Das Wiesbadener Schwesternheim

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Titel: Das Wiesbadener Schwesternheim
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 17, S. 541, 546–547
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[541]

Das Schwesternheim in Wiesbaden.

[546] Das Wiesbadener Schwesternheim. (Mit Abbildung S. 541.) Vor einigen Jahren brachte die „Gartenlaube“ (1888, Halbheft 4) unter der Überschrift „Ein weiblicher Beruf“ einen kurzen Aufsatz über den Wiesbadener Verein vom Rothen Kreuz, in welchem Frauen und Jungfrauen aufgefordert wurden, sich der Erlernung und Ausübung der Krankenpflege zu widmen und sich zu diesem Behuf als Schwestern zum Eintritt in den Verein zu melden. Dieser Artikel war von großem Erfolg begleitet, denn nach seinem Erscheinen liefen Anmeldungen von allen Seiten ein, selbst aus dem Innern von Rußland, aus Sibirien und aus China. Es dürfte für die Leser dieses Blattes darum von Interesse sein, zu erfahren, welche Entwicklung der Verein seitdem genommen hat und auf welche Weise er sich bemüht, das menschenfreundliche Ziel zu erreichen, welches er sich gesteckt hat.

In den wenigen Jahren seit der Gründung des Vereins ist die Zahl der pflegenden Schwestern bereits anf 42 gestiegen. Aber so bedeutend ist das Bedürfniß, in Heilanstalten wie in der Privatpflege, Schwestern zu erhalten, daß die doppelte Zahl noch reichlich Verwendung finden könnte. Anfänglich bewohnten die Schwestern, welche unter der Aufsicht und Leitung einer Oberin stehen, eine Miethswohnung. Da eine solche für die wachsende Schwesterngenossenschaft nicht mehr zu beschaffen war, entschloß sich der Verein zur Erbauung eines eigenen Schwesternheimes und in Verbindung mit demselben eines Sanatoriums, in welchem innere und operative Krankheitsfälle behandelt werden.

Als der Verein den endgültigen Beschluß zum Hausbau faßte, that er dies im Vertrauen auf die werkthätige Nächstenliebe, welche seiner guten Sache zur Seite stehen würde, denn die verfügbaren Geldmittel waren gering. Seine Hoffnung wurde nicht getäuscht. Er erhielt alsbald 50000 Mark von einem Wohlthäter geschenkt, und andere Gönner des Vereins gaben Darlehen zu niedrigem Zinsfuß.

In der gesündesten Lage der Stadt, auf einem Höhenzug mit dem Blicke nach Süden wurde der Bau errichtet und vor kurzem seiner Bestimmung übergeben. Das frei in einem großen Garten stehende Gebäude enthält in seinem westlichen Flügel das Schwesternheim nebst den Wirthschaftsräumen, in dem östlichen Flügel die Krankenzimmer. Die Verbindung zwischen den beiden Flügeln wird durch Gesellschaftsräume und eine große offene Loggia für Genesende hergestellt. Dieser gegenüber nach Norden zu liegt das Operationszimmer. Die Krankenzimmer sind unter voller Berücksichtigung der von ärztlicher Seite zu stellenden Anforderungen aufs geschmackvollste eingerichtet, so daß sie selbst anspruchsvollen Patienten Behagen bieten. Die zahlenden Kranken können sich von dem Arzte ihrer Wahl behandeln lassen, für Mittellose soll je nach der finanziellen Lage des Vereins eine möglichst große Anzahl von Freibetten geschafftn werden.

Da das Sanatorium von dem Tage seiner Eröffnung an gut besetzt war und seitdem wachsenden Zuspruch fand, mußte sofort eine größere Zahl von Schwestern in demselben zur Pflege verwendet werden. Die anderen Schwestern sind in verschiedenen Kliniken und Krankenhäusern, in der Armen- und in der Privatpflege thätig. Besonders die letztere verlangt hier sehr viele Kräfte, da sich gerade bei den Aerzten die Ueberzeugung immer mehr Bahn bricht, daß eine zuverlässige und zweckmäßige Krankenpflege, wie sie von den wissenschaftlich und praktisch gebildeten Schwestern geübt wird, sehr wesentlich zum Gelingen der Heilbehandlung beiträgt.

Aus diesem gedrängten Bilde ersehen die Leser schon zur Genüge, welch großes und dankbares Feld sich der Thätigkeit der Schwestern darbietet. Täglich und stündlich erfüllen sie die Pflichten der christlichen Nächstenliebe, indem sie Trost und Hilfe spendend in den Hütten der Armen wie in den Häusern der Reichen erscheinen. Sie bereiten sich im Frieden schon auf die Zeiten vor, die kommen müßten, wenn je einmal wieder die Kriegsfurie das Vaterland heimsuchen sollte. So viele Frauen aus den gebildeten Ständen suchen nach einem passenden Felde der Verwendung ihrer körperlichen und geistigen Kräfte! Keines ist ihrer Natur mehr angemessen, auf keinem sind sie dem männlichen Geschlecht mehr überlegen als auf dem der Krankenpflege.

Mit dem Wunsche allein, sich der freiwilligen Krankenpflege zu widmen, wird man indessen noch keine brauchbare und gute Schwester. Dieser Beruf will wie jeder andere erlernt sein, denn zu groß und zu vielseitig sind die Anforderungen, welche heute von Kranken und Aerzten [547] an die Schwestern gestellt werden. Die Erwerbung der nöthigen Kenntnisse wird aber nur durch die Zugehörigkeit zu einem Pflegeverein ermöglicht, welchem die Mittel zu Gebote stehen, seinen Schwestern die nöthige theoretische und praktische Ausbildung zu geben. Der Verein schürt die alleinstehende Frau, verschafft ihr eine angesehene Stellung nach außen und bietet in seinem Heime, in der Gemeinsamkeit der Schwestern den Ersatz für das mangelnde Familienleben. Aber nicht nur für die Zeit des Arbeitens und Schaffens sichert der Verein das tägliche Leben der Schwester, indem er sie jeder Auslage und Sorge für dasselbe überhebt. Er trifft auch Vorsorge für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit, ob sie nun durch hohes Alter oder durch Kränklichkeit hervorgerufen sein mag.

Anmeldungen zur Aufnahme in die Schwesterngenossenschaft des Wiesbadener Vereins vom Rothen Kreuze nimmt der Vorsitzende, Prinz Nikolas von Nassau, wie auch die Oberin stets entgegen, wobei noch bemerkt werden darf, daß Unterschiede des Bekenntnisses bei der Frage der Aufnahme nicht in Betracht kommen. Der Eintritt kann zu jeder Zeit erfolgen. Möchten Frauen und Jungfrauen der gebildeten Stände diese Gelegenheit, ihre Kräfte in den Dienst der leidenden Menschheit zu stellen und sich eine gesicherte und ehrenvolle Stellung zu verschaffen, in reichem Maße benutzen!