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Maria.

Maria, die Gebenedeite und Allerseligste, steht im Mittelpunkt fast unzähliger symbolischer Beziehungen, von denen Kunst und Poesie der Kirche überall durchdrungen und erfüllt sind. Um uns darin zu orientiren, müssen wir zuerst festhalten, dass in Marien allein vor Allen ihres Geschlechtes die Jungfrau und Mutter identificirt war, das Geheimnissvollste in der irdischen Natur, bedingt durch das höchste aller Wunder, die von oben kamen.

Seit die christliche Kunst aufblühte, war es eine ihrer höchsten Aufgaben, im Bilde Mariens jene Einheit des Jungfräulichen und Mütterlichen auszudrücken, was jedoch nur den idealistischen, Seelenausdruck suchenden Künstlern annähernd gelang, nicht den naturalistischen. Je unmöglicher es schien, hier durch Nachbilder das Urbild zu erreichen, um so mehr nahm man seine Zuflucht zu Vergleichungen [81] und Sinnbildern. Schon in der griechischen Kirche und in der abendländischen des Mittelalters liebte man, die durch die Geburt des Heilands unbefleckt gebliebene Jungfräulichkeit Maria’s durch prophetische Sinnbilder zu bezeichnen, die aus dem alten Testament genommen waren. Solche waren: der brennende und doch unverletzt bleibende Busch, aus welchem Jehovah zu Moses redete; – der Stab Aarons, aus dessen trocknem Holze Blüthen sprossten; – das Fell Gideons, das mitten im Thau trocken blieb; – die verschlossene Pforte bei Ezechiel, durch welche Gott hindurchging, ohne sie zu öffnen. Diese Sinnbilder findet man vereinigt auf einem schönen Marienbilde des van Eyck in Brüssel. Kugler, Gesch. d. Mal. II. 60. Vgl. Didron, annales IV. 67. Dazu kommt noch der verschlossene Garten, die verschlossene Quelle und der versiegelte Brunnen aus dem Hohenliede 4, 12. Auf altdeutschen Bildern sieht man nicht selten die heilige Jungfrau in einem rings ummauerten und verschlossenen schönen Blumengarten sitzen. In Conrad von Würzburgs goldner Schmiede, einem innigen Lobgesang auf die heilige Jungfrau, kommen noch folgende Sinnbilder vor: der kalte Kristall, an dem gleichwohl Feuer geschlagen wird; – der Sittig (Papagei), der vom Regen sterben würde, daher den Regen beständig flieht und doch auch ohne Regen auf’s Prachtvollste grünt; – die Mandelschale, welche ganz bleibt, auch wenn der Kern herausgefallen ist; – der Vogel Strauss, der auf den Eiern nicht brütet, sondern sie durch seinen blossen Blick belebt; – die Lilie, die unter Dornen unverletzt bleibt. Im defensorium beatae Virginis von Retza 1425 (Jacobs, Beiträge zur ältern Lit. I. 98 f.) werden Sinnbilder aus den heidnischen Vorstellungskreisen herbeigezogen, die nur gelehrte Spitzfindigkeit aufsuchen mag. Von solchen klassischen Liebäugeleien gewinnt das Christenthum nichts. Da wird des Aristoteles, Aelian und Plinius Naturgeschichte geplündert, um die alten Fabeln von den Geyern, die ohne Mann, und von den cappadocischen Stutten, die vom Wind [82] empfangen, ferner die Wunder, welche die Vestalinnen Aemilia, Claudia und Tuccia in Kraft ihrer Jungfräulichkeit ausgerichtet, ja sogar die Danae, die durch Zeus im goldnen Regen befruchtet worden, ohne Scheu auf die heilige Jungfrau zu beziehen. Auch die gelehrten Jesuiten des 16ten und 17ten Jahrhunderts haben sich nicht immer fern gehalten von so unpassenden Vergleichungen, indem sie in ihren grossen, zu Ehren Maria’s niedergeschriebenen Sammelwerken mehr auf Fülle des Stoffs, als auf Reinheit desselben Bedacht nahmen. Weniger anstössig und sinnreicher sind folgende Symbole: die Perle, die in der Muschel entsteht, indem ein Tröpfchen Thau vom Himmel in sie fällt, wenn sie über dem Wasser sich öffnet, während alle Tropfen im unendlichen Meer die Perle zu erzeugen nicht vermöchten; das Einhorn, welches allen Jägern widersteht und sich nur von einer reinen Jungfrau fangen lässt; die Palme, die zugleich Früchte trägt und doch immer noch blüht; der Regenbogen, der mitten im Regen unverletzt bleibt; der Spiegel, der das Bild aufnimmt, ohne irgend verletzt zu werden.

Uebrigens behalten die Gegensätze, auf deren Vereinigung es ankam, auch in ihrer Trennung eine gewisse Berechtigung, indem Maria in vielen Situationen ihres Lebens nothwendig vorzugsweise als Jungfrau, in andern als Mutter aufzufassen war, und andrerseits der Dogmenstreit zu Extremen führte, die einander gegenseitig einschränken mussten. Wie schon früher aus dem Kampf gegen die Gnosis, die alle concreten Gestalten der heiligen Geschichte in Dämonen verflüchtigte, eine Neigung hervorging, die menschliche Natur in Christo vorwiegen zu lassen, was denn auch die Auffassung der heiligen Jungfrau mitbetraf, so führten auch noch später im Mittelalter die vielfach widrigen und bis zur Unanständigkeit prozessmässigen Zänkereien über die unbefleckte Empfängniss in der Kirchenmalerei zwei entgegengesetzte Richtungen herbei, wovon die eine vorzugsweise die Gottesmutter, die andere eine Menschenmutter darzustellen liebte.

Das Extrem der einen Richtung tritt in der gnostischen [83] Identificirung Mariens mit der Sophia hervor, die sich zu Christus verhält wie Eva zum Adam.

Das Ave, womit man die heilige Jungfrau anredet, ist als umgekehrte Eva nicht blos, wie Manche noch meinen, ein Wortspiel. In der That hat, wenn in Christo wiederhergestellt wurde, was durch Adams Schuld verloren ging, auch Maria ihren Antheil an der Erlösung, wie Eva den ihrigen am Sündenfall. Wenn aber schon in Christo die menschliche Natur neben der göttlichen festgehalten und nicht im gnostischen Dämonismus verflüchtigt werden darf, so gilt dies noch viel mehr von seiner Mutter. Daher ist es eine unstatthafte Uebertreibung der Verehrung, die man ihr widmet, wenn man sie mit der gnostischen Sophia identificirt, was sogar noch der protestantische Mystiker Jakob Böhme that (vgl. J. Böhme von Hamberger S. 173), indem er lehrte, Sophia sey Adams erste Gefährtin gewesen, habe ihn aber seiner Sündhaftigkeit wegen verlassen, worauf er sich mit der Eva habe begnügen müssen. Dieselbe Sophia sey aber als heilige Jungfrau später zu dem neuen Adam Christus zurückgekehrt. Sie erscheint also hier ganz so, wie die Asträa der Alten, die ewige Gerechtigkeit, die es unter den Menschen nicht aushalten konnte und zum Himmel zurückfloh. Auf sie beziehen sich Virgils berühmte Verse:

Magnus ab integro saeclorum nascitur ordo.
Jam redit et Virgo, redeunt Saturnia regna;
Jam nova progenies coelo dimittitur alto.

die als Prophezeihung der Geburt Christi gedeutet wurden und ganz zu jener Lehre Jakob Böhme’s passen. Nicht minder antiken Vorstellungsweisen (namentlich dem Grundbegriff) entlehnt ist die Inschrift unter einem Marienbild in Neapel: Nata, soror, conjux eadem genitrixque Tonantis. Keyssler, Reise S. 815.

Die Vergleichung Maria’s mit der Eva ist wesentlich bedingt durch die Begriffe des Sündenfalls und der Erlösung. Dort ist es die Schlange, durch die Eva verführt wird; hier [84] ist es die Schlange, der Maria’s Fuss den Kopf zertritt. Bilder Maria’s, die auf die Schlange oder den Drachen tritt, waren im Mittelalter sehr beliebt und immer als Gegenbilder zum Sündenfall. Maria besiegte die alte Schlange aber nur durch den von ihr Gebornen. Sie ist keine Amazone, sondern die Magd des Herrn. Das wird sehr klar und sinnreich vorbedeutet beim Propheten Micha 4, 10. und in der Offenbarung Johannis 12, 1 f. Das Weib, dessen Gewand die Sonne ist, unter deren Füssen der Mond liegt, dem die Sterne sich zur Krone zusammenfügen, liegt gleichwohl, indem sie den Messias gebären soll, in Angst und Noth vor dem entsetzlichen Drachen und muss vom Erzengel Michael beschützt werden, bis zwei Adlerflügel sie entrücken.

Ohne also der hohen Würde der Jungfrau irgend zu nahe zu treten, ist es schriftmässiger und kirchlicher, das passive Element in ihrer Wesenheit festzuhalten. Sofern es gestattet war, den Begriff zu verallgemeinern, konnte man in ihr gleichsam die gesammte Kirche, oder die Menschheit als christliche Gemeinde personificirt sehen in ihrem Verhältniss zu den höchsten göttlichen Personen. Insofern fand auf sie Anwendung, was durch die Propheten von Zion, der Braut Jehova’s, geweissagt ist. Die Menschheit wird als Braut Gottes zum Göttlichen erhoben, wie die Gottheit als Menschensohn niedersteigt zu den Menschen. Maria wird zum vergötterten Menschen, wie Christus zum vermenschlichten Gotte. Wenn aber das Menschliche zu so hoher Würde gelangen soll, kann es nur geschehen durch Demuth und Liebe, und sich nur äussern in Fürbitte und Gnade. Es kann in dieser seiner Erhebung den weiblichen Charakter niemals verlieren. Es ist und bleibt das Untergeordnete, Passive, das nur seiner reinen Unschuld wegen gewürdigt wird, dem Höchsten sich zu nahen. Insofern ist den Künstlern oft Maria übergegangen in den Begriff der Religion, des Glaubens, der Gottesminne überhaupt, so wie der ecclesia. Vgl. Kunstblatt 1837, S. 167, wo eines Bildes von Signol gedacht wird, in welchem die Religion am Grabe Christi nichts anderes [85] ist, als die gewöhnliche Pieta (der todte Christus auf dem Arme seiner Mutter).

Das passive und weibliche Element in Maria ist häufig verallgemeinert und überhaupt als das fünfte Element in der Natur aufgefasst worden, wobei auf ihren Namen (Mariamare, Meer) angespielt wurde. Christ. de Vega gab folgende mystische Deutung ihrer Geburt. Im Anfange schuf Gott Himmel und Erde, d. i. Joachim und Anna. Die Erde war wüst und leer, d. i. Anna unfruchtbar, und aus ihren Thränen entstand das Meer. Gott schwebte über dem Meer, da wurde Licht, d. i. Maria, Tochter des Meeres (Maria a mari). Vgl. Augusti, Denkw. III. 5. Die Stelle der Vulgata 1. Buch Mos. 1, 10: et congregationem aquarum vocavit Maria wurde in demselben Sinn genommen. Indessen ist es durchaus nicht nothwendig, eine Identificirung Maria’s mit dem Element des Wassers (in heidnischer Weise) vorauszusetzen, um ihre Beziehungen zum Meere als Stern des Meeres, als Schutzpatronin der Schiffer, als Trägerin des Schiffes der Kirche, als Mutter des Fischers (Christus) zu erklären. Diese Beziehungen sind sehr unschuldig.

Eben so wenig darf man irgend welche heidnische Natur- und Erdmutter herbeiziehen wollen, um aus ihr die Gnadenspenderin Maria herzuleiten, wenn sie gleich in vielen Legenden mit cerealischen Attributen geschmückt wird.

Ein wunderthätiges Marienbild soll der heilige Apostel Jakob mit nach Spanien gebracht und in einem Thurm zu Madrid verborgen haben. Hier fand man es erst wieder und zwar mit Korn umgeben, welches den ganzen Thurm ausfüllte, als die Christen in der Stadt von den Mauren belagert wurden und Hunger litten. Seitdem wird es als nuestra sennora de Almunada verehrt. Gräfin d’Aunoi, Reise II. 117. Aber dadurch wird Maria noch nicht zur Ceres. Albrecht Dürer hat Marien in einem Garten dargestellt, wo sie umgeben von der lieblichsten und reichsten Naturfülle erscheint. Fr. Schlegel, Werke VI. 104. Aber das macht sie so wenig wie Raphaels berühmte belle jardinière zu einer Flora oder [86] Pomona. Nach v. Martens, Italien II. 602. erzählt sich das Volk in den Alpen von reizenden Gärten der Madonna hoch in den Gletschern und unerreichbar. Aber auch darin liegt nichts Heidnisches, sondern nur ein zarter Ausdruck der Liebe, die Phantasie des andächtigen Volks im Gebirg will der seligsten Jungfrau, vor deren Bilde es betet, gleichsam die rauhe Natur vergüten. Unter den Beziehungen der Gnadenmutter zur Natur ist eine der reizendsten die Anlage des berühmten Liebfrauenmilchweinbergs im terrassenförmigen Halbkreis um den Chor ihrer Kirche zu Worms unmittelbar am Rhein.

In einem altdeutschen Gedicht wird Maria die Alle Minnende genannt und insofern mit der Venus verglichen, nur dass die Liebe hier im reinsten und höchsten Sinne verstanden ist. v. Lassberg, Liedersaal II. 6. Der Missdeutung wegen sind solche Vergleichungen besser zu unterlassen. Noch weiter ist jene schwärmerische Liebe zur heiligen Jungfrau abgeirrt, die in ihr die eigentliche Einheit der Dreieinigkeit in einem Verhältniss zu finden meinten, wie ungefähr das der Göttin Bhawani zu der indischen Trimurti. Die sermones des Petrus Damianus z. B. erklärten Marien für ungeschaffen, von Ewigkeit her thronend im Centro der Dreieinigkeit, wodurch sie fast noch höher gestellt wird, als die gnostische Sophia, und wogegen die Kirche die menschliche Natur der Mutter hervorzuheben einschärfte. Andrerseits musste sich die Kirche aber auch gegen die andre Uebertreibung der Antidikomarianiten wenden, die in Marien nur ein gemeines irdisches Weib sahen.

Am tiefsinnigsten und bescheidensten hat Dante die Jungfrau aufgefasst:

Vergine madre figlia del tuo figlio,
000Umile ed alta piu che creatura,
000Termine fisso d’ eterno consiglio,
Tu se’ colei, che l’ umana natura
000Nobilitasti si, che ’l suo Fattore
000Non si sdegno di farsi tua fattura.

[87] Nach Erörterung dieser Gegensätze wird sich das Marienideal der christlichen Kunst deutlich genug herausstellen als die Verbindung einerseits des Jungfräulichen mit dem Mütterlichen, andrerseits des Königlichen und der übermenschlichen Hoheit mit dem Magdlichen und der tiefsten menschlichen Demuth, so zwar, dass keine dieser Eigenschaften ausschliesslich und einseitig vorwaltet, sondern immer auch die andre durchblicken lässt. Die ältesten uns erhaltenen Bilder geben nur den edlen Typus des Gesichtsovals, schöne und regelmässige Formen bei heiligem Ausdruck, in einer gewissen Allgemeinheit an. Seit vier Jahrhunderten strebt dagegen die Kunst mehr nach Individualisirung.

Gleichwie man unter den Christusbildern hauptsächlich Salvator- und Vesperbilder unterscheidet, von denen die ersten mehr die göttliche, die andern mehr die menschliche Natur des Erlösers zur Anschauung bringen, so kann man auch die Marienbilder in zwei Hauptordnungen eintheilen, sofern die morgenländischen überall mehr die Himmelskönigin hervortreten lassen, dagegen im Abendlande sich seit den letzten vier Jahrhunderten eine Neigung geltend machte, die menschliche Mutter theils in ihrer Freude und Zärtlichkeit, pflegend das heilige Kind, ja selbst spielend mit dem Kinde, theils in ihrem Schmerz als mater dolorosa und betrübte Wittwe darzustellen. Die morgenländische Kirche hielt immer ein heiliges Ideal fest, in der abendländischen Welt riss sich die Kunst von dem Anspruch der Kirche auf Heiligkeit häufig in dem Grade los, dass Maria auf Bildern wie ein gemeines Weib, in der Freude nur irdisch lieblich, im Schmerz sogar hässlich aufgefasst wurde.

In einem Aufsatz über die Bildmalerei der russischen Kirche im Januarheft des Journals für Volksaufklärung vom Jahre 1845, mitgetheilt in August von Haxthausens Studien über Russland III. S. 102, wird die alte Malerei der griechischen Kirche vorzugsweise die theologische, die neuere und freiere Malerei der abendländischen Kirche aber die philosophische genannt und hervorgehoben, wie in jener sich der [88] Künstlergeist in tiefster Frömmigkeit und Andacht dem Höhern unterwerfe, während in dieser der Künstlergeist aus eigner Macht und in voller Freiheit aus dem Heiligen mache, was ihm beliebe, und es eben deshalb in’s Menschliche und Gemeine hinabziehe. „Die alten Künstler arbeiteten unter dem Einfluss des Glaubens, fasteten, beteten, beichteten und nahmen das Abendmahl, um die Heiligenbilder zu vollenden. Der Pinsel der fremden Schule dagegen malt eine Körperschönheit, wie sie die Phantasie des Künstlers sich ausdenkt, und nicht selten nach einem unheiligen Gegenstand, dessen Schönheit ihm gefiel.“ Das gilt ganz vorzüglich von Marienbildern, die nur zu oft eine irdische Geliebte des Malers im Portrait verewigen sollten. Blasius in seiner Reise im europäischen Russland I. 123. macht eine ganz ähnliche Bemerkung. Er besuchte das grosse Nonnenkloster Kyrillof, wo die Nonnen Heiligenbilder malen, und erzählt von ihnen: „Man kann a priori nicht geneigt seyn, Erzeugnisse von künstlerisch vollkommen ungebildeten russischen Mädchen, die von Kindheit auf von jedem lebendigen geistigen Impuls abgeschnitten, ohne Kenntniss des mannigfach gestalteten Lebens, auf ihre engen Klostermauern beschränkt geblieben sind, mit der Periode einer äusserlich frei entwickelten Kunstepoche zu vergleichen. Aber hier kann man mit Ueberzeugung sagen: Was kein Verstand der Verständigen sieht, das übt in Einfalt ein kindlich Gemüth. Was die Schöpfer der neudeutschen Heiligenmalerei mit Mühe zu erreichen meist vergeblich gestrebt haben, das leisten die russischen Nonnen, die es meist nicht einmal zu einem geläufigen Lesen und Schreiben gebracht haben.“ Das sind Worte eines „aufgeklärten“ Naturforschers. Gewiss enthalten sie eine tiefe Wahrheit. Sie bezeichnen das Heilige, was der gebildetste Verstand vergebens sucht und was sich dem kindlichen Herzen von selber offenbart.

Heiligkeit ist das erste Erforderniss eines Marienbildes, Huld das zweite.

Die Vermittlung, in der sich Königin und Magd wie Mutter und Jungfrau berühren, liegt in der weiblichen Huld, [89] in dem gratia plena, einer Eigenschaft, die der Maria immer und überall treu bleibt, sie mag nun älter oder jünger, in Freud oder in Leid, auf dem Thron des Himmels oder im Stalle zu Bethlehem gemalt werden. In dieser Beziehung ist von vorzüglicher Wichtigkeit, dass sie als regina angelorum alle Lieblichkeit der Engelwelt in ihrer Weiblichkeit vereinigt.

Auf den ältesten Bildern der Katakomben, Mosaiken und Miniaturen erscheint Maria als Jungfrau ohne Kind, den Kopf verschleiert, beide Arme betend erhoben mit schönen und regelmässigen Gesichtszügen. d’ Agincourt sculpt. 12. Aringhi II. 209. 353. Bottari tav. 153. Waagen, Paris 197. Also wesentlich als Fürbitterin. Das bleibt auch fürderhin die wesentlichste Funktion der Gebenedeiten, Mutter der Gnaden und Fürbitterin für die sündigen Menschen zu seyn bei Gott, damit er Gnade für Recht ergehen lasse. Denn sie ist ganz Liebe im Gegensatz gegen die Gerechtigkeit, ganz die Milde des neuen Bundes im Gegensatz gegen die Härte des Gesetzes. Darum heisst sie mater gratiae, Rose ohne Dorn, Taube ohne Galle (überall in den alten Marienliedern). Insofern ist auch ihr Attribut der weite „Mantel der Liebe“, unter dem sie die reuigen Sünder schützt. Vgl. den Artikel Mantel. Der Grundtext aller Marienbilder ist ora pro nobis. Als die Allerbarmerin ist sie auf vielen Bildern dargestellt. Fra Bartholomeo malte sie mitten unter Pestkranken, die zu ihr beten und denen sie Heilung spendet (in der Leuchtenbergischen Gallerie). Van Dyk malte sie, ihre Huld der vor ihr knienden Sünderin Magdalena, dem verlornen Sohne und dem reuigen David zuwendend (im Berliner Museum). Salvator Rosa in einem grossen Bilde zu Mailand, wie sie die Seelen aus dem Fegfeuer erlöst.

Wenn die fromme Einfalt des Mittelalters ihr inniges Vertrauen zur heiligen Jungfrau zuweilen auch in naiver Weise ausdrückt, gibt das dem Unglauben der Neuzeit noch kein Recht zu dem Spott, den sie so gerne darüber ergiesst. Eine so unschuldige Naivetät drückt das berühmte Bild des Martin Schön in Colmar aus, auf dem Maria eine Anzahl [90] Menschen vor dem Zorn der himmlischen Heerschaaren beschützt. Eben so ein sehr altes Votivbild in der Johanneskirche zu Hamburg, auf dem Maria ihre Brust entblösst und den Heiland bei den Brüsten, die ihn gesäugt, um Gnade für die Hamburger anfleht, die er um ihrer Sünden willen strafen will. Dasselbe Motiv wiederholt sich auf einem spätern Bilde von Rubens. Uebrigens ist nicht zu läugnen, dass jenes Vertrauen auf die Fürsprache in einigen, namentlich spätern Legenden missbräuchlich zu Gunsten einer laxen Observanz geltend gemacht worden ist. – Sehr eigenthümlich ist eine Vorstellung, die uns in den sibyllinischen Büchern aufbewahrt ist. In den letzten Zeiten soll nämlich auf der alsdann schon ganz verödeten Erde Maria noch die zur siebenfachen Busse verurtheilten Menschen hüten, der letzten Sünder letzte Trösterin. Friedlieb, sibyll. Weissagungen S. 157.

Als der allgemeinen Fürbitterin ist es Maria’s Amt auch beim Weltgericht, zur Rechten ihres göttlichen Sohnes stehend, ihm die Schaaren der Seligen zuzuführen und ihm in ihrem Namen für das Heil zu danken, welches ihnen geworden ist, damit eine milde Bitte verbindend für die auf der andern Seite stehenden Verdammten. Zugleich steht sie in der himmlischen Hierarchie zur Rechten ihres Sohnes den Engeln vor, während ihm zur Linken Johannes der Täufer den Seligen, Heiligen, Patriarchen und Propheten vorsteht. Ihr ordnen sich die überirdischen, von jeher Unsterblichen unter, dem Täufer Alle, die als Menschen geboren und gestorben waren. Didron, manuel p. 264. 268. Und zwar kommt ihr dieser Vorzug wegen ihrer Reinheit und Jungfräulichkeit zu, als worin die Wesenheit der Engelsnatur besteht. Man hat ein berühmtes Bild von Murillo, worin Engel und Menschen gemeinschaftlich die Jungfräulichkeit Maria’s anbeten. Waagen, Paris S. 635.

Als regina angelorum ist Maria in vielen Kirchenbildern ausschliesslich mit Engeln verbunden und im Kreise derselben verehrt, umsungen, von ihnen getragen etc. Rubens malte sie gross und königlich unter einem unendlichen Gewimmel [91] kleiner Kinderengel. London, annales V. 57. Dante in seinem Paradies 32. lässt sie mitten in einer grossen weissen Rose unter Engeln thronen. In Haupt und Schnellers wendischen Volksliedern I. 281. wird sie (nach einer volksthümlich naiven Vorstellung) von Engeln umtanzt und tanzt selber mit.

Um sie als Königin des geistigen Himmels (der Engel und Seligen) zu bezeichnen, gibt man ihr Attribute, die vom sichtbaren Himmel entlehnt sind. Dazu berechtigt die Stelle in der Offenbarung Johannis 12, 1, in welcher sie erscheint als ein Weib mit der Sonne bekleidet, den Mond unter ihren Füssen und auf ihrem Haupt eine Krone von zwölf Sternen. Der Sonnennimbus bildete sich erst in der Malerei des 16ten und 17ten Jahrhunderts zu der ovalen, die ganze Figur umschliessenden Flammenglorie aus, in der wir seitdem auf so unzähligen Bildern und Münzen die Gottesmutter erblicken. Der Mond zu ihren Füssen wurde schon von den deutschen Rittern, wie später wieder in den Türkenkriegen als Sinnbild des überwundenen Heidenthums aufgefasst, ganz so wie andrerseits die Schlange, der sie den Kopf zertritt. Daher ist es das Wappen und Kennzeichen des deutschen Ordens in Preussen und Lievland; das riesengrosse Wandbild zu Marienburg, dem Hauptsitz des deutschen Ordens, zeigt Maria auf dem halben Monde stehend. In Ungarn und Oesterreich wurde mit noch bestimmterer Beziehung auf den türkischen Halbmond die Gottesmutter (oder auch ein Kreuz) auf den Halbmond gepflanzt als Zeichen des Sieges über die Türken. – Zu den zwölf Sternen um’s Haupt fügten spätere Maler sehr oft einen dunkelblauen Mantel mit Sternen besät. Auf einem schon modernen Bilde zu Landshut trägt Maria ausser dem Sternennimbus noch einen Rosenkranz auf dem Haupt und einen Lilienstrauss in der Hand. Kunstbl. 1836, S. 15. In der Dominicanerkirche zu Breslau trägt sie ein grünes Gewand mit gelben Sternen und Aehren. Engel halten ihr das purpurne Obergewand und vor ihr blühen zwei Tulpen. Fiorillo I. 167. Das Bild, welches die Jahreszahl 1300 trägt, will offenbar die Gottesmutter als Königin des Himmels und [92] der Erde zugleich bezeichnen. – Auf einem Bild von Rubens in der Münchner Pinakothek hat Maria Adlersflügel und tritt der Schlange auf den Kopf, nach dem schon erwähnten Bild in der Offenbarung Johannis. Die Adlerflügel bedeuten hier, wie immer, den göttlichen Geist. – Anstatt des Mondes und der Schlange ist es oft auch die Weltkugel, auf welche die Gottesmutter als auf ihren Fussschemmel tritt. So auf dem oben genannten Landshuter Bilde. So auf einem von Maratti. Waagen, England II. 4. Auch kommt sie thronend auf dem Regenbogen vor, als dem Bogen des Friedens. Didron, icon. p. 269.

Den zwölf Sternen im Kranze Maria’s entsprechen die zwölf Löwen am salomonischen Thron, auf welchem sie sitzt. Bild von Eberwein. Kunstblatt 1841, S. 414. Als Thron Salomons wird sie selbst bezeichnet in der lauretanischen Litanei. Die Zwölfzahl kann sich sowohl auf die Apostel, als auf die Propheten beziehen. Das Mittelalter liebte, die Gottesmutter mit den Propheten zu umgeben, die von der Geburt des Messias geweissagt haben. Gewöhnlich hat jeder Prophet neben seinem Attribut noch eine Inschrift, die jene Weissagung aus seinem Buch im alten Testament enthält. In der griechischen Kirche sind dieselben vorgeschrieben. Didron, manuel p. 147. 290 f. Dessen annales IV. 67.

Die Litaneien und alten Marienlieder enthalten eine Menge Sinnbilder, die sich auf die königliche Würde Maria’s beziehen, zunächst Beziehungen auf ihre Abstammung von König David: die Ruthe oder Rose vom Stamm Jesse, der Thurm Davids, der elfenbeinerne Thurm, der Thron Salomo’s, der hohe Cedernbaum. Aus der Ruthe haben altdeutsche Mariensänger die Wünschelruthe gemacht, die alle Wünsche erfüllt, den Zauberstab, der Alles hervorruft. Conrad von Würzburg 6. nennt sie die „Himmelskaiserin“. Dem Deutschen genügte die Königin nicht, weil ihm die kaiserliche Würde höher stand. Altdeutsche und niederländische Maler geben ihr die kostbarsten phantastischen Kronen von Juwelen und Blumen. Eine dreifache Krone hat sie zu Loretto als Tochter, Gemahlin und Mutter Gottes.

[93] Das leitet in die Symbolik hinüber, die in ihr eine Personification der Kirche erkennt. Die mit drei Kronen (gleich dem Papst) geschmückte Himmelskönigin, die vor Gott kniet und seinen Segen empfängt (Bild zu Padua, s. Kunstblatt 1838. Nr. 18.), ist nichts anderes als die Kirche selbst. Auch die einfache Krone ist auf die Kirche, als Braut Christi, bezogen und als Brautkranz aufgefasst worden. In diese Symbolik gehört auch das Bild von Quintin Messis, welches die Verklärung Maria’s darstellt, zu ihren Füssen die allegorischen Gestalten des alten Bundes, der Legende etc. Vgl. Schnaase, niederl. Briefe S. 283. Dahin gehören auch die oft vorkommenden Bilder der unter den vier Kirchenvätern thronenden Maria.

Uebrigens herrscht die grösste Mannigfaltigkeit in den Beziehungen zur Gottesmutter, daher sie thronend gemalt wird wie unter Engeln und Erzengeln, so unter allen Heiligen des neuen Testamentes, Patriarchen, Propheten und Sibyllen des alten. Louis de Vargas malte ein seltenes Bild, auf dem sie ausschliesslich in Beziehung gesetzt ist zu den Patriarchen, indem sie Adam und Eva zu trösten scheint. Das Bild befindet sich in Sevilla. An die Huldigungen, welche Maria von himmlischen Heerschaaren und biblischen Gruppen empfängt, reihen sich die allegorischen Huldigungen von ganzen Ländern, Provinzen, Ständen und Privaten. Auf einem berühmten Bilde des van Thulden, z. B. im Belvedere zu Wien, empfängt sie die Huldigung aller niederländischen Provinzen, die durch schöne Frauen dargestellt sind.

Sehr viele Marienbilder sind Stiftungen. Der Stifter, der noch einen besondern Schutzpatron hatte, liess diesen neben die heilige Jungfrau malen; dazu auch wohl eine Schutzpatronin und Patrone der Frau und Kinder, der besondern Kirche oder Kapelle, in welche das Bild gestiftet wurde etc. So entstanden zufällige Heiligengruppen um die thronende Maria her, was man in der Kunstwelt Conversationen nennt. Sie sind am sinnreichsten, wenn in den dargestellten Heiligen besondere Tugenden personificirt erscheinen. Vgl. [94] d. Art. Barbara. Auf solchen Bildern sitzt Maria mit ihrem Kinde gewöhnlich unter einem goldnen Baldachin, oder in einem Thronsessel, der einem sich öffnenden Portale gleicht. Dem entspricht die Symbolik der Namen, die sie in den Litaneien erhält: porta orientalis, janua coeli, portus naufragorum, arcus aetheris.

Von tiefer Bedeutung ist ein Contrast in den Bildern, welche die niedrigste Stufe des Menschlichen und die höchste der himmlischen Verklärung im Marienleben darstellen. Die frommen Maler geben nämlich der in dem Himmel zu den höchsten Ehren erhobenen, von der Dreieinigkeit selbst gekrönten Maria die Demuth der Magd, während sie auf Bildern der Geburt Christi mitten in dem schlechten Stalle und unter die armen Hirten hinein die Mutter mit dem Kinde in königlicher Pracht mit der Krone malen.

Maria in der Herrlichkeit wird oft mit Schmuck allzusehr überladen, was noch mehr zu tadeln ist, wenn das Costüm geschmacklos gewählt ist. Dahin gehören die im Anfang des vorigen Jahrhunderts aufgekommenen Madonnen in steifgoldenem juwelenbedeckten Reifrock mit wollenweisser Frisur. Wenn Liebe und Andacht der Gläubigen das Urbild alles Schönen nicht reich genug schmücken können, so darf doch das Metall der edlen Würde des Ausdrucks keinen Eintrag thun. Aus demselben Grunde müssen auch die allzu spielenden Zierrathen, in denen ein Schein von Koketterie liegt, vermieden werden. Als Grenze mag hier bezeichnet seyn, was Hubert van Eyck in dem wunderlieblichen Bilde Maria’s auf dem Genter Altare sich erlaubt hat. Die Jungfrau kniet hier in holdseligster Anmuth, scheint laut aus dem Gebetbuch zu lesen, wie die halbgeöffneten Lippen verrathen, und trägt einen königlichen Mantel mit Juwelen besetzt und eine Krone von Juwelen, aus welcher Rosen, Lilien, Schneeglöckchen etc. blühen, und aus diesen Blüthen werden kleine Sonnen gleichsam ausgeduftet und schweben leuchtend über dem schönen Kopfe. Das Süsseste von jungfräulichem Reiz, was erdacht werden kann, aber auch nur in dieser Situation, [95] im Moment der Verkündigung statthaft. Das Bild muss als Auffassung eines einzigen Momentes gedacht werden. Ein immerwährender Putz dieser Art würde Marien nicht geziemen. Sie ist hier nicht die ewige Königin, sondern Braut, was man nur einmal ist.

Ueber die vielen schwarzen Marienbilder, die sehr häufig gerade wegen Wunderthätigkeit und Alter am meisten verehrt sind, hat der Unglaube und die Blasphemie der neueren Zeiten die unsinnigsten Vermuthungen zu Tage gefördert und sich insbesondere darin gefallen, sie auf heidnische Göttinnen, die schwarze Diana zu Ephesus, die Aphrodite Melanis etc. zurückzuführen. Die Sache verhält sich, wie ein tüchtiger Naturforscher (v. Martens, Italien III. 27.) bemerkt, sehr einfach. Die Bilder sind aus dunklem Holz geschnitzt. Es sind meist alte Holzbilder. So auch das auf dem Montserrat, v. Rochau, Reiseleben I. 103. Wenn auch flache Gemälde von dunkler Farbe vorkommen, so erklären sich dieselben theils als Copien solcher ältern dunklen Holzbilder, an denen keine Aenderung oder Verschönerung vorgenommen werden durfte, theils aus der Nationalität der Maler und der Gemeinden, für die sie bestimmt waren. In Abyssinien sind alle Marienbilder, wie die Bilder anderer Heiligen von dunkler Gesichtsfarbe, weil es die Farbe des Volkes selbst ist. Nur in diesem Sinne ist die Stelle des Hohenliedes 1, 4: „Ich bin schwarz, aber schön,“ hieher zu beziehen. Aus demselben Grunde widmen die Negersklaven in Brasilien ihre Verehrung vorzugsweise einer schwarzgemalten Madonna. Spix und Martius, Reise II. 469.

In Bezug auf die Farbensymbolik der Marienbilder ist der berühmte Rosenkranz von Burgkmaier in Augsburg merkwürdig. Auf demselben kommt nämlich Maria siebenmal und jedesmal in einem andersfarbigen Gewande vor, als Königin der Armen blau, der Büsser braun, der Propheten gelb, der Apostel lackroth, der Martyrer hochroth, der Beichtiger grün, der Jungfrauen weiss. Vgl. Kunstbl. 1846. S. 186. Inzwischen genügt dieses Schema nicht. Blau charakterisirt die [96] heilige Jungfrau als Königin der Armen nur deshalb, weil sie Königin des Himmels und Blau die Farbe des Himmels ist. Zuweilen ist das blaue Gewand mit Sternen besät, namentlich wenn die heilige Jungfrau zugleich auf dem Halbmond steht. Zuweilen, jedoch selten, trägt sie ein hellblaues Unter- und dunkelblaues Obergewand, z. B. auf dem Schloss Karlstein in Böhmen. Wiener Jahrb. 27, 45. Waagen, Deutschland I. 310. Insgemein ist ihr Obergewand rosenfarbig (als Morgenröthe am Himmel, aus welcher die Sonne kommen soll) oder purpurfarben (als Königsmantel), zuweilen auch golden (die Sonne am Himmel bezeichnend). Auch ihr Untergewand ist zuweilen roth, gemäss der nämlichen Symbolik. Insbesondere liebte ihr Raphael diese Farbe zu geben, wobei der zufällige Umstand einwirkte, dass die schönen Albaneserinnen, unter denen er seine Modelle wählte, rothe Kleider trugen, wie noch heute. Auch grüne Unterkleider und grüne Mäntel kommen auf Marienbildern in Italien zuweilen vor, bald mit blau, bald mit roth verbunden, vorzugsweise auf Bildern der Heimsuchung, sofern grün Farbe der Hoffnung ist. Ausschliesslich weiss gekleidet erscheint Maria immer nur in specifisch jungfräulicher Bedeutung, auch wenn sie das göttliche Kind trägt. Auf einem Bilde des Prok. Abel in Stuttgart ist sie jung, fast noch kindlich wie ein Mädchen von kaum vierzehn Jahren gemalt, während sie das Kind auf den Armen hat, und ihre holde Gestalt wird erhöht durch einen prachtvollen Nimbus mit langen goldenen Ausstrahlungen. Auch als Königin der Jungfrauen ist sie weiss. Oft hat sie bei der Himmelfahrt ein weisses Unterkleid mit dem blauen Sternenmantel mit Bezug auf ihre ewige Jungfräulichkeit, was zugleich einen schönen Sinn erhält in Hinsicht auf den weissen Schleier, den sie als Wittwe trug. Die kaum noch im dunkelblauen Kleide mit weissem Schleier als ältliche Matrone starb, wird bei der Himmelfahrt wieder jung und freudig, und ihr Schleier wird zum weissen Jungfrauenkleide.

In den kindlichen und mädchenhaften Bildern Maria’s [97] liegt stets die Tendenz, sie als angehende Gottesbraut, als Vorbild der Nonnen zu bezeichnen. Ihre Einführung in den Tempel ist schon in den Apokryphen nicht anders verstanden. Das Fest Maria Opferung am 21. November hat keine andere Bedeutung. Sie opfert Gott ihre Jungfrauschaft. Es ist das specifische Nonnenfest. Nach dem apokryphischen Vorevangelium Jakobi wird Maria von Jugend auf dem Dienst des Herrn im Tempel gewidmet, und zeigt sich dessen so würdig, dass sie nicht nur von überirdischer Schönheit strahlt, sondern auch an Verstand und Heiligkeit Allen überlegen ist. Nach dem Evangelium von der Geburt der Maria stieg sie schon als kleines Kind, als sie in den Tempel gebracht wurde, allein die Stufen desselben hinauf. Ihre Hauptbeschäftigung im Tempel war, Purpurdecken für denselben zu sticken, was sie symbolisch als Königin bezeichnet. Hier heisst es auch ausdrücklich, dass sie ihre Jungfrauschaft dem Herrn geweiht habe. Nach der muhamedanischen Legende (Herbelot, s. v. Mirjam) stammt sie von Aarons priesterlichem Geschlecht und lebte im Tempel eingeschlossen, wie in einem Harem Gottes, und man fand häufig die herrlichsten Früchte bei ihr, auch ausser der Jahreszeit, welche ihr Gott unsichtbar schenkte. Im Koran, 3te Sure, heisst ihr Vater nicht Joachim, sondern der Priester Amram.

Unter den Tempeljungfrauen am purpurnen Vorhang nähend malte sie reizend Guido Reni in Loretto, Paris und Petersburg.

Maria als virgo virginum ist oft auf Bildern einzig von Jungfrauen umgeben. Von zehn gekrönten Jungfrauen auf einem alten Bilde im Kloster Heilsbronn. Waagen, Deutschland I. 306. Von Brautjungfern, die ihr den Kranz bringen, aus Eycks Schule zu Rouen. Rathgeber, Annalen S. 86. Unter lauter Jungfrauen im Wiener Belvedere, Fiorillo I. 273. Auf dem Blumenteppich des Paradieses vom Cölner Meister Stephan. Kugler, Berliner Museum S. 146. Als Schäferin von Llorente zu Sevilla, dem pintor de las pastores. In einem altdeutschen Mariengruss (Haupts Zeitschr. VIII. 281.) heisst [98] es gar schön: „Sey gegrüsst, du grüner Sammet der Wiese, auf dem Niemand weiden darf, als Engel und Jungfrauen.“

Immer herrscht bei der Jungfrau das Milde und Demüthige vor, sie ist vorzugsweise ancilla domini. Allein sie hat auch Momente der Siegesfreude, das Magnificat. Sie durfte sogar im Sinne des ritterlichen Mittelalters auch bewaffnet und als Amazone auftreten. Als die Stadt Sicli in Sicilien von den Sarazenen belagert wurde, erschien sie herrlich auf weissem Ross, in weissem Gewande mit weissen Waffen, eine Krone auf dem Haupt, und stürzte sich mit der siegreichen Lanze über die Feinde, die entsetzt davonflohen. Ihr Ross aber drückte seine Spur in einen Stein, der noch jetzt hoch verehrt wird. Gumppenberg, marian. Atlas Nr. 512. So kriegerisch tritt sie auch in einem spanischen Schauspiel auf. Ausland 1832. S. 268.

Das Gegenbild dazu ist die berühmte vièrge aux rochers des Leonardo da Vinci, die heilige Jungfrau von finstern Felsen umwölbt, die Lilie unter den Dornen, und die „schmerzenreiche Mutter“ unter dem Kreuz.

An die Mütterlichkeit Maria’s knüpfen sich übrigens ihre höchsten Eigenschaften, denn als die vollkommenste aller Jungfrauen wurde sie doch nur gewürdigt, die Mutter Gottes zu werden, und als Mutter trat sie erst in den höchsten Stand ein, während sie sich dadurch den tiefsten Leiden unterzog. Die Gottesmutterschaft ist bezeichnet in Sinnbildern der Litaneien: arca foederis, janua coeli, speculum justitiae, templum trinitatis, favus Samsonis (der Honig, der vom Löwen kam). An die Mütterlichkeit knüpfen sich die sieben Freuden und die sieben Schmerzen Mariä. Die Freuden sind: die Verkündigung, Heimsuchung, Geburt, Darbringung im Tempel, Wiederfindung des Knaben Jesu im Tempel, Auferstehung und Himmelfahrt Christi. Doch fügt man auch die Anbetung der heiligen drei Könige und die Himmelfahrt Maria ein. Vgl. Marian. Liederschatz. Augsburg 1841. S. 328. Die sieben Schmerzen sind: der Abschied vom Sohne, die Dornenkrönung, die Kreuzigung, der Essig- und Gallentrank, der Tod [99] Jesu, die Grablegung oder Pieta (die Leiche des Sohnes auf dem Schoosse der Mutter). Doch fügt man auch die Beschneidung, die Flucht nach Aegypten und das Verlorengehen des Knaben Jesu ein. Vgl. Marian. Liederschatz S. 156 f. Klöden, Geschichte d. Marienverehrung S. 63. Das Freudenfest fällt auf den 23. September, das Schmerzen- oder Mariä Ohnmachtfest auf den Freitag vor dem Palmsonntag. Die Freuden werden mit sieben Rosen verglichen. Görres, Meisterlieder S. 319. Die Leiden mit sieben Schwertern, wozu die Stelle bei Lucas 2, 35. Veranlassung gab. Zu Aufkirchen in Tirol sieht man ein Bild Maria’s mit sieben Köpfen, worin ihre sieben Schmerzen unterschieden werden. Weber, Tirol II. 117. Jedenfalls eine unziemliche Künstlerfreiheit.

Die schmerzenreiche Mutter, mater dolorosa, erscheint auf Bildern stets als Wittwe in dunkelblauem Kleide mit weissem Schleier, ältlichen Gesichts, kummervoll, aber edel und gottergeben, entweder unter dem Kreuze nach dem berühmten Liede (stabat mater dolorosa juxta crucem lacrymosa) oder den todten Christus auf dem Schoosse haltend (die sogenannte pieta). Die Maler haben die Situation mannigfach verändert; bald blickt sie nur im Brustbild weinend gen Himmel, während ein Schwert ihr durch’s Herz geht, bald betrachtet sie den Dornenkranz in ihrem Schooss, bald lehnt sie gleich der religio am Kreuz. Auf einem bewundernswürdigen Bilde des spanischen Malers Cano zu Granada kniet Maria ganz einsam in tiefer Trauer und betet. Passavant, Kunst in Spanien S. 105.

Maria’s Tod. Aus der Stelle bei Lucas 2, 35: „Und es wird ein Schwert durch deine Seele dringen,“ die nur symbolisch zu verstehen ist, leiteten Einige die Fabel ab, die heilige Jungfrau habe den Martyrertod durch Enthauptung erlitten, wie Orígenes, homil. 17. in Lucam, erwähnt. Die Apokryphen berichten, sie sey im Frieden entschlafen, und zwar in Gegenwart sämmtlicher Apostel, die auf Gottes Antrieb, ohne zu wissen warum, aus den entferntesten Gegenden alle wieder in Jerusalem zusammenkamen, um ihrem [100] heiligen Sterben anzuwohnen und sie zu bestatten. Die Legende ist ausführlich enthalten in einem alten Buch de transitu Mariae. Vgl. Binterim, Denkw. V. 1. 427. Dasselbe enthält das altdeutsche Gedicht von Mariä Himmelfahrt in Haupts Zeitschrift VIII. 174.

Mit Recht haben sich die frommen altdeutschen Maler bemüht, im Tode Mariä überhaupt den schönsten Tod, die friedlichste, ruhigste, glücklichste und zugleich edelste Art, zu sterben, auszudrücken. Auch ist es ehrwürdiges Herkommen, die Sterbende mit der brennenden Kerze in der Hand und durch die Apostel mit allen Sterbsakramenten der Kirche versehen, zu malen. Sie liegt dabei immer auf einem Ruhebett unter einem Thronhimmel. Nur ein Bild des Martin Schongauer aus Wettenhausen, jetzt in München, weicht ab, indem es sie im Gebete knieend sterben lässt. Sie trägt hier den weissen Wittwenschleier und zugleich das langwallende Haar der Jungfrauen. Abgebildet in Otte’s Handbuch der Kunstarchäologie zu S. 218. Vgl. v. Rettberg, Briefe S. 81.

Auf vielen alten Kirchenbildern steht am Bette Mariens im Moment ihres Sterbens der Heiland und empfängt ihre unsterbliche Seele, die in Gestalt eines kleinen Kindes aus ihrem Munde kommt. Das ist schon byzantinisch. Vgl. Didron, man. p. 286. So ist der Tod dargestellt auf einem sehr alten Mosaikbild in Maria Maggiori. Bunsen, Beschr. von Rom III. 2. 284. Eben so auf einer Menge von altdeutschen Bildern. – Inzwischen wurde der Leichnam der Gottesmutter von den Aposteln bestattet. Auf ihren Schultern trugen sie sie zu Grabe, fanden aber nachher das Grab offen und voller Blumen (Zeichen der Jungfräulichkeit und Tugend), während die Jungfrau selbst gen Himmel fuhr. Vgl. d. Art. Himmelfahrt. Schon Gregorius Turon., de gloria martyrum I . 4., lehrte, Christus sey am Tage nach ihrer Beerdigung zum zweitenmal vom Himmel herabgekommen, um ihren Leib abzuholen und im Himmel mit der schon vorangegangenen Seele wieder zu vereinigen. Das wurde durch eine Vision der heiligen Elisabeth bestätigt. Vincent. Bellov. spec. hist. VII. 80. – [101] Auf einem Glasgemälde des 13ten Jahrhunderts betet die Seele Maria’s, in Kindesgestalt auf den Armen des göttlichen Sohnes getragen, noch zum Abschied den schönen, todt vor ihr ausgestreckten jungfräulichen Leib an, mit dem Ausdruck des Erstaunens, sich getrennt von ihm zu sehen. Didron, annales III. 170. Auf Miniaturen in Paris kommt die Seele auch als eine Büste vor, die über die Leiche emporsteigt. Vgl. Waagen, Paris S. 276, 277, 286.

Auf den ältesten Bildern der Kirche ist der allzu schmerzhafte Ausdruck Maria’s eben so vermieden, wie der allzu freudige oder lächelnd huldvolle. Diese schärferen Markirungen eines einseitigen, den andern ausschliessenden Ausdruckes kamen erst später auf, indem sich der alte Typus der Marienbilder zugleich mehr individualisirte und mannigfache Physiognomien annahm. Dasselbe gilt in Bezug auf das Alter. Die frühesten Bilder hielten die unbestimmte Mitte zwischen Ernst und Freundlichkeit, zwischen göttlicher Hoheit und gemeiner Menschlichkeit, zwischen Jungfräulichkeit und Mütterlichkeit, zwischen Jugend und Alter. Die späteren dagegen gingen in die Extreme auseinander, so dass zuletzt die grössten Verschiedenheiten einander gegenüberstanden, eine fast verführerische Lieblichkeit gegenüber dem hässlichsten Schmerzausdruck im Gesicht einer alten Frau.

Vergleicht man den schönen und heiligen Typus der ältesten Marienbilder in den Katakomben, Mosaiken und Miniaturen, so muss man bekennen, derselbe lasse eine künstlerische Durch- und Ausbildung zu, die, ohne ihm etwas von seiner Heiligkeit und von seinem bestimmten typischen Charakter zu nehmen, allen Erfordernissen der Kunst genügen können. Darum ist es ein Irrthum, das Verlassen jenes ehrwürdigen alten Typus und die Individualisirung der Marienbilder seit dem 15ten, noch mehr seit dem 16ten Jahrhundert als einen grossen Fortschritt der Kunst zu preisen. Nur dadurch, dass die meisten Maler jenen alten Typus doch wenigstens nicht ganz aufgaben, sondern sich demselben immer wieder annäherten, hat sich überhaupt der Begriff eines kirchlichen [102] Marienbildes und das Ansehen desselben erhalten können, sonst würde die Kirchenmalerei ganz zur weltlichen Conversationsmalerei entartet seyn.

Es war falsch, jenen alten Typus in irgend welche Nationalphysiognomie hineinziehen zu wollen und uns schöne Römerinnen, Florentinerinnen, Venetianerinnen, am Ende gar Zigeunerinnen als Madonnen zu malen. Es war eben so falsch, ja häufig sogar sündhaft, sie einem lebenden Portrait nachzubilden. Gab es doch Kirchenfürsten, die sich nicht entblödeten, ihre Maitressen als Madonnen portraitiren zu lassen; und zu viele Maler wählten zum Modell ihre sehr irdischen Geliebten. Das Interesse aber, welches das künstlerische Auge an den schönen Gesichtsformen, Augen, Haaren, Teint, Tracht und Schmuck einer irdischen Schönen nimmt, sollte nie verwechselt werden dürfen mit der Andacht, zu der ein Marienbild auffordert. In dieser Beziehung bedurfte und bedarf die Kirchenmalerei einer strengen Reinigung und Säuberung. Alles, was an weltliche Koketterie und an die irdische Weiberlust der Künstler erinnert, muss dem Heiligen fern bleiben. Wenn einer der grössten Maler der Madonna die röthlichen und wolligen Haare seiner irdischen Geliebten gibt und darum von allen Kunstkennern bewundert wird, so ist es doch eine Entweihung des heiligen Gegenstandes, solche persönliche Liebhabereien auf ihn zu übertragen und den alten Typus der Marienbilder so willkührlich zu verfälschen.

In gleicher Weise unziemlich ist das gemein Natürliche, wenn Maria, aller Hoheit und Heiligkeit entbehrend, zwar als ein unschuldiges und ehrliches, aber doch nur als ein gemeines Bürgermädchen oder wie eine ganz gewöhnliche Hausfrau und Mutter dargestellt wird. In solcher Gemeinheit haben sich nur zu viele Künstler gefallen, sey es, dass sie selbst kein höheres Ideal kannten und achteten, sey es, dass sie es als Stümper in der Kunst nur nicht zu erreichen wussten. Die Maler sind in der gänzlichen Trivialisirung der heiligen Geschichte den Rationalisten lange vorangegangen. In der That kann ein Bretschneider, Paulus etc. von der Mutterschaft [103] Maria’s nicht ordinärer denken, wie Andrea del Sarto, der berühmte Italiener, der noch einer frömmern Zeit angehörte und doch nirgends die Mutter Gottes, sondern überall nur eine gemeine, wenn auch immerhin hübsche und zärtliche Mutter gemalt hat. Das ist noch für eine charitas zu wenig ideal, geschweige für eine Maria.

Wenn nur die Heiligkeit nicht vermisst wird, sind Nuancen im Ausdruck nicht nur erlaubt, sondern nach Umständen auch geboten. Der freudenreichen Maria ziemt die Freundlichkeit der Bilder Fiesoles, Leonardo da Vincis, Sassoferratos (dessen Madonna vorzugsweise mater amabilis heisst); der schmerzenreichen dagegen der mehr wehmüthige Ausdruck, den ihr Fra Bartholomeo gegeben. Doch behauptet vor jenem lieblichen Lächeln und vor jener Wehmuth die Heiligkeit den Vorrang.

Diese Heiligkeit erscheint in den ältesten Marienbildern in doppelter Weise ausgedrückt, durch Hoheit der Gestalt und Miene, die ein höheres Wesen verkündet, und zugleich durch die andächtige Geberde der bittend erhobenen Hände. Diese Bitte ist voll Demuth und zugleich Hoheit. Sie ist Fürbitte, die ganze Haltung hat etwas Priesterliches. Die älteren italienischen Meister, Fr. Francia, Perugino und Andere, behielten noch viel von diesem Typus bei, namentlich die betende Stellung bei der ruhigen Klarheit und gleichsam Göttlichkeit der Miene. Erst später theilten sich die Künstler, und die Einen suchten das Heilige nur noch im Ausdruck einer rein menschlichen Andacht und Zerknirschung, die Andern nur im Ausdruck einer Geisteshoheit und Genialität, bei dem die Demuth fehlte. Der grösste und berühmteste Marienmaler, Raphael, hielt in seiner Jugend noch die ältere fromme Weise seines Meisters Perugino fest, malte aber nachher in viel freierer Weise seine Madonnen meist in’s Liebliche, in holdlächelnde Jungfrauen und seelenvolle zärtliche Mütter, und endlich in ein weibliches Ideal aus, in welchem der aus dem dunklen Auge blitzende Geist, der in der sinnreichen Stirne gewitterhaft zuckende Gedanke, das auf den beredten [104] und fast trotzigen Lippen zurückgehaltene Wort nur noch Anbetung fordert, aber keine mehr leistet, während zugleich eine warme Sinnlichkeit, eine geheime Gluth ihre vollen italienischen Formen einzunehmen scheint. Hier vermissen wir neben der Hoheit und dem Zauber des Schönen gerade das Heilige und den Ausdruck der Demuth. Daher auch die Begeisterung, mit welcher diese Bilder im Jahrhundert des Unglaubens gepriesen wurden, die Andacht ganz ausschloss. Vielen anderen, überaus frommen Marienmalern, namentlich spanischen und deutschen, ging jener Zauber des Schönen ab, und ihren heiligen Frauen mangelte der Liebreiz. Man thut am Besten, gar nicht nach den Meistern der Bilder zu fragen, sie gar nicht aus dem Gesichtspunkt der Kunstkennerschaft anzusehen, sie vielmehr alle als unvollkommene Copien eines unerschöpflich schönen und unerreichbar heiligen Urbildes zu betrachten und, was dem Maler gefehlt hat, durch die eigne Andacht zu ersetzen, wie Andrea d’Auria. Dieser fromme Mönch nämlich rettete ein Marienbild, welches einem vornehmen Besteller in hohem Grade missfallen hatte, und nahm es zu sich, und siehe, in den Händen des wahren und andächtigen Verehrers gedieh das vorher hässliche Bild zu wundervoller Schönheit. Maier, Neapel I. 135.

In demselben Maass, in welchem die Künstler die altherkömmliche Heiligkeit in der Jungfrau Maria verliessen und ihr eine freiere Bewegung und weltlichere Miene gaben, änderte sich auch die Gruppirung der Mutter mit dem göttlichen Kinde. Auf den ältesten Bildern der Kirche steht das Kind vor der Mutter und wird von ihr gehalten. Später trägt sie es stehend auf den Armen, dann sitzend auf dem Schooss, und zuletzt wird das Kind schlafend, spielend etc. in den mannigfachsten Situationen von der Mutter abgetrennt.

Eine Menge wunderthätiger Marienbilder, an eine bestimmte Oertlichkeit gebunden, hat auch besondere Attribute. Viele derselben wiederholen sich. So kennt man in Deutschland und Frankreich gemeinschaftlich sehr viele „Unsre Liebe Frauen zur Eiche, zur Linde etc.“, weil auf solchen Bäumen [105] das Bild der Gottesmutter gefunden wurde. Aus demselben Grunde heissen so viele heilige Orte Mariabronn, sofern hier die Gottesmutter im Wasser erschien oder eine Quelle zum Gesundbrunnen weihte. In Gebirgen kommen öfter Marienbilder in Felsen vor, das berühmteste, Notre dame de la Balme an der oberen Rhone, „Maria zum Schnee“, hat einen weit verbreiteten Cultus. Vgl. d. Artikel Schnee. Eine Menge Marienkirchen und Kapellen kommen auf Bergen vor und führen in den deutschen Gebirgen meist den Namen „Mariahülf“ in Hinsicht auf die Kranken, die dort Hülfe finden. In südlichen Ländern steht sie oft in Verbindung mit der Vegetation. Auf der Insel Chios wird ein Marienbild hoch verehrt, das in Myrthen gefunden wurde. Rho et Bovius II. 1. 20. Zu Sozopolis ein anderes, dem stets köstlicher Balsam aus der Hand träufelt. Gfrörer, Kirchengesch. III. 1. 99. So führen eine unzählige Menge Marienbilder besondere Namen von dem Ort, wo, oder den besonderen Umständen, unter denen sie gefunden wurden. Eine reiche Sammlung dieser Namen findet man in Gumppenbergs marianischem Atlas.

Andere Gnadenbilder der Gottesmutter tragen den Namen von ihren Eigenschaften und von der Art ihrer Hülfe. So Unsre Liebe Frau zum Troste, zum Siege (della vittoria), zum Frieden (della pace), zum Erbarmen, zur Geduld, zur Hoffnung etc.; oder von den Reliquien der Gottesmutter, oder von besonderen Wundern, die sie hier verrichtet. So Unsre Liebe Frau vom Schleier, von den Haaren, von der Milch, vom Gürtel etc. Unsre Liebe Frau vom Briefe zu Messina, weil man hier einen Brief von ihr gefunden haben will; von der Pest zu Padua, weil sie hier die Pest vertrieb.

Erscheinungen der Gnadenmutter kennzeichnen viele Heilige in der kirchlichen Bildnerei. Unter einem Rosenregen erscheint sie dem heiligen Franciscus. Ihren Gürtel reicht sie dem h. Apostel Thomas. Malen lässt sie sich vom h. Apostel Lucas. Das Messgewand reicht sie dem h. Ildefons. Vom h. Knaben Hermann Joseph nimmt sie einen Apfel an. Die öfter vorkommende Lactation, das Wunder der Brustreichung, das [106] dem heiligen Bernhard, Alanus a rupe und Anderen widerfahren, dürfte aus einer nur bildlichen Redeform erst in die wirkliche Bildnerei übertragen worden seyn und überschreitet in der sinnlichen Darstellung die Schranken des Schicklichen. In den Kreis unschicklicher Bezeichnungen gehören auch viele scholastische Spitzfindigkeiten, welche die Natur und namentlich die unbefleckte Empfängniss der heiligen Jungfrau betreffen und die bekanntlich im Jahrhundert der Aufklärung zum Gegenstand rohester Witzelei gemacht worden sind. – Von lieblicher Naivetät ist dagegen wieder die Legende, in der Maria als freundliche Wirthin erscheint . Zwei fromme Mönche verirrten sich auf der Wallfahrt nach Loretto zur heiligen Hütte der Gebenedeiten. Da im Walde fanden sie, ohne sie zu erkennen, dieselbe Hütte und wurden darin von der heiligen Jungfrau selbst, gleichfalls ohne sie zu kennen, freundlich bewirthet. P. Abraham, Judas IV. 121.

Eben so zahlreich sind die Bildwunder der Gnadenmutter. Hier nur einige der merkwürdigsten und seltensten. Als die Heiden einst am Berg Athos ein Fest feierten, schwamm ein Marienbild an’s Ufer. Da riefen alle heidnischen Götterbilder: „Die Mutter Gottes kommt, fallt vor ihr nieder!“ Und alle Götterbilder stürzten nieder und das Volk mit. Alle Heiden bekehrten sich, und der Berg wurde der heiligste in ganz Griechenland und ist es heute noch. Fallmerayer, Orient II. 18. Als die Heiden in Russland einfielen, trug der heilige Hyacinthus eine Statue der Gnadenmutter über das Wasser des Borysthenes trockenen Fusses (16. August). Einem frommen Landmädchen erschien einst die Gnadenmutter mit dem Kinde, wurde von ihm auf’s Liebreichste bedient und liess ihm zum Andenken ihr Bild in dem Wasser zurück, in dem sie das Kind gebadet. Immer schwebte das Bild auf dem Wasserspiegel, liess sich aber nie ergreifen. Dietrich, Braga VI. 1. Wetzel, Gedichte S. 101. In Turin verehrt man ein Marienbild, das von einem Blinden entdeckt wurde, während kein Sehender es gefunden hatte. Gumppenberg, marian. Atlas I. 120. Daselbst Nr. 259. wird ein [107] Marienbild in Lüttich erwähnt, durch dessen Anbetung Rupert von Duiz aus einem Dummkopf ein weiser Mann wurde.

Zu Oesede bei Osnabrück ist ein Marienbild, das jede reine Jungfrau tragen kann, aber centnerschwer wird, wenn eine unkeusche es berührt. Auch eine Alabasterstatue der Maria zu Ettal, von Engelhänden gemacht, wird um so schwerer, je mehr der gesündigt hat, der sie aufhebt. Schrank, bayr. Reise S. 71. Zu Stein in Böhmen erbleicht ein Marienbild, so oft ein Sünder in die Kirche tritt. Kaltenbäk S. 172. Das Bild der schönen Maria bei Scharten bleibt immer rein und kann nie befleckt werden. Das. S. 119. Als ein Marienbild im Wisperthal in Wallis von einem Bösewicht mit Koth beworfen wurde, fuhr es hoch am Felsen empor und blieb fortan unerreichbar. Einem, der sich an einem Strick von oben zu dem Bild herablassen wollte, wurde der Strick zuletzt fadendünn, so dass er um Gotteswillen bat, ihn wieder aufzuziehen. Grimm, d. S. Nr. 347. Zu dem Marienbild auf der Eiche in Maria Taferl sollen einmal die Engel in Prozession gewallfahrtet seyn. Kaltenbäk S. 189. Als ein Madonnenbild am Ufer der Nordsee ausgeworfen war, konnte kein Schiff vorbei, bis man dem Bild eine Kapelle errichtet hatte. Wolf, niederl. Sagen Nr. 169. 170. In der Franciscanerkirche zu Prag hielt ein Marienbild den Dieb fest, der es berauben wollte. Kaltenbäk S. 101.

Wenn im Passeier-Thale in Tirol ein Kind todt geboren wird oder ungetauft stirbt, tragen es die Eltern zum Muttergottesbild in Trens und legen es vor dem Bilde nieder. Da schlägt das Kind die Augen wieder auf, und in diesem Momente wird es getauft. Gleich darauf stirbt es, ist aber nun selig. Beda Weber, Passeier S. 152.

Anna Dulliker, eine arme Wittwe in Zofingen in der Schweiz, erflehte zur Pestzeit 1519 für sich und ihre Kinder vor einem kleinen Bildhüsly (Muttergottesbild in einer Kapelle) Gesundheit und erhielt sie. Bald darauf wurden in der Reformation alle Bilder zerstört; aus Dankbarkeit aber rettete die arme Wittwe jenes Bild und schleppte es mühsam [108] fort, und als sie einmal ausruhte und ihr Kind Blumen suchte, fand es unter dem Bilde ein Geldstück, und da sie weiter nachsuchte, kam ein grosser Schatz zu Tage, der sie auf immer von Sorgen befreite. Das Bild aber brachte sie glücklich nach Sursee, wo es noch hoch verehrt wird. Hormayr, Taschenbuch von 1835. S. 302.

Eichel, ein Dorf am Main, entstand um eine einsame Kapelle, „Maria zur Eiche“, als Wallfahrtsort. Hier floh einst ein Lamm vor einem Wolf in die Kapelle, lief, als der Wolf nachstürzte, schnell zurück und riss im Laufen den Strick der Thüre mit sich fort, so dass diese zufiel und der Wolf gefangen war. Daher das Sprichwort: „In Eichel fängt das Schaf den Wolf.“ Schnetzler, bad. Sagenbuch II. 647. Dasselbe geschah zu Seebach, Bechstein, Sagenschatz d. Thüringerlandes II. 151.

Ungemein phantastisch ist die Erscheinung der „schönen Maria“ zu Regensburg. Im Jahre 1519 predigte Hubmeir daselbst so eindringlich gegen die Juden und so feurig für die Mutter Gottes, dass sich des Volkes ein unwiderstehlicher Drang bemächtigte, die Juden aus der Stadt zu jagen, ihre Synagoge niederzureissen, diese unreine Stätte zu weihen und auf ihr der „schönen“ Maria eine Kirche zu erbauen. Auch vom Lande drängte sich Alles herbei, Opfer zu bringen, und Viele liessen ihre letzten Kleider in der Kirche zurück, weil sie nichts Anderes hatten, es für sie zu opfern. Gemeiners Regensb. Chronik IV. 352 f. Hormayr, Taschenb. 1843. S. 176.

Einen eigenthümlichen Reiz hat das Marienbild in der Stephanskirche zu Wien, das vorzugsweise von Dienstboten bekränzt und verehrt wird. Carus, Mnemosyne S. 137.

Als der Mönch Tutelo von Metz die Madonna malte, stand sie unvermerkt hinter ihm und leitete seine Hand. Maler Pomis in Gräz hatte sie so schön gemalt, dass er mehr Geld für das Bild forderte, als ausbedungen war. Da erblindete er, die Madonna selbst aber malte das unvollendete Bild fertig und machte ihn dann wieder sehend. Kaltenbäk, Mariensagen S. 143.

[109] Den unendlichen Reichthum der Wunder und der symbolischen Beziehungen Maria’s, der sich durch viele Jahrhunderte und über alle Länder vertheilt, an Einen Ort und in Eine Feier zu concentriren, ist unmöglich. Nur die griechischen Christen haben es versucht auf dem Berg Athos, der voller Kirchen und Klöster ist. Hier hat Maria von ihrer Geburt bis zu ihrer Himmelfahrt auf jeder Stufe ihres Wandels , ferner nach jeder ihrer Tugenden, Freuden und Schmerzen, und nach den hervorragendsten Wundern, die sie verrichtet, besondere Altäre und einen besondern Cultus, so wie auch die Farben und Formen ihrer Bekleidung und Ausschmückung auf’s Mannigfaltigste empfangen. Didron, annales IV. 83 f. – In Loretto, wo das von Engeln aus dem heiligen Lande an die apulischen Küsten getragene Haus der Maria verehrt wird, herrscht wenigstens in den an ihrem Altar niedergelegten Weihgeschenken eine unendliche Mannigfaltigkeit von symbolischen und historischen Beziehungen. – Auch bei den grossen Marienfesten und den dabei Statt findenden Prozessionen befleissigt man sich, namentlich im Süden Europa’s und Amerika’s, die Gnadenmutter in den mannigfachsten Beziehungen zu verehren und ihr die reichsten Attribute beizulegen. Jeder Stand, jede Zunft zieht mit besonderen Emblemen und Sinnsprüchen auf. Eine eigenthümliche Erscheinung dabei ist der „marianische Liebhaber“, ein Jüngling, der sich dem Dienst Maria’s ausschliesslich gewidmet hat und in der köstlichsten Kleidung und Ausschmückung an der Prozession Theil nimmt, in welchem die kindliche, volksthümliche Liebe zur heiligsten Mutter sich personificirt.

An die verschiedenen Frauentage oder Feste Maria’s im Jahr, so wie an die täglichen Andachten und Horen vertheilen sich die vornehmsten Erinnerungen an ihr Leben, wie die wichtigsten symbolischen Züge. Die Sänger der Marienlieder haben allezeit mit den Malern gewetteifert, sie zu verherrlichen und den ganzen Reichthum der christlichen Poesie zu entfalten, der durch die Allerseligste bedingt ist.

[110] Schliesslich noch das Anagramm ihres Namens:

MMater misericordiae.
AAdvocata adflictorum.
RRefugium redeuntium.
IJuventrix indulgentiae.
AAmica angelorum.

Der minder erheblichen, zum Theil abgeschmackten Wort- und Sinnbildspielereien, wie sie einmal im siebenzehnten Jahrhundert Mode wurden und daher auch alles Kindische einer Modesache, unwürdig eines heiligen Gegenstandes, annahmen, glaube ich hier nicht näher gedenken zu müssen. Sie verhalten sich wie der modische Putz der Reifröcke und gepuderten Frisuren, womit man gleichfalls die Gnadenmutter ausstatten zu müssen wähnte.