Das öffentliche Vortragswesen

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Titel: Das öffentliche Vortragswesen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 23, S. 392
Herausgeber: Ernst Ziel
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Erscheinungsdatum: 1879
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[392] Das öffentliche Vortragswesen gewinnt gegenwärtig in unserem Vaterlande immer mehr an Ausdehnung und Bedeutung; die Pflege desselben lassen sich vorzüglich die Bildungsvereine, unter denen die ganz Deutschland umfassende „Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung“ obenan steht, und die kaufmännischen Vereine angelegen sein. In unseren Tagen der plattesten Nützlichkeits-Religion, wo die heilige Scheu vor dem Unerforschlichen, die Achtung vor dem Erforschten, vor den großen Errungenschaften des menschlichen Geistes tiefer und tiefer sinkt, wo Egoismus und Nihilismus nach der obersten Führung der Gesellschaft streben, wird es zur doppelten Pflicht, den auf das Höhere gerichteten Sinn wahren Menschenthums zu stützen. Dazu kommt etwas Anderes. Es bleibt bei dem jetzigen hohen Stande unserer Schulen geradezu unbegreiflich, welche Unkenntniß betreffs der einfachsten Dinge auch in den sogenannten „gebildeten Kreisen“ herrscht. Man frage nur einmal nach den täglich erschauten Vorgängen in der Natur, nach großen geschichtlichen Ereignissen, selbst den kaum vergangenen, miterlebten, und man wird über die Unwissenheit und die auf ihr basirende Oberflächlichkeit des Urtheils erstaunen. Dieser Gegensatz zu den vermehrten und für die Jugend sorgsam gepflegten Bildungsmitteln erhält nur dadurch eine Erklärung, daß das Berufsgeschäft, das Streben nach materiellem Gewinn die Thätigkeit des Einzelnen völlig absorbirt und ihm keine Zeit oder keinen Trieb mehr läßt, sich mit dem zu befassen, was ihm in seiner „Branche nichts nützt“. In beiderlei Hinsicht können die öffentlichen Vorträge, wenn sie richtig gehandhabt werden, Abhülfe schaffen. Aber die passenden Redner für diese Vorträge sind auch in der Gelehrten- und Künstlerwelt nicht allzu häufig, und die Aufgabe, welche den verschiedenen Vereinen erwächst, die nothwendigen oratorischen Kräfte in genügender Anzahl und rechtzeitig zu beschaffen, ist darum keine eben leichte. Zur bequemeren Lösung dieser Aufgabe beginnen jetzt die Vereine sich zu verbinden; es wird ihnen dadurch möglich, den Rednern einen größeren Cyclus zu garantiren und sich selbst durch die Aneinanderreihung der Vorträge von Stadt zu Stadt die Reisespesen zu verringern. So haben in den Städten der Rheinlande und Westfalens (Bonn, Köln, Crefeld, Dortmund, Elberfeld etc.) die „Vereine für wissenschaftliche Vorlesungen“ sich zu einem Verbande zusammengethan und zeigen sich durch die Resultate ihrer vereinten Bemühungen sehr zufriedengestellt.

Ein anderer Verband, in der Art des vorgenannten, „für Mitteldeutschland“ ward vor einigen Jahren gegründet und hat, Dank vor Allem der rastlosen und aufopfernden Thätigkeit des Verbandsvorsitzenden Edmund Lotz in Kassel, in der kurzen Zeit seines Bestehens eine solche Ausdehnung gewonnen, daß er gegenwärtig allein dreiundzwanzig kaufmännische Vereine umfaßt. Am 22. Juni dieses Jahres hält dieser „Mitteldeutsche Verband von Vereinen für öffentliche Vorträge“ auf der Veste Coburg seinen dritten Verbandstag ab, und sind zu letzterem zahlreiche Einladungen an andere Vereine ergangen. Auf der Conferenz sollen neben dem ständigen Programm noch die Fragen der Erweiterung des Verbands zu einem „Deutschen Verband“, eventuell unter Centralisirung des Stellenvermittelungswesens, sowie die Errichtung einer Altersversorgungscasse für Mitglieder von Verbandsvereinen berathen werden, Tedenzen, welchen wir unsererseits nur gute Erfolge wünschen können.