Textdaten
<<< >>>
Autor: Ph. J. A.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Das Unglück im Eisackthal
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 38, S. 647
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1891
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[647]

Ansicht von Kollmann nach der Ueberschwemmung.
Nach einer Photographie von J. Gugler in Bozen.

Das Unglück im Eisackthal. Wo an der Bahnlinie Bozen-Innsbruck das berühmte Grödnerthal in das des Eisack einmündet, liegt am rechten Ufer des Eisack das Dörfchen Kollmann inmitten einer Umgebung, die ebenso reich ist an landschaftlicher Schönheit als anziehend durch ihre geschichtlichen Erinnerungen. Denn gegenüber am jenseitigen Ufer erhebt sich über der Station Waidbruck in herrlicher Lage die stolze Trostburg, die Heimath des „letzten Minnesängers“, Oswald von Wolkenstein; und wo unfern davon das erhöhte Gelände des Laiener Rieds sich ausdehnt, geschmückt von windumrauschten Linden und Edelkastanien, da leuchtet aus dem üppigen Baumgrün der „Vogelweiderhof“ hervor, vermuthlich die Geburtsstätte Herrn Walters von der Vogelweide.

Dieses stille Thal war in der Nacht vom 17. zum 18. August der Schauplatz eines übermächtigen Naturereignisses, dem ein großer Theil von Kollmann zum Opfer fiel. Mitten durch das Dörfchen führt der Ganderbach seine Wellen dem Eisack zu; in jener Nacht nun ging ein furchtbarer Wolkenbruch über dem Ritten nieder, unter der Wucht der herabstürzenden Regengüsse löste sich oberhalb im Ganderbachthal vom Rittenerberg eine steile Lehne los und legte sich quer in den mächtig angeschwollenen Bach, sodaß anfangs der Abfluß fast ganz unterbrochen war. Da mit einem Mal durchbrachen die aufgestauten Wassermassen das Hinderniß und stürzten mit vernichtender Gewalt thalabwärts, unter solchem Getöse, daß man in den Bauernhöfen rings das Beben der Erde spürte; die Felsblöcke, welche der entfesselte Strom daherwälzte, sprühten Funken beim gegenseitigen heftigen Anprall. Im Lauf weniger Minuten hatte die „Muhre“ einen Theil des Dorfes überschüttet, einige Mühlen und 14 Wohnhäuser sind von Grund aus zerstört, die Insassen unter den Trümmern begraben oder mit den Wellen fortgerissen. 39 Menschenleben forderte die Katastrophe. Zugleich wurde durch die ebenfalls aufgestauten Fluthen des Eisack, die sich seitwärts am Berg einen gewaltsamen Ausweg suchten, der Damm der Südbahn in einer Länge von 700 bis 800 Metern zerstört und der Verkehr in empfindlicher Weise unterbrochen.

Das Unglück im Eisackthale hat nicht nur im ganzen Land Tirol, sondern auch weiter hinaus eine schmerzliche Bewegung wachgerufen, und überall regte sich thatkräftige Hilfe. Der Kaiser Franz Joseph spendete sofort 2000 Gulden, andere namhafte Beiträge schlossen sich an. Allein wenn auch so der unmittelbaren äußeren Noth gesteuert werden konnte – das Leid, das über so viele Familien hereingebrochen ist durch den Verlust ihrer Angehörigen, geht tiefer und wird nicht rasch überwunden werden. Möge wenigstens die Theilnahme, die man ihrem Schmerze allenthalben entgegenbringt, einen freundlichen Schein in ihre Trauer werfen. Ph. J. A.