Das Intelligenz- und Anfrage-Bureau für Deutschland in London

Textdaten
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Autor: Bn.
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Titel: Das Intelligenz- und Anfrage- Bureau für Deutschland in London
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 14, S. 208
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1859
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[208] Das Intelligenz und Anfrage-Bureau für Deutschland in London. Der persönliche und Warenverkehr zwischen Deutschland und England, besonders London, hat einen ungeheuren Umfang und Werth erreicht und steigt immer noch. Aber London ist auch reich an Bankrotteurs, Schwindlern und professionellen Betrügern, die lediglich von deutscher Leichtgläubigkeit oder mindestens Unkenntniß der Londoner Verhältnisse leben, Es sind hier Hunderte von Deutschen bekannt, die blos von deutschen Waaren leben, die sie nie bezahlen. Welche Flüche und Thränen redlicher deutscher Producenten und Fabrikanten hängen daran! Welche Aergernisse redlicher deutscher und englischer Kaufleute und Agenten hier!

Ein deutscher Schwindler in London verschreibt sich Waaren aus Deutschland und verweist für seine Respectabilität auf renommirte Bankier- und Kaufmannshäuser, an deren Namen er vielleicht nur einen Buchstaben im Vornamen ändert. Der deutsche Fabrikant, welcher recht sicher gehen will, läßt sich erkundigen. Der Freund oder der Brief, durch welchen er Erkundigungen einzieht, findet wirklich unter der gegebenen Adresse ein Kaufmanns-Bureau mit dem renommirten (unmerklich veränderten) Namen, ein Bureau, in welchem die Helfershelfer des Schwindlers mit alten (als Maculatur gekauften) ehrwürdig aussehenden Kaufmannsbüchern sitzen. Wer sich nun bei ihnen nach dem Schwindler, der in Deutschland Waaren bestellte, erkundigt, erfährt mit scheinbarer Gewissenhaftigkeit und Genauigkeit aus den alten Büchern, daß er an dem und dem Datum 500, ein andermal 800, später 1500, zuletzt über 2000 Pfund richtig am Verfalltage gezahlt, und einer der achtbarsten und reichsten Kaufleute sei. Auch haben manche Schwindler der größeren Sicherheit wegen noch zwei, drei andere scheinbar renommirte Geschäftshäuser als Garantieen für ihre Ehrenhaftigkeit. So kommt die bestellte Waare bald an. Manche deutsche Fabrikanten und Engros-Kaufleute schicken nicht selten auf guten Glauben. Die Waaren werden natürlich nie bezahlt und hier unter dem Preise, oft zu wahren Spottpreisen verschleudert, so daß ehrliche Häuser, welche dieselbe Waare importiren und bezahlen, nicht damit concurriren können.

Just dies letztere schreiende Uebel hat die hiesigen ehrlichen Agenten und Importeurs deutscher Waaren bewogen, dem neuen Intelligenz- und Anfrage-Bureau, welches diesem Drachen des Betrugs den Kopf zertreten will, alle ihre Hülfe und Unterstützung zu garantiren. So ist es ihnen bereits gelungen, den Unternehmern dieses Bureau’s ein Abonnement auf die geheime City-Zeitung, das „schwarze Journal“, zu verschaffen. Wer dies jede Woche in die Hände bekommt, kennt von da an jedes Schwindler-, jedes unsichere, jedes sichere und zuverlässige Geschäft.

Das schwarze City-Journal ist das großartigste, kostspieligste, geheimnißvollste journalistische Unternehmen von ausschließlich großen, berühmten und geschäftlich durchweg absolut ehrenvollen Bankier- und Kaufmanns-Häusern zu ihrer eigenen Sicherheit gegen Schwindler und Betrüger. Abonnent kann ein Geschäftsmann nur werden, wenn er, von mindestens sechs Abonnenten empfohlen, nach einer besonderen Prüfung für gut befunden ward, einen bedeutenden Jahresbeitrag zahlt und keinen anderen Leser zuläßt. Das schwarze Journal gibt aus einem besonderen Bureau der feinsten Kenner, welche Alles wissen und in den Kern jedes geschäftlichen und Wechselunternehmens dringen, wöchentlich einen genauen Bericht von allen neuen Geschäften und den Operationen unsicherer oder sicher betrügerischer Geschäfte.

Es ist klar, daß mit solchen Mitteln eine ziemlich klare Einsicht in die Geheimnisse des Weltmarktes in der City von London erreicht und erhalten wird und ein Bureau, das sich’s zur geschäftlichen Aufgabe macht, auf alle Arten von Aufragen geschäftlicher Art ehrliche und sichere Auskunft zu geben, mit diesen Mitteln schon allein im Stande ist, den deutschen Markt in London zu reinigen und den deutschen Lieferanten unzählige Verluste, Täuschungen und Thränen zu sparen. Es wird dann nicht mehr vorkommen, daß z. B. ein Schwindler aus dem Oesterreichischen, der hier eine Londoner deutsche Zeitung herausgibt, seine Rechnungen und seine Ausschweifungen mit deutschen Büchern, Würsten, eingemachten Früchten u. s. w. bezahlt und immer wieder neue Waaren von neuen Gläubigern bekommt. Doch von den fabelhaften Arten, wie die Deutschen hier betrogen werden, können wir hier keine Belege im Einzelnen geben. Die Meisten, die nicht selbst betrogen wurden, könnten’s kaum glauben.

Wir haben blos auf den einen und hauptsächlichsten Zweck des Intelligenz- und Anfrage-Bureau’s aufmerksam gemacht. Der Umfang seiner Zwecke ist in Kürze folgender: 1) Auskunft über Existenz und Solidität Londoner Geschäftshäuser. – 2) Ermittelungen über Verwerthung deutscher Producte und Waaren in London und auf dem Weltmärkte überhaupt. – 3) Nachweis guter Agenten. – 4) Anweisung, Personen und Firmen, die sich ihren Verbindlichkeiten entzogen, auszufinden oder gerichtlich zu verfolgen. – 5) Rath und Schutz für Reisende, die London besuchen wollen: Besorgung von Wohnungen, Empfangnahme auf Dampfschiffen und Eisenbahnen (wo die Meisten sofort furchtbar betrogen oder mindestens irre geführt werden), Besorgung von Führern durch die Sehenswürdigkeiten Londons u. s. w. – 6) Besorgung von Stellen für deutsche Lehrer, Gouvernanten, Kaufmannsdiener, Handwerker, die oft auf’s Gerathewohl und unter falschen Vorspiegelungen herüberkommen und nicht selten durch das schmerzlichste Fegefeuer laufen, manchmal auch ganz darin umkommen müssen. – Das Bureau wird unter der Firma: „E. Juch and Co.“ geführt und ist vorläufig, bis zur Einrichtung eines definitiven Geschäftslocals, „48 Clifton street, Finbury square, London“. Schriftliche Anfragen und Aufträge müssen natürlich frankirt eingesandt werden. Auch in Bezug auf Auswanderung stehen dem Bureau tüchtige Kenntnisse und Mittel zu Gebote. Das Unternehmen wird sich für die Deutschen in London, wie für die in Deutschland, als große Wohlthat erweisen.