Textdaten
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Autor: K. H.
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Titel: Das Perchtenlaufen
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 27, S. 841, 869–870
Herausgeber: Adolf Kröner
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1892
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[841]

Das Perchtenlaufen im Salzburgischen.
Zeichnung von O. Gräf.

[869] Das Perchtenlaufen. (Zu dem Bilde S. 841) Perchtha, Berchtha oder Bertha war in der Vorstellung der alten Germanen die Gemahlin Wodans, an dessen wilder Jagd sie theilnahm, die Göttin, die Sonnenschein und Regen spendete und ebensowohl heiter und gnadenreich wie furchtbar sein konnte. Selbst Spinnerin, überwachte sie das Spinnen und Weben der Frauen, lohnte die fleißigen, strafte die trägen.

Als die Spinnerin blieb sie den nachfolgenden Geschlechtern christlichen [870] Glaubens am lebendigsten. Im Vogtland und im Orlagau untersucht Frau Perchtha am Abend vor dem Dreikönigstag die Spinnstuben, bringt den Spinnerinnen leere Spulen mit der Weisung, daß dieselben in einer bestimmten Frist vollgesponnen sein müssen, und straft mit Verwirrung und Verunreinigung des Flachses, wenn das Geforderte nicht geliefert wird. Aehnlichem Glauben begegnen wir in Tirol. Vor den Weihnachtsfeiertagen ist es gebräuchlich, die Flachs- und Wergwickel vom Rocken ganz fertig zu spinnen, sonst nistet die Perchtl darin. Auch in Wälschtirol ist die Spinnerin Perchtha nicht unbekannt. In Trambileno, unweit von Rovereto, sind die „Froberta“, die „bilden Beiber“ und der „Bedelman“ (wilde Mann) wohlbekannt, und der letzte Faschingstag heißt dort noch jetzt „il giorno delle Froberte“. Im Ronchithal (nördlich von Ala) saßen eines Abends zwölf Weiber beim Spinnen, da klopfte es an die Thür, und herein trat Frau Bertha. „Padrona, Froberta dal nas longh!“ („Seid gegrüßt, Frau Bertha mit der langen Nase!“) riefen die Frauen, denn so mußte man sie immer anreden; und eine stand auf und räumte der Frau Bertha ihren Platz ein. Alsbald indes klopfte es wieder, und eine zweite Frau Bertha mit einer noch längeren Nase erschien. Man bietet ihr den gleichen Gruß und auch ihr macht eine der Spinnerinnen Platz. Aber es klopfte fort und fort, und jede neu ankommende Frau Bertha hatte eine längere Nase als die anderen, bis endlich das Dutzend voll war. Die zwölfte hatte die allerlängste Nase, und die Unholdinnen saßen auf den Stühlen, die Weiber aber standen und zitterten. Zwar kamen sie mit dem bloßen Schrecken davon, immerhin aber nahmen sie das nächste Mal einen Mann in die Spinnstube mit und versteckten ihn. Als dann die Frauberte wieder sich einstellten, sprang er hervor und erschlug alle zwölf. – Auch unheimlich, doch wenigstens in der Einzahl bleibt die Perchtha, wenn sie in Tirol am Abend vor den heiligen Dreikönigen als steinaltes Mütterchen in den Häusern erscheint, um von den Speisen zu kosten, die man vom Nachtmahl für sie übrig läßt. Dann hat sie ein Gefolge von Kindern mit sich. Kinder, die ungetauft gestorben sind, zerlumpte Kinder mit flatterndem Haar. Daher werden ungekämmte Kinder im Innthal „Berchteln“ genannt, und im Pusterthal heißt infolge der ganzen Sage der Dreikönigstag auch der „Perchtentag“. Im Laufe der Zeit ist in Alpach und Umgegend die strahlende Perchtha der Germanen zur Frau des Pilatus geworden, die bis zum jüngsten Tag verdammt ist „umzugehen“.

Aber anderer Glaube, anderer Brauch weisen wieder sonnenklar auf ihre Gemeinschaft mit Wodan, dem wilden Jäger, auf ihre Theilnahme an seinen schauerlichen Heer- und Jagdfahrten hin. Am Nikolausabend laufen im Unterinnthal, Pusterthal u. s. w. verlarvte Bursche umher, bewerfen die Leute mit Kehricht und Kohlblättern und lärmen wie die wilde Fahrt. Diese Winterposse heißt man das „Perchtenlaufen“. Auch bei Lienz war früher das Perchtenlaufen üblich. Es war eiue Art Maskenzug. Die Vermummten hießen Perchten. Man unterschied „schöne“ und „schieche“ (häßliche) Perchten. Jene waren schön gekleidet und geschmückt; letztere zogen sich so häßlich wie möglich an, behängten sich mit Ratten und Mäusen, Ketten und Schellen. So ausgestattet, sprangen und liefen sie über die Gassen und kamen auch in die Häuser. Es ging laut und fröhlich her, wenn die wilde Perchtha nicht selbst darunter kam. In diesem Fall liefen die Perchten bald aus Furcht auseinander, denn wer nicht in den Bereich einer Dachtraufe und damit in den Hausfrieden gelangte, wurde von der Wilden zerrissen. Noch heute zeigt man Stätten, wo von der wilden Perchtha zerrissene Perchten begraben liegen sollen. Aehnlich, aber ohne die Furcht vor der wahren Perchtha, und zu anderer Zeit, nämlich in den Nächten zwischen Weihnacht und Neujahr, geht der „Perchtenlauf“ im Salzburger Gelände vor sich. Und von diesem giebt uns das Bild Oskar Gräfs eine lebendige Vorstellung. Männer, in Felle gehüllt, den bekannten Jägerhut mit gesträubten Federn bekränzt, das Gesicht durch Ruß und falsche Riesenbärte entstellt, „die wilden Perchten“, stürzen durch die nachtschlafenden Dörfer, schwingen lodernde Fackeln und machen mit Kuhglocken, Schlittenschellen, Stierhörnern und Kupferkesseln einen Heidenlärm, wie weiland die Anbeter der Kybele, die wuthfreudigen Korybanten. Aber es ist ein gemüthliches „wildes Heer“. Außer ihren barbarischen Instrumenten führen sie auch Geige und Zither („Brettl-Zither“) mit sich. Es sind gesunde, „trinkbare“ Gespenster. Denn wo ein gastlich Haus ist, das wissen sie genau und da kehren sie ein.

Um aber vollends unserer Zeichnung und unserer Schilderung alles Grausige zu nehmen, erinnern wir unsere Leser daran, daß in eben der Zeit, wenn Perchtha und die wilden Perchten ihr Unwesen treiben, in Salzburg wie in Tirol die allerfriedlichsten Gesellen, die guten armen „St[...]nger“, gleichfalls ihren Umgang halten. Unter dem glitzernden Him[mel] ragen mit verschneiten Gipfeln die ernsten Berge; ferne schwarze Wälder gleichen rathlosen Heerzügen. Da zuckt in der schneeverwehten Dorfstraße das armselige Licht einer Stocklaterne auf, und in der feierlichen Winternacht singen – nicht gerade schöne, aber kindliche Stimmen:

Mir san die heilig’n drei König’ mit ihrem Stern,
Da’ Kaspar, da’ Melcher und Waldhauser …. K. H.