Knappen und Knechten mit Erzählung seiner ausgestandnen Fährlichkeiten, mit frommen Liedern, sich eine mäßige Nahrung verdiente. Der grauhaarige Bursche machte mich aufmerksam. Es war etwas bekanntes in ihm, etwas edles, das mit seinem Stande und seinem Aufzug so wenig übereinstimmte. – Zwei Narben die sich über seinem Auge kreuzten. –

Eimingen. Ueber seinem rechten Auge? Herrmann – es war Herrmann. Ueber seinem rechten Auge, nicht wahr? Und sein linker Arm war gelähmt?

Truchseß. Richtig, der linke mocht’ es seyn. – Ich suchte an diesen Pilger zu kommen, ich wollte ihn dingen, mit Sing und Sang bei meinen Festen aufzutreten. Seine Antworten waren sonderbar und räthselhaft. Eines Wortes erinnre ich mich eben vollkommen, das er mit tief bekümmerter Miene sagte: sein Gesang möchte Rabengesang seyn in die Hochzeitfreuden. – Den Tag darauf fehlte er auf dem Schlosse, und niemand wußte, wenn, noch welchen Weg er gegangen. Mehrere Bewegungen, Kleinigkeiten, häuften sich zu der Zeit zusammen, die mich für den Augenblick nachdenkend machten – aber Mangel an Nahrung entfernte seitdem den schwankenden Argwohn aus meinem Kopf,

[25]

jene Ereignisse sind mir zum Theil entfallen, und ich kann es Euch nicht einmal so klar mehr machen, was mir damals –

Eimingen. O klarer kann nichts seyn unter der Sonne: dieser Pilger war Herrmann! Er fehlte – fehlte auf dem Schloß? Truchseß, Ihr wißt gewiß mehr. So schwankend ist Euer Verdacht doch nicht geblieben, so rein waren doch alle Menschen um Euch herum nicht, daß Ihr keinen in Euerm Herzen der That hättet zeihen dürfen.

Truchseß. Der That? konnte ich damals eine bestimmte That ahnden? Freilich, hätt’ ich damals gewußt was ich von Euch erfahre, dann wären jene Erscheinungen heller an mir vorbei gezogen, dann würde ich die verdächtigsten auf ihrer Flucht angehalten haben. – Aber Ihr? Was nehmt Ihr vor? Wie denkt Ihr nun dem Geheimniß auf den Grund zu kommen?

Eimingen. Werde ich – muß ich das? – Herr Truchseß, dieser Handel scheint mir nicht ritterlich, ich gesteh’ Euch, daß er mich abschreckt. Die Sache der Freundschaft wäre es freilich. Aber ich glaube nicht, daß mir beschieden ist, das aufzuhellen. Eine innere Stimme räth mir an, mich in dieses Spiel nicht zu mengen. – Dann habt Ihr hier ja Eure Fehmgerichte.

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Für diese möchte dieß eher gehören, und den weisen verborgnen Richtern kann die Unthat nicht entgehen, wenn es anders nicht Lügen sind, die man von ihnen erzählt.

Truchseß. Lügen und Wahrheit unter einander, wie es geht! Allwissend sind ja doch Menschen nicht. (sehr wichtig) Und die ächte Beschaffenheit des Ordens bleibt dem Volk ewig ein Räthsel.

Eimingen. Sei’s wie es sey! Ich kehre jetzt zurück in meine Heimath. Entdeckt sich’s, so dringt der Ruf davon vielleicht bis zu mir. Auch habt Ihr hier einen Mann, der durch mich genug erfahren hat, um der Spur weiter nachzugehen. Und dieses Mannes ganzes Leben war der Verfolgung des Unrechts geweiht. Wer könnte besser, als Heinrich von Westhausen. –

Truchseß. Westhausen ist’s den Ihr meinet? – Ihr habt ganz Recht, und ich verdenk’ es Euch nicht, daß Ihr damit nicht zu thun haben wollt. – Er weiß also alles?

Eimingen. Was ich weiß, hab’ ich ihm gesagt.

Truchseß. Es muß ihm auffallend – sehr auffallend gewesen seyn. Wie nahm er sich bei der Entdeckung?

[27]

Eimingen. Die Wahrheit zu sagen, sonderbar – sonderbar genug, um einen Augenblick Zweifel in mir zu erregen. Aber ich habe mich dieses Augenblicks geschämt. Bei Gott, Westhausen ist die Krone der deutschen Ritter. Er wird es ausmachen, ausfechten, wenn es seyn muß. – Ich eile daß mich niemand hier sehe. Ich athme hier so schwer, als wäre die Luft verpestet. O Herr Truchseß, vor meiner Wallfahrt in’s gelobte Land wär’ ich diesem Ungeheuer muthig entgegen gegangen; damals kannte ich das Gefühl nicht, das mich jetzt aus diesem Schlosse treibt. – Lebt wohl. Mein Pferd steht gesattelt im Hof. Lebt wohl.

(Ab.)

Truchseß. So lebt dann wohl, Herr Ritter. (Allein.) Recht – recht so! Nun versteh’ ich dich, Arlheim. Der Ruhm des Ordens ist in meinen Händen, und dieses Mannes Schicksal!


Sechster Auftritt.

Der Truchseß, Heinrich v. Westhausen.

(Westhausen eilt schnell an dem Truchseß vorbei, dieser hält ihn auf.)

Truchseß. Wohin, Herr Ritter? wohin so eilig?

[28]

Westhausen. Sieh da, Herr Truchseß. Ich kannte Euch nicht sogleich. Verzeiht –

(Er will gehen.)

Truchseß. Sucht Ihr den Herrn von Sontheim? Ich vermuthe ihn bei dem Herzog.

Westhausen. Nein, ich verlasse ihn eben.

(Wie oben.)

Truchseß. Herr Ritter, es kann Unbescheidenheit seyn, daß ich Euch aufhalte. Aber Ihr müßt’s unser einem vergönnen, es thut uns so wohl, Männer Eures gleichen zu sehen. Und wenn Ihr Euch vollends zu uns herab laßt – Freilich, die Herren Ritter verachten uns, die wir in Hofdiensten grau werden.

Westhausen. Ganz und gar nicht. Aber Ihr seht, daß ich eilig bin. Ein andermal wird es mich freuen, Bekanntschaft mit Euch zu erneuern.

Truchseß. Nun, ich will Euch jetzt nicht hindern. Ein andermal also, ich halte Euch bei’m Wort. O es ist nicht lange, da sprach ich von Euch mit dem Ritter Adolf von Eimingen, der –

[29]

Westhausen. Eimingen, Eimingen? Ihr habt ihn gesprochen? – Ganz recht. Wißt Ihr, wo er ist? Ihn such ich eben.

Truchseß. Um desto eher könntet Ihr mir eine Weile Eure Unterhaltung gönnen. Denn Adolf ist nicht mehr hier.

Westhausen. Nicht mehr hier? Seit wann? Wohin ist er gegangen?

Truchseß. Das weiß ich nicht. Aber fort ist er. Er nahm kürzlich Abschied von mir.

Westhausen. Und mich hat er vermieden? Das ist sonderbar. Das thut mir leid. Ich hätte ihn gern noch gesprochen.

Truchseß. Im Vertrauen, Herr Ritter – und in der Ueberzeugung, daß Ihr mich nicht verrathen werdet. –

Westhausen. (beiseite.) Wie? Sollte er – (laut) Was habt Ihr mir zu sagen?

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Truchseß. Der gute Ritter schien mit seinem Aufenthalt nicht zufrieden, und darum eilte er früher hinweg.

Westhausen. Woran hat es ihm abgehen können? Mehr edle Gastfreiheit darf er auf keinem Ritterschlosse suchen. Er hat sich zwar nicht bei Konrad selbst gemeldet.

Truchseß. Nein, nein, so ist es nicht. Ganz etwas anders! Mich selbst überfällt ein Grauen, wenn ich an die Dinge denke, die er mir gesagt hat.

Westhausen. Ha! – Und wie lauten diese entsetzlichen Dinge?

Truchseß. Ihr wollt spotten, Herr Ritter – Habt Ihr ihn denn nicht gesprochen?

Westhausen. Ich wohl; aber weiß ich darum, was er Euch gesagt hat? oder worüber Ihr erschrocken seyn mögt?

Truchseß. Doch! Es würde mich wundern wenn Ihr es nicht wüßtet. – Ob Ihr freilich es wissen wollt, – und daß Ihr, als Rittersmann, nicht so leicht erschrecken dürft als einer meines Schlags. –

[31]

Westhausen. (faßt den Truchseß heftig bei der Hand, und schüttelt ihn unsanft.) Behaltet Eure Schrecken für Euch, Herr Truchseß. Hört Ihr? ganz für Euch! Und denkt dabei was es Euch einst in Ludwigs Lager gekostet hat, als Ihr mit Eurer Zunge Euch unter Ritterschwerter wagtet. Habt Ihr die Lehre schon vergessen, die Euch Konrad damals gab?

Truchseß. (beißt wütend die Lippen zusammen, fährt aber ruhig fort.) Ihr seyd aufgebracht. Vergebt mir. Wir freilich können Dingen dieser Art nicht mit dem Schwerte beikommen. Jedoch unter uns, Herr Ritter –

Westhausen. Unter uns! Nun dann, unter uns also?

Truchseß. Ein ruhiger Kopf bringt oft mehr heraus, als der tapferste Arm. Und es ist ja auch noch die Frage, ob Ihr euern Arm hier würdet gebrauchen wollen. – Ihr habt es noch nicht so erfahren, daß die Menschen nicht immer sind, was sie scheinen.

Westhausen. Eine weise Bemerkung! auf die Euch also jene Wunderdinge geleitet, die Ihr von Eimingen erfahren habt?

[32]

Truchseß. (ihm fest und unverrückt in die Augen sehend, nach einer Pause langsam und kalt.) – – Also – glaubt Ihr würklich nicht, daß Konrad von Sontheim der Mörder Herrmanns ist?

Westhausen. Schändlicher Lästerer! Du sollst mir jetzt Rede stehen, oder –

Truchseß. Was ich für ein Recht habe, Euch zu fragen? – Nun, wie ich Euch sage, von Euch hoffe ich Licht über die Sache zu erhalten. – Bestätigung vielmehr, denn klar ist sie mir schon. – Und dann –

Westhausen. Dann? – Mensch, Teufel, oder was bist du?

Truchseß. Eure Ungeduld ist natürlich. – Es sei genug des Scherzes!

Westhausen. Des Scherzes? Elender –

Truchseß. Halt, Ritter! – (Er zieht langsam einen Dolch hervor, und hält ihn Heinrich vor die Augen) Erkennt Ihr mein Recht, Euch zu fragen? – (Heinrich bleibt wie vom Donner gerührt, der Truchseß fährt fort.) Wo habt

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Ihr den Bruder zu diesem? – Und Euer Eid? Ihr habt um diesen Frevel gewußt, Ihr wolltet ihn dem Gericht verheimlichen. Euer Eid, den Ihr schwuret vor dem versammelten Gericht?

Westhausen. (in einer dumpfen Betäubung.) Ich hatte ihn vergessen.

Truchseß. Vergessen? Nun bei allem was seltsam ist – vergessen? Ihr habt’s vergessen? daß Ihr schwuret anzugeben jeden Frevel, den Ihr sehen oder hören oder ahnden würdet, welches Band Euch auch an den Frevler bände –

Westhausen. (schaudernd.) Ha – diese Worte hör’ ich zum zweitenmal aus deinem Munde! Du warst es, der aufstand –

Truchseß. Euer Gedächtniß kehrt zurück. Ja, ich war es dem Ihr schwurt auf diese Worte. Und ich fordre Euch auf, vor dem Gericht zu bekennen, was Ihr von Herrmanns Ermordung wißt. Zu bekennen, hört Ihr? dieses Wort enthält Eure Schuld. Versucht sie zu tilgen durch Gehorsam und Reue.

Westhausen. Nun wahrlich, mächtig ist der Bund, der Euch den Muth giebt, so mit mir zu sprechen. Ja, ich

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will meine Schuld tilgen durch Reue. Bis der Abgrund mich verschlingt, den ich vor mir sich öffnen sehe – werd’ ich es bereuen daß ich das Gericht ehrte, dessen Mitglied Ihr seyd. Ihr saßet obenan unter den Brüdern – o es ist klar! die sichersten Stützen des Ordens sind die Unglücklichen, die ohne ihn in ihr Nichts zurückstürzen würden.

Truchseß. Tollkühner! Vor den Brüdern wird es an Euch seyn zu antworten. Ihr seyd nicht mehr in Ludwigs Lager, Ihr und Konrad nicht mehr.

Westhausen. Truchseß, Truchseß, was möchtet Ihr bieten, dies Wort zurückzunehmen? Jetzt seh’ ich es: wir sind verloren, Konrad und ich sind verloren. Der Orden wird deiner feigen Rache dienen. Die Rächer des Rechts werden rächen deine verdiente Schande. Wäre Konrad damals zum König von Böhmen übergetreten, hätte er deinen schimpflichen Auftrag geehrt und Karls Gold angenommen, du würdest ihn ruhig von Verbrechen zu Verbrechen schreiten lassen. Weil er der guten Sache treu blieb, weil er deine entehrenden Vorschläge verschmähte, weil er den niedrigen Fürstenknecht beschimpft seinem Herrn zurücksandte – darum, darum allein fordert ihn jetzt das Gericht zur Rechenschaft.

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Truchseß. Armer Verblendeter! Ich vergebe Euch, weil Euer blödes Auge dem geraden Gang der Ordensregel noch nicht zu folgen vermag. Wäre Sontheim mein Freund, ich würde ihn dem Gericht opfern. Aber Furcht vor kleinen Mißdeutungen wird ihn eben so wenig retten. Zwischen Eurer Freundschaft, und meiner zarten Bedenklichkeit wollt Ihr, daß der Verbrecher entgehe der Rache. Nein! die Satzungen des Gerichts sind Euern Rücksichten unzugänglich. Ich habe einen Frevel der Ungestraftheit entrissen. – Der ihn verübte, hat seine Ansprüche auf meinen Haß wie auf meine Liebe verwürkt; er ist nur das Werkzeug dieser That und das nothwendige Opfer des Gerichts: menschliche Bande können zwischen diesem Wesen und mir keine andre Gemeinschaft mehr stiften. – Ihr lacht?

Westhausen. Eine kleine Seele hinter große Gedanken flüchten zu sehen. O sagt mir, ich bitte Euch – es war ein ehrwürdiger Greis unter Euch, seine graue Weisheit sprach meiner scheuen Seele Muth und Zuversicht ein – ist auch dieser ein Betrüger, oder ist er betrogen? Antwortet mir offen. Wozu noch Zurückhaltung? Wißt Ihr denn nicht, daß Ihr mir die innersten Geheimnisse Eures Ordens verrathen habt?

Truchseß. Halt! Ich bin der Entweihungen müde; ich hab’ Euch nichts mehr zu sagen – bis wir uns wiedersehen.

(Er stößt im Abgehen auf Konrad von Sontheim, den er erst ehrerbietig vorbeiläßt.)


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Siebenter Auftritt.


Konrad v. Sontheim, Heinrich v. Westhausen.

Sontheim. Wo bleibst du, Heinrich? O jeder Augenblick den du mir jetzt abziehst, ist ein Raub an meiner Seligkeit. Mit dir kann ich nur der frischen Lebens Lust mich freuen. –

Westhausen. Hat sie so feste Wurzeln in deinem Busen gefaßt?

Sontheim. Mein Geist streift schon in künftigen Thaten umher. Halte du ihn fest. Wähle für mich! Wir führen zusammen aus, und beschämen die Vergangenheit.

Westhausen. Unglücklicher!

Sontheim. Was ist das? – Und du so verändert?

Westhausen. Unglücklicher! Du hast einen Mord begangen. Weißt du nicht, daß ein Mord tausend Zungen hat seinen Urheber zu verrathen? Das entbehrlichste Leben wird tausendmal vermißt – und du schwelgst in künftigen Thaten?

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Sontheim. Das hör’ ich von dir? Westhausen, von dir? Besinne dich. Oder ist es eine Probe, auf welche du meinen Muth setzen willst? Weil frohe Ahndungen mir wieder aus dem Leben winken, glaubst du darum ich fürchte den Tod? den fürchtet nur der verzweifelnde Sünder.

Westhausen. Sontheim – ja du hast die Probe bestanden. Die frohen Ahndungen sollen dir erfüllt werden. Wenn noch Kraft in dieser Seele ist –

Sontheim. Du willst mir entschlüpfen, Heinrich!

Westhausen. Nein. Komm. Sieh, ich hebe deine Hand empor zum Allsehenden, und schwöre – O nein, nein, nein!

Sontheim. Unbegreiflicher Schwärmer! Was beginnst du?

Westhausen. Gewiß, ich verlasse dich nicht, ich halte dich. Aber schwören will ich nicht, schwören nicht. Ein Eid ist zu schwach – weil ich dich halten will, darf ich nicht schwören. Ohne Eid bist du meiner gewisser.

Sontheim. Und ich soll diese Räthsel nicht –

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Westhausen. Fordre es nicht. Du darfst in diesem schönen Lauf nicht aufgehalten werden, und du sollst nicht. Aber fordre keine Aufschlüsse. Laß mich allein handeln. Auch ich habe zu büßen. O eine Thorheit ist oft schwerer zu büßen, als ein Verbrechen!

(Er geht ab.)


Achter Auftritt.


Konrad v. Sontheim, (allein.) – Wie? Sollte der Fluch der auf mir lag, über ihn gefallen seyn? Ich habe diese heitre große Seele angesteckt. Er sog das Gift aus meiner Wunde – Ha verdammt sey dann meine Ruhe!


Neunter Auftritt.


Konrad v. Sontheim, Albert v. Linne.

Linne. Dank sey endlich dem Schicksal! Ich habe einen Menschen der von ihm weiß. – Sontheim, sagt, o sagt mir, wo ist Westhausen? wo ist er? Westhausen, Euer Freund – wo ist er?

Sontheim. Wer seyd Ihr, der meine Angst um ihn zu vermehren kömmt?

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Linne. Vormals ein Ritter, wie Ihr. Jetzt der gepeinigte, geplagte Geist Alberts von Linne. Antwortet mir – was macht Westhausen? Lebt er noch?

Sontheim. Er lebt – und Ihr habt Grund daran zu zweifeln?

Linne. Er lebt? Wißt Ihr es so gewiß? – Ich scheine Euch auch zu leben, nicht wahr? O wenn Ihr Euch nicht besser auf das Leben versteht, dann könnt Ihr den Leichnam Eures Freundes zuletzt in Eure Arme geschlossen haben, und wähnen er habe gelebt. Er ist todt, und sein Mörder bin ich, und darum treibt’s mich rastlos herum.

Sontheim. Rasender, deine Räthsel sind schrecklich; aber bei Gott, du mußt mir sie lösen.

Linne. Nein. In die Geheimnisse der Unterwelt dringt kein Sterblicher. Ihr forscht vergebens. – Antwortet Ihr mir, dem keine Unterwelt die Zunge band. Wenn habt Ihr ihn gesehen?

Sontheim. Jetzt eben – wild und zerstört, wie er es niemals war.

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Linne. Es würkt, es würkt! Wild und zerstört, sagt Ihr? Mit Einem Stempel gezeichnet er und ich! O führt mich zu ihm! Liefert mich seiner Rache aus.

Sontheim. Satanischer Quäler, treibt Euer Spiel nicht weiter mit meiner Ungewißheit. –

Linne. Peinigt Euch diese? Seht mich an. Ungewißheit war die ausgesuchte Strafe der Teufel, denen ich meine Seele verkauft hatte. Tod geben sie ihren Lieblingen. Wollt auch Ihr ein Vollführer ihres schrecklichen Urtheils seyn? Kommt, kommt, führt mich zu ihm. Ich muß ihn sehen.

(Er reißt ihn mit sich fort. Der Vorhang fällt.)