Carl Edler von Querfurth, Eisenwerke Schönheiderhammer i. Erzgeb.
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Jenes Thal der Zwickauer Mulde, von dem aus der Marktflecken Schönheide den Berg hinansteigt, war von jeher eines der bekanntesten und regsamsten sächsischen Industriecentren. Schon in alter Zeit kannte der Volksmund und Volkswitz die Schönheider Bürstenbinder als lustige, durstige Leute, die bei fleißiger Arbeit etwas daraufgehen lassen konnten, und heute hat diese einstige Hausindustrie den kleinen erzgebirgischen Marktflecken zu einem Hauptsitz der deutschen Bürsten- und Pinselfabrikation gemacht. Auch andere Industrieen wurden bald seßhaft dort, und zur Zeit finden wir als besonders nennenswert vertreten: Hand- und Maschinenstickerei, Textilindustrie, Handschuhfabrikation, Papiermühlen, Holzschleiferei etc. etc.
Alle diese einzelnen Industriezweige, selbst die sehr alte Bürstenfabrikation, sind indes sehr jungen Datums im Verhältnis zu den über 300 Jahre alten Eisenwerken des unmittelbar angrenzenden Dorfes Schönheiderhammer, die man wohl nicht mit Unrecht als den Kern betrachten kann, um den sich mit der Zeit die Industrie des Thales krystallisierte. Schönheiderhammer ist eines der bedeutendsten Emaillewerke mit Eisengießerei und ist dadurch bekannt, daß es seinerzeit zuerst den schmiedbaren Guß herstellte; es befindet sich seit Anfang dieses Jahrhunderts im Besitze der Familie von Querfurth. –
Es ist naturgemäß, daß bei einem industriellen Etablissement von der Bedeutung und dem ehrwürdigen Alter der Eisenwerke Schönheiderhammer die Vergangenheit das Interessanteste und Wissenswerteste darstellt, während man Betrieb, Organisation und Umfang, wie sie die Gegenwart darbietet, als bekannt voraussetzen darf. Wir begnügen uns deshalb auch, in der Hauptsache hier einen Abriß seiner Geschichte zu geben.
Der Gründer des einstigen Eisenhammers scheint Rudolf Edler von der Planitz zu Göldsch gewesen zu sein. Wenigstens ist dies nach einer Kaufurkunde vom 24. Dezember 1563 anzunehmen, auf Grund welcher das Städtchen Neustädtel, der Flecken Schönheide nebst Vorwerk sowie eine Anzahl Dörfer „umb einen Kaufschilling von 28 300 Gulden-Münz Meißnische Währung“ von Rudolf Edler von der Planitz an den Kurfürsten August übergingen. Aus jenem Kaufvertrage erhalten wir auch die erste Kenntnis von der Existenz des Eisenwerkes, denn eine Stipulation darin besagt, daß man das, „was bei dem Hüttenwerke Schönheide bedürftig an Schragen-, Bau- und Schindelbäumen, umb gleichmäßig leidliche Bezahlung solle lassen zukommen“. Spezielle Urkunden über das Werk selbst existieren aus jener Zeit nicht. Die erste solche findet sich erst in dem Privilegium, das August, Herzog zu Sachsen, am 14. Dezember 1575 an Heinrich Uttmann zur Reuth verlieh, welcher den Eisenhammer Schönheide nebst Vorwerk um die geringe Kaufsumme von 1400 Meißnischen Gulden von Herzog August erkauft hatte. Da in dieser Urkunde von dem „neu angerichteten Hammerwerke“ die Rede ist und dieses selbst darin zum ersten Male als schriftsässiges Gut im Privatbesitz erwähnt wird, so pflegte man in späteren Aktenstücken den 14. Dezember 1575 als Gründungstag des Etablissements anzunehmen.
Heinrich Uttmann verkaufte schon im Jahre 1577 sein Besitztum an Georg Blöde und Christoph Jahn; diese wiederum veräußerten Schönheiderhammer 1582 an die Gebrüder Abraham, Hermann und Jacob Kleinhempel; und nach zwei Jahren trat ein abermaliger Wechsel im Besitze ein: [Ξ] die Hammermeister Melchior Siegel und Jacob Kleinhempel übernahmen 1584 das Werk um 1400 Gulden. Daraus, daß der Kaufpreis nach 9 Jahren noch derselbe blieb, ist zu erkennen, daß sich Schönheiderhammer in dieser Zeit nicht vergrößert hatte.
Unter den neuen Besitzern erfolgte ein wichtiger Fortschritt in der Entwickelung des Werkes: Kurfürst Christian erteilte unter dem 12. Mai 1588 eine Konzession über einen zu errichtenden Hochofen, da, wie es in der Urkunde heißt, „das rohe, wilde und Hartschmelzen durch den hohen Ofen besser denn durch bestehendes Zurennwerk durchbracht“ werde. Man hatte also bis dahin bei der Roheisenproduktion sich lediglich der sogenannten Zerrenn- oder Zurennherde bedient.
Wie lange die beiden Hammermeister Melchior Siegel und Jacob Kleinhempel den Schönheiderhammer besessen, darüber fehlt jeglicher urkundliche Anhalt. Die nächste Urkunde stammt erst aus dem Jahre 1651; es ist ein Beraimungsprotokoll „über das Hammergut Schönheide sambt dem Uttmannschen Vorwerke und der hierzu an der Mulde hinaufliegenden 10 Erbbräume, aus dem hervorgeht, daß Jeremias Siegel Eigentümer war. Wie es scheint, haben die Nachkommen der beiden Hammermeister Siegel und Kleinhempel im Besitze des Werkes abgewechselt, denn anno 1661 treten wiederum Melchior und Christian Kleinhempel als Inhaber auf. Es ergiebt sich dies aus einer Appellationsschrift wegen Auferlegung einer Beschockung (Abgabe), verfaßt nachdem Kurfürst Johann Georg der Andere am 23. Mai 1666 seine „neu auffgerichtete Hammerordnung“ erlassen hatte, in der es unter anderem heißt, der Kurfürst habe „durch Komissiones feststellen lassen, was zu derer Blechhämmer Aufnehmen und Unterhaltung diene, in landesväterlicher Sorgfalt für die gesambten Hammerwerke und deren Konservation unterschiedliche heilsame Verordnungen ergehen lassen.“ Diese neue Hammerordnung scheint indes den zu jener Zeit durch die Schwedenkriege gänzlich darniederliegenden Betrieb nicht haben heben können, da schon im Jahre 1668 ein neuer Besitzwechsel stattfand, indem ein zweiter Georg Bloede, vielleicht ein Enkel des früheren Besitzers gleichen Namens, das Hammerwerk pachtete, und wenig Jahre später, wie aus einer vom 28. März 1674 gegebenen dritten Konzession Johann Georgs II. zu einem Zain- und Blechhammer hervorgeht, schon ein Anderer, nämlich Bastian Jörning, an dessen Stelle trat.
Auch Bastian Jörning scheint nicht lange Zeit den Hammer bewirtschaftet zu haben, denn vom Jahre 1696 existiert ein Lehnbrief, gegeben nach dem Eingange Johann Georgs IV., durch den der Juliane Krosin das Hammerwerk Schönheide samt dem Uttmannschen Vorwerke in Lehn gereicht wurde; und schon 1698 erfolgte ein neuer Lehnbrief Friedrich Augusts an den Hammermeister Friedrich Siegel in Schönheide, welcher mit den Worten schließt: „daß dessen Erben und Nachkommen mit Nichten ferner beschwert werden sollen.“
Unter dem Besitze der Familie Siegel trat nun eine ruhigere Entwickelungsperiode für Schönheiderhammer ein. Ganz besonders war es die Schwarz- und Weißblechfabrikation, welche nicht nur das Werk bedeutend hoben, sondern auch die Basis bilden sollte für die den Orten Schönheide und Eibenstock über ein Jahrhundert lang als Haupterwerbszweig dienende Röhrenschieberei und Flaschnerei, wodurch das Hammerwerk ein wirklicher Segen für den ganzen Distrikt wurde. Nach Siegel – das Jahr des Kaufes ist unbekannt – tritt Veit Hans Schnorr von Carolsfeld, zugleich Inhaber des damaligen Hüttenwerkes Carlsfeld, als Besitzer auf, aber schon 1720 finden wir laut einer Berainigungsregistratur Christ. Gottlieb Bußius, Ober-Floß-Kommissarius Friedrich August des Starken im Besitze von Schönheide. Indes wohl in Folge des 1742 beendeten ersten schlesischen Erbfolgekrieges, an welchem Sachsen unter Friedrich August III., Teil nahm, konnte die Familie Bußius den Besitz von Schönheide nicht länger behaupten und ging das Hammerwerk um diese Zeit an Gottlieb Mende käuflich über, mit welchem Besitzer eine traurige Zeit der Konkurse beginnt. Der 2. schlesische, sowie der 7jährige Krieg hinterließen als Folgen den 1765 ausbrechenden Mendeschen Konkurs, welcher mit Subhastation sämtlicher Grundstücke, sowie des Hammerwerkes selbst endete. –
Carl Gottlieb Rauh & Consorten erwarben das Hammerwerk Schönheide. Abermals schien eine Glanzperiode über Schönheide kommen zu wollen; der Hochofen-Betrieb wurde vervollkommnet und verstärkt, die Schwarzblechfabrikation, die Stabeisen- und Zaineisen-Frischerei erweitert, ja sogar bereits mit dem Bilden des Roheisens durch Herdguß begonnen. Leider aber setzten die nach der französischen Revolution auch über ganz Deutschland hereinbrechenden fast ununterbrochenen Kriege jener Glanzperiode sehr rasch wieder ein Ziel. Nach dem durch einen Sturz vom Pferde eintretenden Tode des Hammerwerksbesitzers Rauh, welcher inzwischen [Ξ] alleiniger Eigentümer geworden war, konnten dessen Erben den Besitz nicht behaupten und das Hammerwerk nebst dem Hammergute und dem Uttmannschen Vorwerke verfiel im Jahre 1815 wiederum in Konkurs.
Rauh hatte während seiner Besitzzeit zugleich auch das Hammerwerk Oberblauenthal, das jetzige Wolfsgrün, sowie den dritten Teil der Hammerwerksgerechtsame nebst Hüttplätzen und allen Wasserkräften des Hüttenwerkes Muldenhammer laut Kaufurkunde vom 23. März 1797 erworben, ersteres Hammerwerk aber bereits 1795 an das Churfürstliche Ärar behufs Einrichtung eines Musterhammerwerkes wieder verkauft, während die von Muldenhammer erworbenen Anteile an den Gerechtsamen, Gefüllen pp. bis vor Kurzem zum Eisenhüttenwerke Schönheide gehörten. –
Nach Ausbruch des Rauhschen Konkurses im Jahre 1815 kam das Hammerwerk durch Subhastation in die Hände der Kaufleute Meukisch & Rosenbaum, welche dasselbe unter Verwendung aller ihrer Mittel aufs Neue aufrichteten, leider aber der Ungunst der Zeit bereits im Jahre 1823 ebenfalls erlagen, sodaß ein abermaliger Konkurs ausbrach. Es folgte nun bis zum Jahre 1827 eine Sequestration des Hammerwerkes von Staatswegen, welche dasselbe nach einem Jahre bereits zum Stillstand brachte, sodaß der im Jahre 1827 als Käufer im Subhastationstermine eintretende Rittmeister von der Armee: Carl Edler von Querfurth fast nur noch eine Ruine vorfand. – Seit dieser Zeit ist das Hüttenwerk ununterbrochen in den Händen der von Querfurthschen Familie geblieben, indem nach dem Tod des Rittmeisters von Querfurth, dessen ältester Sohn, Hugo Edler von Querfurth, und seit dem Jahre 1878 wiederum dessen beide Söhne, Hans und Horst Edler von Querfurth, das Werk käuflich übernahmen. Unter der fachkundigen Leitung dieser Besitzer hat sich das Werk ganz bedeutend vergrößert und ist heute eines der größten und renommiertesten Werke des sächsischen Staates. Als spezielle Branchen dieses Werkes sind die Fabrikation schmiedbaren Eisengusses, Stahlfaçon- und schweißbaren Gusses, die Herstellung von Graugußteilen und eisernen Öfen, von Roststäben aus feuerfestem Eisen, ferner emaillierter Eisenwaren zu nennen; zur Fertigstellung besonderer Artikel hat das Werk Schlosserei, Maschinenwerkstatt, Galvanisieranstalt, Verzinnerei und Verzinkerei. Im Betriebe sind 5 Cupolöfen, 14 Tiegelschmelzöfen, 1 Patent-Tiegelschmelzofen, 10 Temperöfen, 2 Patent-Temperöfen mit kontinuierlichem Betriebe, 1 Emailleschmelzofen, 1 Emailletrockenofen, 3 Emaille-Muffelöfen, 1 Verzinnungs- und 1 Verzinkungsofen. Als Betriebskraft dient Wasser und sind 3 Räder mit je 120 Pferdekräften im Gange.
Die Belegschaft beträgt z. Zt. 463 Arbeiter und Beamte, und zählt das Werk ganz Europa zu seinem Absatzgebiete für seine nach jeder Richtung hin als vorzüglich anerkannten Fabrikate.