Textdaten
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Titel: Blumen-Gerüche
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aus: Die Gartenlaube, Heft 40, S. 538
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1855
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[538] Blumen-Gerüche. Man schätzt und liebt Blumen nach Gestalt, Färbung und Geruch. Letzterer ist jedenfalls ihre schönste, ätherischste, lieblichste Tugend. Was ist ihr Geruch? Ihre Seele, die sie für uns aushauchen? Die Naturwissenschaft ist nicht so poetisch und weis’t gewöhnlich als Quelle des Geruchs ein ätherisches, flüchtiges Oel nach, das sich künstlich verdichten und mischen und in wohlriechenden Wassern und Spirituosen die kostbarsten Namen geben läßt. Manche Blumengerüche sind freilich so geisterhaft, daß sie sich bis jetzt auf keine Weise einfangen lassen. Hier ist wohl die Vermuthung gestattet, daß die Gerüche von Blumen und Gerüchen überhaupt nicht wesentlich durch wirkliche Ausdünstung flüchtiger Oele entstehen, sonst müßte doch z. B. ein Gran Moschus, der ein ganzes Jahr lang geduftet und somit viele Millionen materieller Theilchen verloren hätte, auf einer empfindlichen Waage etwas leichter befunden werden; aber ein Gran bleibt auch nach zehn Jahren ein Gran. Somit erscheint es nicht gewagt, zu vermuthen, daß Blumen und starkriechende Substanzen überhaupt dadurch Gerüche verbreiten, daß sie chemische Processe in der umgebenden Luft anregen, wodurch sich aus der Substanz der Luft selbst organische Atome bilden, welche wir riechen.

Man unterscheidet dauernde, flüchtige und wechselnde (periodische) Blumengerüche. Erstere rühren von Substanzen her, die in dem Gewebe des Stammes, des Holzes, der Rinde concentrirt eingeschlossen sind. Insofern ist vielleicht keine einzige vegetabilische Substanz gänzlich ohne Geruch, nur daß er in vielen Fällen für unsere Nasen, die zum Theil „starken Tobak“ verlangen, zu fein ist. Jede Art Holz hat ihren eigenthümlichen, dauernden Geruch, der durch Reibung oder Erhitzung auch bei sonst geruchlosen Hölzern riechbar wird. Unter den wohlriechenden Hölzern werden besonders Rosenholz von Teneriffa, Ceder- und Sandal-Holz geschätzt. Letzteres giebt den Wohnungen der Reichen im östlichen Asien den dauerndsten, lieblichen Geruch der Vornehmheit, da ihre daraus gefertigten Meubles die Zimmer ununterbrochen parfumiren. Aus leichterem Holze (Cassia-, Cinnamon etc.) verfliegt der Duft bald, nachdem es geschnitten ist.

Flüchtige Gerüche athmen aus Blättern und Blumen, deren Organe nach allen Seiten offen, stets empfangen und ausgeben, doch nicht immer in gleicher Fülle. Während drückender Hitze des Mittags duften die meisten Blumen am Schwächsten. Senkt sich die Sonne und erlaubt den Ausdünstungen als Thau niederzusteigen, füllt sich der Blumengarten am Reichsten mit dem seelenhaften Aroma seiner zarten Kinder. Die Gerüche sammeln sich während der Nacht, um der aufgehenden Sonne in aller Frische des Morgens entgegenzufliegen. Auch deshalb ist der goldene Morgen im Garten so schön, nicht blos, weil wir ausgeschlafen haben, obgleich auch dies natürlich nicht zu verachten ist. Der Sommerregen hat eine ähnliche Wirkung, wie die Nacht. Man vermuthet als Grund dieses Steigens und Fallens der Gerüche, daß die direkten Sonnenstrahlen zu viel Säfte verdampfen, und daher die Fabrikation der ätherischen Oele in den Blumen schwächen, Abend und Nacht aber wieder mehr Atome und Feuchtigkeit als Rostoff für die Eau de Cologne-Fabriken in den Blumenkelchen gewähren. Freilich Licht und Wärme ist auch nothwendig dazu, so daß unter langem Regen und langer Bewölkung die Gerüche abnehmen oder ganz erschöpft werden. Wechselnde, periodische Gerüche steigen blos zu gewissen Zeiten aus manchen Blumen und Pflanzen, z. B. vielen Orchideen, die am Tage ganz geruchlos, des Nachts manchmal bis zur Unerträglichkeit duften. Die Cacalia septentrionalis duftet blos in dem direkten Sonnenstrahl. Ein bloser Papierschirm tödtet sofort ihre Fähigkeit des Duftens. Eine Art Cereus schießt alle halbe Stunden ihre kleinen mit Aroma geladenen Kanonen ab, mit einem lebhafteren Feuer während des Aufblühens. Die Werkstätten und Fabrikationsweise der Gerüche in den Blumen sind, meines Wissens, noch unbekannt. Man hat noch keine besondern Organe dafür gefunden. Diese poetische Industrie der blumen ist so fein, daß sie sich selbst noch unter den mächtigsten Gläsern als unsichtbar versteckt. Einige Botaniker haben angefangen, bestimmte Beziehungen zwischen Geruch und Farbe zu entdecken. Weiße Blumen riechen in der Regel am Stärksten und Angenehmsten, gelbe und braune am Schlechtesten u. s. w. Doch ist dieses Gebiet der Botanik ein noch sehr offenes, das erst erwartet, mit Forschung und Wissenschaft gefüllt zu werden.