Chemische Briefe/Siebenundvierzigster Brief
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Als Nahrungsmittel ist das Ammoniak der Pflanze eben so unentbehrlich als die Kohlensäure, und seine günstige Wirkung in dem Dünger ist leicht zu verstehen, wenn man sich an die des Wassers erinnert.
Das Wasser spielt in der Vegetation eine doppelte Rolle: es liefert den Pflanzen in einem seiner Bestandtheile ein unentbehrliches Element, und dann dient es, um die Bodenbestandtheile durch die Wurzeln in die Pflanze übergehen zu machen. Wenn der Boden auch noch so reich an Pflanzennahrung ist, so wachsen in heissen Tagen die Pflanzen nicht, wenn es an Wasser im Boden fehlt; die Feuchtigkeit im Boden ist die Brücke, welche den Uebergang der mineralischen Nahrung vermittelt.
Wenn es an der Zufuhr dieser Stoffe mangelt, so nehmen die Blätter weder Kohlensäure noch Ammoniak aus der Luft auf; die Vegetation steht still, obwohl die Luft in heissen Tagen reicher an Wasser ist als in kalten, aber dieses Wasser nützt der Pflanze nichts. Die sonnereichen warmen Tage, sonst die günstigsten für die Entwickelung des Gewächses, werden alsdann zu den gefährlichsten, namentlich für die Sommergewächse, welche nicht Zeit genug hatten ihre Wurzeln in die Tiefe zu treiben, wo noch Feuchtigkeit ist, die ihnen Nahrung zuführen kann. Die Gerste wird dann eine Hand hoch und schiesst in Aehren, die Kartoffeln setzen keine Knollen an. Ein einziger guter Regenschauer zur rechten Zeit ändert alles dies wie mit einem Zauberschlag, und wenn der Landwirth seine Felder beregnen lassen könnte zur rechten Zeit, wie der Blumengärtner seine Blumentöpfe wässert, so würden alle Pflanzen ein Maximum von Erträgen geben; selbstverständlich nur dann, wenn es an aufnehmbarer Nahrung nicht fehlt, denn wenn der Boden daran Mangel hat, so hat man nur ein dem Mangel entsprechendes Maximum zu erwarten. Indem also das Wasser mehr Bodenbestandtheile zuführt, nehmen die Pflanzen mehr Kohlenstoff und Stickstoff auf, ihre Entwickelung wird beschleunigt und das Erntegewicht nimmt zu.
Ganz so verhält es sich mit dem Ammoniak. Vermehren wir den Ammoniakgehalt der Luft oder des Bodens, so findet die Pflanze zu günstiger Zeit mehr von diesem Nahrungsmittel als sonst vor, und die Folge davon ist, dass in entsprechender Weise mehr Bodenbestandtheile
[433] wirksam werden. Da mit den Blättern täglich nur ein gewisses Luftvolum in Berührung kommen kann, so kann die Pflanze aus dieser Luft nicht mehr Ammoniak und Kohlensäure aufnehmen als sie enthält, und es gehört demnach zur Aufnahme oder Vermehrung der Pflanzenmasse eine gewisse Zeit; nimmt sie in jedem Tage gleich viel auf, so nimmt sie in zwei Tagen doppelt so viel als in einem Tag.
Wenn die, Pflanze an günstigen Tagen doppelt oder viermal so viel mineralische Nahrung empfangen hat als sonst, so wird der Ueberschuss warten müssen, um wirksam zu sein, bis so viel Kohlensäure und Ammoniaktheilchen durch die Blätter hinzugekommen sind, dass sie zusammen zu Pflanzenbestandtheilen übergehen können. Keiner von den Nahrungsstoffen wirkt, wenn die andern nicht dabei sind und mitwirken. Wenn wir demnach, da es an Kohlensäure in der Regel nicht fehlt, den Ammoniakgehalt des Bodens oder der Luft vermehren, so wird unter gleichen Umständen die Entwickelung der Pflanze ausserordentlich beschleunigt, was nichts Anderes sagen will, als dass der Ertrag an Pflanzenmasse in der Zeit zunimmt, wie man dies an Mistbeeten sieht. Wären die Bodenbestandtheile nicht in der Pflanze gegenwärtig und wirkungsfähig gewesen, so würde das Ammoniak nicht die allergeringste Wirkung auf die Vermehrung der Pflanzenmasse gehabt haben.
Man wird demnach über die ausserordentliche Wirkung des Guano auf die Vermehrung der Kornerträge sich nicht wundern können, denn der Guano enthält nicht allein die Bedingungen zur Kornbildung, welche der Boden hergeben muss, sondern auch in dem Ammoniak einen unentbehrlichen Nahrungsstoff, der ihre Wirkung in der Zeit steigert und erhöht. Auf manchen Feldern kann das Ammoniak im Guano bei günstiger Witterung möglicherweise doppelt so viel von diesen Bodenbestandtheilen wirksam machen und in einem Jahr einen Ertrag liefern, den diese Bodenbestandtheile für sich allein erst in zwei Jahren geliefert hätten.
Man wird ferner einsehen, dass das Ammoniak für sich allein, einem Boden gegeben, der die Bedingungen zur Kornbildung in genügender Menge enthält, eine günstige Wirkung auf die Erhöhung des Ertrags haben muss; da man aber in dem geernteten Korn mehr von den Bedingungen hinwegnimmt, die das Ammoniak wirksam gemacht haben, so müssen die Erträge des Feldes in den folgenden Jahren – wenn man fortfährt Ammoniak zu geben, ohne die hinweggenommenen Bodenbestandtheile zu ersetzen – in eben dem Grad abnehmen als sie im ersten und zweiten Jahre höher gewesen sind.
Das Ammoniak ist mit einem Worte ein sehr nützliches Düngmittel, wenn es begleitet ist von den Bodenbestandtheilen, die es wirksam machen, oder wenn es im Boden die zu seiner Wirksamkeit nothwendigen Bedingungen vorfindet, und es wird vollkommen werthlos für den Landwirth, wenn er für den Ersatz oder die Zufuhr dieser Bedingungen nicht Sorge trägt.
In einem Boden, welcher reich genug an Stickstoff und arm an einzelnen für die Cultur mancher Gewächse unentbehrlichen Bodenbestandtheilen ist, ist die Anwendung des Ammoniaks oder seiner Salze jedenfalls unnützlich, und häufig geradezu schädlich. Auf einem solchen Boden, dem es einfach an Phosphorsäure fehlt, wird diese – unbegleitet von
[434] Ammoniak – als Düngmittel dieselbe Wirkung haben, welche der Guano, in gleichem Grade vielleicht nicht hervorbringen würde. Eine Düngung mit saurem phosphorsaurem Kalk (Phosphorit) erhöhte auf einem der ärmsten ausgenutzten Felder in der Umgegend Münchens, in Versuchen, welche das Generalcomité des landwirthschaftlichen Vereins zu Schleissheim ausführen liess, den Kornertrag (Sommerweizen) um mehr als das Doppelte des ungedüngten Stückes. Wäre dieses Stück mit Guano gedüngt worden, so würde der Ertrag ohne allen Zweifel den des ungedüngten Stückes weit überstiegen haben, und ein Anhänger der sogenannten Stickstofftheorie würde eben so zweifellos dem im Guano zugeführten Ammoniak die Wirkung zugeschrieben haben, von welcher in dem erwähnten Versuch nicht die Rede sein kann. Durch dasselbe Düngmittel hat man an vielen andern Orten, ohne alle Mitwirkung von Ammoniak, Erträge an Korn erhalten, welche die mit Guano erzielten häufig übertrafen, und dass für Felder dieser Art das Pfund Ammoniak keinen Pfennig werth ist, liegt auf der Hand.
Auch der Grund hiervon ist durch die chemische Untersuchung des Bodens ermittelt worden; es hat sich ergeben, dass die meisten Felder auf zehn bis zwölf Zoll Tiefe hundert-, fünfhundert-, oft tausendmal mehr Ammoniak in einer ähnlichen Form enthalten, als es im verrotteten Stallmist, im Knochenmehl oder Repskuchenmehl enthalten ist, und man sieht ein, wenn es an einem einzigen der andern Bodenbestandtheile mangelt, dass der vorhandene Reichthum an Ammoniak nicht wirksam und tätig sein kann.
In der Umgebung Magdeburgs hat man angefangen die Brennrückstände der Rübenzuckermelasse, welche die löslichen Salze der Runkelrübe (keine Ammoniaksalze) enthalten, als Düngmittel zu verwenden, und ich bin versichert worden, dass damit auf einem und demselben Felde mehrere Jahre hinter einander die reichsten Reps- (ebenfalls eine Rübe-) Ernten erzielt worden sind. Für ein jedes Feld giebt es ein solches Mittel; wenn man sich aber begnügt das Ammoniak lobzupreisen, so findet man es nicht.
Der Boden enthält, wie aus dem 38sten Brief erhellt, niemals freies Ammoniak, und während der Fäulniss des Mistes geht der grösste Theil des frei gewordenen in eine chemische Verbindung mit den humosen Bestandtheilen desselben über, die es direct der Jauche entziehen, woher es denn kommt, dass diese verhältnissmässig so arm an diesem Bestandtheil ist. Führt man freies Ammoniak oder ein Ammoniaksalz dem Felde zu, so geht es augenblicklich mit den Bestandtheilen der Ackerkrume eine Verbindung ein, von welcher die Pflanze diesen Nahrungsstoff empfängt. In dieser Weise häufte und häuft sich das im Regen zugeführte Ammoniak im Boden an, und man sollte deshalb verständigerweise kein Geld für das theuerste aller Düngmittel ausgeben, ehe man sich versichert hat, dass weder phosphorsaurer Kalk für sich oder mit Schwefelsäure aufgeschlossen, oder Asche, oder beide vereinigt, oder Kalk eine Wirkung auf dem Felde, zunächst bei Hackfrüchten, auf welche man Halmgewächse folgen lässt, hervorbringen. Erst wenn dies alles geschehen, ist die Anwendung des Ammoniaks gerechtfertigt.
[435] Man muss übrigens nicht glauben, dass die Ansicht der Verbreiter und Vertheidiger der sogenannten Stickstofftheorie, wonach der Stickstoff oder das Ammoniak der Hauptfactor im Dünger und der Angelpunkt der landwirthschaftlichen Production ist, rein erfunden oder aus der Luft gegriffen sei; diese Ansicht ist vielmehr aus einem verzeihlichen Irrthum hervorgegangen, in den man früher in der Wissenschaft nur allzu oft verfiel, und dem man heute noch darum begegnet.
Es ist ganz richtig, dass man den landwirthschaftlichen Werth der Guanosorten und aller Excremente von Thieren für die Samenproduction sehr genau messen und nach dem gewonnenen Maassstab beurtheilen kann durch ihren Stickstoff- oder Ammoniakgehalt, und es liegt der begangene Fehler wesentlich darin, dass man, auf diese an sich wahren Thatsachen gestützt, die Wirkung dieser Dünger in den Stickstoff hineinlegte, der in dieser Wirkung eine Rolle, aber in den meisten Fällen eine sehr untergeordnete spielt. Es ist dies derselbe Irrthum, welchen Lavoisier und Davy begingen, als der eine den Sauerstoff, der andere den Wasserstoff als das säureerzeugende Princip bezeichnete.
Um dies zu verstehen, muss man sich an die Zusammensetzung der Samen, des Fleisches und derjenigen Pflanzenbestandtheile erinnern, welche zur Bildung des Blutes dienen und welche eine dem Fleisch ähnliche Zusammensetzung besitzen. In allen diesen Stoffen sind die verbrennlichen und unverbrennlichen Bestandtheile des Blutes enthalten. Ein Mensch, der von Brod lebt, nimmt in seinen Leib die Aschenbestandtheile der Samen auf, aus denen das Mehl des Brodes bereitet ist; seine Excremente enthalten die Aschenbestandtheile dieser nämlichen Samen. Aus dem Brod entsteht das Fleisch, und die Excremente der Menschen oder Thiere, die von Fleisch leben, sind ihren Elementen nach identisch mit denen der Menschen oder Thiere, die von Brod oder Samen leben. Brod, Fleisch und Blut enthalten einen stickstoffreichen Stoff, der, in der Nahrung genossen, zur Unterhaltung der Lebensfunctionen oder des Stoffwechsels dient; der Stickstoff dieses Bestandtheils tritt bei dem erwachsenen Thiere täglich in eben der Menge im Harn und in den Fäces wieder aus, in welcher er in der Nahrung genossen wurde.
Die Excremente der Menschen und Thiere enthalten demnach nicht nur die Aschenbestandtheile der Samen, des Fleisches, der Bestandtheile der Wurzeln, Knollen, Kräuter etc., welche Blut und Fleisch im Körper der Thiere gebildet haben, sondern sie enthalten auch den grössten Theil des Stickstoffs dieser Samen, des Fleisches und der fleisch- und blutbildenden Bestandtheile.
Es ist nun durch die genauesten chemischen Analysen (s. S. 1 bis 49, Ergebnisse landwirthschaftlicher und agricultur-chemischer Versuche des Generalcomité’s des landwirthschaftlichen Vereins in Bayern, München, Literarisch-artistische Anstalt, 1857), wie bereits erwähnt, festgestellt worden, dass zwischen der Stickstoffmenge in den Samen und ihrem Gehalt an Phosphorsäure oder phosphorsauren Salzen (zwischen dem Stickstoff und den Aschenbestandtheilen der Samen) ein festes unveränderliches Verhältniss besteht, so zwar, dass man, wenn man den Stickstoffgehalt kennt, aus diesem den Gehalt an Phosphorsäure oder phosphorsauren Salzen berechnen kann.
[436] Das nämliche oder ein sehr nahe gleiches Verhältniss findet sich naturgemäss in den festen oder flüssigen Excrementen; beide zusammen enthalten den Stickstoff und die Aschenbestandtheile des Brodes, Fleisches etc. der verzehrten Nahrung, und man versteht mithin leicht, dass man in ganz ähnlicher Weise aus der Bestimmung des Stickstoffgehalts der Excremente ziemlich genau ihren Gehalt an mineralischen Samen und Fleischbestandtheilen ermitteln könnte.
In der Wirklichkeit ist dieses Verhältniss geändert; der Stickstoff in den Excrementen verwandelt sich in der Fäulniss in Ammoniak, von dem ein Theil durch Verdunstung, ein Theil durch Versickerung der flüssigen Jauche, noch ehe die Fäulniss begonnen hat, mit den vorzüglich wirksamen löslichen Salzen verloren geht (ein Verlust, der durch Zusatz von absorbirenden Erden vermieden werden könnte und sollte). Darum ist der Stickstoffgehalt des Inhalts der Latrinen, der Poudrette, des Stallmistes und des Guano kein richtiges Maass für ihren landwirthschaftlichen Wirkungswerth, der auf ihrem Gehalt an den Bestandtheilen der Samenasche beruht; aber von zwei Guanosorten, die man analysirt, kann man mit ziemlicher Sicherheit diejenige als die reinste ansehen, welche in Procenten das meiste Ammoniak enthält; eine jede Verfälschung vermindert diesen Gehalt; dasselbe gilt von der Poudrette, welche sehr häufig an 50 Procent Sand (Kehrsand) und fremde zur Ernährung der Gewächse unnütze Stoffe enthält, und höchst wahrscheinlich auch vom Stallmist.
Es ist deshalb nicht ungereimt, sondern wohlbegründet, zu sagen, dass der Werth der Guanosorten, der Poudrette und des Stallmistes in einem gewissen Verhältniss zu ihrem Stickstoffgehalt stehe, aber der Schluss, den man daraus gezogen hat: dass ihr ganzer Werth, ihre ganze Wirkung auf die Felder auf diesem Stickstoffgehalt beruhe, dass diese Dünger mithin in der Cultur mit gleichem Erfolg ersetzt und vertreten werden könnten durch Ammoniak und seine Salze, ist keiner Begründung fähig und eine Uebereilung. Wäre ein Landwirth auf die Empfehlung der Verbreiter dieser sogenannten Stickstofftheorie hin so thöricht, seine Felder nur zehn Jahre hinter einander mit Ammoniaksalzen oder Chili- Salpeter zu düngen, und im Vertrauen darauf, dass sie den Stalldünger, die Poudrette, den Guano ersetzen könnten, alle seine Feldfrüchte zu verkaufen, er würde nach diesen zehn Jahren ein Bettler sein; und wenn alle Landwirthe in Deutschland überein kämen, die mineralischen Bestandtheile ihres Mistes ihren Feldern nicht zuzuführen, weil nach den Versicherungen ihrer Lehrer sie daran unerschöpflich sind, so wäre die halbe Bevölkerung Deutschlands nach zehn Jahren verhungert.
Es ist überhaupt eine der niederschlagendsten Erscheinungen in der Landwirthschaft, dass in der Beurtheilung des Werthes eines Düngmittels und seiner Wirkung oft die gebildetsten Männer auf alles Urtheil und den gesunden Menschenverstand verzichten.
Man kann bei der Vergleichung der Wirkung des Guano, Knochenmehls und Chilisalpeters zur Zeit der Ernte oder nach Ablauf eines Jahres nicht einen Strich unter die Rechnung machen und sagen: der Guano oder Chilisalpeter sind bessere Dünger als das Knochenmehl, weil so viele Pfunde mehr Korn mit dem ersten geerntet worden sind als mit den andern. Der gesunde Menschenverstand lehrt, dass man
[437] die Wirkung einzelner Düngmittel nach dem Zustand beurtheilen müsse, in welchem sie das Feld hinterlassen.
Es ist wohl klar, dass wenn nach einer hohen Ernte, die man mit Chilisalpeter in einem Jahre erzielt hat, das Feld im darauf folgenden Jahre eine doppelte Düngung erhalten muss, um den gleichen Ertrag hervorzubringen, man in diesem Fall viel Geld ausgegeben hat, um nichts zu gewinnen; und ich fürchte sehr, dass die Landwirthe, wenn sie eine genaue Rechnung über die Erträge einer Reihe von Jahren und den Düngeraufwand – neben Chilisalpeter – anstellen werden, dass sie für die Ausgabe, die sie für den Chilisalpeter gemacht haben, kaum etwas mehr als eine sehr schöne dunkelgrüne Farbe ihrer Gewächse in der ersten Zeit ihrer Vegetation erzielt haben.
Man kann Guano mit Chilisalpeter und Knochenmehl (oder Phosphorit) in ihrer Wirkung nur der Zeit nach vergleichen. Wenn der Guano, womit man gleichzeitig neben Chilisalpeter ein Stück Feld gedüngt hat, im zweiten Jahre den Kartoffelertrag und im vierten den Kleeertrag sehr bemerklich erhöht, während eine Quantität Chilisalpeter von demselben Geldwerth eine gleiche Erhöhung nicht zur Folge hat, so müssen, wenn man nicht ganz oberflächlich verfahren will, diese Nachwirkungen mit in Anschlag gebracht werden. Und wenn der Ansteller von vergleichenden Versuchen mit Guano und andern Düngmitteln, im Fall der Guano im ersten Jahre die stärkste Wirkung gehabt hat, auf den grössem Stickstoffgehalt im Guano hinweist, und den Schluss daran knüpfen will, dass eben dieses Stickstoffgehalts wegen die Wirkung grösser geworden ist, so muss man ihn fragen: warum er denn nicht mit derselben Ammoniakmenge, die sich im Guano befand, auf einer gleichen Fläche Land ebenfalls einen vergleichenden Versuch angestellt, und in dieser Weise eine Elle sich verschafft hat, um die Wirkung des Ammoniaks im Guano zu messen.
Dies ist bis jetzt von keinem dieser Versuchansteller geschehen, so wie sie denn auch dem Landwirth verschweigen, dass die ausgedehntesten und genauesten Versuche von Lawes, Kuhlmann u. a. darthun: dass ein Pfund Ammoniak im Guano eine fünfmal stärkere Wirkung hat als ein Pfund Ammoniak in der Form eines Ammoniaksalzes. (Die Wirkung des reinen Ammoniaks ist ganz unbekannt.) Es ist einleuchtend, dass die stärkere Wirkung nur daher kommt, weil das Ammoniak im Guano begleitet ist von Materien, welche ebenfalls wirken, und wenn deren Wirkung mindestens viermal grösser ist als die des Ammoniaks für sich, so handelt man doch offenbar weise, wenn man, überall wo man Ammoniak geben kann und geben will, dafür sorgt, dass jene Stoffe dabei sind, damit auch in diesen Fällen seine Wirkung die fünffache sei.
Wenn ein Agriculturchemiker behauptet, dass „er dem Guano hauptsächlich die bestimmte Ueberzeugung von der hohen Wichtigkeit leicht assimilirbarer Stickstoffverbindungen für unsere Landwirthschaft und mittelbar sonach die schönste Errungenschaft seiner agriculturchemischen Thätigkeit verdanke“, so ist das letztere allein richtig, in so fern man – wäre der Guano nicht gewesen – schwerlich von der agriculturchemischen Thätigkeit dieses Mannes in weitern Kreisen etwas erfahren hätte; ein Mann der Wissenschaft sollte sich, um zu schwimmen, nicht an ein Stück
[438] Kork hängen, und wenn es ihn trägt, so sollte er dankbar dafür und nicht stolz darauf sein. Der Guano bedurfte des Korks nicht; er hätte seinen Weg doch gemacht wie die Eisenbahnen, so wie er denn in andern Ländern einen weit grössern Weg zurück gelegt hat als bei uns, ohne irgend die Beihülfe eines Chemikers zu bedürfen. Dinge, welche Geld einbringen, machen ihren Weg von selbst.
Und wenn Agriculturchemiker behaupten, dass das Ammoniak oder die Ammoniaksalze Universalmittel seien für die Weizencultur, oder der saure phosphorsaure Kalk für die Rübengewächse, so beweisen sie eben, dass sie den eigentlichen Kern der landwirthschaftlichen Lehre nicht verstehen.
Von einem jeden Hectare Weizenfeld führt der kornerzeugende Landwirth in einer Mittelernte Korn (2000 Kilogrm.) 70 Pfund mineralische Samenbestandtheile, darunter 34 Pfund Phosphorsäure und 21 Pfund Kali, den Verzehrern in den grossen Städten zu, und von seinem Felde aus; in einem Ochsen von 550 Pfund empfängt die Stadt 183 Pfund Knochen, welche nahe an 120 Pfund phosphorsauren Kalks enthalten, und im Fleisch, in der Haut und den übrigen Theilen des Ochsen 15 Pfund phosphorsaure Salze, identisch mit den Samenbestandtheilen des Roggens[1].
Die jährlichen flüssigen und festen Ausleerungen von einer Million Bewohner grosser Städte (Männer, Frauen und Kinder) wiegen in staubig trockenem Zustande 46 Millionen Pfund; in diesen befinden sich 10,300,000 Pfund Mineralsubstanzen, grossentheils Aschenbestandtheile des Brodes und Fleisches (5 Millionen Pfund Knochen des Schlachtviehes, so wie die Mineralsubstanzen in den Ausleerungen der Pferde etc. ungerechnet). Diese Ausleerungen der Menschen allein enthalten an phosphorsauren Salzen 4,580,000 Pfund.
Der Abfluss dieser Materien von dem Land nach den Städten hat seit Jahrhunderten stattgehabt, und erneuert sich jedes Jahr, und kein Theil derselben ist auf die Felder der Landwirthe, die sie geliefert haben, zurückgekehrt; nur wenige Procente davon werden in den Gärten und den Feldern in den nächsten Umgebungen der Städte benutzt.
Es ist vollkommen thöricht zu glauben, dass der Verlust dieser für die Fruchtbarkeit der Felder so wesentlichen Stoffe keinen Einfluss auf die Erträge derselben gehabt hätte. In der That muss auch der Verblendetste in Schrecken gerathen über die enorme Grösse dieses Verlustes, wenn er die erstaunliche Steigerung der Erträge an Korn und Fleisch in’s Auge fasst, die man erzielt hat, seitdem man durch Anwendung von Guano anfing einen sehr kleinen Bruchtheil der Korn- und Fleischbestandtheile den daran beraubten Feldern wiederzugeben. Ich habe erwähnt, dass die Bestandtheile des Guano identisch sind mit den Bestandtheilen der menschlichen Ausleerungen. In den in Sachsen an sechs verschiedenen Orten für diesen Zweck besonders angestellten lehrreichen Versuchen hat sich herausgestellt, dass ein mit Guano gedüngtes Feld
[439] in drei auf einander folgenden Jahren für 10 Pfund Guano einen Mehrertrag über ein ungedüngtes gleiches Stück von 15 Pfund Weizenkorn, 40 Pfund Kartoffeln und 28 Pfund Klee geliefert hat. Je nach der Beschaffenheit der Felder wechseln diese Mehrerträge von 10 bis 20, in England bis zu 22 und 28 Pfund Korn für 10 Pfund Guano[2].
Ohne einen Fehler zu begehen, kann man demnach annehmen, dass die Einfuhr von einer Million Centner Guano gleichbedeutend ist einer Erhöhung der Production von zwei Millionen Centnern Korn, die man mit dem im Umlauf vorhandenen selbst erzeugten Düngercapital allein nicht hätte produciren können; dieses producirt für sich seinen Theil genau so, wie wenn der Guano nicht mitgewirkt hätte.
Wir haben seit Jahrhunderten den grossen Städten in dem Fleisch und den Feldfrüchten die Bestandtheile des Guano zugeführt, und diesen Guano nicht zurückgebracht, und wir schicken jetzt Schiffe nach Chili, Peru und nach Afrika, und holen uns diesen Guano zurück. Für je 45 Millionen Pfund zahlen wir an das Ausland die Summe von 3 Millionen Gulden.
Unsere Felder haben durch jene Ausfuhr an Fruchtbarkeit verloren; hätten sie dies nicht, wie wäre es denkbar oder nur möglich, dass wir durch die Einfuhr derselben ihre Fruchtbarkeit hätten steigern können!? Ein in der besten Beschaffenheit befindliches Feld darf durch kein Düngmittel in seiner Ertragsfähigkeit gesteigert werden können, und auf gut bewirthschafteten Gütern ist der Mehrertrag durch den Guano darum in der Regel weit geringer als auf schlechten; während er auf den ersteren, so bald sein Preis um etwas höher steigt, keine lohnenden Erträge mehr giebt, werden ihn die schlechten Wirthschaften immer noch, und mit Recht, als ein Mittel preisen, dass ihnen Vortheil gewährt.
In den Jahren 1855–1856 sind über 10 Millionen Centner Guano eingeführt worden, von welchem der grösste Theil in England blieb;
[440] man hat seit einem halben Jahrhundert über 60 Millionen Centner Knochen in England eingeführt, und alles dies ist, auf die Feldfläche Grossbritanniens berechnet, nicht der Rede werth und ein Tropfen gegen das Meer von dem, was man in den Ausleerungen der Menschen durch die Flüsse dem Meere zugeführt hat.
Das was die Landwirthschaft im Ganzen durch den Ankauf fremder Düngmittel von dem Verlust, den die Felder jährlich erleiden, möglicherweise decken kann, ist sehr gering. Im Jahre 1852 betrug der Guanoverbrauch in Sachsen in den Kreisdirectionsbezirken Dresden, Leipzig, Zwickau und Bautzen 60,000 Centner, und es kamen auf 400 Acker Feld (= 55,3 Hectare) 16,9 Centner; dies macht auf den Acker 4⅕ Pfund, oder auf den Hectar 3,82 Kilogrm. In diesen 3,82 Kilogrm. Guano sind (bei den guten Sorten) nicht über 1⅓, Kilogrm. mineralische Samenbestandtheile, von denen man im Korn allein jährlich 35 Kilogrm. vom Hectar hinwegnimmt. Wenn demnach Sachsen in einem Jahre 1,428,000 Centner Guano mit 35 Procent Aschenbestandtheilen (für etwa 5½ Millionen Thaler) einführt, so ist dies nicht mehr, als was allen sächsischen Feldern zusammen genommen in einer einzigen Ernte Korn entzogen worden ist.
Man muss auf diese Zahlen nicht mehr Werth legen als sie verdienen; sie sind genau genug, um darzuthun, dass unsere Felder unberechenbar fruchtbarer sein würden, dass wir jetzt unendlich mehr Nahrung für die Menschen auf eben der Fläche zu ernten vermöchten, dass wir nicht die Hälfte derselben dem Vieh opfern müssten – wenn unsere Voreltern einsichtig und sorgsam den Guano aus den Städten wieder zurückgeholt und ihren Feldern einverleibt hätten, den sie in ihren Feldfrüchten dem Feld entzogen haben.
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[441] Es giebt unter den Gewerbtreibenden keinen, dessen Sinn mehr auf den augenblicklichen und vorübergehenden Gewinn gerichtet ist als der des gewöhnlichen Bauers, obwohl gerade bei diesem das Gegentheil vermuthet werden sollte, keinen, der im industriellen Sinne weniger zu rechnen versteht.
Der kluge Landwirth, welcher den Bauern in seiner Umgegend ihre Kartoffeln abkauft, um Branntwein daraus zu brennen, oder den Reps, um Oel daraus zu schlagen, weiss, dass jede Kartoffelernte von zwei Tagwerken Feld, die ihm der Bauer verkauft, in ihren Rückständen ihm drei Ernten Roggen (Samen) oder eine volle Ernte Reps einbringt; er weiss, dass ein jeder Centner Reps ihm in den Repskuchen zwei Centner Weizenkorn werth ist, und in der Anlage seiner Brennerei oder Oelmühle bringt er diese Vortheile in diesem Zuwachs an den Bedingungen der Fruchtbarkeit seiner Felder in Rechnung.
Der Bauer, der ihm diese Kartoffeln oder den Reps verkauft, weiss, dass der andere diesen Zuwachs für erheblich hält, er selbst hält ihn aber für seine Felder für unerheblich; es fällt ihm gar nicht ein dafür zu sorgen, dass er die Düngerbestandtheile mit Aufopferung eines Theils des empfangenen Silbers für sein Feld zurückhält. Der Repssamenverkäufer sollte, wenn er der Landwirth ist, nur das Oel, der Kartoffelverkäufer den Industriellen nur das Stärkemehl verkaufen, denn nur in dieser Weise erhält sich der Kreislauf.
Der Landwirth veräussert aber nicht blos Korn, er veräussert Kartoffeln, Rüben (zur Zuckerfabrikation), Tabak, Hanf, Flachs, Krapp, Mohn, Reps und Wein.
Indem der korn- und fleischerzeugende Landwirth in seinen Producten nur Phosphorsäure, Alkalien und alkalische Erden ausführt, behält er die Bestandtheile des Strohes und der Futtergewächse auf seinen Feldern zurück, sie wandern in dem Wechsel seiner Gewächse von einem Feld zum andern; der tiefer wurzelnde Klee und die Rüben entziehen sie dem Untergrund, und durch den Mist häufen sie sich fortwährend in der Ackerkrume an. Die Ackerkrume, so wie sein Mist empfangen jährlich einen Zuwachs an löslicher Kieselsäure, an Alkalien und Salzen mit alkalischer Basis; ihr Gehalt an phosphorsauren Salzen nimmt stetig ab.
Man wird hieraus verstehen, warum die Düngung seiner Felder mit eben diesen Stoffen – mit löslicher Kieselsäure, mit Kali und Kalisalzen – auf den Feldern des korn- und fleischerzeugenden Landwirths nicht die allergeringste Wirkung hervorbringt, denn seine Felder enthalten in der Regel einen Ueberschuss davon, der ebenfalls wegen des Mangels an phosphorsauren Salzen keine Wirkung hat. Man wird ferner verstehen, warum der korn- und fleischerzeugende Landwirth auf die Zufuhr von phosphorsauren Salzen, von Guano und Menschenexcrementen einen Werth vorzugsweise, und auf die andern Pflanzennahrungsstoffe so gut wie keinen Werth legt.
Auf solchen Feldern kann die einfache Düngung mit Menschenexcrementen eine unendliche Reihe von Jahren hindurch hohe Kornernten liefern mit oder ohne Mitwirkung von Stalldünger, allein die fortgesetzte Anwendung von Guano erschöpft auch dieses Land. Die
[442] Menschenexcremente enthalten die im Korn und Fleisch entzogenen Bodenbestandtheile vollständig; in dem Guano fehlt es zum vollständigen Ersatz an einer gewissen Menge Kali. Darum nimmt auf kaliarmen (auf Kalk- und Sand-) Feldern nach einer gewissen Zeit seine Wirkung bemerklich ab, und man stellt sie alsdann durch kalireiche Holzasche wieder her.
Ein ganz anderes Verhältniss findet statt bei dem Kartoffel- und Rübenerzeuger, der seine Früchte an den Branntweinbrenner oder Zuckerfabrikanten veräussert.
In dem mittleren Ertrag von 3 Hectaren Feld veräussert der Kartoffelerzeuger die Samenbestandtheile von vier Weizenernten und noch ausserdem über 600 Pfund Kali.
In den Erträgen von 3 Hektaren Feld veräussert der Rübenerzeuger die Samenbestandtheile von vier Weizenernten und 10 Centner Kali. Eine einzige Zuckerfabrik, die zu Waghäusel, bringt jedes Jahr an 200,000 Pfund Kalisalze, welche aus den Melasserückständen gewonnen werden, in den Handel, die von den Feldern der badischen Rübenpflanzer stammen.
Es ist einleuchtend, dass in der Cultur der Kartoffeln und Rüben zwei Ursachen der Erschöpfung auf die Felder einwirken: es wird ihnen in diesen Früchten in jeder Ernte ein Drittel mehr phosphorsaure Salze entzogen als in der Cultur des Weizens, und ausserdem eine enorme Quantität an Kali und Kalisalzen. Rüben und Kartoffelfelder, welche reich an Kali sind, können hiernach durch die einfache Düngung mit Guano oder mit saurem phosphorsaurem Kalk in ihren Erträgen gesteigert werden; da aber der Guano und der Knochendünger das entzogene Kali nicht ersetzen, so tritt für diese Felder nach einer Reihe von Jahren eine um so grössere Erschöpfung ein. Auf andern Rüben- und Kartoffelfeldern (alkaliarmen) besitzt der alkalireiche Stallmist eine den Guano übertreffende Wirkung.
Die Erzeuger von Handelsgewächsen sind in Bezug auf den Ersatz der durch diese den Feldern entzogenen Bedingungen ihrer Fruchtbarkeit in der ungünstigsten Lage. Der Tabakpflanzer führt in den Tabaksblättern eine enorme Quantität von Bodenbestandtheilen aus (im Klee-Heu z. B. nicht über 10 Procent, in den Tabaksblättern 18 bis 24 Procent). Wenn er Futterfelder hat, die ihm den Dünger für seine Tabakspflanzen liefern, so ist er in die Lage eines Landwirths versetzt, der seinen Klee, seine Rüben etc. verkauft, d. h. er kommt in wenigen Jahren an eine Grenze, wo seine Felder keinen Tabak mehr liefern, und er wendet sich, um den ihn nöthigen Ersatz zu erhalten, an seine korn- und fleischerzeugenden Nachbarn, und kauft diesen zu hohen Preisen ihren Klee und ihre Rüben in ihrem Stalldünger ab. Wenn dieser Nachbar auch in der Ueberschätzung seines Ueberflusses an Mist dem Tabakspflanzer davon abgiebt, so kommt er meistens bald von seinem Irrthum zurück, indem er wahrnimmt, dass seine Erträge abnehmen; er wird zunächst gewahr, dass man den Dünger nicht nach seinem Willen erzeugen kann, und dass der Rath: „er solle nur mehr Futter erzeugen, dann werde dass Getreide von selbst kommen,“ ihm nichts nützt; er wird gewahr, dass sein Mist ihm das sechste oder siebente
[443] Korn für sieben, vielleicht für zehn Ernten und darin seinen ganzen Gewinn geliefert hat, den er in seinem Mist im Voraus, auf viele Jahre hinaus, zu einem Schleuderpreis verkauft hat – der Mist ist ihm nicht mehr feil.
Der Tabakspflanzer, welcher anfänglich den Dünger in der Nähe hatte, wendet sich nun an Fleisch- und Körnererzeuger, welche diese Erfahrung, die sein Nachbar machte, erst machen müssen, und so erweitert sich in jedem Jahre sein Raubgebiet, bis er dann zuletzt genöthigt ist, seinen Dünger in den Städten zu holen, und die Elemente, die dem Städtedünger fehlen, auf anderm Wege zu ergänzen.
Ganz dasselbe Verhältniss tritt in Ländern mit ausgedehntem Weinbau ein. Die Weinberge haben in der Regel eine geneigte Lage und keine Ackerkrume; der Boden ist verhältnissmässig unendlich ärmer an Pflanzennahrungsstoffen als die Felder, welche in Ebenen liegen. Der Weinberg erzeugt keinen Dünger; er empfängt bis zu einer gewissen Grenze den ihm noch fehlenden Zuschuss an Nahrung von den Korn- und Futterfeldern der umliegenden Orte, und die Besitzer derselben, wenn sie dazu Gelegenheit haben, rauben ihrerseits den nahen Wald aus.
Durch tiefe Rodungen sucht der Weinbauer seinen armen Boden dem tiefwurzelnden Rebstock aufzuschliessen und zugänglich zu machen, und durch zeitweilige Anpflanzung von Luzerne und Klee, die dem Obergrund mangelnden Bestandtheile darin aufzuhäufen; er führt die verwitterten Trümmer von alkalireichen Gesteinen seinen Weinbergen als Dünger zu, so wie die Ackerkrume von Feldern, die er zu diesem Zweck erwirbt.
Der Weinbau übt hiernach auf die Korn- und Fleischerzeugung einen ähnlichen schädlichen Einfluss aus, wie der Anbau von Tabak und Handelsgewächsen überhaupt; der Erzeuger von Korn und Fleisch raubt nach dem üblichen System sein eigenes Feld, der Erzeuger von Wein und Handelsgewächsen raubt den Korn- und Fleischerzeuger aus, und die grossen Städte verschlingen allmählich, bodenlosen Abgründen gleich, die Bedingungen, der Fruchtbarkeit der grössten Länder.
In dieser Weise erschöpften die Pfälzer und Bergsträsser Weinbauern und Tabakspflanzer die Felder des hessischen und badischen Odenwaldes, und vollendeten den Ruin des an sich armen und verschuldeten Bauers, der dem verlockenden Klange des Silbers, das er für seinen Mist empfing, nicht zu widerstehen vermochte.
In gleicher Weise verschlangen nach einer Reihe von Jahrhunderten die Cloaken der ungeheuren Weltstadt den Wohlstand des römischen Bauers, und als dessen Felder die Mittel zur Ernährung ihrer Bewohner nicht mehr zu liefern vermochten, so versank in diesen Cloaken der Reichthum Siciliens, Sardiniens und der fruchtbaren Küstenländer von Afrika.
Nur da erhielt sich die Fruchtbarkeit der Felder ungeschwächt seit Jahrhunderten, wo eine feldbautreibende Bevölkerung auf einer verhältnissmässig kleinen Fläche zusammengedrängt wohnt, wo der Bürger und Handwerker der kleinen, auf derselben Fläche zerstreuten Städte sein eigenes Stückchen Feld mit seinen Gesellen bebaut.
[444] Wenn auf einer Quadratmeile solchen Landes 2 bis 3000 Menschen wohnen, so ist ein Export von Korn und Fleisch nicht möglich, denn die erzeugten Feldfrüchte reichen nur hin, um diese Bevölkerung zu ernähren; ein Ueberschuss, welcher ausgeführt werden könnte, ist nicht oder nur selten vorhanden. Die Fruchtbarkeit eines solchen Landes erhält sich in dem regelmässigen Kreislauf ihrer Bedingungen. Alle Bodenbestandtheile der verzehrten Producte kehren ohne Verlust auf die Felder zurück, auf denen sie erzeugt worden sind. Nichts davon geht verloren, denn Jeder weiss was er daran verliert, Jeder ist besorgt zu erhalten und zu sammeln.
Denkt man sich dasselbe Land in den Händen von 10 grossen Grundbesitzern, so tritt der Raub an die Stelle des Ersatzes. Der kleine Grundeigenthümer ersetzt dem Felde nahezu vollständig, was er demselben nimmt, der grosse führt Korn und Fleisch den grossen Mittelpunkten des Verbrauchs zu, und verliert darum die Bedingungen ihrer Wiedererzeugung. Nach einer Reihe von Jahren ist dieses Land eine Einöde wie die römische Campagna.
Dies ist der naturgesetzliche Grund der Verarmung der Länder durch die Cultur; es giebt keinen andern; nur die Lehrer unserer modernen Landwirthschaft kennen diesen Grund nicht, und sind mit allen ihren Kräften bemüht, den Ruin des deutschen Feldbaues zu beschleunigen und unwiederherstellbar zu machen. Die fruchtbaren Felder sind, so lehren sie ja, unerschöpflich an den Bedingungen ihrer Fruchtbarkeit, nur an der Peitsche fehlt es, um sie in Bewegung zu setzen. In dem Guano sandte ihnen ein gütiges Geschick einen Rettungsanker in ihrer Noth, die sie durch ihre Lehre selbst verschuldet, und in ihrer unglückseligen Hand wird diese Hülfe zu einem Mittel, um in dem Verlauf der Zeit die Verarmung noch vollständiger zu machen. Aber auch diese Hülfe wird versiegen, und was dann?
So weit sind wir noch nicht, meinen Alle, welche bis jetzt noch reiche Felder und gesegnete Ernten gehabt haben, und so weit sind wir noch nicht, sagte jener Räuber, der sich bessern sollte, bis ihm der Strick um den Hals gelegt war. So weit wird es denn auch kommen müssen! Landwirthschaftliche Erfahrung mag es sein, aber Wissenschaft ist es nicht.
- ↑ In der Stadt München wurden im Jahre 1855/56 an Kühen und Ochsen 16,301 Stück geschlachtet, welche, im Mittel zu 5 Centner gerechnet, 8,150,500 Pfund wogen; hierzu kommen an Kälbern, Schweinen und Schafen 66,786 Stück zu 70 Pfund Mittelgewicht, 5,675,020 Pfund. In diesen Zahlen sind die auf der Freibank, von den Wirthen und Köchen geschlachteten Thiere nicht einbegriffen.
- ↑ „Von den Orten, wo das Korn erzeugt wird, ist in den Vereinigten Staaten der Markt hundert und tausend von Meilen entfernt und die Folgen geben sich in der Thatsache zu erkennen, dass der Boden beinahe überall erschöpft ist, dass der Wohlstand anstatt zuzunehmen, abnimmt.
„In welchem Verhältnisse derselbe sich vermindert, ist kürzlich durch einen ausgezeichneten Landwirth gezeigt worden, durch welchen wir erfahren:
„dass die Phosphorsäure und das Kali, welches jährlich den Feldern genommen wird ohne einen bemerkenswerthen Ersatz, nach dem gewöhnlichen Marktpreis einen Werth von zwanzig Millionen Dollar hat;
dass die Aschenbestandtheile von 600 Millionen Bushel Korn jährlich dem Boden genommen werden, ohne bemerkenswerthen Ersatz;
dass die ganze jährliche Verschwendung an den Mineralbestandtheilen des Korns gleich ist „fünfzehnhundert Millionen Bushel Korn.“
„Vorauszusetzen, sagt der Urheber dieser Schätzungen, dass dieser Stand der Dinge von Dauer und wir als Nation an Wohlstand zunehmen könnten, ist einfach lächerlich (ridiculous). Es ist blos eine Zeitfrage, und die Zeit wird das Problem in unverkennbarer Weise lösen: Was wir mit unserer Bodenschlächterei und Verschwendung verlieren, ist die Essenz unserer Lebensfähigkeit.
„Unser Land ist noch nicht schwach geworden durch diesen Verlust seines Lebensblutes, aber die Stunde ist bezeichnet, wo, wenn unser gegenwärtiges System dauert, das letzte Zucken des Herzens der Nation aufhören wird, wo Amerika, Griechenland und Rom zusammen stehen werden unter den Ruinen der Vergangenheit.
„Die national-ökonomische Frage ist nicht, wie viel wir zu produciren vermögen, sondern wie viel von unseren jährlichen Producten dem Boden wieder gegeben wird. Arbeit zum Raube des Bodens verwendet ist schlimmer als hinweggeworfene Arbeit. In dem letztern Falle ist sie ein Verlust für die gegenwärtige Generation, im andern ist die Armuth die Erbschaft der Nachkommen.
„Verschwendung, Herr Präsident, ist ein Verbrechen, welches seine Strafe in dem natürlichen, moralischen und politischen Verfall findet, auf welchen ich Ihre Aufmerksamkeit gelenkt habe. – Seine Wirkungen zeigen die Thatsachen, dass in Newyork vor 80 Jahren 25 bis 30 Bushel Weizen der gewöhnliche Ernteertrag waren; er ist jetzt 12, der Mais giebt nur 25 Bushel. In Ohio, einem Staate, welcher vor 80 Jahren noch eine Wildniss war, ist der Mittelertrag von Weizen weniger als 12 Bushel und er nimmt ab, anstatt zuzunehmen. In Virginien, auf einem weiten Landstrich, einst der reichste im Staate, ist der Mittelertrag von Weizen weniger als sieben Bushel, während in Nord-Carolina Land bebaut wird, welches wenig mehr als diesen Ertrag an Mais giebt. In Virginien und Kentucky wurde Tabak gebaut bis der Boden gänzlich erschöpft war und verlassen werden musste, und in den Baumwollengegenden begegnen wir einem Zustand der Erschöpfung, welche durch die kurze Zeit, in welcher sie geschehen, ohne Beispiel in der Welt ist. Die Leute, welche Baumwolle und Tabak bauen, leben von ihrem Capital, sie verkaufen ihren fruchtbaren Boden in ihren Producten zu einem so niedern Preise, dass sie für jeden Dollar den Werth von fünf zerstören.“
(Letters to the President on the foreign and domestic Policy of the Union and the effects as exhibited in the condition of the people and the State. By H. C. Carey. Philadelphia, J. B. Lippincolt & Co. 1857. Tenth letter, p. 54.)
WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt