Das Siegesdenkmal zu Berlin
Berlin, die jetzige Kaiserstadt, hat in dem letzten Decennium gar mächtig an Ausdehnung gewonnen. Neue Straßen sind entstanden, Prachtpaläste erbaut, und die vermehrte Anzahl von Eisenbahnen führt täglich viele Tausende von Fremden herbei. Trotzdem aber ist es erst der Zukunft vorbehalten, Berlin in architektonischer Beziehung zu einer Metropole werden zu lassen, die mit London, New-York oder Paris einen Vergleich nicht zu scheuen braucht. Bis auf den heutigen Tag ist unstreitig der schönste Theil Berlins jene Strecke vom königlichen Schloß bis zum Brandenburger Thor; schon in nächster Zeit jedoch wird die Verlängerung derselben einen noch prächtigeren, imposanteren Anblick dem Beschauenden gewähren: wir meinen den vor dem Brandenburger Thore gelegenen Königsplatz mit seiner Umgebung, auf welchem ein Siegesdenkmal zum Andenken an die ruhmreichen Thaten des deutschen Volkes, ein Erinnerungszeichen für die kommenden Geschlechter zu errichten man jetzt im Begriff ist.
Das Modell zu diesem Denkmal ist bis in die kleinsten Einzelheiten bereits ausgeführt, die Parkanlagen werden schon jetzt
[49][50] in Angriff genommen und die Prachtbauten rings um den Platz sind theils vollendet, theils liegen sie in Plänen vor, so daß es nicht uninteressant sein dürfte, uns den Anblick des schönsten Platzes der Hauptstadt so zu vergegenwärtigen, wie ihn in zwei, höchstens drei Jahren die Wirklichkeit bieten wird; es wird der Mühe lohnen, ihn schon heute in seiner künftigen Vollendung zu betrachten.
Mitten auf dem weitausgedehnten, durch eine breite Allee mit dem Brandenburger Thore verbundenen Platze, umgeben von den herrlichsten Bosquets, Springbrunnen und Felsengrotten, hinüberblickend zu den hohen, reichbelaubten Wipfeln des Thiergartens, ragt das hundertfünfzig Fuß hohe Siegesdenkmal in die Lüfte, dreimal so hoch als das Brandenburger Thor. Granitstufen führen zu dem mächtigen Sockel, dessen bronzene, reichvergoldete Reliefs Scenen aus den siegreichen Schlachten darstellen und die Gestalten jener Feldherren verewigen, welche sich unsterblichen Ruhm erworben. Nicht aber sollen diese Schlachtenbilder, wie es eigentlich nach dem Jahre 1866 projectirt war, dem Kriege mit Oesterreich, sondern dem mit Dänemark und Frankreich geführten entlehnt werden. Wohl jeder Deutsche begrüßt diese Aenderung mit Freuden: muß sie ja dem deutschen Bruder in Oesterreich, wenn er einst ganz zu uns steht, ein bitteres Gefühl ersparen!
Eine Treppe führt durch den mächtigen Sockel hinauf zur Siegeshalle. Dieselbe besteht aus braunem, geschliffenem Granit; Säulen aus demselben Steine, deren Bronzecapitäle vergoldet sind, tragen das Dach mit seinen goldblinkenden Löwenköpfen, die sich in gleicher Höhe mit der Siegesgöttin des Brandenburger Thores befinden. Ein vergoldetes Gitter verbindet den Fuß der Säulen, hinter denen, an den granitenen Wänden der Halle, die Namen der Sieger und der Schlachten, die Bilder der ruhmreichen Thaten eingemeißelt sind. Von dieser Siegeshalle aus strebt die eigentliche in drei Etagen gegliederte Siegessäule in die Lüfte, aus ihren Nischen leuchten zweiundzwanzig eroberte bronzene und jetzt vergoldete Kanonenläufe hervor; ein aus preußischen Adlern geformtes Capitäl bildet den Abschluß, der durch eine mächtige, weithin sichtbare und stark vergoldete Siegesgöttin gekrönt wird.
Stolz ragt die Säule in die Lüfte, ihre Pracht spiegelt sich wieder in all’ den herrlichen Bauten, welche sie in weitem Kreise umgeben. Dort liegt Kroll, das beliebteste, feinste Gartenlocal der Berliner, nicht weit ab das herrliche Generalstabsgebäude in seiner mächtigen Ausdehnung, zwischen beiden ein durch Parkanlagen verschönter Platz, auf dem einst die von Friedrich Wilhelm dem Dritten und von Alexander v. Humboldt oft besuchte Beer’sche Villa gestanden, hinter diesem wieder zieht sich die Eichenallee entlang, die den Namen „Generalstabsstraße“ erhalten wird. Die Bauten in dieser Straße werden, nach ihrer vollständigen Vollendung, sich mit den stolzesten Palästen der Pariser Boulevards, des New-Yorker Broadway, des Londoner Westends messen können; einer der reichsten und bedeutendsten Geldfürsten Berlins, der Bankier Magnus Hermann, der durch Benutzung seiner Capitalien zum Ankauf von Grundstücken und zur Ausführung von Prachtbauten nicht wenig zur Hebung von Berlins Architektur, zum segensreichen Gedeihen der arbeitenden Classen beiträgt, hat jene Grundstücke bis hinüber zum Kronprinzenufer erworben und bestrebt sich, die erwähnten, mit allem Luxus und Comfort der Neuzeit ausgestatteten Paläste mit einer der Kaiserstadt würdigen Pracht vollenden zu lassen.
Zwischen der Siegessäule aber und der Stadt wird sich auf dem Grundstück des Raczynsky’schen Palais jenes Gebäude erheben, welches auf dem schönsten Punkte der Kaiserstadt den schönsten, durch manches Lustrum unwandelbar treu angestrebten Gedanken aller Deutschen verwirklichen wird – das deutsche Parlament!