Christus mit der Dornenkrone (Gemälde der Dresdener Gallerie)

Textdaten
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Autor: Adolph Görling
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Titel: Christus mit der Dornenkrone
Untertitel: Von Guido Reni
aus: Stahlstich-Sammlung der vorzüglichsten Gemälde der Dresdener Gallerie
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Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1848–1851
Verlag: Verlag der Englischen Kunst-Anstalt von A. H. Payne
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Erscheinungsort: Leipzig und Dresden
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Quelle: Scan auf Commons
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Christ, crowned.     Christus, gekrönt.

[176]
Christus mit der Dornenkrone.
Von Guido Reni.

Reich ist die Zahl der gleich Sonnen unter den Planeten hervorglänzenden Meisterschöpfungen in der Malerei, welche gerechten Anspruch auf ewigen Ruhm besitzen. Und dennoch sind der Bilder, die die unsterbliche ideale Schönheit zur Erscheinung bringen, der Werke, in denen siegend der höchste Adel, die herrlichste Weihe der Menschennatur hervortritt, nur sehr wenige.

Als die reinste Perle der Malerkunst aller Zeiten darf die in der Dresdener Gallerie bewahrte Sixtinische Madonna Raphaels von Urbino gelten, welcher der Göttliche heißt. Neben diese reinste Verklärung des Menschlichen dürfen sich, was die Dresdener Gemäldesammlung betrifft, nur zwei Meisterschöpfungen stellen, in denen der ideale, poetische Schwung des schaffenden Genius die höchste, unübersteigbare Staffel erreichte.

Diese beiden Gemälde sind der Christus della Moneta des Tizian, und der mit Dornen gekrönte Christus des Guido Reni.

Diese Gemälde machen geradezu einen Commentar unmöglich oder unausstehlich. Man sehe und bewundere, das ist Alles! Hier ist der Erlöser, der wahre Christus in seinem göttlichen Leiden, in seinem Geiste, den selbst „Engel nicht zu ergründen vermögen!“ Das ist das Bild der unbeschreiblichsten körperlichen Qual, ohne daß die Majestät des Gottgebornen sich deshalb nur einen Moment lang verkennen und übersehen ließe. Dieser Christus ist ein Bild der Empfindung wie dasjenige Tizians, der Christus mit dem Pharisäer, ein Bild des Gedankens, wie die Madonna di Sancti Sixti, ein Werk, in welchem sich beide Mächte mit einander verbinden.

Die Höhe, wie sie in dem gekrönten Christus sich zeigt, erreicht Guido in keinem einzigen seiner andern Bilder wieder. Man darf nur ein diesem Christusbilde in Auffassung und Behandlung [177] ähnliches Bild, die trauernde, schmerzenreiche Madonna – an sich höchst vortrefflich – betrachteten, um die ungeheure Kluft zu ermessen, wodurch dieses Christusgemälde von demjenigen der Madonna getrennt wird.

Es ist nicht genau zu bestimmen, aus welcher Periode der Blüthe des Meisters dieses wahre Meisterstück stammt, das hier, in unserm Bilde so höchst meisterhaft wiedergegeben wurde, wie selten eine andere der vielen Copien dieses Kopfes; doch läßt sich leicht schließen, daß der gekrönte Christus der zweiten Periode der Wirksamkeit des Malers angehören muß, in welcher er nur wenige, aber desto ausgezeichnetere Gemälde schuf.

Guido Reni wurde im Jahre 1575 zu Bologna geboren. Seine erste Bestimmung war zum Musiker, und das Gefühlvolle, welches hier seinen ernsten Ausdruck bei dem Künstler fand, blieb nachher, als er zur Malerei überging, bis in die letzte Periode seiner Laufbahn sein Angelstern. Dionysius Calvaert war Guido Reni’s erster Lehrer, dann ward er der Schüler der berühmten Caracci, deren Schule noch heute in Reinheit und Strenge der Zeichnung unvergleichlich gilt. Die Rigorosität der hier eingesogenen Grundsätze ward bei Reni sehr bald durch ein bei ihm maßgebendes Studium der Antike gemildert und sein Bestreben, das gefälligste, sanfteste Colorit zu erreichen, machte seine Schöpfungen noch milder.

Bei den Caracci war eine Schule im Sinne des Worts und diese streng wählerischen, das Fundament aller Malerei, Zeichnung und Composition im Auge habenden Eklektiker, bildeten keine eigentlichen Maler, wie denn die Caracci selbst im Malen, engeren Sinnes, wenig Ausgezeichnetes, dagegen viel Schroffes, unnatürlich und abstoßend Gefärbtes geliefert haben. Guido Reni fing erst dann an wirklich zu malen, und nicht blos geisterreiche, strenge Studien zu liefern, als ihn Caravaggio Amerighi mit seinem kraftvollen, lebenglühenden Naturalismus begeisterte. Hier nimmt Guido Reni einen wahrhaft jugendkräftigen, herrlichen Aufschwung; er besitzt die reine Zeichnung seiner Meister, ohne ihren peniblen Styl; seine Erfindung erwacht lebensfrisch, poesiereich, und sie ist wahr und schlagend, tritt mit breiter, majestätischer Behandlung auf, ohne so roh, wie diejenige Caravaggio’s, noch so geistesarm, wie die des Guercino da Cento zu sein. Die Bilder aus dieser Zeit, die ersten, fast unwillkürlichen Blüthen des Genies sind selten, aber höchst werthvoll, namentlich für den, welcher den genialen Meister genau studiren will. Seine zweite Stufe bewahrt die Vorzüge, wodurch sich Reni in seinem ersten Anlaufe zur Kunst auszeichnet; huldigt aber einer, der Antike nachgebildeten zwanglosen Anmuth, die in einigen wenigen Fällen sich zur idealen, großartigen Grazie durchbildet. Seine Färbung wird glühender, natürlicher, seine Behandlung der Gewandung, der Haare, der Gesichtszüge seiner Figuren kühner und markiger, seine Composition einfacher und grandioser. Die Fleischpartien stehen dem Schaffen des Tizian gleich. Aus dieser, der herrlichsten Zeit der Blüthe des Reni, muß unser dornengekrönter Christus stammen. Rasch wie er gestiegen war, sank der Maler. Die Technik herrscht vor, noch bewundert man eine mannigfaltige lebhafte Phantasie an seinen Werken; aber diese Gebilde des Genius werden auf eine gleichförmige, trockene Weise zur Erscheinung gebracht; die Manier tritt immer unverhüllter hervor, welche der Erfindung und Composition ihre tödtenden Fesseln umschlingt. Ein weichlicher, sentimentaler, mondscheinartiger, silbergrauer Ton breitet sich erkältend über seine Gemälde, und trifft derselbe auch zuweilen mit dem Geiste des Stoffs und der Composition bewundernswürdig zusammen, so erscheint [178] die ganze Manier doch, sieht man mehre Stücke aus dieser Zeit neben einander, schwach und geistesleer.

Die dem Guido Reni angeborene Kraft, das großgehaltene Graziöse zu entwerfen, dauert bis in seine letzte, allerdings gegen seine erste Blüthe unbedeutende Periode. Aber die Idealität seiner Gestalten, ein bedeutungsreicher, nicht selten düsterer Ernst – an den Caravaggio erinnernd – welcher in seiner ersten und zweiten Künstlerphase so mächtig aus seinen Gemälden anspricht – er ist verschwunden.

Immer aber bleibt Reni’s Phantasie reich, seine Composition gedankenvoll, inhaltschwer, seine Zeichnung richtig, seine Gewandung von großartiger Anlage, seine Behandlung – alles Manierismus ungeachtet – sauber und delicat. Selten nur hat einer seiner Schüler an seine Oelgemälde die Hand angelegt, wie Manche, nicht vertraut mit seinem wechselnden Entwickelungsgange, haben behaupten wollen. Reni’s letzte Bilder, meist in dringendster Geldverlegenheit und zur Bezahlung seiner Spielschulden gearbeitet, sehen traurig aus neben Bildern seiner Glanzepoche, wie es unser Christus hier ist.

In Rom wie in Bologna besaß Reni immer viele Schüler. Seine Akademie in der letzten Stadt soll fast immer nicht weniger als zweihundert Schüler gezählt haben, die er die Elemente der Kunst in der strengen Weise der Caracci erlernen ließ. Sein Genie ging auf keinen seiner Schüler über, die sich meist an seine vorletzte Manier hielten und wirklich Manieristen und Epigonen wurden. Von den Schülern die Reni bildete, haben Gessi, (dessen Magdalena wir geben) Simone Contarini, Andrea Sirani und beziehungsweise dessen Tochter Elisabetta, Semenza, Domenico, Maria Canuti und Gignani den meisten Ruf erhalten. Eine weichliche, zierliche und unkräftige Weise der Malerei ist das Bezeichnende für fast sämmtliche Leistungen dieser Schüler.

Guido Reni starb 1642 in Bologna, wo er in der Kirche zu San Domenico begraben liegt.