Carstens Werke. Dritter Band: Der Argonautenzug/Tafel 6. Besuch beim Kentauren Cheiron

Tafel 5. Das Opfer vor der Fahrt. Carstens Werke. Dritter Band: Der Argonautenzug (1884) von Herman Riegel (Hrsg.)
Tafel 6. Besuch beim Kentauren Cheiron.
Tafel 7. Abschied von den Frauen auf Lemnos.
  Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

[10]

Tafel 6. Besuch beim Kentauren Cheiron.

Die Argonauten begannen die Fahrt. Als sie an der thessalischen Küste sich dem, in der Landschaft Magnesia belegenen, sagenreichen Berge Pelion näherten, wurden sie von Peleus zu einem Halt aufgefordert, denn auf diesem Berge hauste der treffliche Kentaur Cheiron, der den Achilleus, des Peleus Sohn, erzog. Carstens hat den Gegenstand, den er der Orphischen „Argonautika“ entlehnte, selbst erläutert. Dreimal hat er ihn gestaltet: 1792 in Berlin kurz vor seiner Abreise nach Rom, in demselben Jahre dann zu Rom und endlich später in der Argonautenfolge auf dem vorliegenden Blatte. Die erste Komposition ist auf Tafel 9 und die zweite auf Tafel 13/14 im ersten Bande des vorliegenden Werkes wiedergegeben. Die zweite Komposition, also die römische, hatte Carstens im April 1795 seiner Ausstellung eingereiht und sie bei dieser Gelegenheit wie folgt erläutert[1]:

„Die Argonauten, eine Zeichnung nach dem Gedicht gleiches Namens, das dem Orpheus zugeschrieben wird. Als die Argonauten auf ihrem Zuge nach Kolchis an der Küste von Magnesia vorbeifuhren, schlug Peleus, einer der Helden, seinen Gefährten vor, den dort wohnenden Chiron zu besuchen und seinen kleinen Achill zu sehen. Die Helden landeten und kamen zur Grotte des Chiron, der sie freundlich empfing und bewirthete. Sie forderten den Chiron und Orpheus zu einem Wettstreit im Gesange auf. Chiron nahm zuerst die Leier und besang der Kentauren herrliche Thaten. Darauf ergriff der Sohn der Kalliope das Saitenspiel und sang den dunkeln, erhabenen Hymnus vom alten Chaos; er sang den Streit der Elemente, das Geschlecht der unsterblichen Götter, die den hohen Olymp, und der machtlosen Menschen, die, in Völkerschaften zerstreut, den Erdkreis bewohnen. Sein Gesang zähmte die wilden Thiere; sie kamen in die Grotte, horchten und scheueten die Menschen nicht mehr. Chiron, der dies gewahr wird, zeigt es dem Jason und stampft vor Freuden mit dem Hufe den Boden. Man sieht hier die vornehmsten Helden des grauen Alterthums beisammen, den Jason, den Herkules mit seinem Lieblinge Hylas, die beiden Dioskuren, die beiden Söhne des Boreas mit Fittichen hinter den Ohren, den Peleus mit dem jungen Achill u. a. m.“

Nach dieser vom Meister selbst gegebenen Erklärung scheint es nicht erforderlich, auf den Wortlaut beim Pseudoorpheus (v. 373 u. ff.) noch einzugehen.

Über die Unterschiede der ersten und zweiten Komposition hat sich schon Fernow verbreitet[2], auch sind einige ergänzende Bemerkungen im Texte zum ersten Bande des Kupferwerkes hinzugefügt worden. Die dritte, hier vorliegende Komposition schliesst sich im wesentlichen der zweiten an, doch ist hier der eine der Dioskuren aus dem Vordergrunde hinter den Achilleus etwas zurückgeschoben und ferner ist über der ganzen figürlichen Darstellung die Höhle in beträchtlicher Höhe gezeichnet worden, wozu sowohl der Gegenstand sachlich wie auch das von jener Komposition sehr abweichende Format dieses Blattes aufforderte[3].




  1. Fernow-Riegel, Carstens Leben u. s. w. S. 125.
  2. In meiner Ausgabe, S. 108.
  3. Vergl. daselbst S. 382.