Brücke und Castell von Sanct Angelo, der Vatikan und die Peterskirche in Rom

IV. Ansicht von Rom Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band (1833) von Joseph Meyer
V. Brücke und Castell von Sanct Angelo, der Vatikan und die Peterskirche in Rom
VI. Marienbad
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ROM
Brücke u. Castell von St. Angelo, Peterskirche u. Vatican

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V. Brücke und Castell von Sanct Angelo, der Vatikan und die Peterskirche in Rom.




Das vorhergehende Bild zeigt Rom als Fernsicht. Dieses versetzt den Betrachtenden mitten in die Weltstadt auf die der Tiber trübe Gewässer in fünf Bögen überspannende Brücke von Sankt Angelo.

Sie ist ein Werk römischer Vorzeit. Kaiser Hadrian, dessen Namen sie auch führte, ließ sie erbauen. Vor vierhundert Jahren stürzte ein Theil derselben ein und begrub 170 Menschen unter den Trümmern. Pabst Nicolaus V. erneuerte sie. Später verzierte sie Klemens IX. mit einer Ballustrade und den beflügelten Engelstatuen, nach welchen sie ihre jetzige Benennung erhalten hat.

Von dieser Brücke aus hat man eine höchst malerische Ansicht einiger der schönsten und colossalsten Bauwerke Roms. Rechts, in geringer Entfernung, erhebt sich die Engelsburg, (CASTELLO DI SAN ANGELO,) einst Hadrians berühmtes Mausoleum. Dieses Grabmal, das prachtvollste der Erde, hatte die Gestalt einer Rotunda. Seine Base ist ein, aus ungeheuern Granitblöcken zusammengesetzter, gleichseitiger Würfel, sechzig Fuß hoch und 280 Fuß lang an jeder Seite. Der runde noch vorhandene Haupttheil des Gebäudes mißt 640 Fuß im Umfang. Die Mauern waren von Innen und Außen mit orientalischem Marmor bekleidet und mit einem Kranze von majestätischen, vierzig Fuß hohen Säulen aus gleich köstlichem Gestein umgeben. Ueber diesen erhob sich wahrscheinlich ein zweites, später zertrümmertes Stockwerk ähnlicher Form und auf demselben ruhete eine runde, treppenartige Pyramide, jede ihrer Terrassen umsäumt mit den herrlichsten Bildwerken griechischer und römischer Kunst. Von der Spitze ragte zu den Wolken das colossale Standbild des Kaisers, dessen Asche tief unter ihr ein prachtvoller Sarkophag einschloß. Alle diese Herrlichkeiten sind längst verschwunden; die Verwüstungen der Barbaren, der Zeit und der Flammen haben nichts übrig gelassen, als das Mauerwerk, das der Ewigkeit zu trotzen gebaut scheint. Die erste Zerstörung des Prachtbaus fällt in die Zeit der Belagerung Roms durch die Gothen im Jahre 537. Das Mausoleum machte seine Lage, seine Gestalt und seine Bauart zu einem der besten Vertheidigungspunkte im Innern Roms, und in den Schreckenstagen der Erstürmung der Hauptstadt der Welt durch die Barbaren war es, daß die Römer von den Zinnen und Terrassen des Kaisergrabmals, die Bildsäulen auf ihre anstürmenden [14] Würger schleudernd und die colossalen Säulen von ihren Fußgestellen auf sie herabstürzend, die letzte, verzweifelte Gegenwehr leisteten. Theodorich, der siegenden Gothen König, verwandelte das Mausoleum in seine Burg – und Jahrhunderte hindurch hieß es das Haus des Theodorich. Die Päbste benutzten es nach ihm stets als Veste, oft zur Vertheidigung gegen äußere Feinde, öfter noch gegen die aufrührischen römischen Bürger.

Alexander VI. ließ die bombenfesten Gewölbe von dem Schutt und den Trümmern des Oberbaues säubern und errichtete auf ihnen die jetzt noch stehenden Backstein-Gebäude – Casernen, Magazine und Gefängnisse. Urban VII. versah endlich die Engelsburg mit Bastionen und Wällen und gab ihr die jetzige Gestalt. So ward aus dem herrlichen Kaisergrab der alten Roma für das neue Zwingburg und Staatsgefängniß.

Tiefer im Hintergrunde des Bildes erhebt sich hoch über die Häusermasse, von einem Hügel ein ungeheuer großes, aber in der Totalansicht nicht schönes Gebäude; es ist der Vatikan, die Wohnung des christlichen Oberhirten. – Die ersten Anfänge dieses Riesenbaus verlieren sich in das graueste Alterthum: sie gehören wahrscheinlich den Zeiten Constantins des Großen an. Karl der Große hatte hier einen Pallast, der dem Vatikan eingebaut wurde. Mehr als 60 Päbste erweiterten den Vatikan durch Fortbau und verschönerten ihn durch die herrlichsten Werke der bildenden Kunst. Die Unermeßlichkeit des Gebäudes wird den Leser in Erstaunen setzen, wenn er hört, daß DE LA LANDE die Anzahl der in ihm enthaltenen Zimmer und Gemächer zu 11,246 angiebt, BONNINI sie sogar zu mehr als 13,000 anschlägt.

Der Vatikan ist seit Jahrhunderten die Schatzkammer der Kunst – und so groß ist ihr Reichthum, daß der aller Museen und Sammlungen der Erde ihn nicht aufwiegt. Wer hat nicht gehört von den Logen und Stanzen Raphael’s; von der Sixtinischen Capelle, deren Wände der Genius Michael Angelo’s heiligte; von den zahllosen Bildwerken in Marmor und Erz, welche, dem Schutt der alten Roma entgraben als ewige Zeugen ihrer Herrlichkeit und des Kunstsinns ihrer Beherrscher und Bürger des Vatikans unabsehbare Gallerien und Hallen füllen? Wir werden es später näher betrachten, dieses Allerheiligste der Künste. – Nicht fern vom Vatikan wölbt sich die Peterskirche, der prächtigste Christentempel der Erde, aus dem Häusergewühle hervor – gebaut auf den Grundvesten des Neronischen Circus über der heiligen Stelle, auf welcher Petrus, der Apostel den Märtyrertod litt. Auch diesem hohen Gegenstande widmen wir später eine eigene Platte und besondere Darstellung.