Billiges Fleisch aus überseeischen Ländern

Textdaten
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Autor: C. St.
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Titel: Billiges Fleisch aus überseeischen Ländern
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aus: Die Gartenlaube, Heft 28, S. 480
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1876
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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[480] Billiges Fleisch aus überseeischen Ländern. Die alte, durch Liebig’s Fleischextract doch nur sehr unzureichend gelöste Aufgabe, die unermeßlichen Viehweiden Südamerikas und Australiens für das bedürftige Europa nutzbar zu machen, ist gegenwärtig von drei verschiedenen Richtungen her in erfolgreichen Angriff genommen. Der eine Lösungsversuch des Problems, frisches Fleisch unverdorben über den Ocean zu bringen, gründet sich auf die von der neueren Physik geschaffene Möglichkeit, ohne großen Kostenaufwand dauernde Frosttemperatur in allen mit Fleisch beladenen Räumen eines Transportschiffes erhalten zu können. Es ist hier zuvörderst zu bemerken, daß Verpackung des Fleisches in Eis den beabsichtigten Zweck nicht erfüllt; erst vor Jahr und Tag verdarb eine ganze Schiffslast in Eis verpackten australischen Fleisches, ehe sie den Ort ihrer Bestimmung erreichte. Es ist eben trockene und stärkere Kälte nöthig, als schmelzendes Eis gewähren kann. Der Wunsch, das während der Belagerung von Paris öfter im Ueberfluß vorhandene Pferdefleisch für längere Zeit vor dem Verderben zu bewahren, führte damals den Physiker Tellier dazu, Kältekammern einzurichten, in denen die Temperatur durch zweckmäßige Verdampfung von Methyläther beständig mehrere Grade unter Null erhalten wird. Da dieselben sich sehr gut bewährten, um Fleisch ohne irgend welche Präparation mehrere Monate frisch zu erhalten, so hat er neuerdings nach seiner Methode ein großes Dampfschiff von neunhundert Tonnen zu einem Frostmagazin (Frigorifique) umgestaltet, welches inzwischen wohl seine Probefahrt angetreten haben wird und gleichzeitig bestimmt ist, kühl zu haltende Delicatessen der alten Welt (Biere, Weine, Gemüse, Obstarten etc.) über den Aequator zu schaffen. – Aehnliche bauliche Einrichtungen würde ein Fleischerhaltungsverfahren beanspruchen, welches die Pariser Physiker Paul Bert und Alvaro Reynoso im vergangenen Jahre entdeckt und zuerst probirt haben, und welches darin besteht, das frische Fleisch unter einem sehr erhöheten Luftdrucke in gasdichte Behälter einzuschließen. Die Genannten haben nämlich gefunden, daß in verdichteten Gasen aller Art die Fäulniß vollkommen unterbleibt, und ein Rinderviertel, welches am 20. September vorigen Jahres in einen derartigen Behälter eingeschlossen worden war, wurde am 27. März dieses Jahres so wohlerhalten daraus hervorgezogen, daß es ohne Beanstandung als frisches Fleisch hätte verkauft werden können. Das Fleisch scheint in der verdichteten Luft sogar „den Weg alles Fleisches“ halb und halb zu vergessen, denn nachdem es eine Weile in dem Behälter zugebracht, widersteht es, herausgenommen, auffallend lange dem Verderben. Man sollte denken, daß es nicht schwer sein könnte, aus Metall umfangreiche luftdichte Räume für den Transport größerer Lasten herzustellen, und daß ein solches Verfahren vortheilhafter sein müßte, als beständige Abkühlung. – Am schnellsten hat sich die Praxis eines dritten Verfahrens bemächtigt, welches auf der fäulnißwidrigen Kraft der borsauren Salze beruht und erst im vorigen Jahre von dem Chemiker A. Herzen in Florenz bekannt gemacht worden ist. Derselbe fand nämlich, daß Fleischstücke, die man ohne besondere Vorsichtsmaßregeln in eine saure Boraxlösung eingelegt hatte, nachdem sie zwei tropische Seereisen mitgemacht, nach dem Abwaschen und Kochen oder Braten eine prächtige, gesunde Speise lieferten. Es hat sich sogleich eine Gesellschaft gebildet, die aus Südamerika so präparirtes Fleisch nach Frankreich und Belgien einführt und bereits einen wohlerhaltenen Transport erhalten hat. Man läßt das Fleisch der frischgeschlachteten und geviertheilten Thiere in Buenos-Ayres 24 bis 36 Stunden lang in einer Auflösung von 8 Theilen Borax, 2 Theilen Borsäure, 3 Theilen Salpeter und 1 Theile Kochsalz in 86 Theilen Wasser liegen und packt es dann in Fässer. Der Salpeter- und Salzzusatz hat sich zur Erhaltung der rothen Farbe günstig erwiesen, doch ist natürlich von keiner Pökelung die Rede. Vor der Zubereitung wird es gut gewässert, um die übrigens fast geschmacklose und unschädliche Boraxmischung zu entfernen, und im Uebrigen wie frisches Fleisch behandelt. Für beide Erdtheile dürfte damit ein bedeutsamer nationalökonomischer Fortschritt angebahnt sein, für den einen durch Verwerthung eines bisher fast werthlosen Naturproductes, für den andern durch billige Beschaffung des werthvollsten Nahrungsmittels.C. St.