Christus und Petrus auf Reisen (Die Gartenlaube 1866/46)

Textdaten
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Autor: unbekannt
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Titel: Christus und Petrus auf Reisen
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aus: Die Gartenlaube, Heft 46, S. 728
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1866
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Betrogenes Publikum
Blätter und Blüthen
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[728] Christus und Petrus auf Reisen. Der Schauspieler Zimmermann, der jeder Zeit überall mit großem Glück auftrat, hatte im Jahre * auch in Danzig gastirt und dort reiche Einnahme gemacht. Trotz alledem war das Geld in wenigen Tagen verjubelt und eines Morgens war der berühmte Mime, der als Hamlet Alles entzückt hatte, spurlos verschwunden. Wenige Jahre später stand ein Mann in einer bunten Jacke auf dem Marktplatze eines pommerschen Dorfes und trommelte eine große Komödie aus, die heute von einer berühmten Komödiantentruppe im Tanzsaale „zum blauen Ochsen“ zum ersten Male aufgeführt werden sollte. Am Wirths-, Amts- und Gemeindehause waren ellenlange Theaterzettel angeklebt, auf welchen deutlich in riesengroß gemalter Lapidarschrift zu lesen war:

„Heute werden wir die Ehre haben, aufzuführen:
Christus und Petrus auf Reisen.
Großes biblisches Drama in fünf Acten.
Personen:
Christus – Herr Zimmermann.
Petrus – Herr Pumpendorf.
Soldaten, Jungfrauen, Juden, Kinder, Menschen und Volk.
Anfang 7 Uhr.
Entrée zwei Groschen. Honoratioren zahlen nach Belieben.“

Die ehrlichen pommerschen Bauern schlugen die Hände über die Köpfe zusammen über alle die Herrlichkeiten, die ihnen im „blauen Ochsen“ geboten werden sollten, und wer keine zwei Groschen hatte, borgte sie sich von einem gefälligen Nachbar und schob sie vorsichtig in die Westentasche.

Die guten Bauern wußten freilich nicht, daß die ganze große Komödiantentruppe nur aus einer einzigen Person bestand, aus unserm großen Mimen Zimmermann nämlich, – denn sein College Pumpendorf war Niemand anderes, als der dumme Hausknecht der Schenke, den er zum Petrus abgerichtet, – sonst hätten sie doch ihre zwei Groschen ein wenig umgedreht, ehe sie dieselben in die Westentasche steckten. Das Theater im „blauen Ochsen“ war gepfropft voll am Abend, – ja sogar der Amtmann, der Schulze und der Bader saßen auf den Ehrenplätzen in der ersten Reihe. Punkt sieben Uhr rumpelte der Fetzen Leinwand in die Höhe, der den Vorhang repräsentirte, und auf der Bühne erschienen Christus und Petrus, mit stattlichen schwarzen Bärten und in große Leintücher gehüllt.

„Schon tagt der Morgen. Erwarte mich hier, mein lieber Petrus. Wenn der Hahn kräht, bin ich wieder bei Dir!“

So begann Christus mit Salbung und entfernte sich gravitätisch durch die Hinterthür des Saales. Petrus ging mit großen Schritten auf und ab und sprach mit einem tiefen Seufzer: „Ach, wenn nur der Hahn schon krähte, aber er kräht noch nicht!“ Dann blieb er stehen, legte die Hand auf die Brust und seufzte abermals: „Ach, wenn nur der Hahn schon krähte, aber er kräht noch nicht!“ Hierauf ging er wieder ein paar Schritte auf und ab und replicirte: „Ach, wenn nur der Hahn schon krähte, aber er kräht noch nicht!“

Das Publicum hörte andächtig und mit wahrhaft deutscher Geduld eine ganze Viertelstunde nichts als: „Ach, wenn nur der Hahn schon krähte, aber er kräht noch nicht!“, aber dann fing es an, ein wenig ungeduldig zu werden. Auch Petrus begann, sich etwas unbehaglich zu fühlen, und recitirte ziemlich kleinlaut: „Ach, wenn nur der Hahn schon krähte, aber er kräht noch nicht!“

„Weiter, weiter im Text!“ rief endlich der Amtmann erbost auf seinem Ehrensitze. „Sollen wir denn nichts Anderes hören für unser Geld?“

Da sagte Petrus mit kläglicher Stimme, indem er den Bart abnahm und sich mit demselben den Angstschweiß von der Stirn wischte: „Ach, Herr Amtmann, wenn nur der Hahn schon krähte, aber er kräht noch nicht!“

„A – a – der Michel!“ schrie das ganze Publicum unisono und stürzte auf die Bühne, denn es fing an, Lunte zu riechen. Aber man fand Niemanden, als Petrus – Christus hatte sich mit der vollen Casse aus dem Staube gemacht.

Die betrogenen Bauern fielen über den Michel her und zerbläuten ihm auf gut Pommerisch den Rücken, – doch Petrus fiel nicht aus der Rolle und heulte jämmerlich unter den Stockstreichen: „Ach, wenn nur der Hahn schon krähte, aber er kräht noch nicht!“