Das Grubengas oder die schlagenden Wetter

Textdaten
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Autor: Johann Fausten der Jüngere
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Titel: Das Grubengas oder die schlagenden Wetter
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 29, S. 338–340
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1854
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[338]
Populäre Chemie für das praktische Leben.
In Briefen von Johann Fausten dem Jüngeren.
Siebenter Brief.
Das Grubengas oder die schlagenden Wetter.


Als Vertreter des mehr belehrenden Elements dieser viel gelesenen Zeitschrift liegt es mir ob, sorgsam Acht zu haben auf die Ereignisse des Tages, der Zeit, in der wir leben, und da, wo es wünschenswerth erscheint, Aufklärung zu geben. So bieten mir die Berichte der neuesten Zeit Stoff zu einigen Unterhaltungen mit dem Leser. Der Gegenstand meiner heutigen Besprechung ist nicht erfreulicher Art; er zeigt uns, wie schwer es hielt, der bessern Einsicht bei den Menschen Eingang und Anerkennung zu verschaffen.

„In den Steinkohlengruben von Arley bei Wigan (Lancashire)“ heißt es in den Zeitungen, „hat am 18. Februar eine Gasexplosion stattgefunden, durch die ein Theil des Schachtes einstürzte und 122 Personen das Leben einbüßten.“ Wahrlich eine lakonische Nachricht, die entsetzliches Unglück verkündet und Stoff darbietet zu einer ganzen Reihe der eindringlichsten Gardinenpredigten gegen die Stumpfsinnigkeit der Menschen.

Gar mannigfaltiger Art sind die Gefahren, mit denen der Bergmann bei seiner beschwerlichen Arbeit im Schoße der Erde, zu kämpfen hat und durch den Kampf mit den feindlichen Elementen erhält sein sinniger Gruß, des Frommen Glück auf! eine innige und beziehungsvolle Bedeutung. Mit oben an unter den gefährlichen, Verderben bringenden Feinden stehen die unathmenbaren Gase, die der Bergmann in seiner eigenthümlichen Sprache die „bösen Wetter“ nennt. Mit dem Ausdruck „Wetter“ belegt er gemeinhin die Luft in den Gruben und je nach ihrer Beschaffenheit spricht er von „guten und bösen oder schlechten Wettern“, und letztere fassen wieder in sich „matte und schlagende.“ Matte Wetter sind solche, die das Athmen beschweren, in denen das Licht erlischt; nicht selten rauben sie dem Armen Gesundheit und Leben. Weit gefährlicher noch sind die schlagenden Wetter, brennbare Gase, die sich am Licht entzünden, und, wenn sie mit atmosphärischer Luft gemischt sind, heftige Explosionen verursachen, die durch die plötzliche Ausdehnung und Zusammenziehung der glühenden und dann abgekühlten Luft bewirkt werden.

Was ist nun die Ursache dieser für die Bergleute so gefährlichen Explosionen der schlagenden Wetter, die zumeist nur in den Steinkohlengruben vorkommen? Die Steinkohlenablagerungen sind, wie bekannt, die Reste einer riesigen Flora der Vorwelt, aus einer Zeit stammend, in der alle Bedingungen, welche das Wachsen der Pflanzen begünstigen – eine hohe Temperatur und eine feuchte, an Kohlensäure reiche Luft – in einem höheren Grade vorhanden waren, als jetzt. Durch verschiedene Umstände überfluthet und tief im Schooße der Erde begraben, unterlag die mit einer schweren Decke belastete feste Holzsubstanz durch die Wärme im Innern der Erde einer Entmischung, wobei zwar die drei Hauptbestandtheile – der Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff – in verschiedenen Verbindungen untereinander entwichen, so aber, daß die beiden letzteren in größerer Menge fortgingen, als der Kohlenstoff, der sich dadurch anhäuft und so den Steinkohlen ihren hohen Werth als Brennmaterial verleiht. Eines dieser Zersetzungsprodukte ist nun auch das Grubengas oder das leichte Kohlenwasserstoffgas, eben die schlagenden Wetter, eine wahre Plage der armen Bergleute. Diese Zersetzung der Steinkohlen dauert selbst noch jetzt fort, und namentlich in den tiefsten Schichten des Lagers wird sie durch die Einwirkung einer höheren Temperatur ungemein begünstigt. Besondere Arten der Steinkohlen, namentlich die besseren sogenannten bauenden Kohlen, zeichnen sich durch eine reichliche Gasentwicklung aus. Durch die zahlreichen Spalten im Innern der Erde verbreitet sich das brennbare Gas weit hin und findet an verschiedenen Orten einen Ausweg. Dergleichen Gasquellen finden wir namentlich in Italien am nördlichen Abhange der Apenninen, Frankreich, England, Mexiko, Persien und noch an vielen andern Orten. Zündet man sie an, so brennen sie gleichmäßig fort. Man hat sie daher mitunter technischen Zwecken dienstbar gemacht und verwendet sie zum Brennen von Bausteinen, von Kalk, zum Abdampfen von Flüssigkeiten, zur Beleuchtung u. s. w. Am Bekanntesten sind die ewigen Feuer von Baku und im großartigsten Maßstabe treten diese Feuerquellen in China auf. Hier entströmt den zahlreichen artesischen Bohrlöchern mit der Salzsoole eine reichliche Menge des Kohlenwasserstoffgases, so daß man zugleich an Ort und Stelle ein billiges Brennmaterial für die Darstellung des Salzes gewinnt. Der Missionair Imbert fand unter anderen eine Anlage, in der über 300 Siedepfannen mit dem brennbaren Gase geheizt wurden.

Andererseits sind aber auch die Steinkohlenlager selbst von zahlreichen Klüftungen, kleinen Höhlungen und Poren durchsetzt, in denen das schädliche Gas zusammengepreßt und eingeschlossen enthalten ist. Durch tausende von kleinen Spalten und Rissen strömt nun das Gas fortwährend in die Gruben ein, besonders bei einem niedrigen Barometerstande, wo also der äußere Luftdruck ein geringerer ist. In Folge dessen dehnt sich das eingeschlossene Gas aus, sprengt die engen Behälter und strömt mit einem wahrnehmbaren Geräusch aus. Durch den Abbau der Kohlen erhält das Gas gleichfalls zahlreiche Wege zur Grube. Eine wie reichliche Entwicklung hierbei stattfindet, sieht man leicht, wenn man frischgeförderte Kohlen mit Wasser übergießt, an den Blasen, die durch das Wasser aufsteigen. Bringt man in die Nähe der Fördertonnen, wenn sie an der Erdoberfläche angekommen sind, ein Licht, so schlägt eine hohe Flamme davon auf. Enthält die Luft in den Gruben genau auf 7–8 Theile einen Theil Kohlenwasserstoffgas, so entzündet sich das Gemisch, sobald man ihm mit einem Lichte zu nahe kommt, mit der heftigsten Explosion, die oft die mühevolle Arbeit vieler Jahre zerstört. Ist das Verhältniß der Luft ein größeres (bis zu 10 Theilen), so ist die Explosion nur eine sehr schwache und darüber hinaus findet keine Entzündung mehr statt. Aehnlich ist es, wenn die Menge des Kohlenwasserstoffgases zunimmt; bei sechs Raumtheilen Luft ist die zerstörende Wirkung eine geringere, und weiter hinunter brennt das Gemenge ruhig ab.

Welches waren nun die Mittel, wodurch die in ihrer Selbstgefälligkeit sich so sehr überschätzende Praxis diesen gefährlichen Feind zu bekämpfen suchte? Im Finstern konnte man nicht arbeiten, Licht mußte geschafft werden. Um solches zu erlangen, ließ man ein stählernes Rad gegen einen Feuerstein schlagen. Aber auch durch die Funken wurden mitunter die schlagenden Wetter entzündet, und andererseits war die Beleuchtung eine so dürftige, daß man trotz aller Gefahr seine Zuflucht wieder zur Kerze und Lampe nahm. Namentlich in England mehrten sich vor 30 bis 40 Jahren die Unglücksfälle in einer wahrhaft schreckenerregenden Weise; die Presse brachte alle einzeln zur Sprache, um die hartherzigen Grubenbesitzer endlich zu zwingen, wenn nicht aus Menschlichkeit, wenigstens aus Scham für den Unterhalt der zahlreichen Wittwen und Waisen derjenigen Bergleute zu sorgen, die in ihrem Berufe ihr Leben geopfert hatten.

Die Praxis hatte sich vollkommen unfähig gezeigt, dem Elend wirksam zu steuern. Nicht umsonst erging dazu die Aufforderung an die Wissenschaft und dadurch wurde dem berühmten englischen Chemiker Humphry Davy Gelegenheit gegeben, zu zeigen, daß trotz des Goethe’schen Wortes, das man noch heute wohlgefällig im Munde führt, obgleich es bereits unzählige Male widerlegt worden, die Theorie doch nicht immer grau sei, wie der Esel des Buridan. Davy widmete der schwierigen Aufgabe, die Gruben zu beleuchten, ohne das Gasgemenge in denselben zu entzünden und so das Leben der Arbeiter sicher zu stellen, mehrere Jahre. Eine lange Reihe von mühsamen, rein wissenschaftlichen Untersuchungen über die Eigenschaften der entzündlichen Luftart, so wie über die Natur der Flamme und die Bedingungen, unter denen diese sich mittheilt und weiter verbreitet, führten ihn Schritt vor Schritt vorwärts, bis er endlich der königlichen Gesellschaft in London am 25. Februar 1815 verkünden konnte, daß er ein sicheres Mittel gefunden habe, fernere Unglücksfälle zu verhüten.

Seine Versuche hatten gelehrt, daß das Grubengas unter allen luftförmigen Körpern am schwersten zu entzünden sei, und daß ein Gemenge desselben mit Luft durch eine rothglühende Kohle nicht in Brand gerathe. Diese Beobachtung gab den Fingerzeig, daß durch Abkühlung der Flamme die Gefahr in den Bergwerken [339] zu verhindern sei. Davy umgab daher eine gewöhnliche Oellampe mit einem eisernen Drahtnetz, das auf den Quadratzoll 7–800 Maschen zählt; den oberen Theil dieses Cylinders schützte er durch stärkeres Metallblech vor Zerstörung durch die Flamme und das Ganze durch Stäbe gegen die äußere Einwirkung einer mechanischen Gewalt, so daß 100 Pfund schwere Kohlenstücke darauf fallen konnten, ohne die Sicherheitslampe zu zertrümmern.

Unter Davy’s eigener Leitung wurden in den gefährlichsten Gruben um Newcastle und Whithaven Versuche mit der Sicherheitslampe angestellt. Anfangs betrachteten die Bergleute den winzigen Apparat mit mißtrauischen Augen, aber bald mußten sie erstaunen und festen Schrittes drangen sie nun vor bis zu Orten, die sonst ihr Fuß nie zu betreten gewagt hatte. Mit der größten Verwunderung beobachteten sie, wie sie durch die verschiedenen Veränderungen der Flamme im Innern des Cylinders den Zustand der Wetter in den verschiedenen Theilen der Grube mit zuverlässiger Sicherheit ausmitteln konnten. Dringt das Grubengas in den Cylinder ein, so verlängert sich die Flamme nach und nach, bis sie den ganzen innern Raum erfüllt; sie brennt dann blau. Ist das Gemenge gefährlicher, so erfolgen innerhalb zahlreiche kleine Explosionen, oft so schnell hintereinander, daß die Luft in tönende Schwingungen geräth und diese jammernden Töne scheinen sich zu beklagen über die Herrschaft, die der menschliche Scharfsinn über das zerstörende Wesen gewonnen hat. Wie ein entwaffneter und eingekerkerter Wütherich geberdet sich die Flamme; mit ohnmächtiger Wuth leckt sie gierig gegen das Gitter ihres Gefängnisses, aber ihre Macht ist gebrochen. Wollte sie aus dem beengenden Raum hindurch in’s Freie, so muß sie sich in eben so viele kleine Flämmchen theilen als Maschen, und diese werden dann leicht durch die Strömung der von außen eindringenden kälteren Luft erstickt.

Von allen Seiten wurde Davy’s Entdeckung mit Beifall aufgenommen, ein Jeder beeilte sich, „dem Talente, welches uns mit den Eigenschaften und Kräften eines der gefährlichsten Wesen, mit denen es die Menschen zu thun haben, vertraut gemacht hatte, die höchste Bewunderung zu zollen.“ Ueberall, in England, Belgien, Frankreich und Deutschland wurde die Sicherheitslampe eingeführt und überall erklärte man sich durch ihre Leistungen vollkommen zufrieden gestellt. Jetzt wurde es auch möglich, große Strecken von Steinkohlen zu bebauen, welche vorher für durchaus unzugänglich gehalten worden waren. Auch bei dem Umgange mit anderen leicht feuerfangenden Stoffen, wie Pulver, Spiritus, Aether etc. hat sie sich durchaus bewährt. Nach einem mehr als zweijährigen erprobten Gebrauch überreichten die Grubenbesitzer am Tyne- und Weafluß bei einem Festmahle zu Newcastle am 11. Octob. 1817 Davy ein silbernes Tafelgeräth – 2000 Pfd. Sterl. an Werth, als Dank für den wichtigen Dienst, welchen er ihnen und den armen Bergleuten durch seinen Scharfsinn geleistet hatte.

Nichts desto weniger fehlt es nicht an Leuten, welche die Hülfsmittel, die uns die Wissenschaft bietet, herabsetzen und den Werth eines jeden der Menschheit geleisteten Dienstes zu verkleinern geflissentlich bemüht sind. Wie bei dem Ei des Columbus, war auch hier, nachdem einmal die Aufgabe gelöst, ein Jeder klüger. Von allen Seiten wurden Davy’s Sicherheitslampe Unvollkommenheiten vorgeworfen. Während man es früher nicht weiter gebracht hatte, als bis zu den Funken eines Feuersteines, forderte man jetzt eine glänzende Beleuchtung. Wie die Pilze nach einem befruchtenden Regen aus der Erde hervorschießen, wucherten die Verbesserungsvorschläge, die aber alle den Werth der einfachen Davy’schen Lampe nicht herabzusetzen im Stande waren. Viele dieser vermeintlichen verbesserten Lampen boten weit weniger Sicherheit, andere weit weniger Licht und noch andere waren zu schwer und viel zu theuer für den gewöhnlichen Gebrauch.

Es ist nicht zu leugnen, daß Davy’s Lampe mit Unvollkommenheiten behaftet war. Sobald sie sich aber beim Gebrauch herausstellten, war er selbst bemüht, allen billigen Anforderungen Genüge zu leisten. Die meisten Klagen wurden gehört über das geringe Licht, obgleich es gerade für den Arbeiter ausreicht, und über die Sorgfalt, mit der man die Lampe behandeln müsse. Durch die feinen in der Grubenluft schwebenden Kohlentheilchen wurde der Drahtcylinder leicht verstopft und hierdurch zugleich die Gefahr gesteigert, da diese seinen Theilchen sich leicht an dem unter Umständen glühenden Cylinder entzünden und so eine Explosion herbeiführen konnten. Die neue Einrichtung hilft allen Mängeln ab. Die Lampe wird jetzt durch eine dicke Glaskugel gebildet und durch einen doppelten Cylinder wird der innere vor den feinen Kohlentheilchen und der äußern vor dem Erglühen geschützt. Folgten sich die Explosionen im Innern der Lampe zu schnell, so wurde die Flamme oft ausgelöscht und der Bergmann war mit Finsterniß umhüllt. Auf sinnreiche Weise hat Davy dafür gesorgt, auch für diese Fälle dem Grubenarbeiter hinreichend Licht zu verschaffen, um sicher aus diesen Regionen der Finsterniß zu Tage zu gelangen. Er brachte in der Lampe eine Spirale von Platindraht an, der die Flamme umgiebt und dadurch glühend wird. Selbst wenn nun auch die Flamme erlischt, behält der Draht diese höhere Temperatur doch bei, so lange sich der Arbeiter in einer Atmosphäre des Kohlenwasserstoffes befindet, denn dieses fährt fort, langsam an dem glühenden Draht zu verbrennen und bietet so wenigstens einen Leitstern für den Rückzug.

Bei aller Sicherheit, welche diese einfache Vorrichtung gewährt, hörten aber die Unglücksfälle nicht auf. Ja die Morning Post brachte sogar einen Aufsatz mit der Ueberschrift: „Die Menschheit hat durch Davy’s Sicherheitslampe nichts gewonnen,“ in welchem sie behauptete, daß in einem kleinen Bezirke des unendlichen Englands in dem Zeitraum von 1805 bis 1816, also vor Davy’s Entdeckung, 284, von 1817 bis 1828, nach der Einführung der Lampe, aber 360 Grubenarbeiter – also 76 mehr – das Leben durch Entzündung der schlagenden Wetter eingebüßt hätten. Hieran waren aber die Sicherheitslampen ganz unschuldig. Es liegt in der Natur des Menschen, der sich so gern das vernünftigste Wesen nennt, eine gewisse Lust zur Widerspenstigkeit begründet; das Thun des Herrn der Schöpfung offenbart stets eine gewisse Unvernunft. Der Bergmann, von Jugend auf an Gefahren gewöhnt, lernt bald diesen Trotz bieten; er denkt nicht an die, welche ihn bedroht. Er glaubte in der Sicherheitslampe eine gefeite Reliquie zu besitzen, die ihn kugelfest mache und schlug alle Mahnungen zur Vorsicht in den Wind. Unter den nichtigsten Gründen, oft nur um die Tabackspfeife anzuzünden, ja selbst aus Laune und Eigensinn, entfernte er die schützende Hülle von der Lampe. Dadurch, daß oft sein unkluges Thun keine nachtheiligen Folgen herbeiführte, wurde er darin bestärkt, bis die vernichtende Strafe ihn ereilte, die aber keinesweges anderen zum mahnenden Vorbilde diente.

Andererseits aber trifft gerechter Tadel die Besitzer der Gruben, die sich nun jeder Sorge für die Grubenarbeiter überhoben glaubten und den Wetterwechsel auf das Gröblichste vernachlässigten. Unter allen Umständen gewährt die Sicherheitslampe keinen Schutz, sie zeigt aber die Gefahr hinreichend früh an, daß man ihr entrinnen kann. Sie muß durch eine zweite Einrichtung unterstützt werden; es muß ein hinreichender Zug der frischen Luft, auch sonst dringend nothwendig für die Gesundheit der im Schoße der Erde Arbeitenden, die Gruben durchziehen und für Fortschaffung, oder wenigstens Verdünnung der schlagenden Wetter sorgen. Freilich findet ein solcher Wetterwechsel schon von selbst durch den aufsteigenden Schacht hindurch, statt; die ungleichen Temperaturen im Innern der Gruben und an der Erdoberfläche bedingen einen Luftaustausch; die wärmere und daher leichtere und schlechte Lust steigt aus den Gruben auf und die kältere, daher schwerere, reine Luft sinkt in diese nieder. Aber dieser Wechsel ist nicht kräftig genug und kann sich auch wegen der fehlerhaften Anordnung des Baues nicht über alle Theile der Gruben in gleichem Maaße erstrecken; er muß also durch künstliche Mittel unterstützt werden.

Die einfachsten Mittel sind auch hier die besten. Complicirte Maschinen sind ganz zu verwerfen, denn geräth irgend ein Theil in Unordnung, so wird die Wetterführung ganz unterbrochen. Die wirksamsten Mittel sind hier Anwendung der Wärme oder des Dampfes. Auf dem einen Schacht befindet sich ein Ofen, der die zur Unterhaltung des Feuers erforderliche Luft nur aus dem Schacht selbst, also auch den Gruben erhalten kann. Die auf diese Weise fortgenommene Luft wird nothwendigerweise durch frische ersetzt, die in einem zweiten Schachte niedersinkt. Um hier eine Fortpflanzung des Feuers durch die schlagenden Wetter in die Gruben selbst unmöglich zu machen, bringt man in der Zugröhre, durch welche die nöthige Luft einströmt, ähnliche Drahtnetze an, wie bei den Sicherheitslampen. Von größerer Wirksamkeit noch sind Dampfströme an der Sohle – dem Grunde des Wetterschachtes. Durch das Feuer unter dem Kessel und durch die Wärme und die Kraft des Dampfes wird die Luft aus den Gruben geschafft und neue, reine Luft sinkt hinreichend nieder.

[340] Daß die Sicherheitslampen Hand in Hand gehend mit einer guten Wetterführung allen Unglücksfällen vorbeugen können, lehren uns die deutschen Steinkohlengruben. Anders aber ist es in England. Noch 1835 und 1849 wurden vom Parlament eigene Commissionen eingesetzt, welche über die Ursachen der Unfälle in den Kohlengruben und über die Mittel diesen zu steuern zu berichten hatten. Die letzte giebt den Verlust an Menschenleben durch schlagende Wetter in den englischen Steinkohlengruben jährlich auf 1000 an. Trotz aller Frömmelei und aller Kirchlichkeit legen die hartherzigen Grubenbesitzer doch einen weit geringeren Werth auf das Leben ihrer Arbeiter – freie Männer wie sie, als die Heiden – die alten Römer, welche, obgleich sie nur Verbrecher in den Bergwerken arbeiten ließen, dennoch für das Leben und die Wohlfahrt derselben durch die kostspieligsten Baue sorgten, die wir noch heute in Portugal und Spanien mit Verwunderung anstaunen.

Da alle gütlichen Ermahnungen und Rathschläge an dem Geiz der englischen Grubenbesitzer scheiterten, da blieb der Commission nichts anderen übrig als Zwangsmaßregeln vorzuschlagen. Ein neues Beispiel dafür, daß es mit dem so sehr gerühmten Selfgovernment nicht weit her ist, daß auch hier alle „Gemüthlichkeit“ aufhört, sobald der Geldbeutel mitzusprechen hat. Wie überall anderswo ist auch in dem gepriesenen England sehr Vieles „faul“ und die englischen Zustände im Großen und Ganzen nicht die, welchen die Menschheit als leuchtendem Vorbilde nachzustreben hat.