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aus: Chemische Briefe
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von: Justus von Liebig
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Dreissigster Brief.


Die Nahrung aller Thiere enthält neben den plastischen Bestandtheilen, aus denen das Blut und die organischen Gebilde entstehen, stets und unter allen Umständen eine gewisse Menge stickstoff- und schwefelfreier Substanzen.

Das Fleisch, welches das fleischfressende Thier verzehrt, enthält eine gewisse Menge Fett; die Milch enthält Fett (in der Butter) und neben diesem einen leicht krystallisirbaren Körper, den Milchzucker, welcher aus den süssen Molken beim Abdampfen erhalten wird. Die Nahrung der pflanzenfressenden Thiere enthält stets eine dem Milchzucker in seinem chemischen Verhalten ähnliche oder verwandte Substanz.

Die Eigenschaften des Milchzuckers als eines Bestandtheiles der Milch und eines Productes des thierischen Lebensprocesses sind von besonderem Interesse; bis jetzt ist der Milchzucker nur in der Milch und nach neueren Untersuchungen auch in den Hühnereiern, wiewohl nur in geringer Menge, aufgefunden worden.

Der Milchzucker kommt im Handel in oft zolldicken krystallinischen Krusten vor, welche gewöhnlich wegen mangelnder Sorgfalt und Reinlichkeit bei seiner Darstellung gelblich, oft gelbbraun und von schmutzigem Ansehen sind. Durch eine neue Krystallisation erhält man denselben, namentlich bei Anwendung von Kohle zum Entfärben der Lösung,

[245] blendend weiss, in harten, zwischen den Zähnen krachenden, durchscheinenden, vierseitigen, mit vier Flächen zugespitzten Prismen.

Der krystallisirte Milchzucker löst sich in 5 bis 6 Theilen kaltem Wasser, ohne einen Syrup zu bilden; die Krystalle auf die Zunge gebracht, besitzen einen schwach süssen Geschmack; in der Lösung ist derselbe etwas hervorstechender. Durch den Milchzucker empfängt die Milch die Eigenschaft, in gelinder Wärme sich selbst überlassen, in Gährung überzugehen. Die gegohrene Milch liefert durch Destillation einen wahren (sehr übel nach Buttersäure und faulem Käse riechenden) Branntwein, welcher, aus Pferdemilch bereitet, in der Tartarei und in dem Lande der Kirgisen und Kalmuken ganz allgemein im Gebrauch ist. Die Leichtigkeit, mit welcher der Milchzucker in Milchsäure übergeht (siehe den 18. Brief), ist von dem Sauerwerden der Milch Jedermann bekannt.

Ausgezeichnet ist die Fähigkeit des Milchzuckers, bei Gegenwart von Alkalien Sauerstoff aufzunehmen. Macht man eine Auflösung von Milchzucker durch Zusatz von Ammoniak alkalisch und setzt alsdann ein Silbersalz hinzu, so wird bei gelindem Erwärmen das Silberoxyd reducirt und das Silber auf dem Glase in Gestalt eines spiegelnden Ueberzugs, oder in grauen Flocken niedergeschlagen. Eine mit Kalilauge versetzte Lösung von Milchzucker löst Kupferoxyd mit einer schönen blauen Farbe auf; diese Mischung wird in der Wärme roth, indem sich alles Kupfer als Kupferoxyd abscheidet; in beiden Fällen wird der Sauerstoff des Silberoxydes ganz, der des Kupferoxyds zur Hälfte von den Bestandtheilen des Milchzuckers aufgenommen.

Eine alkalische Lösung von Milchzucker löst Eisenoxyd und andere Metalloxyde auf, in Berührung damit wird blauer Indigo entfärbt; er löst sich darin zu einer wahren Indigküpe auf.

Durch den Einfluss vieler Fermente und besonders leicht bei Gegenwart von Kalk, wird die aus dem Milchzucker entstehende Milchsäure in Buttersäure, welche zu der Gruppe der fetten Säuren gehört, übergeführt; durch Oxydation mittelst Salpetersäure liefert der Milchzucker Kohlensäure, Oxalsäure und Schleimsäure; setzt man zu einer Auflösung von Milchzucker in Wasser etwas Schwefelsäure, so verwandelt sich derselbe sehr rasch und schnell in Traubenzucker.

Der krystallisirte Milchzucker enthält Kohlenstoff und die Elemente des Wassers, Sauerstoff und Wasserstoff, in einem solchen Verhältniss, dass, wenn wir uns den Wasserstoff desselben durch dessen Aequivalente Sauerstoff ersetzt denken, wir gerade Kohlensäure erhalten.

Die süssschmeckenden Früchte und Pflanzensäfte verdanken ihren Geschmack drei Zuckerarten, von welchen zwei krystallisirbar sind, während die dritte immer weich oder von syrupähnlicher Beschaffenheit ist. Die letztere ist ein Bestandtheil der meisten Früchte (Mitscherlich). Die Runkelrüben und Möhren enthalten dieselbe Zuckerart wie der Saft des Zuckerrohrs, der Honig enthält den nämlichen Zucker wie die Weintrauben. Von diesen Zuckerarten ist der Traubenzucker in seinem Verhalten und seiner Zusammensetzung dem Milchzucker am ähnlichsten; in trockenem Zustande enthält er die nämlichen Elemente in demselben Verhältnisse wie dieser; in Beziehung auf seine Fähigkeit, in Milchsäure und Buttersäure überzugehen, und in seinem Verhalten gegen Metalloxyde,

[246] Silberoxyd, Kupferoxyd, Eisenoxyd und Indigo ist er dem Milchzucker völlig gleich.

Der Rohrzucker unterscheidet sich von dem Milchzucker und Traubenzucker in seiner Zusammensetzung durch die Elemente von einem Wasseratom, welche die letzteren mehr enthalten, aber durch Berührung mit Fermenten oder Säuren geht derselbe, indem das fehlende Wasseratom in seine Zusammensetzung eintritt, mit grosser Leichtigkeit in Traubenzucker über.

Die in dem Pflanzenreich verbreitetste und in der Nahrung der Pflanzenfresser am häufigsten vorkommende Substanz, welche in dem Ernährungsprocess die wichtige Rolle des Milchzuckers übernimmt, ist das Amylon oder Stärkmehl, welches in seinen Eigenschaften demselben am unähnlichsten zu sein scheint.

Das Stärkmehl ist in den Samen der Getreidepflanzen und Leguminosen, in Wurzeln und Knollen, im Holze in rundlichen Körnchen abgelagert und kann nach dem Zerreissen der Zellen, in denen es eingeschlossen ist, durch Auswaschen mit Wasser leicht erhalten werden. Zerreibt man Kartoffeln, oder unreife Aepfel, oder Birnen, Kastanien, Eicheln, Rettig, Pfeilwurzel, das Mark der Sagopalme und wäscht den Brei auf einem feinen Siebe mit Wasser aus, so setzt sich aus der weisslich trübe ablaufenden Flüssigkeit Stärkmehl in Gestalt eines blendend weissen sehr feinen Pulvers ab; in dem Handel kommt das Stärkmehl in verschiedenen Formen vor: die feinste Weizenstärke ist unter dem Namen Puder bekannt; der Sago, das gekörnte und in der Hitze getrocknete und etwas zusammengebackene Stärkmehl der Sagopalme, Arrow-root, das Stärkmehl der Pfeilwurzel, Mandiocca, das Stärkmehl der Jatropha Manihot (welche drei letzteren auf dem Continente meistens aus Kartoffelstärkmehl bestehen). Alle Arten Stärkmehl haben einerlei Zusammensetzung und zeigen ein gleiches chemisches Verhalten. Bis auf das eigenthümliche Stärkmehl in der Alantwurzel (Inula Helenium), der Georginenknollen und vieler Flechten geben die anderen mit heissem Wasser einen mehr oder weniger flüssigen oder gallertartigen Kleister, welcher durch Jodlösungen eine prächtig indigblaue Farbe annimmt.

Es ist im 18. Brief bereits erwähnt worden, dass das Stärkmehl durch den Einfluss des Getreideklebers beim Keimen des Getreides, oder durch Schwefelsäure in Traubenzucker übergeführt wird.

In einem warmen Auszug von Gerstenmalz wird der Stärkekleister sogleich flüssig, es entsteht im Anfang eine dem Gummi ähnliche Substanz, bekannt unter dem Namen Stärkegummi oder Dextrin, welche bei längerer Einwirkung des Malzauszugs vollständig in Traubenzucker übergeführt wird. Eine ganz ähnliche Wirkung auf das Stärkmehl besitzt der lufthaltige Speichel. Eine Mischung von Speichel mit Stärkekleister, der Temperatur des menschlichen Körpers ausgesetzt, wird flüssiger und süss; durch eine entsprechende Menge Speichel kann alles Stärkmehl in Traubenzucker übergeführt werden.

Die Verschiedenheit des Stärkmehls und Milchzuckers in ihrer äusseren Form oder Beschaffenheit wird, wie man hiernach leicht versteht, in dem Verdauungsprocess beinahe ganz aufgehoben. Die Natur selbst hat

[247] die Einrichtung getroffen, dass während des Kauens der stärkmehlhaltigen Nahrung eine Materie beigemischt wird, durch deren Wirkung in dem Magen das Stärkmehl in eine dem Milchzucker in ihrer Zusammensetzung und Haupteigenschaften nach gleiche Substanz übergeht.

Die Menge von Stärkmehl in dem Mehl der Getreidearten, der Erbsen, Bohnen und Linsen und der Kartoffeln ist sehr beträchtlich. Das Weizen- und Roggenmehl enthält 60 bis 66, die Gerste und Linsen 40 bis 50, das Maismehl bis 78, der Reis bis 86 Procent, die Kartoffeln (trocken) über 70 Procent Stärkmehl.

Das Fett der Butter und des Fleisches enthält Kohlenstoff und Wasserstoff sehr nahe in dem Verhältniss wie das Stärkmehl und die Zuckerarten, die letzteren unterscheiden sich von dem Fett hauptsächlich nur durch eine grössere Menge Sauerstoff; auf dieselbe Menge Kohlenstoff enthält das Fett beinahe zehnmal weniger Sauerstoff; es ist deshalb leicht durch Hinzurechnung von Sauerstoff eine gegebene Menge Fett in Stärkmehl zu berechnen, und man findet in dieser Weise, dass 10 Theile Fett 24 Theilen Stärkmehl entsprechen. In ähnlicher Weise kann man durch Abrechnung von Wasser den Milchzucker in Stärkmehl ausdrücken, und mit Hülfe dieser Zurückführung der stickstofffreien Bestandtheile der Nahrungsmittel auf gleiche Werthe Amylon lassen sich jetzt leicht die wichtigsten Nahrungsmittel in Beziehung auf das Verhältniss an plastischen und den anderen stickstofffreien Bestandtheilen mit einander vergleichen.

Gewichts-Verhältniss
der plastischen zu den stickstofffreien Bestandtheilen der Nahrungsmittel.
plastische. stickstofffreie.
Die Kuhmilch enthält auf 10: 30 = 8,8
10,4
Fett
Milchzucker
Die Frauenmilch " " 10: 40
Die Linsen " " 10: 21
Die Pferdebohnen " " 10: 22
Die Erbsen " " 10: 23
Das Schaffleisch gemästet " " 10: 27 = 11,25 Fett
Das Schweinefleisch gemästet " " 10: 30 = 12,5    "
Das Ochsenfleisch " " 10: 17 = 7,08   "
Das Hasenfleisch " " 10: 2 = 0,83   "
Das Kalbfleisch " " 10: 1 = 0,41   "
Das Weizenmehl " " 10: 46
Das Hafermehl " " 10: 50
Das Roggenmehl " " 10: 57
Die Gerste " " 10: 57
Kartoffeln weisse " " 10: 86
Kartoffeln blaue " " 10: 115
Der Reis " " 10: 123
Das Buchweizenmehl " " 10: 130

Das relative Verhältniss des plastischen Bestandtheils der Milch zu ihrem Gehalt an Butter und Milchzucker, das Verhältniss des blutbildenden Stoffes im Fleisch zu dessen Fettgehalt, so wie das des plastischen Bestandtheils der Getreidearten, der Kartoffeln, der Samen der Leguminosen zu ihrem Gehalte an Stärkmehl ist nicht constant; diese Verhältnisse wechseln in der Milch mit der Nahrung, das eigentlich fette Fleisch enthält mehr, was man mageres Fleisch nennt enthält weniger

[248] Fett, und es zeigt der Unterschied in den beiden Kartoffelsorten, wie gross die Abweichungen der verschiedenen Spielarten derselben Pflanze sind. Man kann diese Zahlen aber als Mittelzahlen betrachten, welche zwischen den äussersten Grenzen liegen. Als constant kann man annehmen, dass die Erbsen, Bohnen, Linsen auf 1 Gewichtstheil plastischen Stoff zwischen 2 bis 3 Gewichtstheile stickstofffreie Substanzen, die Getreidearten der Weizen, Roggen, die Gerste, der Hafer zwischen 5 bis 6, die Kartoffeln zwischen 8 und 11, der Reis und das Buchweizenmehl 12 bis 13 Gewichtstheile an den letzteren Bestandtheilen enthalten; unter allen Nahrungsmitteln ist das magere Fleisch der Thiere verhältnissmässig am reichsten an plastischen Bestandtheilen. Von den anderen nicht organischen Bestandtheilen abgesehen, enthalten im getrockneten Zustande z. B. 17 Theile Ochsenfleisch eben so viel plastische Bestandtheile wie 56 Gewichtstheile Weizenmehl oder wie 67 Roggenmehl, oder 96 Kartoffeln oder 133 Reis.

Bei der Vergleichung dieser Nahrungsmittel hat man zu berücksichtigen, dass sie im natürlichen Zustande eine gewisse Menge Wasser enthalten, welches mit in Rechnung gebracht werden muss; 17 Gewichtstheile trockenes Ochsenfleisch, wobei 7,08 Fett, enthalten im natürlichen Zustande 32 Gewichtstheile Wasser; mit diesem Wassergehalt entsprechen 49 Gewichtstheile frisches Fleisch 66 Theilen Weizenmehl (von 15 Procent Wassergehalt).

Es ist einleuchtend, dass wir durch Mischung dieser Nahrungsmittel eine der Milch oder dem Weizenbrode ähnliche Zusammensetzung hervorbringen können; durch Zusatz von Speck oder fettem Schweinefleisch zu Erbsen, Linsen oder Bohnen, oder von Kartoffeln zum Ochsenfleisch, von fettem Schinken zum Kalbfleisch, von Reis zum Hammelfleisch vergrössern wir ihren Gehalt an stickstofffreien Materien. Ganz dasselbe geschieht durch geistige Getränke, welche mit magerem Fleisch und wenig Brod genossen eine der Milch, mit fettem Fleisch eine dem Reis oder den Kartoffeln in Beziehung auf das Verhältniss stickstofffreier und plastischer Bestandtheile ähnliche Mischung geben.

Es bedarf kaum mehr als einer Hindeutung auf diese Verhältnisse, um sogleich zu der Ueberzeugung zu gelangen, dass der Mensch in der Wahl seiner Speise (wenn ihm seine Verhältnisse eine Wahl gestatten) und ihrer Mischung von einem untrüglichen Instincte geleitet wird, welcher auf einem Naturgesetze beruht.

Dieses Naturgesetz schreibt dem Menschen wie dem Thiere feste, aber nach seiner Lebensweise und seinem körperlichen Zustande wechselnde Verhältnisse von plastischen und stickstofffreien Bestandtheilen in seiner Nahrung vor, welche dem Instinctgesetz und der Natur entgegen durch Zwang und Noth geändert werden können; aber dies kann nicht geschehen, ohne die Gesundheit, die körperlichen und geistigen Thätigkeiten des Menschen zu gefährden.

Die Wissenschaft hat den erhabenen Beruf, dieses Naturgesetz zum Bewusstsein zu bringen, sie soll zeigen, warum der Mensch und das Thier für seine Lebensfunctionen eine solche Mischung in den Bestandtheilen seiner Nahrung bedarf und welches die Einflüsse sind, welche eine Aenderung in dieser Mischung naturgesetzlich bestimmen.

[249] Die Bekanntschaft mit diesem Gesetz erhebt den Menschen in Beziehung auf eine Hauptverrichtung, die er mit dem Thiere gemein hat, über die vernunftlosen Wesen, und gewährt ihm in der Regelung seiner leiblichen, sein Bestehen und seine Fortdauer bedingenden Bedürfnisse, einen Schutz, den das Thier nicht bedarf, weil in diesem die Vorschriften des Instinctgesetzes weder durch Sinnenreiz noch durch einen widerstrebenden verkehrten Willen beherrscht werden.

Die Frage nach den letzten Gründen, worauf dieses Instinctgesetz beruht, welches Menschen und Thiere nöthigt, neben den plastischen Materien, aus denen sich ihre Organe erzeugen, gewisse stickstofffreie Substanzen zu geniessen, welche durch ihre Elemente an der Bildung dieser Organe keinen Antheil nehmen, so wie nach der Rolle, welche diese Materien in dem Lebensprocess spielen, beantwortet sich leicht, wenn wir die Bestandtheile des Körpers mit denen der Nahrung vergleichen, und diese letzteren als die Ursachen oder Bedingungen der Wirkungen betrachten, die sie im lebendigen Leibe hervorbringen.

Ein arbeitendes Pferd verzehrt im Jahre 5475 Pfund Heu und 1642 Pfund Hafer[1], ein ausgewachsenes Schwein von 120 Pfund in derselben Zeit 5110 Pfund Kartoffeln[2]. Von dieser ganzen ungeheuren Quantität von Nahrung, welche bei dem Schweine über 40mal mehr als sein Körpergewicht beträgt, nimmt der Körper dieser Thiere am Ende des Jahres an Gewicht entweder nicht zu, oder wenn sie schwerer werden, so macht die Zunahme ihres Körpergewichts einen geringen Bruchtheil von dem Gewichte ihres Futters aus.

In gleicher Weise verhält es sich mit der Speise des Menschen. In einem erwachsenen Menschen, dessen Körpergewicht sich am Ende des Jahres nicht bemerklich ändert, ist das Verhältniss aller seiner Theile und ihrer Zusammensetzung dasselbe wie am Anfang des Jahres. Die ganze Menge von Speise und Trank, die er in 365 Tagen zu sich nahm, ist nicht dazu verwendet worden, um seine Körpermasse zu vermehren, sondern sie hat dazu gedient, um eine Reihe von Wirkungen hervorzubringen.

Die 14 Pfund Kartoffeln, welche das Schwein täglich verzehrte, erzeugten in dessen Leib eine gewisse Quantität von mechanischer Kraft, wodurch die Bewegung seines Blutes, seiner Säfte und Glieder vermittelt wurde, ihre Bestandtheile haben dazu gedient, um den Mechanismus im Gange zu erhalten.

Eine ganz ähnliche Wirkung brachten die 14 Pfund Heu und 4½ Pfund Hafer, welche das Pferd täglich verzehrte, in seinem Leibe hervor, mit dem Unterschiede jedoch, dass diese Futtermenge dem Pferde das Vermögen gab, eine gewisse Quantität von mechanischer Kraft nach aussen hin zu verwenden. Diese Futtermenge erzeugte in seinem Organismus einen Ueberschuss an Kraft, wodurch seine Glieder die Fähigkeit empfingen, ohne seine Gesundheit zu gefährden, eine gewisse Summe von Widerständen zu überwinden, d. h. ein gewisses Maass von Arbeit zu verrichten.

[250] In dem Leibe des Menschen brachte das Brod, Fleisch und Gemüse eine gleiche Wirkung wie in dem Pferde hervor, aber neben der mechanischen Kraft, welche die Bewegung seiner inneren Organe und seiner Glieder in der Arbeit bedingte, erzeugte die genossene Speise noch eine gewisse Summe von Wirkungen, die sich als Sinnes- oder Geistesthätigkeiten offenbaren.

Wir wissen, dass bei Enthaltung von Nahrung der Körper des Menschen und aller Thiere in jeder Secunde ihres Lebens an Gewicht abnimmt, dass die Abnahme oder das Schwinden seiner wichtigsten Organe in einer gegebenen Zeit im Verhältniss steht zu den durch seine Organe oder Glieder in eben dieser Zeit hervorgebrachten Kraft-Wirkungen, dass durch die Speise das Körpergewicht und das Vermögen, neue Kraftwirkungen hervorzubringen, wieder hergestellt wird, dass im Zustand der Ruhe der Mensch oder das Thier weniger Speise bedarf als im Zustand der Bewegung und Arbeit, und dass es nicht gleichgiltig ist, von welcher Beschaffenheit die Speise sei, welche der Mensch oder das Thier täglich geniessen muss, um die Fähigkeit ungeschmälert wieder zu erlangen, den darauf folgenden Tag die nämliche Arbeit wie am vorhergegangenen zu verrichten, oder die nämlichen Wirkungen durch sein Nervensystem hervorzubringen.

Unzählige seit Jahrtausenden gemachte Erfahrungen haben unzweifelhaft festgestellt, dass die Speisen in Beziehung auf die Erzeugung und Wiederherstellung aller dieser Thätigkeiten höchst ungleich sind, dass das Weizenbrod das Roggenbrod, dieses die Kartoffeln und den Reis, dass das Fleisch der Thiere alle übrigen Nahrungsmittel in Hinsicht auf diese Wirkungen übertrifft, sie haben dargethan, dass ein Pferd, mit Kartoffeln ernährt, nicht entfernt die Arbeit verrichten kann, wie bei Heu- und Hafer-Fütterung, und dass zuletzt die täglich verwendbare Arbeitskraft eines Menschen gemessen werden kann durch die Quantität der plastischen Bestandtheile, die er im Brod und Fleisch geniesst [3].

Es ist augenscheinlich, die plastischen Bestandtheile der Nahrung sind die nächsten Bedingungen der Krafterzeugung im Organismus und aller seiner sinnlichen und geistigen Thätigkeiten.

Wir verstehen diese Wirkungen, wenn wir beachten, dass alle Bewegungserscheinungen im Thierorganismus, alle Wirkungen, die er durch sein Gehirn oder seine Glieder hervorbringt, bedingt oder abhängig sind von den geformten Bestandtheilen desselben, dass die formlosen, wie Wasser und Fett, keine vitalen Eigenschaften besitzen, dass sie ihren Ort oder Lage durch eine in ihnen selbst wirkende Ursache nicht zu ändern vermögen.

[251] Wenn aber die in dem Körper eines Menschen oder Thieres erzeugbaren Wirkungen, welche durch die Werkzeuge seiner Sinne, durch sein Gehirn, oder durch die Organe der willkürlichen und unwillkürlichen Bewegung vermittelt werden, von der Anzahl oder Masse ihrer geformten Theile abhängig sind, so ist einleuchtend, dass die Grösse oder die Dauer dieser Wirkungen im Verhältniss stehen muss zu der Masse der einzelnen Theile, woraus die Organe bestehen; die Wirkungen des Gehirns müssen in Verhältniss stehen zu der Masse des Gehirns, die mechanischen Wirkungen zu der Masse der Muskelsubstanz.

Mit der Abnahme des mechanischen Apparates der Krafterzeugung und Kraftäusserung, mit dem Schwinden der Substanz der Muskeln und Nerven nimmt die Fähigkeit ab, mit der Erneuerung und Wiederherstellung der geformten Körpertheile in dem Ernährungsprocess wird die Fähigkeit, die nämlichen Kraftwirkungen zum wiederholten Male hervorzubringen, wieder hergestellt.

Alle die geformten, Kräfte äussernden Körpertheile stammen von dem Albumin des Blutes, alles Blutalbumin stammt von den plastischen Bestandtheilen der animalischen oder vegetabilischen Nahrung; es ist klar, die plastischen Bestandtheile der Nahrung, welche in letzter Quelle die Pflanze schafft, sind die Bedinger aller Krafterzeugung, aller Kraftäusserungen, aller Wirkungen, welche der thierische Organismus durch seine Sinne oder seine Glieder hervorbringt.

Ein neuer, wundervoller Zusammenhang erschliesst sich dem menschlichen Geiste in diesem Verhältniss der Abhängigkeit des Thieres von der Pflanze.

Die Pflanzen, welche den Thieren zur Nahrung dienen, sind die Erzeuger der plastischen Nahrungsstoffe und damit die Sammler der Kraft; in der Ruhe und im Schlaf kehrt das Thier in den Zustand der Pflanze zurück, die formlosen Bestandtheile seines Blutes werden zu geformten Theilen seiner Gebilde, und indem diese in formlose oder in unorganische Verbindungen zerfallen, kommt die in ihnen aufgespeicherte Kraft in den mannichfaltigsten Wirkungen zur Verwendung: der galvanischen Säule gleich, deren Eigenthümlichkeiten durch eine gewisse Anordnung ihrer Elemente bedingt sind, und die sich selbst in neuen magnetischen, elektrischen und chemischen Wirkungen verzehrt.

Die Beziehungen der plastischen Bestandtheile der Nahrung zu dem Lebensprocess im Thiere scheinen somit erklärt zu sein; indem durch sie das ursprüngliche Gewicht der verbrauchten und ausgetretenen geformten Körpertheile wieder hergestellt wurde, vermittelten sie die Fortdauer aller lebendigen Thätigkeiten.

Ein Pferd, das mit Kartoffeln ernährt und zur Arbeit genöthigt wird, nimmt an Gewicht ab; ohne Arbeit bleibt sein Körpergewicht unverändert; es ist klar, die Arbeit war ein Verbrauch von Körpertheilen, und die in der ganzen Menge der verzehrten Kartoffeln vorhandenen plastischen Bestandtheile reichten zu deren Wiedererzeugung nicht hin; es ward mehr verbraucht, als durch die genossene Nahrung ersetzt war, daher die Abmagerung und Schwäche.

Das Pferd hingegen, welches zu seiner Nahrung eine reichliche Menge Heu und Hafer empfing, konnte eine gewisse Summe von Arbeit

[252] verrichten, ohne dass den darauf folgenden Tag eine Abnahme an seinem Körpergewicht wahrnehmbar ist; wenn es im Zustande der Ruhe die nämliche Menge Futter empfängt, so wird es schwerer, es nimmt bis zu einer gewissen Grenze an seinem Körpergewicht zu; es ist klar, durch das genossene Futter wurde in dem Leibe des Pferdes eine gewisse Summe von Kraft erzeugt, welche zur Ueberwindung von äusseren Widerständen oder in dem Leibe selbst verwendbar war. Wurde diese Kraft zur Arbeit verbraucht, so blieb sich sein Körpergewicht gleich; wurde sie in dem Organismus zu vitalen Zwecken verwendet, so nahm dieser in allen seinen Theilen an Masse zu.

Es ergiebt sich hieraus, dass die Arbeitskraft eines Thieres in einem bestimmten Verhältniss steht zu dem Ueberschuss an Futter, der im Zustand der Ruhe sein Körpergewicht vermehrt.

Wenn wir das ewige, unwandelbar feste Naturgesetz nicht falsch interpretiren, so kann das Verhältniss der plastischen Nahrung, welche der arbeitende Mensch täglich bedarf, nicht geringer sein als das, welches die Natur selbst für die Entwickelung des menschlichen Körpers und für dessen Zunahme in allen seinen Theilen zubereitet, es ist das Verhältniss, wie wir es in der Frauenmilch finden. Die Nahrung des arbeitenden Menschen sollte demnach auf vier Gewichtstheile der nicht stickstoffhaltigen Substanzen einen Gewichtstheil plastischen Nahrungsstoff enthalten.

Dies will natürlich nichts anderes sagen, als was man weiss, seit die Welt und in der Welt die Menschen bestehen, dass das Individuum nämlich, wenn es das Maass von Arbeit verrichten soll, welches es den Bedingungen gemäss, die in seinem Organismus liegen, verrichten kann, dem Brode eine gewisse Quantität von Fleisch zusetzen muss, dass das Verhältniss der plastischen Bestandtheile in der Nahrung zu den anderen nach der Beschaffenheit seines Körpers zunehmen muss, wenn er mehr als die mittlere Arbeitskraft verwendet, dass er im Zustand der Ruhe ein kleineres Verhältniss an plastischem Nahrungsstoff bedarf.[4]

Es folgt hieraus ferner, dass dem Kinde, welches die Wohlthat entbehrt, die ihm nöthige Nahrung von seiner Mutter zu empfangen, wenn es mit Kuhmilch ernährt wird, die ein grösseres Verhältniss an plastischer Nahrung enthält, dass dieser Kuhmilch Milchzucker (Zucker), oder feinem Mehlbrei Kuhmilch zugesetzt werden muss, wie dies die Erfahrung längst gelehrt hat, um die gleiche Wirkung wie die Muttermilch in seinem Leibe hervorzubringen.

Es folgt daraus ferner, was ebenfalls alle Welt weiss, dass, wenn das Kind, oder der Mensch im jugendlichen Alter, durch äussere Verhältnisse genöthigt wird, einen Theil der in seinem Leibe erzeugbaren Kraft nach aussen hin in der Arbeit zu verwenden, und dieser Mehrverbrauch an Kraft nicht ersetzt wird durch angemessene Nahrung oder nicht ersetzbar ist, weil sein Körper nur ein gewisses Quantum von Speise verdauen kann, so muss seine körperliche Entwickelung gestört und aufgehalten werden.

[253] Die bewunderungswürdigen Versuche von Boussingault zeigen, dass die Zunahme des Körpergewichts in der Mästung der Thiere (ähnlich wie der Milchertrag einer Kuh) im Verhältniss steht zu der Menge von plastischen Bestandtheilen in dem täglich verzehrten Futter. Diese Versuche wurden mehrere Monate lang mit Schweinen angestellt, welche in vorzüglichem Grade die Fähigkeit besitzen, die Bestandtheile der Nahrung in Theile ihres Leibes umzuwandeln. Ein Schwein wurde ausschliesslich mit Kartoffeln ernährt, durch welche Nahrung es an Gewicht nicht zunahm; es war aber eine Zunahme bemerklich, wenn das Thier Kartoffeln, Buttermilch, Molken und Abfälle aus der Haushaltung erhielt; die stärkste Zunahme fand statt bei Darreichung von Mastfutter, welches täglich aus Kartoffeln (9,74 Pfd.), gemahlenem Korn (0,90 Pfd.), Roggenmehl (0,64 Pfd.), Erbsen (0,68 Pfd.) und Buttermilch, Molken und Abfällen (0,92 Pfd.) bestand.

Die Berechnung ergiebt, dass das Schwein in diesen drei Zuständen folgende Mischungsverhältnisse in seinem Futter empfangen hatte[5]:

Verhältniss
der plastischen Bestandtheile zu den stickstofffreien, letztere in Stärkmehl ausgedrückt.
Das Schwein erhielt:
plastische Bestandtheile. stickstofffreie.
in der Kartoffelnahrung auf 10 87
in der gemischten Nahrung 10 71
im Mastfutter 10 55

Man bemerkt leicht, dass diese letztere Mischung ein ähnliches Verhältniss von plastischen und stickstofffreien Bestandtheilen enthält wie die Körnerfrüchte.

Die deutsche Landwirthschaft ist durch die Erfahrung auf ein sehr einfaches Verfahren geführt worden, die Kartoffeln in ein dem obigen und den Körnerfrüchten in ihrer Mischung ganz gleiches Mastfutter zu verwandeln. Dieses Verfahren ist die Grundlage des deutschen landwirthschaftlichen Betriebes; es besteht darin, dass man die stickstofffreien Bestandtheile der Kartoffeln auf einem rein chemischen Wege ganz oder zum grössten Theil hinwegnimmt, und dass man den Rückstand der Kartoffeln, welcher alle plastischen Bestandtheile derselben enthält, zur Mästung verwendet. Die Kartoffeln werden gequellt und in Gestalt eines dünnen Breies mit Gerstenmalz in Berührung gebracht, durch dessen Wirkung das Stärkemehl der Kartoffeln in Zucker übergeführt wird. Man versetzt alsdann durch Bierhefe die Kartoffelmaische in Gährung und zerstört in dieser Weise allen vorhandenen Zucker. Durch Destillation der gegohrenen Maische erhält man das Stärkmehl der Kartoffeln in der Form von Branntwein und in dem Rückstande (der sog. Kartoffelschlempe) das geschätzteste Mastfutter.

Die im Auslande verbreitete Meinung, dass der deutsche Landwirth Branntweinbrenner ist des Branntweins wegen, ist ganz irrig; er brennt Branntwein, um das ihm unentbehrliche Mastfutter auf die ökonomischste Weise zu gewinnen.

[254] Dies Verfahren der Concentration der plastischen, für die Blut- und Fleischerzeugung bestimmten Nahrungsstoffe reiht sich den zahlreichen Fällen an, in denen die Experimentirkunst der Theorie vorangeeilt ist. Zuerst hatte man in der That nur die Branntweingewinnung im Auge, dann hat man die Rückstände verwerthen wollen, und zuletzt hat man gefunden, dass durch den Maisch- und Gährungsprocess deren Fähigkeit, als Mastfutter zu dienen, zunimmt. Für die Verbreitung dieser Art von Wahrheiten sind die Noth und das Bedürfniss Lehrer, deren Einfluss und Ueberzeugungskraft mächtiger ist als alle Wissenschaft.

Aus dem Vorhergehenden ergiebt sich auf eine zweifellose Weise die Bedeutung der plastischen Nahrungsmittel; indem sie zu Elementen des lebendigen Leibes werden, bedingen sie die Fortdauer aller Lebenserscheinungen.

Wenn wir nun in’s Auge fassen, dass der thierische Körper nicht bloss eine Quelle von Kraft und von vitalen Wirkungen, sondern auch ein Apparat von Wärmeerzeugung ist, dass die in dem Leibe eines erwachsenen Menschen täglich erzeugte Wärmemenge hingereicht haben würde, um in einem Jahre zwanzig- bis fünfundzwanzigtausend Pfund Wasser von dem Gefrierpunkt bis zum Siedepunkte zu erhitzen; wenn wir uns erinnern, dass die animalische Wärme eine Folge der Verbindung des im Athmungsprocess aufgenommenen Sauerstoffs ist, der sich im Leibe mit gewissen Bestandtheilen der Nahrung oder des Körpers verbindet, und die täglich erzeugte Wärmemenge in bestimmtem Verhältniss steht zu der Menge des verbrauchten Sauerstoffs, so giebt die oberflächlichste Beobachtung zu erkennen, dass die Elemente der plastischen Nahrungsstoffe an der Hervorbringung der täglich erzeugten Wärmemenge nur einen sehr untergeordneten Antheil haben konnten.

Vergleichen wir in der That die Menge der täglich verzehrten plastischen Nahrung mit der in derselben Zeit verbrauchten Sauerstoffmenge, so finden wir, dass die verbrennlichen Elemente der ersteren bei weitem nicht hinreichen, um den in das Blut übergegangenen Sauerstoff in Kohlensäure und Wasser zu verwandeln. Der thierische Körper nimmt weit mehr Sauerstoff auf, ein Pferd fünfmal, ein Schwein sechsmal mehr, als zur vollständigsten Verbrennung der plastischen Nahrung erforderlich wäre.

Wenn demnach die brennbaren Elemente der plastischen Nahrungsstoffe zur Wärmeerzeugung dienten, so würde die ganze Menge, welche ein Pferd in dem Heu und Hafer, ein Schwein in den Kartoffeln täglich verzehrt, nur hingereicht haben, um deren Athmungs- und demzufolge Wärmebildungsprocess beim Pferde 4½ Stunden, beim Schweine 4 Stunden täglich zu unterhalten, oder sie würden fünf- bis sechsmal so viel von diesen Nahrungsmitteln geniessen müssen.

Aber selbst in diesem letzteren Falle ist es ausnehmend zweifelhaft, ob die Stoffe ihren Eigenschaften nach unter den Verhältnissen, in denen sie im Organismus dem Sauerstoff dargeboten werden, die dem Leibe nöthige Temperatur hervorgebracht und den Wärmeverlust ersetzt haben würden; denn unter allen organischen Substanzen gehören die plastischen Bestandtheile der Nahrung zu denen, welche die Eigenschaft der Verbrennlichkeit und Wärmeentwickelung im allergeringsten Grade besitzen.

[255] Unter den Elementen des Thierkörpers besitzt der Stickstoff die schwächste Anziehung zum Sauerstoff, und was noch weit auffallender ist, er raubt allen verbrennlichen Elementen, mit denen er sich verbindet, mehr oder weniger ihre Fähigkeit, mit dem Sauerstoff eine Verbindung einzugehen, d. h. zu verbrennen.

Jedermann kennt die ausnehmende Entzündlichkeit des Phosphors und Wasserstoffs, aber durch ihre Verbindung mit Stickstoff entstehen Körper, denen unter den gewöhnlichsten Verhältnissen die Eigenschaft der Entzündlichkeit und Verbrennlichkeit völlig abgeht. Der Phosphor für sich entzündet sich schon bei der Temperatur des menschlichen Körpers, er ist leicht oxydirbar durch verdünnte Salpetersäure; der weisse, der Kreide ähnliche Phosphorstickstoff wird erst in der Rothglühhitze und im Sauerstoffgase verbrennlich, ohne fortzubrennen, und wird durch verdünnte Salpetersäure nicht mehr angegriffen. Das Ammoniak, die Wasserstoffverbindung des Stickstoffs, enthält in zwei Volum drei Volum Wasserstoff, aber trotz dem grossen Gehalte an diesem so leicht entzündlichen und verbrennlichen Bestandtheil ist das Ammoniakgas durch einen glühenden Körper nicht mehr entzündlich, es brennt selbst in reinem Sauerstoffgas nicht mehr fort. Die meisten Stickstoffverbindungen sind, verglichen mit anderen, schwerverbrennlich, sie sind schwerentzündlich und werden nicht zu den Brennstoffen gerechnet, weil sie während der Verbrennung nur einen geringen Wärmegrad entwickeln, welcher nicht hinreicht, um die zunächst liegenden Theilchen auf die Entzündungstemperatur zu bringen. Nur das kohlenstoffreiche Cyan und die Blausäure sind in Gasform entzündlich und brennen angezündet fort.

In ganz ähnlicher Weise verhält sich das Albumin in dem alkalischen Blut; vergleicht man seine Fähigkeit, sich mit dem Sauerstoff zu verbinden, mit der, welche die stickstofffreien Verbindungen Milchzucker, Traubenzucker und Fett besitzen, so steht es zu diesen in einem ähnlichen Verhältniss wie etwa Silber zum Eisen, und wenn wir die Bestandtheile des thierischen Körpers nach ihrer Verbrennlichkeit, wie die Metalle, in edle und unedle ordnen wollten, so bestehen die geformten Theile desselben aus den edelsten, welche die organische Natur hervorbringt.

Ueberall, wo es den blöden Sinnen des Menschen vergönnt ist, einen Blick in die Tiefe der Schöpfung zu werfen, erkennt er die Grösse und Weisheit des Urhebers der Welt; das grösste Wunder, was er zu begreifen fähig ist, dies sind die unendlich einfachen Mittel, durch deren Zusammenwirken die Ordnung im Weltall wie im Organismus erhalten, und das Leben und die Fortdauer der organischen Wesen gesichert ist. Ohne den mächtigen Widerstand, welchen die stickstoffhaltigen Bestandtheile des Thierkörpers, ihrer eigenthümlichen Natur gemäss, vor allen anderen der Einwirkung der Atmosphäre entgegenzusetzen vermögen, würde das organische Leben nicht bestehen.

Wenn das aus den plastischen Nahrungsstoffen entstehende Blutalbumin im grösseren Grade das Vermögen besässe, die Respiration zu unterhalten, so würde es vollkommen unfähig für den Ernährungsprocess sein. Wäre das Albumin für sich zerstörbar oder veränderlich durch den eingeathmeten Sauerstoff in dem Kreislauf des Blutes, so würde der verhältnissmässig kleine Antheil, welcher täglich den Blutgefässen durch

[256] die Verdauungsorgane zugeführt wird, sehr rasch verschwinden; die geringste Störung in der Function der letzteren würde dem Leben eine Grenze setzen müssen.

So lange das Blut neben dem Albumin noch Materien enthält, die es in seiner Verwandtschaft zum Sauerstoff übertreffen, so lange wird der Sauerstoff keine zerstörende Wirkung auf diesen Hauptbestandtheil des Blutes ausüben können, und die Bedeutung der stickstofffreien Bestandtheile der Nahrung ist damit erklärt.

Das Stärkmehl, der Zucker, das Fett, sie dienen zum Schutz der Organe und, in Folge der Verbindung ihrer Elemente mit dem Sauerstoff, zur Erhaltung der Temperatur des Körpers.

Die schwefel- und stickstoffhaltigen Bestandtheile der Nahrung vermitteln die Fortdauer der Kraftwirkungen, die stickstofffreien dienen zur Wärmeerzeugung; die ersteren sind die Formbildner und Krafterzeuger, die anderen unterhalten den Respirationsprocess; es sind Respirationsmittel.

Die Nothwendigkeit des gleichzeitigen Vorhandenseins der plastischen und der Respirationsmittel und ihrer richtigen Mischung in der Nahrung ist hiernach einleuchtend. Die Summe beider, welche der Körper täglich bedarf, ist abhängig von der aufgenommenen Sauerstoffmenge, ihr relatives Verhältniss ist abhängig von dem Wärmeverlust und von dem Verbrauch an Kraft.

Bei gleichem Kraftverbrauch in der Arbeit bedarf der Mensch im Sommer ein kleineres Verhältniss an Respirationsmitteln als im Winter, im Süden weniger als im Norden, und wenn der Mensch dem Gewichte nach gleiche Quantitäten davon in verschiedenen Jahreszeiten oder Klimaten geniesst, so sind diese, in dem einen Fall wie die organischen Säuren und der Zucker, reicher an Sauerstoff, in dem anderen, wie der Thran und Speck des Polarländers, reicher an verbrennlichen Elementen.

Weder die Bildung der Organe aus den Bestandtheilen des Blutes, noch ihre Verwendung zu Kraftwirkungen kann gedacht werden ohne die Gegenwart der stickstofffreien Materien. Wir finden in dem Hühnerei auf 10 Theile Albumin 15 Theile stickstofffreie Substanz (Fett in Stärkmehl ausgedrückt), von welcher der grösste Theil während der Bebrütung verschwindet. Durch die Verbindung der Bestandtheile des Fettes mit dem Sauerstoff der Luft wird eine gewisse Wärmemenge entwickelt und die Wirkung der Bebrütungswärme unterstützt, es wird Kohlensäure und Wasser gebildet, und durch letzteres das verdunstende Wasser zum Theil ersetzt; durch die Gegenwart des Fettes wird zuletzt die Wirkung des Sauerstoffs im Gleichgewichte gehalten und auf das richtige Maass seines zu Erzeugung der Gebilde nöthigen Antheils zurückgeführt. Das athmende Thier verbraucht aber eine weit grössere Menge Sauerstoff, als zu gleichen Zwecken das Ei während seiner Bebrütung, und es muss demgemäss die Menge der stickstofffreien Bestandtheile seiner Nahrung im Verhältniss zu diesem Mehrverbrauch an Sauerstoff stehen. Man kann vielleicht hieraus schliessen, dass das Verhältniss der stickstofffreien zu den plastischen Stoffen im Hühnerei das Minimum ist, welches die warmblütigen Thiere in Beziehung auf den Gehalt an diesen letzteren in ihrer Nahrung bedürfen.

[257] Der Milchzucker und Traubenzucker (der sich aus dem Stärkmehl und Rohrzucker in dem Verdauungsprocess bildet) verschwinden im Blute mit ganz ausserordentlicher Schnelligkeit, so dass es nur in sehr wenigen Fällen gelungen ist, diese Materien im Blute nachzuweisen. In gleicher Weise verschwindet in einem Menschen oder Thiere, dessen Gewicht sich von Tag zu Tag nicht ändert, das täglich genossene Fett.

Wenn der Nahrung der Thiere eine grössere Menge Fett zugesetzt wird, als dem eingeathmeten Sauerstoff entspricht, so häuft sich dieser Ueberschuss in Zellen an, deren Hüllen aus der nämlichen Substanz bestehen, welche den Hauptbestandtheil der Membranen und der Knochen ausmacht. Wenn die Bestandtheile des Blutes oder der Nahrung für diese Zellenbildung nicht ausreichen, so wird die Substanz der Muskeln dazu verbraucht, das Thier gewinnt an Fett und nimmt ab an Fleisch; über diesen Punkt hinaus häuft sich bei den Gänsen z. B. das Fett im Blute an, es tritt Krankheit, zuletzt der Tod ein. (Persoz in Ann. de chim. et de phys. T. XIV, p. 417. N. S.)

Wenn die Thiere in ihrer Nahrung ein grösseres Quantum von plastischen und stickstofffreien (nicht fetten) Nahrungsstoffen geniessen, als zur Unterhaltung ihres Lebens- und Athmungsprocesses erforderlich ist, so häufen sich die plastischen Bestandtheile in der Form von Fleisch und Zellgewebe an, die stickstofffreien (Zucker, Milchzucker etc.) verwandeln sich in Fett.

Diese wichtige Thatsache, dass der aus dem Stärkmehl der Körnerfrüchte, der Kartoffeln, der Samen der Leguminosen in der Verdauung entstehende Zucker bei ausreichendem Material für die Zellenbildung im Leibe der Thiere in Fett übergeführt wird, ist durch die Versuche von Persoz und Boussingault (a. a. O. S. 419) ausser Zweifel gestellt.

Es ist bereits hervorgehoben worden, dass Traubenzucker und Milchzucker eine der Kohlensäure ähnliche Zusammensetzung besitzen; auf ein Aequivalent Kohlenstoff enthält die Kohlensäure zwei Aequivalente Sauerstoff; der Trauben- und Milchzucker enthalten auf dieselbe Menge Kohlenstoff ebenfalls zwei Aequivalente, nämlich ein Aequivalent Sauerstoff, und an der Stelle des zweiten Aequivalents Sauerstoff ein Aequivalent Wasserstoff. Die Ueberführung des Zuckers in Kohlensäure besteht demnach in letzter Form in einer Wasserbildung; der im Athmungsprocess aufgenommene Sauerstoff verbindet sich mit dem Wasserstoff des Zuckers zu Wasser, und wenn der Platz des ausgetretenen Wasserstoffs eingenommen wird von dessen Aequivalent Sauerstoff, so geht der Zucker rückwärts gerade auf in Kohlensäure über. Nach dieser Vorstellung findet in dem lebendigen Körper keine eigentliche Verbrennung des Kohlenstoffs statt, sondern die Kohlensäure wird durch einen sogenannten Substitutionsprocess, in diesem Fall Verwesungsprocess, aus einem an Wasserstoff reichen Körper gebildet, dessen Wasserstoff oxydirt und hinweggenommen und durch ein oder mehrere Aequivalente Sauerstoff ersetzt wird.

Die nächste Bedingung der Fettbildung, oder der Ablagerung der verbrennlichen Elemente der Respirationsmittel im Zellgewebe des Körpers, ist Mangel an Sauerstoff; wäre dessen Menge zureichend gewesen, um den Kohlenstoff und Wasserstoff derselben in Kohlensäure

[258] und Wasser zu verwandeln, so würden diese Elemente wieder ausgetreten sein; kein Theil derselben hätte sich in der Form von Fett in dem Körper anhäufen können.

Die Bekanntschaft mit den Erscheinungen der Gährung verstattet uns einen Blick in die Vorgänge, durch welche im Leibe der Thiere der sauerstoffreiche Zucker in das sauerstoffarme Fett übergeführt wird.

Die Gährung ist stets in ihrem Resultate eine Spaltung eines zusammengesetzten Atoms in eine sauerstoffreiche und in eine sauerstoffarme Verbindung; indem sich in der Alkoholgährung eine gewisse Quantität von Sauerstoff von den Elementen des Zuckers in der Form von Kohlensäure trennt, erhalten wir den brennbaren, leicht entzündlichen, sauerstoffarmen Alkohol; durch Austreten von Kohlensäure und einer gewissen Menge Wasser erhalten wir aus denselben Zuckerarten das Fuselöl, welches in seinen physikalischen Eigenschaften den Fetten noch weit näher steht; wenn die Abscheidung der Kohlensäure von dem Zucker begleitet ist von der Trennung einer gewissen Menge Wasserstoff, so erhalten wir die Buttersäure, eine wahre fette Säure.

Ganz gleiche Bedingungen setzt die Entstehung des Fettes in dem thierischen Organismus voraus; wir betrachten die Fettbildung als die Folge zweier Processe, welche gleichzeitig nebeneinander vor sich gehen; der eine ist ein unvollkommener Oxydations- (Verwesungs-) Process, durch welchen eine gewisse Menge Wasserstoff, der andere ist ein Spaltungs- (Gährungs-) Process, durch welchen eine gewisse Menge Sauerstoff in der Form von Kohlensäure sich von den Elementen des Zuckers trennt. (S. d. Thierchemie S. 102.)

Die Meinung, dass diese Umwandlung vermittelt werde durch ein Ferment in der Leber, welches gegen den Zucker in der Fettbildung sich ähnlich verhält wie der Speichel gegen das Stärkmehl oder wie die Magenschleimhaut in der Verdauung, dass also die Leber der Sitz dieses Processes sei, ist nicht unwahrscheinlich, sie bedarf aber einer näheren Begründung[6].

Alle Nahrungsstoffe der Thiere und Menschen enthalten stets und unter allen Umständen eine gewisse Quantität von fetten, oder den Fetten in ihrem Verhalten ähnlichen Substanzen; das Fleisch der wilden Thiere ist in der Regel fettlos.

In allen denjenigen Fällen, in welchen das Körpergewicht und der Fettgehalt des Körpers unverändert bleibt, kann deshalb vorausgesetzt werden, dass Fett, Zucker, Stärkmehl ausschliesslich für die Respiration und die letzteren nicht zur Fettbildung verwendet werden. Die Bildung

[259] von Fett aber die Grenze hinaus, in welcher es der Thierkörper zur Vermittelung der plastischen Processe bedarf, oder die Ablagerung von Fett in der Mästung ist stets die Folge eines Missverhältnisses in dem Athmungs- und Ernährungsprocess, und eher ein Zeichen eines krankhaften als eines normal gesunden Zustandes.

Die Natur hat die stickstofffreien Nahrungsmittel zur Unterhaltung der Wärmequelle im Thierkörper bestimmt, und alle Nahrung finden wir auf’s weiseste für diesen Zweck gemischt; sie hat den Organismus mit dem Vermögen begabt, eine Störung der Lebensfunctionen durch Anhäufung von verbrennlichen Substanzen im Blute auf ein Minimum von Schädlichkeit zurückzuführen; indem diese Stoffe in Fett umgewandelt, vom Blute abgesondert und ausserhalb des Blutgefässsystems, geeignet für eine künftige Verwendung, abgelagert werden, behält das Blut seine normale Mischung. Durch die Abscheidung der verbrennlichen Elemente wird dem Mangel an dem für andere vitale Zwecke unentbehrlichen Sauerstoff im Blute vorgebeugt und ein Gleichgewichtszustand hergestellt.

Die Thatsache, dass auch die plastischen Nahrungsmittel in gewissen Zersetzungsprocessen, wie in der Fäulniss, beinahe gerade auf in Ammoniak und fette Säuren (Buttersäure und Valeriansäure) zerfallen, schliesst die Meinung nicht aus, dass auch diese Materien zur Erzeugung von Fett im Thierorganismus unter gewissen Umständen dienen können. Bedeutungsvoll für die Fettbildung im lebendigen Körper scheint es jedenfalls zu sein, dass die Bildung von fetten Säuren, von Buttersäure z. B., aus stickstofffreien Materien ausserhalb des Körpers nur durch solche Fermente bewerkstelligt werden kann, deren Elemente sich im Zustande der Buttersäurebildung selbst befinden, und es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass auch in dem lebendigen Körper zwischen den plastischen und stickstofffreien Stoffen in der Fettbildung eine ähnliche Beziehung besteht.

Gleiche Gewichte der verschiedenen Respirationsmittel enthalten höchst ungleiche Mengen von brennbaren Elementen, wie folgende Uebersicht anschaulich macht:

Traubenzucker. Rohrzucker. Stärkmehl. Alkohol.
Kohlenstoff 40,00 42,10 44,44 52,18
Wasserstoff 6,66 6,43 6,17 13,04
Sauerstoff 53,34 51,47 49,39 34,78
100,00 100,00 100,00 100,00

Der Kohlenstoff- und Wasserstoffgehalt der fetten Körper ist weit grösser; Olivenöl z. B. enthält 77 Procent, Schweineschmalz und Hammelstalg 79 Procent Kohlenstoff und 11 bis 12 Procent Wasserstoff, alle anderen Fette haben eine zwischen diesen beiden stehende Zusammensetzung.

Da nun die Fähigkeit dieser Körper, durch ihre Verbindung mit dem Sauerstoff Wärme zu entwickeln, abhängig ist von der Menge von brennbaren Elementen, die sie in gleichen Gewichten enthalten, und die Menge des zu ihrer Verbrennung nöthigen Sauerstoffs in demselben Verhältnisse wie diese steigt, so lässt sich ihr relativer Wärmeerzeugungswerth oder Respirationswerth annäherungsweise leicht berechnen. Die folgende Tabelle enthält die verschiedenen Respirationsmittel in einer Reihe geordnet; die Zahlen drücken aus, wie viel dem Verhältniss nach

[260] von denselben nöthig ist, um eine gegebene Menge Sauerstoff in Kohlensäure und Wasser zu verwandeln, oder annäherungsweise, wie viel man von denselben geniessen muss, um bei demselben Sauerstoffverbrauch gleiche Zeiten hindurch den Körper auf einerlei Temperatur zu erhalten.

100 Fett,
240 Stärkmehl,
249 Rohrzucker,
263 Traubenzucker, Milchzucker,
266 Branntwein von 50 Procent Alkoholgehalt,
770 frisches fettloses Muskelfleisch.

Es ist hiernach einleuchtend, dass ein Pfund Fett in Beziehung auf den Athmungsprocess dasselbe leistet, wie 2⅖ Pfund Stärkmehl oder wie 2½ Pfund Rohrzucker oder wie 7 7/10 Pfund Muskelfaser.

Das Fett ist unter allen das beste, die Muskelfaser erscheint als das schlechteste Respirationsmittel. Bei der Berechnung des Respirationswerthes der Muskelfaser ist angenommen worden, dass das genossene Muskelfleisch im Leibe in Harnstoff, Kohlensäure und Wasser verwandelt werde. Diese Voraussetzung ist nur zu einem Theile wahr; denn in dem Harn und den Absonderungen des Darmcanals in den Fäces treten noch andere Stickstoffverbindungen aus, welche ein weit grösseres Verhältniss von Kohlenstoff wie der Harnstoff enthalten; der in der Form einer Stickstoffverbindung austretende Kohlenstoff nimmt jedenfalls an der Wärmeerzeugung im Körper nur einen sehr geringen Antheil.

Die plastischen Nahrungsstoffe enthalten Stickstoff und Kohlenstoff im Verhältniss wie 1:8 Aeq.; enthielte der Harn nur Harnstoff, so würde der Harn in der Analyse auf 1 Aeq. Stickstoff nur 1 Aeq. Kohlenstoff liefern dürfen; aber in seinen Versuchen über den Ernährungsprocess des Pferdes und der Kuh erhielt Boussingault in dem Pferdeharn Stickstoff und Kohlenstoff im Verhältniss wie 1:6,6, im Kuhharn das Verhältniss wie 1:16 [7]. (Ann. de chim. et de phys. LXXI. p. 122.) Die Excremente eines Schweines (Harn und Fäces zusammengenommen), welches Kartoffeln als Futter erhalten hatte, enthielten, nach Abrechnung der Holzfaser der Kartoffeln, Stickstoff und Kohlenstoff im Verhältniss von 1:10. Auf diese Thatsachen liesse sich vielleicht der Schluss begründen, dass die brennbaren Elemente der plastischen Nahrungsmittel bei vielen Thieren entweder gar nicht oder nur zu einem sehr kleinen Theil durch Haut und Lunge aus dem Körper treten, und dass ihnen an der Erzeugung der thierischen Wärme kaum ein Antheil beigemessen werden kann.

  1. Ann. de chim. et de phys. LXXI. 136.
  2. Ann. de chim. et de phys. Nouvelle série XIV. 443.
  3. Die tägliche Ration an Brod, welche ein Soldat empfängt, beträgt
    in Frankreich 750 Grammen (Weizen)
    in Belgien 775 (Weizen)
    in Sardinien 737 (Weizen)
    in Spanien 670 (Weizen)
    im südlichen Deutschland 900 (⅙ Weizen, 4/6 Roggen, ⅙ Gerste)
    im nördlichen Deutschland und Russland 1000 (Roggen).
  4. Nach einer Berechnung von Knapp verzehrt ein Soldat nach dem Seite 217 u. 218 angeführten Verbrauch in seinen Speisen auf 10 Theile plastische 47 Theile stickstofffreie Bestandtheile.
  5. Ann. de. chim. et de phys. N. S. T. XIV. p. 419.
  6. Wenn man eine frische Kalbsleber in Stücke schneidet und mit Wasser bedeckt einer Temperatur von 37 bis 40° C. aussetzt, so stellt sich nach vier bis fünf Stunden ein merkwürdiger Gährungsprocess ein; die Leber bedeckt sich mit einer Menge Blasen eines Gases, welches zum grossen Theil aus Wassergas besteht; beim in die Höhe steigen lässt sich jede einzelne Blase an der Oberfläche entzünden. In einem offenen Gefässe bemerkt man in den ersten Stunden der Gährung keinen fauligen Geruch. Es ist hiernach offenbar, dass die Leber eine Substanz enthält, welche in einem gewissen Zustande der Zersetzung in ein Ferment übergeht, kräftig genug um Wasser zu zersetzen, dessen Sauerstoff in Beschlag genommen wird.
  7. In besonders zu diesem Zwecke hier angestellten Analysen wurde im Pferdeharn auf 1 Aeq. Stickstoff 5 Aeq., im Kuhharn 8 Aeq., im Menschenharn 1,8 Aeq. Kohlenstoff gefunden.