Textdaten
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Autor: Reinhard Reitzel
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Titel: Das Brautbrünnlein
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch I, S. 284–287
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Originaltitel:
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Originalherkunft:
Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
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[284]
Das Brautbrünnlein,
oder:
Hochmuth kommt zu Fall.
(Erzählung nach der Volkssage.)

Drei Tage noch, und die reiche Braut des jungen Freiherrn von Sponeck sollte in dessen Burg einziehen. Zwölf Edelknechte, prächtig gewappnet, zogen hinüber nach Landeck[1], um am bestimmten Tage das Fräulein Brigitte ihrem künftigen Gemahl entgegen zu geleiten. Auf Landeck herrschte fröhliches Leben. Die Burgfrau ließ es an nichts fehlen, den Ehrentag ihrer Tochter auf’s Glänzendste zu begehen. Volksspiele wechselten mit Gelagen, an denen Alt und Jung der Umgegend Theil nehmen durften. Mit stolzen Blicken übersah die jugendliche Braut die fröhliche Menge.

„Du wirst die Leute gewiß verwöhnen, Mutter, mit deiner Freigebigkeit; es ist nicht gut, ihnen das Joch vom Halse zu nehmen.“

„Ei Kind, sey nicht so hart gesinnt, am Tage, der dir [285] Glück bringen soll!“ ermahnte die Mutter. „Es ist ja doch besser, die Leute lieben ihre Herrschaften, als daß sie denselben Böses wünschen und sie verfluchen. Deine strenge, oft ungerechte Denkungsart mußt du jetzt ablegen; denn schwerlich mag dein künftiger Gemahl, der nun dein Herr wird, dulden, was deine Mutter geduldet, zumal er ein gar mildes Herz haben soll.“

„Wie, Mutter! soll sich mein Gemahl nicht nach mir richten?“ eiferte die hochfahrende Tochter. „Er wird es bald begriffen haben; denn ich will ihn streng in die Schule nehmen! Und wird Ehrenfried von Sponeck binnen einem Jahre nicht Meister in der Kunst, seinen Willen dem seines Weibes unterzuordnen, so wirst du der erzürnten Lehrmeisterin die Thore unserer Burg nicht verschließen.“

„Brigitte, welche Gedanken!“ warnte die Mutter.

„Doch die vernünftigsten, Mutter, wenn man herrschen will, selbst über einen Mann!“ – –

Man durfte das Fräulein von Landeck nur Einiges sprechen hören, oder eine Stunde in ihrer Gesellschaft zubringen: ihren Charakter hatte man alsbald erkannt.

Die Braut schied von ihrer Mutter; eine Sänfte trug sie aus dem Thore der Burg. Die zwölf Edelknaben von Sponeck geleiteten die hohe Dame, zu ihrer Linken und Rechten vertheilt. Dem glänzenden Zuge folgte ein Wagen, den der Wohlthätigkeitssinn der alten Gräfin von Landeck mit allerlei Gaben für Arme angefüllt, die ohne Zweifel in Menge dem bräutlichen Zuge aller Orten nachziehen würden.

Der Himmel begünstigte die hochzeitliche Fahrt nicht mit freundlichen Sonnenschein, wie man es gerne sieht; sondern er sendete den ganzen Vormittag aus trüben, flüchtigen Wolken Regenschauer um Regenschauer. Wenn schon die junge Braut unwillig murrte, ändern konnte sie es doch nicht. „Ich will mich dafür an dem armen Gesindel rächen!“ sagte sie; „Es darf ihm weder Brot noch Wein ausgetheilt werden!“

Mehr denn fünfzig Hungrige stürmten der Sänfte nach, flehend, rufend; unerbittlich blieb die Braut bei ihrem böswilligen Eigensinn.

Mittag war vorüber. Am Wege, dahin sich der Zug bewegte, [286] sprudelte ein Brünnlein und seine krystallhellen Wellen rauschten lustig von dannen. „Von diesem Wasser will ich trinken; mit eigner Hand will ich schöpfen aus des Brünnleins Tiefe !“ rief das Fräulein von Landeck, und die Sänfte mußte stillhalten. Im Aussteigen begriffen, hielt das Fräulein wieder an: „Daß meine Schuhe nicht beschmutzt werden, hole man so viele Brote aus dem Wagen, als nöthig, einen Pfad bis zur Quelle zu bereiten, darauf ich unbeschädigt gehen kann.“

Ob diesem Befehl erbebten die Edelknaben. Schweigend sahen sie einander an. Endlich erlaubte sich Einer zu entgegnen: „Aber Fräulein, bedenket doch die schwere Sünde!“ – „Wer wagt es, meine Befehle und Wünsche nur saumselig oder gar nicht erfüllen zu wollen!“ schrie zornig das Fräulein. „Seid ihr so gezogen? Ich will andere Zucht unter euch bringen! Schnell meinen Willen vollführt, wenn euch meine Gnade bleiben soll!“

Etliche von den Dienern schafften die Brote aus dem Wagen. Beim Anblick derselben erhob die bettelnde Menge ein wildes Freudengeschrei. Als aber die Armen sahen, wie die Brote in den Koth gelegt, statt ihnen ausgetheilt wurden, und wie das Fräulein darüber hin zu dem Brünnlein wandelte, schrieen Alle: „Gott möge diesen Frevel rächen!“

Drei Mal hatte sich Brigitte hinunter gebeugt, drei Mal getrunken aus dem silbernen Becher – noch einmal beugte sie sich nieder. – Siehe, da wich der Boden unter ihren Füßen, öffnete sich, und mit einem entsetzlichen Schrei war das Fräulein von Landeck verschwunden aus dem Reiche der Lebendigen.

Angst, Schrecken, eine unbeschreibliche Furcht, wie jedes Mal, wenn der Allmächtige in sichtbaren Zeichen vorüber zieht, kam über die ganze zuschauende Menge. In wilder Unordnung stürzten die Einen da, die Andern dorthinaus. Niemand, selbst der rohste und frechste Mensch nicht, wagte es, vom Brot oder Wein etwas zu nehmen. Einige der Leute von Landeck sammelten sich endlich wieder, hoben die zertretenen Brote auf und wandten um nach ihrer Burg. Die Edelknaben von Sponeck spornten ihre Rosse und im schnellsten Galopp eilten sie mit der Schreckensbotschaft nach der Burg des Bräutigams.

*     *     *

[287] An der Straße von Emmendingen nach Altbreisach, zwischen den Orten Eichstetten und Bötzingen, fließt heute noch die Quelle des Brautbrunnens. Im Munde des Volks heißt er der „Britte-Brunne,“ von „Britte“ (= Braut.)

Reinhard Reitzel.

  1. Schloß, eine Stunde von Emmendingen