Brasilianische Benefizvorstellungen
[52] Brasilianische Benefizvorstellungen. In Deutschland geben gefeierte
Künstler und Künstlerinnen öfters Benefizvorstellungen zu wohlthätigen
Zwecken, z. B. zum Besten der Choristen und Choristinnen; sie erhalten
dafür Applause und Kränze und die Anerkennung der Presse. Jenseit
des Oceans wird dies Alles viel wirksamer inscenirt: die Erfüllung des
schönen Zwecks wird dem Publikum selbst vor Augen geführt und der
Jubel der dankbaren Menge kennt keine Grenzen. Freilich handelt es
sich da nicht um die „weißen Sklaven“, wie sie Hackländer in seinem
bekannten Roman geschildert hat, denen ein Brocken vom Tische der
reichen Gastgeber und Gastspieler zufällt, sondern um naturwüchsige
schwarze Sklaven, welche zwar nicht vor dem Publikum weißgewaschen,
deren Ketten aber von graziösen Künstlerinnen gelöst werden. So haben
in Rio Janeiro zwei Sängerinnen den Ertrag ihrer Benefizvorstellungen
zum Loskauf von Sklaven verwendet: eine Russin, Nerina Lulisloff, und
eine Operettensängerin Preciosi. Die erste gab die „Aïda“ zu ihrem
Benefize und kaufte mit dem Ertrag der Vorstellung fünf Negersklaven
los. Diese erschienen am Schluß auf der Bühne, und die Sängerin übergab
ihnen die Karten, welche ihre Freiheit verbürgten. Natürlich war
der Enthusiasmus der Zuschauer ganz maßlos. Fräulein Preciosi verwandte
den Ertrag der „Fatinitza“ zu dem gleichen Zweck; doch reichte
derselbe nur für zwei Negersklaven aus, die als freie Männer das Podium
verließen. Um diesen glänzenden Effekt werden edelmüthige deutsche
Künstlerinnen jedenfalls ihre Kolleginnen im Lande der Feuerkäfer und
Riesenschmetterlinge beneiden. †