Das Vicekanzellariat Kaspar Schlick’s

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Autor: Karl Schellhass
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Titel: Das Vicekanzellariat Kaspar Schlick’s
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aus: Deutsche Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Bd. 4 (1890), S. 347–350; Bd. 5 (1891), S. 167.
Herausgeber: Ludwig Quidde
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Erscheinungsdatum: 1890/91
Verlag: Akademische Verlagsbuchhandlung J.C.B. Mohr
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Erscheinungsort: Freiburg i. Br
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[347] Das Vicekanzellariat Kaspar Schlick’s. Man hat in neuester Zeit nicht beachtet, dass Kaspar Schlick vor seiner Erhebung zum Kanzler Kaiser Sigmund’s sich längere Zeit officiell des Titels Vicekanzler bediente. Im Gegensatz zu Wencker[1] und Aschbach[2], die beide von Kaspar auch als Vicekanzler reden, sagt Lindner[3]: Einen Vicekanzler finde ich seit dem Amtsantritt Georg’s von Passau (er war Kanzler 1417–1423) nie in den Unterfertigungen. Bresslau[4] lässt Schlick zum Protonotar und dann sofort 1432 oder 1433 zum Kanzler aufsteigen. Dem gegenüber ist zu bemerken, dass Schlick, dessen subscriptio Lindner am 7. Juli 1427 zum ersten Male findet, am 5. August 1429[5] sich in einem Briefe an Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg unterzeichnet: „Ewerr furstlichen gnaden williger Caspar Slik beider kůniglicher insigel iczund vicecancellarius“. Am 20. October 1429[6] schreibt der Nürnberger Peter Volkmer an Schlick: „Dem erbern und weisen hern Casparn Slicken prothonotarii und secretarii jetzunt vicecancellario etc. meinem lieben herren und goenner“. In den Urkunden der folgenden Zeit unterfertigt Schlick nur „ad mandatum domini regis, Caspar Slick“. Am 6. Mai 1432 zeichnet er, zum ersten Male für uns in officieller Form[7], in einer Urkunde Sigmund’s[8] „ad mandatum domini regis Caspar Sligk vicecancellarius“. In dieser Eigenschaft begegnet er uns wieder in der Unterschrift am 1. November[9] und 3. December[10] 1432 und ferner 1433, 15. April[11] und 4.[12], 20., 21. u. 22.[13] Juni. Vicekanzler nennt er [348] sich auch 1433, 7. April in dem Schwur, den er als Vertreter Sigmund’s zusammen mit dem anderen königlichen Gesandten, dem Grafen Matico, dem Papste leistete[14], und am folgenden Tage, 8. April, in der Quittung[15], die er und Matico Eugen über 4000 fl. ausstellten: „Nos Matiko de Calloncz – – – et Caspar Slick vicecancellarius et capitaneus terrarum Egre“.

Für die Beurtheilung der angeführten Stellen fällt in’s Gewicht, dass Schlick am 6. Februar 1430 und auch noch Ende 1431 oder Anfang 1432 „des kungs prothonotarius und secretarius“ genannt wird[16]. Er hat demnach im August 1429 nur zeitweilig[17] den Titel Vicekanzler geführt. Ob im Mai 1432 etwa wegen Krankheit oder sonstiger Verhinderung des Kanzlers Johann von Agram eine Stellvertretung eintrat, die vorübergehend gedacht war, oder ob in jenen Tagen die endgültige Ernennung Schlick’s zum Vicekanzler erfolgte, bleibt noch zu entscheiden[18].

Da der Kanzler Johann im Laufe des Jahres 1432 gestorben sein wird (nach Lindner etwa im November[19]), so kann immerhin die [349] Einführung des Vicekanzellariats im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Kanzlers erfolgt sein.

Doch wie dem auch sein mag, daran ist nicht zu zweifeln, dass Schlick vom November 1432 an bis in die Mitte des folgenden Jahres officiell vicecancellarius genannt wurde. – Wann aber wurde Kaspar Kanzler? – Lindner sagt[20], Sigmund bezeuge selbst in einer Urkunde, dass er am Krönungstage, dem 31. Mai 1433, auf der Tiberbrücke in Rom Kaspar als Ersten zum Ritter geschlagen und zu seinem obersten Kanzler würdiglich erhoben habe. Damit würde stimmen, dass das Wiener Registraturbuch K Kaiser Sigmund’s auf fol. 19 b eine Notiz des Inhalts enthält, dass der Kaiser unter dem Datum seiner Krönung (also am 31. Mai) seinem Kanzler Schlick eine am Schluss des Bandes eingetragene Confirmation aller seiner Privilegien etc. ertheilt habe, und dass Schlick in jener Urkunde thatsächlich auf fol. 232 b „imperialis cancellarius“[21] genannt wird. – Wie reimt sich damit, dass Schlick, wie wir vorhin sahen, noch im Juni 1433 unterzeichnet „ad mandatum domini imperatoris Caspar Sligk vicecancellarius“? – Ist die Schwierigkeit mit der Annahme aus dem Wege zu räumen, dass jene Urkunden Sigmund’s schon vor dem 31. Mai aufgesetzt waren und dass ihnen im Juni nur das Datum hinzugefügt wurde? Doch gewiss nicht, da die Unterfertigung vor eingesetztem Datum nicht erfolgt sein wird. Eine Lösung muss daher auf andere Weise versucht werden. – In jener von Lindner erwähnten Urkunde[22] ertheilt Kaiser Sigmund am 13. Juli 1433 Kaspar Schlick allerlei Vorrechte, er gedenkt dabei dessen Verdienste und fügt im Relativsatze ein: „umb der und andern trefflichen dienst willen – – – [wir ihn] als einen verdienten mann mit unserr eigen hand nach empfahung unserr keiserlichen cron an dem heiligen pfingstag nechst vergangen uf der Tyberbruck under allen andern, der ein grosse menig gegenwertig was, zu dem ersten ritter schlugen und zu unserm obersten canzler wirdiglich erhuben und machten und in noch gnediclicher zu handeln vor unß haben" [und darum so haben wir – – – etc.]. Dieser Wortlaut lässt sicherlich die Möglichkeit offen, dass Schlick nach dem Krönungstage erst Kanzler geworden ist. Ritterschlag und Erhebung zum obersten Kanzler müssen hiernach durchaus nicht an einem Tage erfolgt sein[23]. Aber die Urkunde vom [350] 31. Mai und die Notiz im Registraturbuch! Dasselbe reicht bis zum Jahre 1435. Als Nachtrag findet sich dort jene Urkunde von 1433, 31. Mai, auf welche die selbstverständlich auch spätere, nämlich etwa a. 1435 eingetragene Notiz hinweist. Letztere beweist also für die Ernennung zum Kanzler am 31. Mai 1433 nichts, und das Vorkommen des Kanzlertitels in der Urkunde vom 31. Mai erklärt sich damit, dass sie, um den Begnadeten, Schlick, desto mehr zu ehren, auf den Krönungstag zurückdatirt, in Wahrheit aber später ausgestellt wurde.

Für den Zeitpunkt der Erhebung Schlick’s zum Kanzler ist vielmehr entscheidend, dass er in Urkunden Sigmund’s für Zürich vom 21. und 22. Juni 1433 am 21. fünf Mal als Kanzler und einmal als Vicekanzler, dagegen am 22. Juni zweimal als Vicekanzler und einmal als Kanzler zeichnet[24]. Dieses Schwanken des Titels verräth seine Neuheit. Mit fast absoluter Gewissheit wird daraufhin behauptet werden können, dass die Erhebung Kaspar’s zum „obersten Kanzler“[25] am 21. oder 22. Juni vor sich gegangen sein wird[26].

Karl Schellhass.     


[167] Vicekanzellariat Schlicks. Nachtrag. Laut Mittheilung der Herren Seeliger in München und Winter in Wien wird Schlick in kgl. Briefen von 1431 Juli 20 und Okt. 5 „unser vicecancellir“ genannt: Wien Registr.-buch J fol. 150a u. 162b. Seine Erhebung zum Vicekanzler fällt demnach zweifellos schon ins Jahr 1431. In der Unterschrift eines königl. Briefes vermag ich ihn freilich vor dem 6. Mai 1432 bisher ebenso wenig wie Lindner (Archv. Z. 9, 177) in dieser Würde nachzuweisen. Lindner hat übrigens in dem angeführten Aufsatz, der mir leider erst spät zu Gesichte kam, bereits die Züricher Urkunden benutzt. Sein Versuch, das Auftauchen des Vicekanzlertitels im Juni mit der bisherigen Annahme in Einklang zu bringen, wird nunmehr als widerlegt betrachtet werden dürfen.

K. Schellhass.     



Anmerkungen

  1. Collecta archivi et cancellariae jura. Argentorati 1715. p. 410.
  2. Gesch. Kais. Sigmund’s Bd. IV p. 433, der sich auf den nicht zuverlässigen Windeck stützt, während Wencker auf den Eid von 1433 Apr. 7, s. unten p. 348 Note 1, Bezug nimmt.
  3. Urkundenwesen Karl’s IV. und seiner Nachfolger (Stuttgart 1882) p. 35.
  4. Handbuch der Urkundenlehre Bd. I (Leipz. 1889) p. 400.
  5. RTA. IX Nr. 228 p. 306.
  6. RTA. IX Nr. 270 p. 339.
  7. Die Briefe von 1429, 5. Aug. u. 20. Okt. sind keine königlichen.
  8. Für Joh. Franz von Gonzaga (Ernennung zum erblichen Markgrafen von Mantua): in Wien, H.-H.-St.-A. Registraturb. J fol. 185ab.
  9. Urkunde Sigmund’s für eine Mariana: in Siena, St-A. Lett. conc., von mir unter Briefen von a. 1434 gefunden.
  10. Vollmacht Sigm.’s für Hzg. Wilh. v. Baiern und Joh. ep. Curiensis, gedruckt u. a. Martène, Ampl. coll. VIII, 233–237.
  11. Sigmund an das Basler Concil: Venedig, Markusbibl. cod. lat. Z 166 fol. 146b f.
  12. Sigm.’s Waffenstillstand mit Venedig: in Wien, Registraturb. K fol. 7b.
  13. 20., 21. u. 22. Juni, Urkunden Sigm.’s für Zürich: Zürich, Staatsarchiv, Urkk. Stadt u. Landschaft Zürich Nr. 108 (Juni 20); Nr. 1856 (Juni 21); Nr. 1857 u. Nr. 2893 (Juni 22).
  14. u. a. in Rom, Vat. Bibl. cod. Palat. 595 fol. 145 b. Dass Schlick sich hier vicecancellarius nennt, bemerkte schon Wencker, a. a. O.
  15. In Rom, Vat. Arch. Arm. 29. Vol. 17 fol. 153 b.
  16. In einer littera patens von Georg Kröl, Unterlandvogte in Schwaben, 1430 Mont. n. S. Agathentag: Konstanz, St.-A. Urkk. Nr. 492. Ferner heisst es in Basel, St.-A. Jahrrechnungsbuch Joh. Bapt. 1430 – Joh. Bapt 1464 unter den Ausgaben des Jahres 1431–1432 p. 49, 7 ff.: „gen. Summe gegeben umb die friheit so der könig uns von nuwem nehst geben hat hern Caspar Sligken sinem prothonotarien“. Gemeint ist ein Privileg Sigm.’s für Basel von 1431 Okt. 28 (im St.-A. Urkk. Nr. 1102). Diese Spende geschah wohl etwa Ende des Jahres.
  17. Wie anscheinend wiederum 1430, Okt. 16, wo Sigmund ihn „vicekanzeller, Protonotar und Secretär“ nennt, s. H. Gradl, Zur ältesten Geschichte der Schlick (Jb. d. herald. Ges. Adler 1886 p. 13 Nr. 136).
  18. Für die Beantwortung der Frage kommt nicht in Betracht, dass das Basler Jahrrechnungsbuch im Gegensatz zu dem dortigen Wochenrechenbuch erst nach Ablauf eines Jahres angelegt wurde, in diesem Falle also etwa Ende Juni 1432. Der Schlick beigelegte Titel Prothonotar gilt nur für den Zeitpunkt, in dem die Spende erfolgte, er muss nicht auch Ende Juni der massgebende gewesen sein.
  19. Lindner findet Petrus Kalde zuerst am 14. Dec. in der Unterfertigung. Er vermuthet daher, dass damals etwa der Kanzler starb und Schlick dessen Geschäfte übernahm. Kalde erscheint übrigens schon am 22. November in der Unterschrift und zwar als canonicus Zagrabiensis (von Agram). Dass er (was Lindner unbekannt war) Agramer Kanoniker war, erhöht die Wahrscheinlichkeit von Lindner’s Vermuthung. Vgl. Lindner a. a. O. p. 36 und p. 37.
  20. p. 35.
  21. Nach freundl. Mittheilung Dr. G. Winter’s aus Wien.
  22. Gedruckt Lünig, Reichsarchiv Spic. saecul. II, 1179. Der Inhalt ist: Vermehrung des Schlickischen Kleinods und Wappens.
  23. In der That berichtet ein Heincz Imhof am 29. Juni 1433 an Eger nur von dem Ritterschlag. H. Gradl, a. a. O. p. 15 u. 16 Nr. 178. Den Hinweis auf Gradl verdanke ich Th. von Liebenau.
  24. Die Stellen, wo Schlick als Vicekanzler unterfertigt, s. p. 347 Note 13. Als Kanzler zeichnet er am 21. Juni: Zürich. St.-A. Urkk. Stadt u. Landschaft Zürich Nr. 90; 94; 109; 295; 2787. Am 22. Juni: ebd. Nr. 1858.
  25. Beachtenswerth ist noch, dass der Kaiser Schlick in der Urkunde vom 13. Juli seinen „obersten canzler“ nennt, und dass Sigmund ihn am 28. August der Stadt Siena als seinen „superior cancellarius“ empfiehlt: in Siena, St.-A. Lett. conc. 1433. Ein Schluss auf die Einrichtung der Kanzlei wird jedoch daraus nicht gezogen werden können.
  26. Es mag hier bemerkt werden, dass der 1411, 12. u. 21. Jan., unterfertigende Georgius vicecancellarius (vgl. RTA. VII p. 53 ff.) ein Ungarischer Vicekanzler Sigmund’s ist, wie schon Lindner richtig vermuthete (Lindner p. 34 nt. 1). Es wird zur Gewissheit – wie mich L. Quidde belehrt – durch den Brief der Frankfurter Gesandten von 1414, 2. Sept, an ihre Stadt (Janssen, Frankfurts Reichscorr. I Nr. 472 p. 261 f., besonders p. 262, 8): „her George der vicecancellarius ist eins bischofs von Ungern“ [d. i. des Erzbischofs von Gran].