Das Fest des Ahasverus (Gemälde der Dresdener Gallerie)

Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: Das Fest des Ahasverus
Untertitel: Von Paul Rembrandt
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
Herausgeber:
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1848–1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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Quelle: Scan auf Commons
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The Feast of Ahasuerus.     Das Fest des Ahasverus.

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Das Fest des Ahasverus.
Von Paul Rembrandt.

In dem „das Fest des Ahasverus“ genanntem Bilde besitzen wir eine der umfassenderen Compositionen Rembrandt’s van Ryn. Sah man nur seine, die täuschendste Naturwahrheit athmenden, charakteristischen, hochpoetisch aufgefaßten Portraits: so erkennt man, wenn man das unvergleichliche Helldunkel, bei welchem meist das Licht in die Schatten spielt, wegdenkt, den Meister kaum wieder. Ein gewisser düsterer Ernst, der seine Portraitauffassung charakterisirt, verschwindet in seinen historischen Gemälden vor einer unklaren, ungeordneten Phantasie jedesmal um so auffallender, als die Zahl der Figuren seiner Gemälde sich vergrößert. Selten hat der Maler in figurenreichen Bildern durch einen glücklichen Wurf erreicht, was ihm im Grunde an Kunst der geschmackvollen Composition abgeht, und in solchem Falle möchte immer sein Stoff, wie etwa derjenige der „bewaffneten Bürgermiliz von Amsterdam“, genau seiner komischen, bizarren und phantastischen Eigenthümlichkeit entsprechen. Wo Rembrandt anfängt zu componiren, stellt sich, statt der klaren Uebersicht der Gruppen und des Verständnisses einer zusammengeschlossenen Handlung, Verworrenheit dar und nur in einzelnen Partien gelingt es ihm, [174] durch künstlerische Anordnung das Interesse des Beschauers zu fesseln. Rembrandt’s gänzliche Abwendung vom Idealen in der Zeichnung seiner Köpfe und Figuren, der unverkennbar holländische Typus seiner Gestalten stehen im eigenthümlichen Contraste zu den Ideen, welche er in seinen historischen Gemälden zur Erscheinung zu bringen strebt.

Glänzender aber als auf seinen, wenige Figuren enthaltenden Stücken zeigt sich bei seinen größeren Gemälden die merkwürdige, unvergleichliche Kunst Rembrandt’s in der Beleuchtung und Färbung. Ueber den Reizen seines Helldunkels vergißt man fast die Alltäglichkeit der Physiognomie, die selten tadelfreie Zeichnung seiner Gestalten, welche indeß immer voll Leben und ausdrucksvoller Bewegung sind.

Eines derjenigen Bilder, welches diesen sonderbaren Genius in seinen ganzen Eigenthümlichkeiten zeigt, ist das Fest des Ahasverus. Der Stoff ist ein biblischer und dem Buche Esther, namentlich dem zweiten Cap. desselben, Vers 17. 18., entnommen. Ahasverus, welcher seinen Fürsten und Reichswürdenträgern ein prunkendes Mahl und Feste bereitete, die hundert und achtzig Tage währten, fühlte sich von der Weigerung seiner Königin, am Tische der Männer neben ihm zu erscheinen, so empört, daß er die Königin verstieß. Die schönsten Jungfrauen von Persien und Medien wurden auf seinen Befehl ihm darauf zugeführt, um aus den Mädchen eine neue Sultanin zu erwählen. Dies Glück traf die schöne Esther, eine Tochter des unterdrückten jüdischen Volkes, welches zu Susa und im ganzen Königreiche in der Sklaverei schmachtete.

Rembrandt’s Bild stellt das Fest vor, welches Ahasverus veranstaltete, um den Großen seines Reichs die neue Königin im vollen Glanze ihrer Würde vorzuführen. Sie thront, mit der Krone und mit reichem Schmucke versehen, neben dem mit Blumen bekränzten Herrscher an der Spitze der Tafel und ringsum zeigen sich an den Theilnehmern des Festes bereits die beseligenden Kräfte des kredenzten Weins. Ein Paar im Vordergrunde, auf schwellende Divans gelagert, küßt sich; gegenüber am Tische sucht ein Mann seiner Nachbarin, einer verschämten, jungen Frau, in einem goldenen Becher die Gabe des Bacchus mit Gewalt einzuflößen. Außer einem alten Weibe im Vordergrunde, welches das Tischtuch emporhebt, um – echt holländisch und Rembrandtisch zugleich – dessen Feinheit und Muster mit verächtlichem Auge zu prüfen, ist die linke Partie des Bildes unwichtig. Mehr interessirt ein silberner, blumenumgebener Tafelaufsatz vor der „schönen“ Königin, die, wie eine holländische Dorfbraut, mit über der Taille aufgelegten Händen und aufgelöstem Haar gleich einer sehr dicken Christmarktspuppe dasitzt.

Dieser Tafelaufsatz ist ebenfalls von holländischer Erfindung; in der Mitte desselben steht eine Art von Gefäß, wahrscheinlich den Mundbecher des Königs vorstellend; eine Form, welche einem gewundenen, oben und unten abgeschnittenen dicken Rebenstamme gleich sehen kann. Ahasverus selbst liegt halb auf seinem „goldbelegten, auf Marmorsäulen stehenden“ Throne und zwar auf goldgestickten Teppichen. Sein aufgelöstes, blumengeschmücktes Haar erinnert an den Schmuck Nero’s bei seinen Orgien in Bajae. Hinter dem Throne des Königs schließt sich eine ausdrucksvolle, aber deßhalb doch sehr schwer zu erklärende Gruppe zusammen. Der König zieht seinen Ring vom Finger und sagt einem alten, aufmerksam zuhörenden Weibe hinter dem Throne etwas sehr Wichtiges: denn ein Kämmerling – wahrscheinlich nach seinem verschmitzten, [175] boshaften Gesichte der „böse Hamann“ – legt den Finger und zwar den Daumen auf den Mund, zum Zeichen, er werde nichts ausplaudern, indeß zwei Musikanten im Hintergrunde eifrig einige Worte zu erlauschen streben. Ein dicker Eunuch mit federgeschmückter Kappe schmunzelt rechts; ein gleichgültiges Dienergesicht zeigt sich neben ihm.

Die ganze Composition des Gemäldes entbehrt eines hervortretenden Gedankens. Das Einzige, was man unzweifelhaft errathen kann, ist der Befehl des Königs an seine Vertrauten, das Schlafzimmer der neuen Königin in Bereitschaft zu setzen. Die feierliche, offizielle Hochzeit scheint erst heute gefeiert zu werden.

Dies so inhaltleere, ganz das eigenthümlichste Gepräge Rembrandtischer Erfindung tragende Gemälde ist dagegen von einer Pracht der Malerei, welche unvergleichlich genannt werden muß. Streiflichter von außerhalb des Bildes treffen die Partien links; die Vordergruppe zeigt sich im tiefsten Schatten, weil jenseit derselben auf der Tafel – dem Beschauer jedoch unsichtbar, – das Licht steht, wodurch die Königin so hell angestrahlt wird, daß das Auge zu ihr, als dem Mittelpunkte des Gemäldes, immer wieder zurückkehrt. Dem Könige hat Rembrandt nach seinen sonderbaren Einfällen, da er ihn halb in Schatten hüllte, sicherlich nur ein secundäres, halbes Interesse bereiten wollen. Vorn im Bilde steht ein goldener Kühlnapf mit einer Weinkanne drin und hinter dem Glanzpunkte des Bildes, der Esther, sieht man eine hell beleuchtete Tapete, genau mit den Mustern der Brüsseler und Antwerpener goldgepreßten Ledertapeten des siebzehnten Jahrhunderts versehen.

Abgesehen von der unübertrefflichen Technik des Meisters, wodurch er die siebzehn Theilnehmer des Festes auf frappante Weise von einander zu halten weiß, abgesehen von dieser Färbung, welche fast zaubergleich wirkt, steht es um das Costume, welches er anwandte, so wie um das Charakteristisch-Altpersische des Ganzen äußerst bedenklich. Um den Tadel zu mildern, ist indeß hervorzuheben, daß die Quellen, woraus wir Schlüsse auf damalige Kleidung und häusliche Sitten der Perser ziehen können, damals allerdings noch nicht so bekannt waren, als heute. Die Kopfbedeckungen der Männer haben meist einen alttürkischen Anstrich; das Costume ist seltsam zusammengewürfelt und reine Phantasie des Malers. Sonderbar genug ist indeß die Kleidung des Königs, wenn der Rock nur weiter zu den Füßen hinabreichte, nicht so bedeutend von dem Costume verschieden, welches nach Porter und Ouselmy, Morier und Rey (Sculpturen der Chil-minar von Persepolis) die Könige der Dynastie trugen, der Ahasverus angehört.

Das Bankett entspricht indeß weniger der persischen als der holländischen Sitte: Frauen wurden nur ausnahmsweise berufen, Theil an solchen Festlichkeiten zu nehmen, und in solchem Falle war die Erscheinung der Weiber so ungewöhnlich, daß die Königin Vasthie lieber Thron und Reich verlor, als bei dem Gastmahle des Königs erschien.

Dieser König, welcher in der Bibel, Buch Esther, Ahasverus heißt, ist unzweifelhaft derselbe, den Esra und Nehemia Arthasastha, das ist, Artaxerxes nennen und mit dem Artaxerxes I., genannt Langhand (Longimanus) dem Sohne und Nachfolger des großen Xerxes, den die Profangeschichte kennt, aller Wahrscheinlichkeit nach eine und dieselbe Person. Ahasverus, richtiger Ach-asch-verosch, ist übrigens ein Titel und kein Name, den mehre persische Herrscher führten und welcher „Der Glanzvolle oder der Majestätische“ bedeutet. Artaxerxes regierte [176] von 465 bis 424 v. Chr. Geb., vermählte sich also mit der Esther im J. 459 v. Chr. Herodotus beschreibt den Artaxerxes Langhand als einen der schönsten und tapfersten Männer, dessen Hände aber bis zu den Knien hinabreichten. Xerxes II. war sein Nachfolger.

Es wird aus dem Buche Esther zur Genüge klar, daß sie und Mardochai, ihr Pflegvater, die Retter der im Perserreiche zerstreuten Juden wurden, als der Vezier Hamann sie sämmtlich auf einen Tag ermorden lassen wollte. Daher ist die schöne und kluge Esther noch jetzt bei den Israeliten gefeiert und das fröhliche Fest der Purim, wobei sie gesegnet, Hamann und sein Weib Seresch aber verflucht wird, hat ihr Andenken bis heute geheiligt. Das Fest fällt gewöhnlich auf den vierzehnten und fünfzehnten des Monats Adar und ward, gleich nachdem die Juden nach Hamanns Hinrichtung die Anhänger des Veziers ermorden durften, fast ebenso eingeführt, wie es in unsern Tagen noch besteht.