Das Bristol-Trauerspiel
oder
Charles Bawdin’s Tod.
(Nach Thomas Chatterton.[1])
Aufdämmert der Tag, der Hahn kräht hell,
Blaß schimmert des Mondes Horn,
Und im Morgenrothe der Tropfen Thau
Glitzert am Hagedorn.
Rief ihn vom Schlummer wach;
Drei Raben weckten ihn mit Gekreisch
Oben am Wetterdach.
Charles Bawdin, der soll sterben heut
Und eure Speise sein!“
Der König rief’s; eine Kanne Wein
Leert’ er bis auf den Grund;
Dem war das Herze wund.
Und Canning sprach: „mein König und Herr
Vergieße nicht Bawdin’s Blut,
Was immer er dir Böses that,
„Dem Lankasterkönig hat er gedient
Offen und sonder Scheu,
O Herr, an Deinem Feinde auch
Ehre Muth und Treu.“
Da zürnet der König und schnaubt:
„Eh Sternenschein auf die Erde fällt,
Fällt heut Charles Bawdin’s Haupt.
„Er war ein Verräther, er hat seine Hand
Nicht eher hab’ ich Rast noch Ruh
Bis seines gen Himmel raucht!“
Drauf Canning ernst: „nur Gnade Herr
Machet des Siegs Dich werth;
Nicht aber das Racheschwert.
„Gedenk, wir Menschen allzumal
Sind nur an Sünde groß,
Ein Einziger auf Sankt Petri Stuhl
Die kaum gewonnene Kron’
Und trägt Dein Scepter fort und fort
Auf Enkel und Enkelsohn;
Bespritzen Du Dein Kleid,
So reißen finstre Mächte Dir
Vom Haupte das Goldgeschmeid.“
Der König hört’s. „Fort, Canning, fort!
Will dürsten ich, und ob am Gaum
Mir auch die Zunge klebt.
Die Sonne, die da drüben steigt
Soll seine letzte sein!“
Rann eine Thrän’ hinein.
Alsbald der Ritter schlich;
In Bawdin’s Kerker trat er ein,
Der sah des Alten Herzeleid;
Er trat an ihn heran:
„Zu sterben, Freund, ist Menschenloos,
Was thut es „wie“ und „wann“!
Von Anbeginn bestimmt;
Demüthig trägt ein Christenherz
Was Gott ihm schickt und nimmt.
„Mir ist der Tod Erlösung nur
Was hast Du, daß in’s Auge Dir
Die Mannesthräne tritt?!“
Hab ich der Thränen viel,
Find ich nicht Maaß nicht Ziel.“
„Dann trockne Dir die Thränen schnell“, –
Klang Bawdin’s Stimme da –
„Der Wittwen und der Waisen Gott
„Mich mag er meucheln der Tyrann,
Der frech sich König nennt;
Doch weiß ich, daß ihn Gottes Hand
Von meinen Kindern trennt.
Thu’ ich den letzten Gang;
Hab ja dem Tod in’s Aug’ gesehn
Ein halbes Leben lang.
Und blindlings in die Schlacht hinein
Der Tod nach Beute griff, –
„Wie oft dann sah er wild mich an!
Ich starrt ihm in’s Gesicht;
Galt mir’s? ich wußt es nicht.
„Und nun, wegwerfen sollt’ ich selbst
Des Mannes beste Zier?
Im Leben Muth, im Tode Muth
„Und schuld es meinem Vater auch; –
Der war ein Ritter gut:
Rein war sein altes Wappenschild,
Und rein sein altes Blut.
Im Wirrsal der Parthein;
Die schwere Kunst war seine Kunst:
Gerecht und mild zu sein.
„So war sein Haus: ein offnes Thor,
Dem Bettler bot er Speis’ und Trank,
Dem Pilger Rast und Ruh.
„An seines Namens blanker Ehr’
Hat Schande nie geklebt,
Der hab ich nachgestrebt.
„Mir lebt ein Weib, ich hab ihr Bett
Treubrüchig nie entehrt, –
Nie auch von Heinrich’s heil’gem Recht
Und, Canning, sterbe gern;
Mein Auge wird den Tod nicht sehn
Des Königs meines Herrn.“
Wie Rossesstampfen schon,
Die rost’gen Angeln drehten sich
Und gaben schrillen Ton.
Hell in des Kerkers offne Thür
Und mit dem Licht des Morgens trat
Ein weinend Weib herein.
Charles Bawdin’s Weib. Der Ritter sprach:
„Laß sterben mich in Ruh,
Dem Irdschen wieder zu.
Macht mir das Herze weich,
Und wäscht dem frischen Muth in mir
Er sprach’s und schwieg. Das blasse Weib
Sah starr ihm in’s Gesicht,
Ihr Ohr vernahm die Worte wohl
Und hörte doch sie nicht.
Ihm in die Seele schnitt:
„Das Beil, das Deinen Nacken trifft,
O träf es doch mich mit!“
Hin sank sie; Bawdin küsste leis
Dann sprach er: „Schließer, nimm mich hin
Auf meinem letzten Gang!“
Der sonst nur Schächer trug,
Bewegte sich der Zug.
Der Zug war so: der Richter vorn
In seines Amts Geschmeid,
Hell glitzerte das Quastengold
Zwölf Augustiner kamen dann
In härenem Gewand,
Mit Rosenkranz und Geißelstrick
In recht- und linker Hand.
In mächtgen Melodien,
Und nieder schrillte Glöcklein Klang
Vom Thurme Sankt Marien.
Die Sennen waren all gespannt,
Die Pfeile lagen auf.
Wohl mocht ein Rest lankastrisch Volk
Den Ritter noch befrein,
Der seiner Feinde sein.
Dann kam er selbst: zwei Rappen vorn
In weißer Decken Putz,
Auf ihren Köpfen wiegte sich
Und wieder dann kam festen Schritts
Ein Bogenschützen-Hauf:
Die Sennen waren all gespannt,
Die Pfeile lagen auf.
Mit Psalmesmelodien, –
Und immer noch scholl Glöcklein Klang
Vom Thurme Sankt Marien.
Den Schluß, den machte straßenbreit
Von Dach und Fenster folgte man
Dem traurigen Gepräng.
Und jetzt an Christi Kreuz vorbei
Bewegte sich der Zug,
Das unsre Sünden trug.
Und Bawdin betete und sprach:
„Erbarm, o Herr, Dich mein,
Und wasch auch meine Seele heut
An Schlosses Fenster schon,
In seinem Antlitz paarte sich
Die Rache und der Hohn.
Hob er sich stolz empor,
Und donnerte mit fester Stimm
An Königs Edwards Ohr:
„Verräther, der Du bleibst und bist,
Wie klein mich Deine Rache macht
Bin größer doch als Du.
„Durch Mord und jede faule That
Trägst Du die Krone Dein,
Wird doch nie Deine sein.
Vergangner Missethat,
Und wie Verrath Dich groß gemacht
Er rief’s; das klang so fest und klar
Zu Edwards Ohr hinauf:
Der murmelte, hochroth vor Scham,
Zum Richard Gloster drauf:
Ging mir in Herz und Blut;
Der Könige König dieser Welt
Das ist doch Mannesmuth!“
Er sprach’s; doch Richard Gloster rief
„Laß sterben ihn, laß sterben ihn,
Die Raben warten schon!“
Sie waren bald zur Stell:
Wie blinkte das so hell.
Behangen schwarz war das Schaffott;
Charles Bawdin stieg hinauf:
Ihm war das Sterben wie Triumph
Rings stand das Volk; da sprach er laut:
„Blutacker bleibt dies Land,
So lange Schwert und Scepter bleibt
In dieses Edwards Hand.
Und manche junge Braut,
Eh’ dieses Land den ersten Strahl
Des Friedens wiederschaut.“
Und betend, still die Seele sein
Empfahl er seinem Gott;
Dann aber pressend an den Block
Sein Haupt in stolzer Eil,
Das blanke Henkerbeil.
Hinfloß sein Blut; stillweinend stand
Das Volk im Kreis umher;
Wie viel auch rothen Blutes floß
Der Henker dann, mit scharfer Axt,
Viertheilte Bawdin’s Rumpf,
Und jeder Theil ward aufgesteckt
Auf einen Lanzenstumpf.
Hoch auf dem Thurm sich drehn;
Ein zweiter war als Gitterschmuck
Vor Edward’s Schloß zu sehn.
Der dritt’ und vierte sammt dem Haupt,
Von dreien Thoren blickten die
Weit in das Land hinein.
Da wurden sie, bei Tag und Nacht,
Umkrächzet und umkreist,
Hat alles aufgespeist.
Das war das End’ von Bawdin’s Treu,
Und seiner Ehren Ziel; – –
Gott schenk dem König unsrem Herrn
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Thomas Chatterton (1752-1770), englischer Dichter.