Textdaten
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Autor: Johann Andreas Christian Löhr
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Titel: Das Goldvögelein
Untertitel:
aus: Das Buch der Maehrchen für Kindheit und Jugend, nebst etzlichen Schnaken und Schnurren, Band 2, S. 148–152
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Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: [1820]
Verlag: Gerhard Fleischer d. Jüng.
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Kinder- und Jugendbibliothek München und Commons
Kurzbeschreibung:
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[148]
16. Das Goldvögelein.

Es waren zwei Besenbinderjungen, die eine Schwester hatten, und waren alle drei herzgute Menschen, die aber wenig zu brocken und zu beißen hatten, seitdem die Aeltern todt waren. Indeßen halfen sie sich durch, so gut sie konnten, und lebten einträchtig; die Brüder holten Birkenreiser und banden Besen daraus, [149] und die Schwester verkaufte die Besen und führte den kleinen Haushalt von dem Erlös.

Zuweilen ging es ärmlich her und wollte nicht zulangen, dann munterte sie der zweite Bruder auf, der gar ein vergnüglicher Bursche war, und sagte: „Potz Hundert! Potz Fünfundzwanzig; Besenbinders Kinder verderben nicht, wenn sie auch einmal darben müßen, und wenns der Himmel will, werden wir noch vornehme Leute.“

Einsmals waren sie auch in den Wald gegangen und der Jüngste war auf einen großen Baum geklettert, um die Aeste abzuhauen. Da fand er ein artiges dunkelfarbiges Vögelchen auf einem Neste sitzen. Das flog nicht fort, sondern sah ihn mit hellen Augen recht zutraulich an.

„Ei! sagte der junge Bursche, du bist ja ein recht lieb niedliches Vögelein! Du weißt es wohl ordentlich, daß ich solchem hübschen lieben Herrgottsthierchen nichts thue?“ Dabei streichelte er das Vöglein, welches fromm sitzen blieb und mit dem Kopf nickte.

Da sahe er, wie unter dem Einen Flügel, etwas Goldenes hervorschimmerte, und sagte: „Laß dir dein Flügelein aufheben; da schimmerts drunter hervor wie Gold!“ Aber da hob das Vöglein den Flügel von selbst auf, und es lag unter demselben ein kleines Goldei.

„Darf ichs dir wegnehmen? fragte der junge Bursche, oder, kannst du es ausbrüten? da will ichs dir laßen.“

„Wegnehmen!“ sagte der kleine hübsche Piepvogel, und nickte mit seinem Köpfchen dazu.

Der junge Bursche ging mit dem kleinen Goldei zum Goldschmidt, welcher sagte, es sei so feines Gold, als es noch niemals gesehen hätte, und gab ihm viel blanke Silberthaler dafür. Am [150] andern und am dritten Tage fand er wieder ein Goldei, welches der Goldschmidt bekam.

Nun hatten sie schon viel Geld, wohl gar an sechszig Thaler, und der junge Bursche sagte: „Nun, da schauts, daß Besenbinders Kinder Glückskinder sind; da haben wir schon so viel Geld, daß wir wohl hunderttausend Schock Millionen Besen dafür kaufen könnten, oder noch weniger, und die Schwester kann nun schon einmal Pfannkuchen backen.“

Aber am vierten Morgen war kein Ei mehr da. Das Vöglein aber fing nun an mit Verstand zu sprechen und sagte: Bring mich an den Goldschmidt; das soll Euer Aller Glück sein, und meins auch.“

Der junge Bursche brachte den Vogel in einem Gebauer, und bat: „Hebt mir ihn auf!“

Als aber der Goldschmidt mit dem Vögelein allein war, sang es:

„Wer ißt mein Herzlein
wird bald König sein;
wer ißt mein Leberlein
hat alle Tage ein Goldbeutlein.

Den Vogel mußt du haben! dachte der Goldschmidt und rief die Besenbinders Kinder und sagte: „laßt mir das Vögelein ab; es gefällt mir so sehr. Dafür will ich Euer Schwesterlein heirathen, und Ihr sollt auch bei mir bleiben und sollt es gut haben!“ Da ließen sie ihm das Vöglein ab.

Als aber Hochzeitstag war, da hatte er das Vöglein todt gemacht und gerupft und die beiden Brüder sollten es am Spieße braten und Acht haben, daß nichts verdürbe, er aber wollte dann den Vogel allein eßen.

[151] Als nun derselbe bald genug gebraten war, fällt ein klein Stückchen heraus. „Das will ich doch kosten!“ sagt der Eine und ißt das Stückchen. Bald darnach fällt wieder ein Stückchen ab; „das soll für mich sein!“ sagte der Andere und aß es.

Darnach war der Vogel genug gebraten, und sie brachten ihn dem Goldschmidt, der mit dem Schwesterlein schon beim Hochzeitmahl saß. Der suchte gleich nach Herz und Leber, die wollte er geschwind eßen, aber die waren fort. Da ward er sehr grimmig und sagte: „Wer hat Herz und Leber gegeßen?“ – „Ih! sagten die Brüder, das werden wir wohl gewesen sein. Es fielen ein Paar Krümchen ab, die haben wir genommen!“

„Habt Ihr mir Herz und Leber gegeßen, Ihr dummen Jungen, sagte der Goldschmidt, so behaltet den Vogel auch, und die dumme Trine, Eure Schwester, die mag ich nun auch nicht!“

Damit jagte er sie alle drei zum Hause hinaus, und jammerte nun darüber erbärmlich, daß er den Vogel nicht selbst gebraten hätte. Warum hatte es aber der Narr nicht vorher bedacht, denn nun halfs ihm nicht mehr.

Als sie nach Hause kamen, aß der Aelteste den Vogel, denn der zweite wollte ihn nicht, weil es sein liebes Goldvögelein war, und die Schwester wollte ihn auch nicht, weil sie durch ihn um ihren Bräutigam gekommen war. Da aß ihn der Aelteste. Aber er hatte ihn kaum gegeßen, so stand eine schöne Prinzeßin vor ihnen, an der war Alles wie Goldglanz, die sagte: „Nun bin ich endlich erlöst; Ihr aber sollt alle drei mit in mein Reich kommen.“

Als sie dahin gekommen waren, heirathete die Prinzeßin den Aeltesten, der das Herz gegeßen hatte. Da war er nun König. Der Andere, der die Leber gegeßen hatte, fand alle Morgen einen Beutel mit Gold, und weil er nun ein hübscher und lustiger Bursche [152] war und so reich dazu, so nahm ihn die Schwester der Prinzeßin. Nun hätte er sich selbst können ein Reich kaufen, das wollte er aber nicht, denn er konnte die Regierungssorgen nicht leiden.

Darauf kam der Bruder der Prinzeßin, und wollte seine Schwestern besuchen. Der hatte sein eigenes Reich, und war noch nicht vermählt, denn es hatte ihm Keine gefallen, als er aber Besenbinders Tochter sahe, so gefiel sie ihm gleich gar sehr, er aber dem Mädchen auch. Da nahmen sie sich einander.

Da waren sie Alle recht froh. „Ja! sagte der zweite Bruder; wenn man einen Glücksvogel hat, so kann auch aus Besenbinders Kinder etwas Großes werden, ohne daß man Verstand dazu braucht.