Christliche Symbolik/Himmelfahrt
Christus führte die Jünger hinaus bis gen Bethania, hub die Hände auf und segnete sie, und da er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Lukas 24, 50. 51. Ueber den Abdruck seiner Füsse vgl. Fuss.
Auf ältern Bildern ist die Himmelfahrt oft nur durch die zwei Füsse, die noch oben aus den Wolken hervorragen, versinnlicht. Eigenthümlich ist die Auffassung eines alten Holzschnittes bei Didron, icon. 50. Vier Engel tragen einen Kreis, in welchem Christus mit ausgebreiteten Armen thront, zu zwei Engelsköpfen und drei Sternen empor, die den Himmel andeuten. Ein sehr schönes und berühmtes Bild der Himmelfahrt von Perugino zu Lyon hat man deshalb getadelt, weil der Apostel Paulus dabei ist, der damals bekanntlich noch gar nicht bekehrt war, als Christus gen Himmel fuhr. Aber das Bild ist allegorisch aufzufassen. Christus ruht oder schwebt leicht auf einem Regenbogen unter Engeln. Unten steht mitten die Madonna als Ausdruck der Liebe, zur Seite Paulus als Ausdruck des Glaubens. v. Quandt, Reise in's mittägliche Frankreich S. 103. Vgl. Vasari II. 2. 375. Andere Bilder desselben Meisters in Perugia, Florenz, Bologna. Fiorillo I. 82.
Vorbilder der Himmelfahrt Christi sind Henoch und Elias, die lebendig gen Himmel fuhren.
Eine beträchtliche Menge von Gebräuchen und Aberglauben des Himmelfahrtstages stammen aus dem Heidenthum, weshalb ich sie hier übergehe. Für die christliche Symbolik ist nur bemerkenswerth, dass dieser Tag der Freudenzeit des Jahres angehört, in welcher Feste und Pericopen die Erfüllung dessen bedeuten, was im Winter nur verheissen war. Die Natur dient hier dem höheren Geistesleben zum Träger. Die schönste Jahreszeit war allein würdig, jene Siegesfeste zu feiern. [401] Ueber die Himmelfahrt der Maria war die Kunst anfänglich in Ungewissheit. Auf ältern Bildern geht gewöhnlich aus dem Munde der sterbenden Maria ihre Seele in Gestalt eines kleinen Kindes hervor, welches Christus in Empfang nimmt, um es gen Himmel zu tragen. Erst auf spätern Bildern wird der auferstandene Leib Maria's selber von Engeln gen Himmel getragen. Hieronymus zweifelte, ob die Seele, ob der Leib gen Himmel gefahren sey; Augustinus erklärte sich dafür, dass zuerst die Seele, dann erst der Leib erhoben worden sey. Durandus (rat. offic. VII. 24.) sagt: Melius est pie dubitare, quam aliquid circa hoc temere diffinire; pie tamen credendum est, eam totaliter fuisse assumptam. — Auf den Kirchenbildern schwebt die heilige Jungfrau auf Wolken getragen gen Himmel, gewöhnlich von Engeln begleitet, zuweilen zu dem oben sich öffnenden Himmel emporblickend und die Arme gegen Sohn und Vater ausbreitend, oder demuthsvoll die Arme an die Brust legend und niederblickend, oder der Erde ein mitleidsvolles Lebewohl sagend. Dieses Mitleid legte Murillo in ihren Blick. v. Quandt, Reise in Spanien S. 169. Gräfin Hahn-Hahn, Reisebriefe II. 176. — Zu St. Denis ist Maria, indem sie gen Himmel fährt, so nackt wie eine Venus dargestellt. Didron, icon. 288. Zum Beweis, wie weit die antikisirende Richtung die kirchliche Bildnerei irre führte.
Bei der Himmelfahrt Mariä sind die Apostel zugegen, wie bei der ihres Sohnes. Nach der Legende füllte sich ihr leerer Sarg mit Blumen (den Sinnbildern ihrer Tugenden), indess ihr verklärter Leib gen Himmel fuhr. Sehr oft gemalt, am reizendsten in den Glasfenstern zu Bourges, wo die Blumen unten wie Edelsteine funkeln. — An die Feier der Himmelfahrt Mariä am 15. August knüpft sich die Kräuterweihe, d. h. die Besprengung aller Arten von nutzbaren Gewächsen mit Weihwasser in den Kirchen, um sie gegen bösen Zauber zu schützen. Auf dieses Fest, die sogenannte Wurzelweihe in Würzburg, soll sich auch der Name der Stadt selbst beziehen. Auch werden auf dem Nicolausberge [402] bei Würzburg noch Fusstapfen der Maria gezeigt. Mone, Anzeiger VIII. 62.
In mehreren Gegenden Bayerns heisst der 15. August Büschelfrauentag und gibt es mehrere Büschelberge, auf denen vielleicht ehemals die Feier Statt fand. Jetzt wird sie in der Kirche begangen. Die Mädchen bringen zahlreiche und grosse Blumen- und Kräuterbüschel zum Altar Unserer Lieben Frau, und lassen sie durch den Priester einweihen. Zu einem solchen Büschel müssen 77 verschiedene Kräuter genommen werden. Aus den Namen dieser Kräuter erhellt, dass sie sämmtlich zu Unserer Lieben Frau in besonderer Beziehung standen und gleichsam die Garderobe und den Hausrath bildeten. In des Büschels Mitte muss nothwendig das Kraut Himmelbrand liegen. Das ist die Königskerze, von der es in einem alten Segen heisst:
Unsre Liebe Frau geht über Land,
Hat den Himmelbrand in der Hand.
Ferner gehört in den Büschel: Frauenbleken (Blatt), Frauenmantel, Frauenschuh, Austerle, Wegwart, Gretel hinter der Stauden, Bärmutter, Mädchenmohn, Mummel (Wasserlilie), Mondschein (Mondraute?), Altvater, Odermennig, Wetterglocke (Glockenblume?), Johannesblüthe, brennende Liebe, Teufelsabbiss (Skabiose), Schildkraut, Ochsenzunge. Die übrigen Namen konnte ich nicht erfahren. Die am 15. August geweihten Büschel werden sorgfältig aufbewahrt. In den Rauhnächten legt man Theile davon unter das Kopfkissen (zum Heil für das ganze bevorstehende Jahr), auch hängt man davon in den Ställen auf zum Heil für das Vieh. Bei Gewittern wirft man Theile davon in's Heerdfeuer, dann schadet der Blitz nicht. Die Asche wird aufbewahrt und Sterbende werden damit in der letzten Stunde gerieben. Was von den alten Büscheln übrig bleibt, wird am nächsten 15. August verbrannt. Mündliche Mittheilung des Herrn Oberbaurath Panzer, der persönlich der Feier beiwohnte. — In Schmellers bayr. Wörterb. IV. 51. wird die Weihraute, ruta graveolens, als das Kraut bezeichnet, das hauptsächlich an [403] Mariä Himmelfahrt zu Kränzen verwendet werde. — Dass die Kräuter am Tage Mariä Himmelfahrt in den katholischen Kirchen geweiht wurden, erwähnt auch Seb. Frank, Weltbuch 132. Am 15. August fand ehmals auch auf der Schneekoppe, der höchsten Spitze des schlesischen Riesengebirges, eine Kräuterfeier Statt, bei der sich die vielen sogenannten Kräutermänner versammelten, Leute, die aus den heilsamen Kräutern des Gebirges Arzneimittel bereiteten und weithin verführten.
Der 15. August bezeichnet die Zeit der vollendeten Aerndte. Er wurde also zu einem Dankfest für das Gedeihen der Pflanzenwelt im Laufe des Jahres gefeiert, wobei allerdings sehr wahrscheinlich ist, dass dem Fest eine ältere heidnische Feier und insbesondere der Cultus einer segensreichen Naturgöttin zu Grunde gelegen haben mag, von der man die Verehrung auf die heilige Jungfrau übertrug.