Das Hexenthälchen (Volkssagen)
Um den Schinberg zieht sich, von Freiburg her, über Merzhausen und Au nach Wittnau ein Thälchen, das Hexenthälchen heißt; wegen des alten, blödsinnigen Annele, welches vor vielen Jahren daselbst verbrannt wurde. Einmal war ein schreckliches Gewitter mit Wolkenbruch gekommen, wie man es seit Menschengedenken nicht erlebt hatte; alles Feld längs des Baches war zerrissen und versandet. Da jammerten die Leute und schlugen die Köpfe zusammen; auch das Annele schaute, wiewohl ohne große Theilnahme, auf die Verwüstung. Darüber ärgerlich rief ihr eine Nachbarin zu: „Du hast ja Alles verloren, dein Mättlein ist hin, und du jammerst nicht einmal!“ Das Annele aber erwiederte: „selber thun, selber haben.“ Da merkte die Nachbarin wohl, daß das Annele das Wetter gemacht habe und eine Hexe sei und machte sogleich davon [64] die Anzeige. Der Amtmann ließ das Annele einsperren, konnte aber doch nichts Rechtes aus ihr heraus oder auf sie bringen, und erdachte deßhalb eine List. Als er sie wieder vorführen ließ, sah er sie geringschätzig an (sonst hatte man vor den Hexen Respekt), und sagte zu ihr: „er werde sie wieder fortschicken, sie könne nichts und sei keine rechte Hexe.“ Das schien dem Annele an seine Ehre gegriffen; daher faltete sie voll Verdruß ihren Schurz zusammen und machte ein Häslein mit langen Ohren, das aber alsbald wieder verschwunden war. Da bekreuzten sich Alle, und der Amtmann war nun seiner Sache gewiß. Er ließ also das Annele verbrennen, welches sich auch ganz geduldig an den Pfahl binden ließ. Jedes Kind kann Einem noch heut zu Tage das Hexenmättlein, als den Ort zeigen, wo sie das arme Annele verbrannt haben.