In der Kirche
[392] In der Kirche. (Vergleiche das Bild auf Seite 381) Der Frühling ist die holdeste, aber er ist zugleich die für das menschliche Leben gefährlichste Jahreszeit. Wie häufig fällt der Ausspruch: der – oder die – wird das nächste Frühjahr nicht überleben, namentlich im Hinblick auf jene Hoffnungslosen mit den Rosen des Todes auf den Wangen, in deren sich verzehrendem Organismus der Hauch des erwachenden Naturlebens die fressende Flamme zu rascherer Vernichtung aufstürmt! Wie manches einst beglückte Frauenbild mag der eben erwachte Frühling in die dunklen Farben der Trauer gekleidet haben, wie das junge, blühende Weib in der stillen, versteckten Kirchenecke auf unserem Bilde sie trägt, deren ernste Züge das Helldunkel so reizvoll verklärt. Das Leben ist voller Gegensätze: hier der Tod, dort eine Welt voll springender Knospen; hier der Schmerz und dort die Frühlingslust; hier eine kühle, ernste, verhüllende Kirche, dort die weite lachende Natur, in der Alles quillt und zum Licht drängt. Ob ohne diese Gegensätze das Dasein begehrenswerther wäre? Eine dunkle Frage, die Niemand gelöst hat und Niemand lösen wird.