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Würger schleudernd und die colossalen Säulen von ihren Fußgestellen auf sie herabstürzend, die letzte, verzweifelte Gegenwehr leisteten. Theodorich, der siegenden Gothen König, verwandelte das Mausoleum in seine Burg – und Jahrhunderte hindurch hieß es das Haus des Theodorich. Die Päbste benutzten es nach ihm stets als Veste, oft zur Vertheidigung gegen äußere Feinde, öfter noch gegen die aufrührischen römischen Bürger.

Alexander VI. ließ die bombenfesten Gewölbe von dem Schutt und den Trümmern des Oberbaues säubern und errichtete auf ihnen die jetzt noch stehenden Backstein-Gebäude – Casernen, Magazine und Gefängnisse. Urban VII. versah endlich die Engelsburg mit Bastionen und Wällen und gab ihr die jetzige Gestalt. So ward aus dem herrlichen Kaisergrab der alten Roma für das neue Zwingburg und Staatsgefängniß.

Tiefer im Hintergrunde des Bildes erhebt sich hoch über die Häusermasse, von einem Hügel ein ungeheuer großes, aber in der Totalansicht nicht schönes Gebäude; es ist der Vatikan, die Wohnung des christlichen Oberhirten. – Die ersten Anfänge dieses Riesenbaus verlieren sich in das graueste Alterthum: sie gehören wahrscheinlich den Zeiten Constantins des Großen an. Karl der Große hatte hier einen Pallast, der dem Vatikan eingebaut wurde. Mehr als 60 Päbste erweiterten den Vatikan durch Fortbau und verschönerten ihn durch die herrlichsten Werke der bildenden Kunst. Die Unermeßlichkeit des Gebäudes wird den Leser in Erstaunen setzen, wenn er hört, daß DE LA LANDE die Anzahl der in ihm enthaltenen Zimmer und Gemächer zu 11,246 angiebt, BONNINI sie sogar zu mehr als 13,000 anschlägt.

Der Vatikan ist seit Jahrhunderten die Schatzkammer der Kunst – und so groß ist ihr Reichthum, daß der aller Museen und Sammlungen der Erde ihn nicht aufwiegt. Wer hat nicht gehört von den Logen und Stanzen Raphael’s; von der Sixtinischen Capelle, deren Wände der Genius Michael Angelo’s heiligte; von den zahllosen Bildwerken in Marmor und Erz, welche, dem Schutt der alten Roma entgraben als ewige Zeugen ihrer Herrlichkeit und des Kunstsinns ihrer Beherrscher und Bürger des Vatikans unabsehbare Gallerien und Hallen füllen? Wir werden es später näher betrachten, dieses Allerheiligste der Künste. – Nicht fern vom Vatikan wölbt sich die Peterskirche, der prächtigste Christentempel der Erde, aus dem Häusergewühle hervor – gebaut auf den Grundvesten des Neronischen Circus über der heiligen Stelle, auf welcher Petrus, der Apostel den Märtyrertod litt. Auch diesem hohen Gegenstande widmen wir später eine eigene Platte und besondere Darstellung.